Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung aus der Alterssicherung der Landwirte
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1955 geborene Kläger ist Landwirt. Er beantragte am 7. November 2003, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren,
und gab dabei an, die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens erfolge nach Feststellung der Erwerbsminderung. Die Beklagte
lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. Februar 2004 nach Einholung ärztlicher Befundberichte und eines ärztlichen Gutachtens
ab, da der Kläger nicht erwerbsgemindert sei. Seinen hiergegen fristgerecht eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit
am 16. September 2004 zur Post aufgegebenem Widerspruchsbescheid vom 14. September 2004 mangels Erwerbsminderung und Abgabe
des landwirtschaftlichen Unternehmens zurück.
Die vom Kläger hiergegen am 15. Oktober 2004 fristgerecht erhobene Klage hat das Sozialgericht Karlsruhe mit Urteil vom 2.
Mai 2005 abgewiesen, da der Kläger mangels Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens keine Erwerbsminderungsrente beanspruchen
könne und die hilfsweise erhobene Klage auf Feststellung der Erwerbsminderung unzulässig sei.
Gegen das ihm am 10. Mai 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger fristgerecht am 7. Juni 2005 Berufung eingelegt. Er ist der
Ansicht, dass zumindest eine Feststellungsklage zulässig sei und beruft sich zur Frage der Erwerbsminderung auf im Verwaltungs-
und im Gerichtsverfahren vorgelegte ärztliche Atteste.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. Mai 2005 und den Bescheid vom 6. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14. September 2004 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung
unter der Bedingung der Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft zu gewähren,
hilfsweise festzustellen, dass er voll bzw. teilweise erwerbsgemindert ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht ein Feststellungsinteresse des Klägers für gegeben an, verweist aber hinsichtlich des Vorliegens von Erwerbsminderung
auf ihre Ermittlungen im Verwaltungsverfahren.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die
Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Über die gemäß §§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Berufung des Klägers entscheidet der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch
Urteil (§
153 Abs.
1, §
124 Abs.
2 SGG).
Die Berufung ist nicht begründet. Die vom Kläger erhobene Klage ist nicht zulässig.
Landwirte haben nach § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert nach §
43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) sind, sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur landwirtschaftlichen
Alterskasse gezahlt haben, sie vor Eintritt der Erwerbsminderung die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt haben und das Unternehmen
der Landwirtschaft abgegeben ist. Sie haben nach § 13 Abs. 1 Satz 2 ALG Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert nach §
43 SGB VI sind und die sonstigen Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt sind. Voll erwerbsgemindert ist nach § 13 Abs. 1 Satz 3 ALG nicht, wer Landwirt nach § 1 Abs. 3 ALG ist. Die näheren Voraussetzungen der Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft regelt § 21 ALG.
Hieran gemessen besteht ein Rentenanspruch des Klägers nicht, denn dieser hat das Unternehmen der Landwirtschaft noch nicht
abgegeben. Die unbeschränkte Verurteilung der Beklagten zur Rentengewährung verlangt der Kläger auch nicht.
Sein Begehren richtet sich in erster Linie auf die Verurteilung zur Gewährung der Rente unter der Bedingung der Abgabe des
landwirtschaftlichen Unternehmens. Diese Klage ist unzulässig. Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) die Verurteilung zur
Gewährung einer Rente unter der aufschiebenden Bedingung der Nachentrichtung von Beiträgen für statthaft gehalten (BSG, Urteil
vom 12. Juli 1990 - 4 RA 47/89 - SozR 3-1500 § 54 Nr. 3 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 22. November 1988 - 5/4a RJ 79/87 -SozR 5750 Art 2 § 6 Nr. 4). Wie aus den Entscheidungsgründen ersichtlich, war jedoch ein wesentlicher Grund hierfür die
Besonderheit, dass ein laufendes Rentenverfahren dem Ablauf der Frist zur wirksamen Beitragsentrichtung entgegengehalten werden
kann (vgl. §
198 SGB VI). Eine vergleichbare Besonderheit existiert im vorliegenden Fall nicht. Somit bleibt es bei dem vom BSG im Urteil vom 12.
Juli 1990 gleichfalls zitierten Grundsatz, dass eine bedingte Beurteilung nur in Frage kommt, wenn der Anspruch im Zeitpunkt
der gerichtlichen Entscheidung in seinem Bestand gewiss ist und nicht nur eine bloße Aussicht hierauf besteht.
Im Fall der Entscheidung über einen Rentenanspruch nach § 13 ALG vor Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft ist der Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ungewiss.
Denn allein aus der - wie hier erfolgten - Erklärung im Rentenantrag, die Abgabe des Unternehmens erfolge nach Feststellung
der Erwerbsminderung, kann weder der Rentenversicherungsträger die Abgabe beanspruchen, noch besteht mehr als eine vage Aussicht,
dass der Rentenantragsteller seinem im Rentenantrag dokumentierten Ansinnen später auch tatsächlich nachkommt. Der Landwirt
wird seine Entscheidung letztlich im Wesentlichen von wirtschaftlichen Überlegungen abhängig machen, denn allein sein körperlicher
und/oder geistiger Zustand hat ihn bisher nicht dazu veranlasst, die Landwirtschaft aufzugeben, auch wenn deren Betreiben
(aus seiner Sicht) auf Kosten der Gesundheit erfolgt ist. Ob sich der Gesundheitszustand im Laufe des Rentenverfahrens verschlimmert
und dem Rentenantragsteller damit eine Fortführung des landwirtschaftlichen Unternehmens unter allen Umständen unmöglich wird,
ist unklar. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und deren Bewertung durch den Rentenantragsteller können jedoch wandelbar
sein.
Eine solche bedingte Verurteilung zur Rentengewährung bei Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens ist auch deswegen nicht
möglich, weil sich bis zu der - in der freien Entscheidung des Klägers stehenden, daher auch zeitlich völlig unklaren - Aufgabe
des Betriebs die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen der Gewährung einer Rente nach § 13 ALG ändern können. Damit bleibt aber der Umfang der (materiellen) Rechtskraft des Urteils unklar, denn diese setzt voraus, dass
sich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nach der letzten mündlichen Verhandlung nicht geändert haben (Meyer-Ladewig
in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl. 2005, §
141 Rdnr. 9). Im Fall der Erwerbsminderungsrente, bei der der Gesundheitszustand des Rentenantragstellers ungeklärt ist, ist
aber insbesondere an eine Besserung dieses Gesundheitszustands zu denken, der die bisherige Bewertung obsolet machen könnte.
Hierbei ist auch von Bedeutung, dass die Abgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens in der Regel ein schwierigeres, auch
zeitlich umfangreicheres Unterfangen als die Nachentrichtung von Beiträgen ist. Bei letzterem besteht die Unsicherheit in
weit geringerem Umfang, ob und wann der (immerhin schon vor Gericht um seine Rente kämpfende Rentenantragsteller) den letzten,
notwendigen Schritt unternimmt, damit der Rentenanspruch zur Entstehung gelangt.
Lediglich am Rande ist zu erwähnen, dass die Anspruchsvoraussetzung der Abgabe des Unternehmens in Wechselwirkung zum Ausmaß
der Erwerbsminderung stehen kann. So regelt § 21 Abs. 9 ALG den Fall der Abgabe an den Ehegatten und verlangt - u.a. - dann eine volle Erwerbesminderung des Landwirts. Eine teilweise
Erwerbsminderung würde für den Rentenanspruch nicht genügen.
Auch eine vom Kläger nicht beantragte Feststellung, dass die Beklagte zur Gewährung der Rente nach Abgabe des landwirtschaftlichen
Unternehmens verpflichtet ist, wäre unzulässig. Statthaft wäre die Klage nach der hier allein in Frage kommenden Variante
des §
55 Abs.
1 SGG nur, wenn die gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses (Nr. 1) begehrt würde. Als Rechtsverhältnis,
dessen gerichtliche Feststellung begehrt werden kann, hat das BSG dabei auch einen künftigen Rentenanspruch angesehen, bei
dem bereits alle für die streitige Rechtsbeziehung erheblichen Tatsachen vorliegen und nur noch der Eintritt einer aufschiebenden
Bedingung oder Befristung aussteht (BSG, Urteil vom 25. November 1998 - B 6 KA 75/97 R - SozR 3-2500 § 116 Nr. 17; Urteil vom 29. Januar 2004 - B 4 RA 29/03 R - SozR 4-2600 § 46 Nr. 1). Gleichfalls ist eine solche Feststellung für den Anspruch auf Gewährung einer Zahnprothese bejaht
worden, wenn sich der Versicherte noch nicht auf eigene Kosten Implantate hat einsetzen lassen (BSG, Urteil vom 19. Juni 2001
- 1 KR 4/00 R - SozR 3-2500 § 28 Nr. 5). Das zugrunde liegende Rechtsverhältnis muss dabei aber hinreichend bestimmbar und
überschaubar vorliegen (BSG, Urteil vom 29. Januar 2004, aaO.). Das ist im Fall der noch nicht erfolgten Abgabe des landwirtschaftlichen
Unternehmens, wie ausgeführt, nicht der Fall.
Der Ansicht von Köbl im Handbuch des Sozialversicherungsrechts (Band 3, 1999, § 24 Rn. 26), die zur Frage der Aufgabe der
selbstständigen Tätigkeit nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung mit Hinweis auf das Urteil des BSG vom 18. März 1982 - 11 RA 26/81 - SozR 2200 § 1246 Nr. 89 - die gerichtliche Feststellung des bedingten Rentenanspruchs für zulässig hält, folgt der Senat
aus den genannten Gründen nicht.
Soweit in der Entscheidung vom 29. Januar 2004 aaO. die Klärung des aktuellen Inhalts eines Versicherungsverhältnisses/einer
Rentenanwartschaft (hinsichtlich möglicher zukünftiger Ansprüche) im Wege der Feststellungsklage für möglich angesehen worden
ist, kann dies auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragen werden, denn dass dem Rentenantragsteller im Fall der
Erwerbsminderung, der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens
ein Rentenanspruch zusteht, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
Die hilfsweise begehrte Feststellung, dass Erwerbsminderung vorliegt, ist gleichfalls nicht statthaft. Die Erwerbsminderung
stellt kein Rechtsverhältnis im Sinne des §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG dar, sondern lediglich ein einzelnes Element eines Anspruchs, und ist daher der gerichtlichen Feststellung entzogen (Keller
in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., § 55 Rdnr. 9). Soweit die sogenannte Elementenfeststellungsklage ausnahmsweise für
zulässig erachtet worden ist, wenn dadurch der Streit zwischen den Beteiligten im Ganzen bereinigt wird (BSG, Urteil vom 29.
Juli 1970 - 7 RAr 44/68 - SozR Nr. 2 zu § 37 AVAG; offen gelassen von BSG, Urteil vom 24. Oktober 1996 - 4 RA 108/95 - SozR 3-2600 §
58 Nr. 9; ablehnend Ulmer in: Hennig,
SGG, §
55 Rdnr. 54), scheidet dies aus, wenn - wie hier mit der Erwerbsminderung - über eine dem Beweis zugängliche Tatfrage gestritten
wird (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 1995 - 5 RJ 20/94 - SozR 3-2600 § 149 Nr. 3 zum Geburtsdatum). Der Senat folgt damit auch nicht dem von der Beklagten vorgelegten Urteil des
Bayer. LSG vom 10. September 1987 - L 4 Lw 19/86 - Breithaupt 1988, 255, in welchem die Feststellung des Vorliegens von Erwerbsminderung vor erfolgter Abgabe für zulässig
erachtet worden ist.
Ob der Rentenantragsteller vom Rentenversicherungsträger eine Zusicherung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) des Inhalts, man werde im Fall der Abgabe des Unternehmens die begehrte Rente gewähren, beanspruchen kann (bejahend Gesamtverband
der Landwirtschaftlichen Alterskassen im Rundschreiben vom 11. September 1989, AH 18/89 a.E., vgl. Bl. 15 ff. der LSG-Akte)
und ob dies im Falle der Verweigerung der Gewährung der Zusicherung gerichtlich eingeklagt werden kann (vgl. Urteil des BSG
vom 18. März 1982, aaO.; Urteil vom 29. Januar 2004, aaO.), lässt der Senat hier offen, obwohl der Senat diesen Lösungsansatz
in Anbetracht des Interesses des Klägers an einer Klärung eines Leistungsanspruches im Falle der Unternehmensaufgabe bevorzugen
würde. Der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren solches nicht beantragt. Ein solcher Antrag wäre auch unzulässig, da dem
Kläger mangels Durchführung des entsprechenden Verwaltungsverfahrens das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Denn weder beantragte
der Kläger eine solche Zusicherung bei der Beklagten, noch entschied die Beklagte hierüber im Bescheid vom 6. Februar 2004.
Sie lehnte vielmehr die Gewährung einer Rente ab, auch im Hinblick auf die fehlende Abgabe des Unternehmens (so im Widerspruchsbescheid).
Bei dieser Sachlage ist die Berufung zurückzuweisen. Von weiteren medizinischen Ermittlungen zur Frage der Erwerbsminderung
des Klägers hat der Senat daher absehen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zuzulassen.