LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.2016 - 5 KR 2070/15
Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze; Keine Beendigung
der Versicherungspflicht bei Prognose entgeltgeminderter Zeiten im Folgejahr
Orientierungssätze:
Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung endet gemäß § 6 Abs. 4 SGB V nicht, wenn das Arbeitsentgelt des Versicherten die Jahresarbeitsentgeltgrenze zwar im aktuellen Kalenderjahr überschreitet
(§ 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V), aber bei Ablauf des Überschreitungsjahrs hinreichend sicher zu prognostizieren ist, dass es die für das folgende Kalenderjahr
geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze wegen entgeltgeminderter Zeiten nicht übersteigen wird (§ 6 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Das gilt insbesondere für Entgeltausfälle von Schwangeren bzw. Müttern infolge der Beschäftigungsverbote des Mutterschutzgesetzes. Das Arbeitsentgelt des auf das Überschreitungsjahr folgenden Kalenderjahres ist unter Berücksichtigung dieses Umstandes
zu schätzen.
Vorinstanzen: SG Stuttgart 16.04.2015 S 14 KR 2330/14
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.04.2015 aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten
vom 07.08.2013, 20.09.2013 und vom 21.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 sowie die Bescheide
der Beklagten vom 12.01.2015, 15.01.2015 und vom 17.04.2015 werden aufgehoben.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung freiwilliger Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit vom 02.07.2013 bis
02.05.2015.
Die 1982 geborene, mit einem (nicht versicherungspflichtigen) Beamten verheiratete Klägerin ist seit 2003 bei der L. B. beschäftigt.
Vom 25.11.2002 bis 31.12.2012 wurde sie von der Beklagten als versicherungspflichtiges Mitglied (Mitgliedschaft in der Krankenversicherung
der Beschäftigten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch <SGB> Fünftes Buch, SGB V) geführt. Im Jahr 2012 betrug das Bruttogehalt der Klägerin nach einem Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung
50.776,00 €. Zum 01.07.2012 wurde es auf 3.729,00 € monatlich erhöht (zzgl. vermögenswirksamer Leistungen von 480,00 € im
Jahr).
Nachdem das Monatsgehalt der Klägerin zum 01.07.2012 auf 3.729,00 € (brutto) erhöht worden war, teilte ihr die L. B. mit (nicht
in den Verwaltungsakten befindlichem) Schreiben vom 17.01.2013 mit, die für das Bestehen von Krankenversicherungspflicht maßgebliche
Jahresarbeitsentgeltgrenze werde im laufenden Kalenderjahr (2013) überschritten. Das ergebe die Berechnung auf der Grundlage
des Gehaltsanspruchs für Dezember 2012. Danach betrage das Bruttojahresarbeitsentgelt 44.748,00 € (3.729,00 € x 12) zzgl.
vermögenswirksamer Leistungen von 480,00 € (40,00 € x 12) und der 13. und 14. Sonderzahlung von 7.458,00 € (3.729,00 € x 2),
insgesamt also 52.686,00 €. Die Jahresarbeitsentgeltgrenze für 2012 und 2013 (50.850,00 € bzw. 52.200,00 €) werde daher überschritten.
Die L. B. meldete die Klägerin bei der Beklagten ab 01.01.2013 als versicherungsfreie Arbeitnehmerin an und führte Beiträge
weiterhin unmittelbar an diese ab.
Die Klägerin befand sich nach einer Bescheinigung der Frauenärztin L. vom 18.10.2012, die sie der L. B. vorgelegt hatte, seinerzeit
in der 11. Schwangerschaftswoche. Ab 22.03.2013 (letzter Arbeitstag 21.03.2013) befand sich die Klägerin im Mutterschutz mit
Bezug von Mutterschaftsleistungen (Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 1 Mutterschutzgesetz <MuSchG> bis 01.07.2013 i.H.v. 13,00 € kalendertäglich zzgl. eines Arbeitgeberzuschusses von 67,57 € bis 30.06.2013 und von
64,32 € am 01.07.2013) und nach der Geburt ihres Sohnes am 03.05.2013 ab 03.07.2013 bis 02.05.2015 in Elternzeit, deren Gewährung
sie von der L. B. unter dem 20.02.2013 verlangt hatte. Während der Elternzeit bezog sie Elterngeld (nach §§ 1 ff. Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz <BEEG>, regelmäßig 698,38 € monatlich). Sie war ab 22.03.2013 bis 02.05.2015 nicht berufstätig und hat Arbeitsentgelt (von
der L. B.) während dieser Zeit nicht bezogen. Seit 03.05.2015 ist die Klägerin bei der L. B. wieder voll berufstätig.
Mit Schreiben vom 11.07.2013 und vom 30.07.2013 forderte die Beklagte die Klägerin zur Vorlage einer Einkommenserklärung und
von Einkommensnachweisen auf. Mit Schreiben vom 23.07.2013 teilte sie ihr mit, sie sei seit 01.01.2013 freiwillig versichert,
da ihr Arbeitgeber sie als versicherungsfreie Arbeitnehmerin angemeldet habe.
Unter dem 05.08.2013 legte die Klägerin eine formularmäßige Einkommenserklärung vor (Angabe u.a. des Elterngeldes und der
Bezüge ihres Ehemannes).
Mit (auch im Namen der Pflegekasse ergangenem) Bescheid vom 07.08.2013 stufte die Beklagte die Klägerin in die Beitragsklasse
801 ein und setzte den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag für die Zeit vom 02.07.2013 bis 31.07.2013 auf
196,18 € bzw. 26,99 € (insgesamt 223,17 €) fest. Die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen betrügen (nach Maßgabe der
Einkommenserklärung vom 05.08.2013) 1.316,64 €.
Am 29.08.2013 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie trug vor, sie wende sich gegen die Feststellung, dass sie ab Juli 2013 freiwillig
versichert sei und begehre die Fortführung der Pflichtversicherung über den 01.07.2013 hinaus. Ihr Arbeitsentgelt habe die
Jahresarbeitsentgeltgrenze seit Aufnahme der Beschäftigung bei der L. B. im Jahr 2003 nicht überschritten. Das gelte auch
für das Jahr 2012, in dem ihr Arbeitsentgelt 50.766,00 € betragen habe. Hinsichtlich des Jahres 2013 sei voraussehbar gewesen,
dass sie infolge Schwangerschaft bzw. Mutterschaft mit Mutterschutz und anschließender Elternzeit nur von Januar bis März
arbeiten und Arbeitsentgelt erzielen werde. Nach der Elternzeit wolle sie in Teilzeit arbeiten, weshalb ihr Arbeitsentgelt
künftig unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegen werde. Die Elternzeit von 24 Monaten stelle eine kurzfristige Unterbrechung
des Arbeitsverhältnisses nicht dar. Während der Elternzeit müsse sie weiterhin als pflichtversichertes Mitglied geführt werden.
Mit Schreiben vom 11.09.2013 teilte die Beklagte der Klägerin (u.a.) mit, gemäß § 190 Abs. 3 SGB V (in der bis 31.07.2013 geltenden Fassung) hätte ihre Mitgliedschaft wegen Erlöschens der Versicherungspflicht infolge Überschreitens
der Jahresarbeitsentgeltgrenze zum 31.12.2012 nur dann enden können, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse
über die Austrittsmöglichkeit den Austritt erklärt hätte. Werde der Austritt nicht erklärt, setze sich die Mitgliedschaft
als freiwillige Mitgliedschaft fort. Den bislang unterbliebenen Hinweis auf die Austrittsmöglichkeit hole man hiermit nach.
Bei der Beitragsbemessung sei das Einkommen ihres Ehegatten mit einem Betrag von (nur) 1.316,64 € monatlich (zu niedrig) angesetzt
worden; dabei bleibe es aus Vertrauensschutzgründen bis zum 30.09.2013.
Eine Austrittserklärung gab die Klägerin in der Folgezeit nicht ab.
Mit (auch im Namen der Pflegekasse ergangenem) einen gleichartigen Bescheid vom 17.09.2013 ersetzendem Bescheid vom 20.09.2013
setzte die Beklagte den monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag der Klägerin ab 01.10.2013 auf 230,36 € bzw. 31,69
€ (insgesamt 262,05 €) fest. Die beitragspflichtigen Einnahmen (Bezüge des Ehemannes) betrügen 1.546,04 € monatlich. Mit weiterem
Bescheid vom 20.09.2013, der ebenfalls auch im Namen der Pflegekasse erging, wurde für August 2013 ein Gesamtbeitrag von 230,86
€ (Krankenversicherung 202,94 €, Pflegeversicherung 27,92 €) und für Juli 2013 (wie zuvor im Bescheid vom 07.08.2013) ein
Teilbeitrag von insgesamt 223,17 € festgesetzt. Mit Bescheiden vom 21.01.2014 wurde ab 01.12.2013 ein Gesamtbeitrag von 333,70
€ (Krankenversicherung 293,34 €, Pflegeversicherung 40,36 €; beitragspflichtige Einnahmen 1.968,75 €) und ab 01.01.2014 ein
Gesamtbeitrag von 278,05 € (Krankenversicherung 244,42 €, Pflegeversicherung 33,63 €; beitragspflichtige Einnahmen 1.640,41
€) festgesetzt.
Nachdem die Beklagte im Namen der Pflegekasse unter dem 20.02.2014 zugesichert hatte, eine bestandskräftige Entscheidung hinsichtlich
der Krankenversicherung auch für die Pflegeversicherung zu übernehmen, wies sie den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid
vom 12.03.2014 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Mitgliedschaft der Klägerin unterliege während der Elternzeit ab
02.07.2013 der Beitragspflicht. Sie müsse freiwillige Krankenversicherungsbeiträge wie folgt zahlen: 02.07.2013 bis 31.07.2013
196,18 €, 01.08.2013 bis 30.09.2013 monatlich 202,94 €, 01.10.2013 bis 30.11.2013 monatlich 230,36 €, 01.12.2013 bis 31.12.2013
293,34 €, ab 01.01.2014 monatlich 244,42 €. Gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bleibe die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger - beitragsfrei - erhalten, solange Elternzeit in Anspruch genommen werde.
Diese Vorschrift sei nach einer Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Gesundheit und den Spitzenverbänden der Krankenkassen
vom 11.03.1992 auch auf Personen anzuwenden, die - wie die Klägerin - wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze
versicherungsfrei seien. Beitragsfreiheit werde aber nur zugebilligt, wenn während des Erziehungsurlaubs oder der Elternzeit
Anspruch auf Familienversicherung bestehe. Bei der Klägerin sei das nicht der Fall, da ihr Ehemann nicht versicherungspflichtiger
Beamter sei. Freiwillig Versicherte, die mangels Mitgliedschaft des Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht
familienversichert sein könnten und die freiwillige Versicherung während der Elternzeit fortführten, seien wie alle anderen
freiwillig Versicherten zu behandeln (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 26.03.1998, - B 12 KR 45/06 R -, in [...]). Die Beitragspflicht freiwillig Versicherter während des Erziehungsurlaubs bzw. während der Elternzeit habe
auch der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 24.11.1992 (- 12 RK 44/92 -, in [...]) bestätigt (Beschluss vom 31.03.1995, - Pet 5-12-15-8272-071916 -). Die Einkommensprüfung habe ergeben, dass
das Arbeitsentgelt der Klägerin im Jahr 2012 die Jahresarbeitsentgeltgrenze (50.850,00 €) überschritten habe und dass das
auch im Jahr 2013 (Jahresarbeitsentgeltgrenze 52.200,00 €) der Fall sein werde; der Arbeitgeber der Klägerin habe dies im
Schreiben vom 22.07.2013 bestätigt. Daran ändere die Inanspruchnahme von Elternzeit ab 02.07.2013 nichts. Deswegen trete Krankenversicherungspflicht
nicht wieder ein, da hinsichtlich der Prüfung des Über- oder Unterschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze eine vorausschauende
und nicht eine rückschauende Betrachtungsweise maßgeblich sei. Der Versicherungsstatus richte sich nach dem Versicherungsverhältnis
bei Beginn der Elternzeit. Bestehe zu diesem Zeitpunkt Versicherungspflicht als Beschäftigter, bestehe zugleich Beitragsfreiheit.
Andernfalls bleibe es bei der (beitragspflichtigen) freiwilligen Versicherung auch während der Elternzeit. Die Beiträge der
Klägerin seien rechtsfehlerfrei unter Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehegatten festgesetzt worden.
Am (Montag, den) 14.04.2014 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie wiederholte und bekräftigte ihr bisheriges Vorbringen und trug ergänzend vor, sie werde von der L. B. bei der Berechnung
des Elterngeldes als Pflichtversicherte behandelt; die L. B. behalte von dem Elterngeld Beiträge ein, die zu den freiwilligen
Beiträgen hinzukämen. Anfang 2013 sei das die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschreitende Arbeitsentgelt für 2012 bekannt
gewesen und man habe daher nicht mehr von einer Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze im Jahr 2013 ausgehen können.
Das LSG Niedersachsen-Bremen habe in einem gleichgelagerten Sachverhalt zu Gunsten der Versicherten entschieden (Urteil vom
17.12.2008, - L 1 KR 143/07 -, in [...]). Sie habe der L. B. die Schwangerschaft im Oktober/November 2012 angezeigt und nur noch bis zum Beginn des Mutterschutzes
am 21.03.2012 gearbeitet. Das Arbeitsentgelt für 2013 sei nicht prognostisch an Hand des Arbeitsentgelts für 2012, sondern
unter Berücksichtigung der Schwangerschaft und ihrer Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis zu ermitteln. Es habe seinerzeit
festgestanden, dass sie nach der Geburt des Kindes in Elternzeit gehen und damit im Jahr 2013 nur während weniger Monate arbeiten
werde. Davon abgesehen dürfe die 14. Sonderzahlung für 2013 nicht berücksichtigt werden, da die 14. Sonderzahlung jeweils
nur nach entsprechendem Vorstandsbeschluss gezahlt werde, der im Januar 2013 noch nicht vorgelegen habe. Ohne die 14. Sonderzahlung
ergebe sich ein Arbeitsentgelt unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheids entgegen.
Mit (auch im Namen der Pflegekasse ergangenen) Bescheiden vom 12.01.2015 und 15.01.2015 setzte die Beklagte den monatlichen
Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag der Klägerin ab 01.01.2015 auf 252,25 € bzw. 39,78 € (insgesamt 292,03 €; beitragspflichtige
Einnahmen 1.692,90 €) bzw. auf 261,85 € bzw. 41,30 € (insgesamt 303,15 €; beitragspflichtige Einnahmen 1.757,35 €) fest. Für
die Zeit vom 01.03.2015 bis 02.05.2015 sind die Beiträge durch (ebenfalls auch im Namen der Pflegekasse ergangene) Bescheide
vom 12.03.2015 und vom 17.04.2015 festgesetzt worden. Im Bescheid vom 12.03.2015 sind für die Zeit ab 03.05.2015 aus der Beitragsbemessungsgrenze
bemessene Beiträge von 639,38 € bzw. 96,94 € (insgesamt 736,32 €) festgesetzt worden. Der Bescheid vom 17.04.2015 betrifft
die Zeit vom 01.03.2015 bis 02.05.2015 und setzt Beiträge von 252,15 € bzw. 39,77 € (insgesamt 291,92 €; beitragspflichtige
Einnahmen 1.692,30 €) fest.
Mit Urteil vom 16.04.2015 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei seit 01.01.2013 freiwilliges Mitglied der Beklagten und zur
Zahlung entsprechender Beiträge verpflichtet. Sie sei zunächst als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte pflichtversichertes Mitglied
der Beklagten gewesen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Gemäß § 190 Abs. 2 SGB V ende diese Mitgliedschaft mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt ende. Bei Personen,
deren Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 4 SGB V wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze erlösche, setze sich die Mitgliedschaft nach § 190 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB V in der bis 31.07.2013 und daher hier (für die Zeit ab 01.01.2013) noch maßgeblichen Fassung als freiwillige Mitgliedschaft
fort, wenn nicht binnen zwei Wochen nach dem Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeit der Austritt erklärt werde.
Eine Austrittserklärung habe die Klägerin auf den ihr im Schreiben der Beklagten vom 11.09.2013 erteilten Hinweis auf die
Austrittsmöglichkeit nicht abgegeben. Gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bleibe die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange Anspruch (u.a.) auf Mutterschaftsgeld bestehe oder diese
Leistung oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen werde.
Für die Dauer des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld oder des Bezugs von Elterngeld oder Betreuungsgeld sei das Mitglied beitragsfrei,
wobei sich die Beitragsfreiheit nur auf diese Leistung beziehe (§ 224 Abs. 1 SGB V). Die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin habe indessen nicht (beitragsfrei) erhalten bleiben können, weil sie bereits ab
01.01.2013 nicht mehr versicherungspflichtig gewesen sei. Das folge aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Danach seien versicherungsfrei Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze
nach § 6 Abs. 6 oder 7 SGB V übersteige. Werde die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten, ende die Versicherungspflicht mit Ablauf des Kalenderjahres,
in dem sie überschritten werde. Das gelte nicht, wenn das Arbeitsentgelt die vom Beginn des nächsten Kalenderjahres an geltende
Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteige (§ 6 Abs. 4 SGB V). Die Jahresarbeitsentgeltgrenze habe im Jahr 2012 50.850,00 € und im Jahr 2013 52.200,00 € betragen. Das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt
der Klägerin habe ab 01.07.2012 52.686,00 € betragen, weshalb zum 01.01.2013 Versicherungsfreiheit eingetreten sei. Dass das
tatsächliche Arbeitsentgelt der Klägerin im Jahr 2012 die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überstiegen habe, sei unerheblich.
Für die Prüfung des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze sei das Arbeitsentgelt nämlich im Wege einer vorausschauenden
Betrachtungsweise zu ermitteln. Maßgeblich sei nicht das Kalenderjahr, sondern bei einer im Lauf des Jahres wegen einer Änderung
des Arbeitsentgelts vorzunehmenden Beurteilung das auf den Beurteilungszeitpunkt folgende Jahr (Landessozialgericht <LSG>
Baden-Württemberg, Urteil vom 13.08.2010, - L 4 R 3332/08 -, in [...]). Nach dem Schreiben der L. B. vom 22.07.2013 habe sich bei der Klägerin aufgrund des ihr ab 01.07.2012 zustehenden
Monatsgehalts von 3.729,00 € einschließlich vermögenswirksamer Leistungen und der 13. und 14. Sonderzahlung ein regelmäßiges
Jahresarbeitsentgelt von 52.686,00 € ergeben. Dieses habe damit auch über der ab 01.01.2013 geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze
gelegen. Die für das Jahr 2013 zu erwartenden Änderungen aufgrund der Geburt eines Kindes, des Bezugs von Mutterschaftsgeld
und der Inanspruchnahme von Elternzeit seien nicht zu berücksichtigen. Der gegenteiligen Auffassung des LSG Niedersachsen
Bremen (Urteil vom 17.12.2008, - L 1 KR 143/07 -, in [...]) könne nicht gefolgt werden. Das LSG Niedersachsen-Bremen habe entschieden, dass das für die Versicherungspflicht
maßgebliche Arbeitsentgelt des Folgejahres zu schätzen sei, wenn bereits am Jahresanfang feststehe, dass eine schwangere Versicherte
aufgrund des in den nächsten Monaten bevorstehenden Mutterschutzes und aufgrund einer mit dem Arbeitgeber bereits abgesprochenen
Elternzeit nicht durchgängig Arbeitsentgelt beziehen werde; die entsprechenden Einkommensausfälle müssten berücksichtigt werden.
Das LSG Niedersachsen-Bremen habe sich hierfür auf eine Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 30.06.1965 (- GS 2/64 -, in [...]) berufen. Danach sei das regelmäßige Jahresentgelt durch Schätzung zu ermitteln, wenn im Laufe eines Jahres berufsüblich
mehrere Beschäftigungsverhältnisse eingegangen würden, zwischen denen Zeiten der Arbeitslosigkeit lägen. Dem habe die Überlegung
zugrunde gelegen, dass der Fall berufsüblich unterbrochener Beschäftigungsverhältnisse den Beschäftigungsverhältnissen mit
schwankendem Entgelt gleichzustellen sei. Maßgeblicher Gesichtspunkt für das BSG sei dabei gewesen, dass aufgrund der erwünschten und vom Gesetzgeber geforderten Kontinuität des Versicherungslebens ein
Schwanken zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit für die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse vermieden werden
müsse. Der vorliegende Sachverhalt sei mit dieser Fallgestaltung, die auch einen Sonderfall darstelle, jedoch nicht vergleichbar.
Maßgeblich für die Versicherungspflicht eines gegen Arbeitsentgelt Beschäftigten könnten grundsätzlich nur die während dieses
Versicherungstatbestandes vorliegenden Umstände sein. Ab dem Bezug von Mutterschaftsgeld, bei dem es sich nicht um Arbeitsentgelt
handele, und der sich anschließenden Elternzeit liege jedoch mangels Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt kein Pflichtversicherungsverhältnis
nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mehr vor. Im Übrigen sei auch bei einer bereits am Jahresbeginn feststehenden Gehaltserhöhung für die Jahresmitte aufgrund
eines Tarifvertrages die Gehaltserhöhung erst mit ihrem tatsächlichen Eintritt zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 07.12.1989, - 12 RK 19/87 -, in [...]). Wenn es in diesem Fall aber nicht genüge, dass eine Änderung des Arbeitsentgelts feststehe, müsse dies entsprechend
für eine Änderung durch Wegfall des Arbeitsentgelts gelten.
Gegen das ihr am 17.04.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.05.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt
und bekräftigt sie ihr bisheriges Vorbringen; sie begehre Beitragsfreiheit bzw. Beitragsrückerstattung für die Zeit vom 02.07.2013
bis 02.05.2015. Ergänzend trägt sie vor, seit 03.05.2015 arbeite sie wieder bei der L. B. und sie sei seit diesem Tag auch
wieder Pflichtmitglied der Beklagten. Der Rechtsauffassung des LSG Niedersachsen-Bremen (a. a. O.) sei zu folgen. Die L. B.
habe von ihrem Elterngeld Beiträge abgezogen und sie daher - anders als die Beklagte - als Pflichtversicherte behandelt (Widerspruchsbescheid
der L. B. vom 09.09.2013). Im Ergebnis habe sie daher Beiträge sowohl als freiwillig Versicherte wie als Pflichtversicherte
zahlen müssen.
Die Klägerin beantragt sachdienlich gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.04.2015, die Bescheide der Beklagten vom 07.08.2013, 20.09.2013 und 21.01.2014
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 und die Bescheide der Beklagten vom 12.01.2015, 15.01.2015 und vom
17.04.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt sachdienlich gefasst,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen der Bescheide vom 12.01.2015, 15.01.2015 und vom 17.04.2015 abzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das LSG Niedersachsen Bremen habe sich in seinem Urteil vom 17.12.2008 (a.
a. O.) zu Unrecht auf die Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 30.06.1965 (- GS 2/64 -, in [...]) berufen. Diese Entscheidung habe einen anders gelagerten Sachverhalt zum Gegenstand gehabt. Die Einschätzung
des Arbeitgebers zur Krankenversicherungspflicht des Versicherten sei für sie nicht verbindlich. Auch der gegenwärtige Versicherungsstatus
der Klägerin sei für die Beurteilung des hier streitgegenständlichen Zeitraums ohne Bedeutung.
Die L. B. hat auf Nachfrage des Berichterstatters unter dem 07.12.2015 mitgeteilt, die 14. Sonderzahlung stelle eine freiwillige
betriebliche Leistung dar, deren Zahlung von einem Vorstandsbeschluss abhänge. In den Jahren 2005 bis 2007 sei die Zahlung
auf 75% eines Bruttomonatsgehalts reduziert worden. Seit 2008 werde ein volles Bruttomonatsgehalt gezahlt. Im Jahr 2011 haben
man auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 SGB IV entschieden, dass für die Beurteilung der Versicherungspflicht der Tarifangestellten die 14. Sonderzahlung herangezogen werde.
Grund dafür sei gewesen, dass diese Zahlung regelmäßig geleistet werde und auch in wirtschaftlich schwierigen Jahren nicht
ausgesetzt worden sei.
Klägerin und Beklagte haben sich mit Schriftsätzen vom 13.09.2015 bzw. vom 10.09.2015 mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche
Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) einverstanden erklärt. Der Berichterstatter hat den Beteiligten die Mitteilung der L. B. vom 07.12.2015 zur 14. Sonderzahlung
mit Verfügung vom 09.12.2015 übersandt und in der Verfügung darauf hingewiesen, dass vom Fortbestand des bereits erklärten
Einverständnisses mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung ausgegangen werde; die Beteiligten haben sich daraufhin
nicht mehr geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die
Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG). Die Erneuerung des bereits mit Schriftsätzen vom 13.09.2015 bzw. vom 10.09.2015 erklärten Verzichts der Beteiligten auf
Durchführung der mündlichen Verhandlung ist nach der Mitteilung der L. B. vom 07.12.2015 über die Handhabung der 14. Sonderzahlung
nicht notwendig. Den Beteiligten ist die Auskunft der L. B. mit Verfügung vom 09.12.2015 übersandt und sie sind außerdem darauf
hingewiesen worden, dass vom Fortbestand des Verzichts auf mündliche Verhandlung ausgegangen werde; Einwendungen gegen die
beabsichtigte und von ihnen auch gewünschte Verfahrensweise des Senats haben die Beteiligten nicht geäußert und auch in der
Sache zu der Auskunft der L. B. vom 07.12.2015 nicht mehr vorgetragen. Bei dieser Sachlage ist das Einverständnis mit einer
Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht verbraucht, vielmehr haben die Beteiligten eine Entscheidung im schriftlichen
Verfahren erwartet (vgl. etwa Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 124 Rdnr. 3e; auch BSG, Urteil vom 11.11.2003, - B 2 U 32/02 R -, in [...]; NK-VwGO/Dolderer § 101 Rdnr. 36,37). Wegen der Vorlage der im Jahr 2015 ergangenen Beitragsbescheide durch die
Beklagte (am 19.01.2016) ist die Abgabe erneuter Einverständniserklärungen nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ebenfalls nicht erforderlich; diese Bescheide sind an die Klägerin gerichtet und ihr ersichtlich auch bekannt gegeben worden.
I.
Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Streitgegenstand ist die Festsetzung freiwilliger Krankenversicherungsbeiträge für die Zeit vom 02.07.2013 bis
02.05.2015. Die Klägerin reklamiert für diese Zeit das Bestehen einer beitragsfreien Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten.
Der Krankenversicherungsstatus der Klägerin stellt indessen einen eigenständigen Streitgegenstand - etwa einer hierauf gerichteten
Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) - nicht dar. Er ist hinsichtlich der allein streitigen Beitragspflicht nur Vorfrage. Da die Beklagte freiwillige Beiträge
erst für die Zeit ab 02.07.2013 festgesetzt hat, bedarf die Frage, ob die freiwillige Versicherung auch während der Zeit davor
(ab 01.01.2013) bestanden hat, nicht der gerichtlichen Klärung durch Feststellungsurteil. Beitragsfestsetzungen für die Zeit
ab 03.05.2015 (Bescheid vom 12.03.2015) sind ebenfalls nicht Streitgegenstand. Die Klägerin hat die Berufung ausdrücklich
auf die Zeit bis 02.05.2015 beschränkt, weshalb es auf ihren Versicherungsstatus ab 03.05.2015 nicht ankommt. Schließlich
ist auch die Festsetzung von Pflegeversicherungsbeiträgen nicht Streitgegenstand. Die Beklagte hat zugesichert, die zur Festsetzung
von Krankenversicherungsbeiträgen ergehende (bestands- bzw. rechtskräftige) Entscheidung auf die Festsetzung der Pflegeversicherungsbeiträge
zu übertragen; die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse ist daher nicht Beteiligte des Rechtsstreits.
Die Klage der Klägerin ist als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zulässig. Sie richtet sich gegen die in den Bescheiden vom 07.08.2013, 20.09.2013 und 21.01.2014 bzw. dem Widerspruchsbescheid
vom 12.03.2014 und in den Bescheiden vom 12.01.2015, 15.01.2015 und 17.04.2015 verfügte Festsetzung freiwilliger Krankenversicherungsbeiträge;
der Bescheid vom 20.09.2013 hat einen inhaltsgleichen Bescheid vom 17.09.2013 ersetzt und ist an dessen Stelle getreten. Hinsichtlich
der Bescheide vom 12.01.2015, 15.01.2015 und 17.04.2015 entscheidet der Senat auf Klage (§§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG, dazu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 96 Rdnr. 7, 12a). Ein auf die Erstattung der gezahlten Krankenversicherungsbeiträge gerichteter Folgenbeseitigungsantrag (§
131 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist entbehrlich; die Beklagte wird die Beiträge erstatten, wenn die angefochtenen Bescheide (rechtskräftig) aufgehoben sind
und sie hat auch die Übertragung des rechtskräftigen Verfahrensergebnisses auf die Pflegeversicherungsbeiträge zugesichert.
Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 €) ist (klar) überschritten. Im Übrigen betrifft die Berufung auch Beiträge für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr
(§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig.
II.
Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Die Klägerin ist während der
streitigen Zeit (02.07.2013 bis 02.05.2015) bei der Beklagten nicht freiwillig krankenversichert gewesen und sie ist deswegen
auch nicht zur Zahlung der in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge verpflichtet
(§§ 250 Abs. 2, 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V).
Die Klägerin ist auch nach dem 01.01.2013 weiterhin pflichtversichertes Mitglied der Beklagten geblieben. Ihre bis dahin bestehende
(Pflicht-)Mitgliedschaft (in der Krankenversicherung der Beschäftigten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) hat sich nicht gemäß § 190 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB V (in der bis 31.07.2013 geltenden Fassung - a.F.) als freiwillige Mitgliedschaft fortgesetzt, weil sie - was hierfür Voraussetzung
wäre - zum 31.12.2012 nicht gemäß § 6 Abs. 4 SGB V geendet hat. Ab 22.03.2013 bzw. ab 02.07.2013 ist die fortbestehende Pflichtmitgliedschaft der Klägerin gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V wegen des Bezugs von Mutterschaftsgeld bzw. von Elterngeld und der Inanspruchnahme von Elternzeit bis 02.05.2015 - nach §
224 Abs. 1 SGB V beitragsfrei - erhalten geblieben.
Gemäß § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB V a.F. endete die Mitgliedschaft von Personen, deren Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 4 SGB V erlischt, zu dem in dieser Vorschrift vorgesehenen Zeitpunkt nur, wenn das Mitglied innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis
der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeit seinen Austritt erklärt. Andernfalls setzt sie sich gemäß § 190 Abs. 3 Satz 2 SGB V a.F. als freiwillige Mitgliedschaft fort, es sei denn, die Voraussetzungen der freiwilligen Versicherung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V (Bestehen von Versicherung in den letzten 5 Jahren vor Ausscheiden aus der Versicherungspflicht für mindestens 24 Monate
oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen für mindestens 12 Monate) sind nicht erfüllt. Die Regelung des § 190 Abs. 3 SGB V a.F. ist zum 01.08.2013 aufgehoben und durch die seitdem geltende und im Wesentlichen inhaltsgleiche Regelung über die Anschlussversicherung
in § 188 Abs. 4 SGB V ersetzt worden. Der Versicherungsstatus (bzw. die Anschlussversicherung) der Klägerin ab dem Zeitpunkt des Erlöschens der
Versicherungspflicht zum 31.12.2012 (dazu sogleich) würde sich nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht richten, weshalb
§ 190 Abs. 3 Satz 2 SGB V a.F. einschlägig wäre, unbeschadet dessen dass man sie erst nach Außerkrafttreten dieser Vorschrift mit Schreiben vom 11.09.2013
auf die Austrittsmöglichkeit und die Rechtsfolgen des § 190 Abs. 3 Satz 2 SGB V a.F. hingewiesen hat. Die Klägerin hat zwar den Austritt aus der Versicherung nicht erklärt, vielmehr im gesamten Verfahren
auf der Fortführung der Pflichtversicherung bestanden, und sie würde auch die Vorversicherungszeit des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V (i.V.m. § 190 Abs. 3 Satz 2 SGB V a.F.) erfüllen, da sie vor dem aus § 6 Abs. 4 SGB V folgenden Ende der Versicherungspflicht (zum 31.12.2012) jedenfalls seit dem 25.11.2002 ununterbrochen bei der Beklagten
gesetzlich krankenversichert gewesen ist. Die Mitgliedschaft der Klägerin in der Krankenversicherung der Beschäftigten hat
aber nicht gemäß § 6 Abs. 4 SGB V geendet bzw. sie ist i.S.d. § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB V a.F. nicht erloschen.
Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V endet die Versicherungspflicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird. Gemäß
§ 6 Abs. 4 Satz 2 SGB V gilt dies nicht, wenn das Entgelt die vom Beginn des nächsten Kalenderjahres an geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht
übersteigt. Die Regelung des § 6 Abs. 4 SGB V bezieht sich auf den Versicherungsfreiheitstatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Danach sind versicherungsfrei Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze
nach § 6 Abs. 6 oder 7 SGB V überschreitet. Der Begriff des "Arbeitsentgelts" (auch) i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ist in § 14 Abs. 1 SGB IV festgelegt. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch
auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus
der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Das Arbeitsentgelt ist i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV "regelmäßig", wenn der Beschäftigte einen Anspruch auf die Einnahmen hat und sie ihm mit hinreichender Sicherheit zufließen
werden. Zum regelmäßigen Arbeitsentgelt gehört etwa das regelmäßig gezahlte Weihnachtsgeld (13. Monatsgehalt), während Sonderzahlungen,
die nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einmal jährlich ausgezahlt werden, kein regelmäßiges Arbeitsentgelt
darstellen (jurisPK-SGB V/Felix § 6 Rdnr. 15).
Der Beendigungstatbestand des § 6 Abs. 4 SGB V knüpft seine Rechtsfolge - Ende der Versicherungspflicht - an zwei Voraussetzungen, nämlich an die "Positivvoraussetzung"
der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze des aktuellen Kalenderjahres (Satz 1) und an die "Negativvoraussetzung"
des Nichtübersteigens der Jahresarbeitsentgeltgrenze des nächsten Kalenderjahres (Satz 2). Die "Positivvoraussetzung" des
§ 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist im Rahmen einer vorausschauenden, nicht einer rückschauenden Betrachtung bei Beschäftigungsbeginn sowie bei wesentlichen
Änderungen in den Bezügen festzustellen (jurisPK-SGB V/Felix § 6 Rdnr. 17). Hierfür ist die aktuelle Entlohnung - ohne Rücksicht
auf das Kalenderjahr - auf einen Zeitraum von 12 Monaten hochzurechnen. Die "Negativvoraussetzung" des § 6 Abs. 4 Satz 2 SGB V ist im Rahmen einer Prognose festzustellen. Prognosezeitraum ist das Kalenderjahr, das auf das Überschreitungsjahr i.S.d.
§ 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V folgt. Prognosezeitpunkt ist der Zeitpunkt des Ablaufs des Überschreitungsjahrs. Prognosebasis sind die zu diesem Zeitpunkt
bestehenden tatsächlichen Verhältnisse. Den Prognosemaßstab legt das Gesetz dadurch (implizit) fest, dass es die Regelung
des § 6 Abs. 4 Satz 2 SGB V als "Gegentatbestand" zum "Grundtatbestand" des § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V ausgestaltet und im Gesetzeswortlaut eine doppelte Verneinung - "das gilt nicht" ... wenn das Entgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze
des Folgejahres "nicht übersteigt" - verwendet hat. Das Gesetz will so die Kontinuität des Versicherungsstatus wahren. Daher
ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die neue Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird (jurisPK-SGB V/Felix § 6 Rdnr. 27; KassKomm/Peters, SGB V § 6 Rdnr. 23). Die prognostische Feststellung des Nichtübersteigens der für das Folgejahr geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze
ist deswegen grundsätzlich nicht schon dann statthaft, wenn dies nach Maßgabe der die Prognosebasis bildenden tatsächlichen
Verhältnisse nur (sehr) wahrscheinlich ist, aber doch zweifelhaft erscheint, oder wenn hierfür eine künftige Willensentschließung
des Beschäftigten von maßgeblicher Bedeutung sein wird. Anderes muss aber gelten, wenn künftige Veränderungen des Arbeitsentgelts
in Rede stehen, die im Prognosezeitpunkt als mit hinreichender Sicherheit feststehend zu erwarten sind, etwa, weil das Beschäftigungsverhältnis
im Prognosezeitraum vorzeitig wegen Erreichen der Regelaltersgrenze enden wird oder auch - was Gegenstand der Entscheidung
des Großen Senats des BSG vom 30.06.1965 (- GS 2/64 -, in [...]) gewesen ist -, wenn im Laufe eines Jahres berufsüblich mehrere Beschäftigungsverhältnisse eingegangen werden,
zwischen denen Zeiten der Arbeitslosigkeit liegen. Dabei handelt es sich um (Sonder-)Fälle, bei denen sich der Versicherungsstatus
des Beschäftigten nicht (schon) wegen der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze im "Überschreitungsjahr" ändern soll,
insbesondere, weil das Bedürfnis nach dem Versicherungsschutz eines Versicherungspflichtverhältnisses klar fortbesteht. Eine
Fallgestaltung dieser Art liegt nach Auffassung des Senats auch dann vor, wenn im Prognosezeitpunkt (Ende des "Überschreitungsjahrs")
hinreichend sicher feststeht, dass der Anspruch auf Arbeitsentgelt im Prognosezeitraum (Folgejahr) wegen mutterschutzrechtlicher
Beschäftigungsverbote (§§ 3, 6 Mutterschutzgesetz, MuSchG) und/oder der mit dem Arbeitgeber fest vereinbarten Inanspruchnahme einer Elternzeit wegfallen wird. Bei der zur Prüfung
der "Negativvoraussetzung" des § 6 Abs. 4 Satz 2 SGB V anzustellenden Prognose muss das Arbeitsentgelt in solchen Fällen unter Berücksichtigung der mutterschaftsbedingten Entgeltausfälle
geschätzt werden. Andernfalls würde sich der Versicherungsstatus der Beschäftigten nach einem letztendlich fiktiven und das
soziale Schutzbedürfnis nicht mehr widerspiegelnden Arbeitsentgelt und damit nicht nach einer Entgeltprognose, sondern nach
einer Entgeltfiktion richten. Die jeder Prognose innewohnenden Unsicherheiten - hier etwa hinsichtlich des komplikationslosen
Verlaufs von Schwangerschaft und Geburt - sind unerheblich (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.12.2008, - L 1 KR 143/07 -, in [...]).
Davon ausgehend hat die Versicherungspflicht der Klägerin mit Ablauf des Jahres 2012 nicht gem. § 6 Abs. 4 SGB V geendet.
Die "Positivvoraussetzung" des § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist allerdings erfüllt. Die Jahresarbeitsentgeltgrenze ist gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V im Jahr 2012 überschritten worden. Sie hat in diesem Jahr 50.850,00 € betragen. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin als laufende
Einnahme aus dem Beschäftigungsverhältnis hat ab 01.07.2012 3.729,00 € betragen. Zu den laufenden Einnahmen sind die einmaligen
Einnahmen aus dem Beschäftigungsverhältnis hinzuzurechnen. Dabei handelt es sich um vermögenswirksame Leistungen i.H.v. 40,00
€ im Monat (480,00 € im Jahr) und um das 13. und 14. Monatsgehalt der Klägerin. Die Klägerin hat auf die genannten einmaligen
Einnahmen einen Rechtsanspruch gehabt und es hat sich auch um Leistungen gehandelt, die ihr mit hinreichender Sicherheit zufließen
werden. Das gilt nach den Feststellungen des Senats nicht nur (was unter den Beteiligten auch nicht streitig gewesen ist)
für die vermögenswirksamen Leistungen und das 13. Monatsgehalt, sondern auch für das 14. Monatsgehalt. Nach der Mitteilung
der L. B. vom 07.12.2015 stellt das 14. Monatsgehalt zwar im Grundsatz eine freiwillige betriebliche Leistung dar und seine
Zahlung hängt von einem Vorstandsbeschluss ab. Allerdings wird das (volle) 14. Monatsgehalt seit 2008 regelmäßig und ohne
Unterbrechung gezahlt und die Zahlung ist auch in wirtschaftlich schwierigen Jahren nicht ausgesetzt worden. Daraus folgt,
dass sowohl für das Jahr 2012 wie für das Jahr 2013 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit dem (für 2013 ggf.
anteiligen) Zufluss dieser Leistung zu rechnen war. Wie das SG im Hinblick auf die vorstehend zur Anwendung des § 6 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 SGB V dargestellten Rechtsgrundsätze zutreffend dargelegt hat, kommt es für die Feststellung des Übersteigens der Jahresarbeitsentgeltgrenze
nicht im Sinne einer rückschauenden Betrachtung auf das im Jahr 2012 tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt der Klägerin an.
Vielmehr ist das ihr ab 01.07.2012 zustehende Bruttomonatsgehalt auf das Jahr 2012 hochzurechnen. Das für die Anwendung des
§ 6 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB V maßgebliche Arbeitsentgelt hat im Jahr 2012 daher 52.686,00 € betragen (3.729,00 € x 14 + 480,00 €) und es hat somit die
für 2012 geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze von 50.850,00 € überschritten.
Die "Negativvoraussetzung" des § 6 Abs. 4 Satz 2 SGB V ist jedoch nicht erfüllt. Die nach Maßgabe der vorstehenden Rechtsgrundätze zum 01.01.2013 anzustellende Prognose ergibt,
dass das Arbeitsentgelt der Klägerin die für das Jahr 2013 geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze - 52.200,00 € - nicht übersteigt.
Die Klägerin ist zum Jahreswechsel 2012/2013 bereits schwanger gewesen. Sie hat sich nach der Bescheinigung der Frauenärztin
L. vom 18.10.2012 seinerzeit in der 11. Schwangerschaftswoche befunden. Als voraussichtlicher Entbindungstermin wurde der
06.05.2013 und als Beginn des Mutterschutzes der 25.03.2013 angegeben. Diese Bescheinigung hatte die Klägerin der L. B. im
Oktober 2012 vorgelegt. Tatsächlich wurde das Kind am 03.05.2013 geboren. Ab 22.03.2013 hat sich die Klägerin im Mutterschutz
und ab 02.07.2013 - wie von der L. B. als Arbeitgeberin unter dem 20.02.2013 (förmlich) verlangt (§ 16 Abs. 1 BEEG) und, was hier dahin stehen kann, nach dem unwidersprochenen Klagevortrag der Klägerin offenbar noch im Jahr 2012 mit der
L. B. fest vereinbart - in Elternzeit befunden und deswegen Arbeitsentgelt im Jahr 2013 nur für gut 2 1/2 Monate (bis zum
letzten Arbeitstag am 21.03.2013) und im Übrigen Mutterschaftsleistungen bzw. Elterngeld bezogen. Dieser Sachverhalt ist zum
Prognosezeitpunkt 01.01.2013 jedenfalls hinsichtlich der Entgeltausfälle während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote
mit hinreichender Sicherheit zu erwarten gewesen, weswegen das Arbeitsentgelt für 2013 geschätzt werden muss und nicht unter
Außerachtlassung der Schwanger- bzw. (künftigen) Mutterschaft der Klägerin mit den damit hinreichend sicher zu erwartenden
Folgen für das Arbeitsentgelt im Jahr 2013 an Hand des Arbeitsentgelts für 2012 fiktiv berechnet werden darf. Die (unstatthafte)
fiktive Berechnung hatte ein Arbeitsentgelt für 2013 von 52.686,00 € und damit eine Überschreitung der für 2013 geltenden
Jahresarbeitsentgeltgrenze (52.200,00 €) von (nur) 486,00 € ergeben. Die (allein statthafte) prognostische Schätzung ergibt
(schon) unter Berücksichtigung der während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote (6 Wochen vor und 8 Wochen nach
der Geburt des Kindes §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG) anstelle des ausgefallenen Arbeitsentgelts bezogenen Mutterschaftsleistungen (Mutterschaftsgeld von 13,00 € kalendertäglich
zzgl. des nach Maßgabe des § 14 MuSchG gewährten Arbeitsgeberzuschusses), dass die für 2013 geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze unzweifelhaft unterschritten werden
wird.
Unerheblich ist, ob der Beklagten der zur Entgeltschätzung führende Sachverhalt zum Jahreswechsel 2012/2013 bekannt gewesen
ist oder nicht. Hierauf stellt das Gesetz nicht ab. Außerdem hat sie die Klägerin erst mit Schreiben vom 11.09.2013 auf die
in § 190 Abs. 3 Satz 2 SGB V a.F. (jetzt: § 188 Abs. 4 SGB V) vorgesehene Austrittsmöglichkeit hingewiesen und ihr die Möglichkeit zur Mitteilung des Sachverhalts gegeben (auch dazu
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.12.2008, - L 1 KR 143/07 -). Die Klägerin hatte die Schwangerschaft der L. B. im Oktober 2012 angezeigt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zu. Die Frage des Versicherungsstatus bei Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze und Vorliegen entgeltgeminderter
Zeiten wegen der Geburt eines Kindes mit Mutterschutz und Elternzeit im auf das Überschreitungsjahr folgenden Kalenderjahr
bedarf aus Sicht des Senats der höchstrichterlichen Klärung.
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