Anspruch auf eine höhere Altersrente eines früheren Beamten
Zeiten einer Dienstunfähigkeit nach dem BeamtVG
Erwerbsminderung nach dem SGB VI
Tatbestand
Der 1947 geborene Kläger macht im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens eine höhere Altersrente geltend, wobei es ihm um die
Anerkennung der Zeit vom 01.07.1992 bis 31.03.2012 geht, während der er vorzeitig in den Ruhestand versetzt und Bezieher einer
Beamtenpension war.
I.
Der Kläger war ab 1975 Beamter bei der Deutschen Bundesbahn und wurde zum 30.06.1992 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig
in den Ruhestand versetzt. Ab 01.07.1992 bezog er deshalb eine Beamtenpension.
Mit einem seit 07.03.2012 rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Regensburg wurde der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von
zwei Jahren verurteilt. Anschließend wurden ihm von seiner damaligen Dienstherrin, der Beigeladenen, mit Bescheid vom 11.05.2012
die Rechte als Ruhestandsbeamter aberkannt und der Kläger wurde in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beklagten nachversichert.
Insgesamt wurden von der Beigeladenen für den Nachversicherungszeitraum vom 01.05.1975 bis 30.06.1992 Beiträge in Höhe von
104.296,55 EUR gezahlt (Nachversicherungsbescheinigung vom 27.06.2012). Die Pension wurde dem Kläger ab dem 01.04.2012 entzogen.
Von der Beklagten erhielt der Kläger ab 01.03.2012 Regelaltersrente in Höhe von 169,49 EUR (Rentenbescheid vom 23.02.2012).
Nach Durchführung der Nachversicherung stellte die Beklagte die Altersrente mit Bescheid vom 09.08.2012 rückwirkend ab 01.03.2012
neu fest (Rentenhöhe nunmehr: 689,60 EUR). Dabei berücksichtigte sie Pflichtbeitragszeiten aufgrund von Nachversicherung bis
30.06.1992.
Der Kläger machte anschließend über seine Bevollmächtigten geltend, durch die Nachversicherung als Vorruhestandsbeamter schlechter
gestellt zu sein. Wenigstens die bisherigen Entgeltpunkte müssten geschützt bleiben. Nachdem die Beigeladene eine Nachversicherung
des Klägers für die Zeit der Pensionierung ablehnte, stellte der Kläger am 06.10.2017 bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag
mit dem Ziel der Neuberechnung der Altersrente unter Berücksichtigung einer Zurechnungszeit mit entsprechenden Entgeltpunkten.
Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 01.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.04.2018
ab. Die Regelung in §
88 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI), die die Bemessung der Entgeltpunkte bei Folgerenten regle, sei auf den Kläger nicht anwendbar, da es sich um eine erstmalig
gewährte Altersrente handle. Eine Zurechnungszeit gemäß §
59 SGB VI könne ebenfalls nicht berücksichtigt werden, weil es sich bei der Altersrente nicht um eine Rente wegen Erwerbsminderung
oder eine Rente wegen Todes handle.
Mit seiner Klage zum Sozialgericht Regensburg hat der Kläger die Ansicht vertreten, dass die Zeit von 1992 bis 2012 aus Gleichheitsgründen
in entsprechender Anwendung der Vorschrift des §
88 SGB VI anerkannt werden müsse, sodass für diesen "beitragsfreien" Zeitraum eine Zurechnungszeit zu berücksichtigen sei und ihm dafür
weitere Entgeltpunkte gutzuschreiben seien.
II.
Mit einer weiteren gegen die Beigeladene gerichteten Klage (Az.: S 6 R 318/18) hat der Kläger außerdem geltend gemacht, dass in die Nachversicherungsbescheinigung auch der Zeitraum von 1992 bis 2012
aufgenommen werden müsste. Mit Urteil vom 10.09.2019 hat das Sozialgericht Regensburg entschieden, dass das Begehren auf Berücksichtigung
weiterer Zeiten der Nachversicherung zulässig nur im Rahmen der vorliegenden, gegen die Beklagte gerichteten Klage verfolgt
werden könne. Mit Urteil des Landessozialgerichts München vom 06.02.2020 (Az. L 14 R 514/19) ist die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden, wobei das Landessozialgericht davon ausgegangen ist, dass es sich in
der Sache um eine Untätigkeitsklage handle, die aber schon deshalb unbegründet sei, weil der Kläger am 27.06.2012 eine Nachversicherungsbescheinigung
erhalten habe. Allerdings stelle diese Bescheinigung auch in der Sache keinen Verwaltungsakt dar.
III.
Im vorliegenden Verfahren hat das Sozialgericht nach Beiladung der früheren Dienstherrin des Klägers und nach Anhörung der
Beteiligung die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.06.2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die angefochtenen Bescheide
verwiesen und erklärt, dass sich der Kläger weder auf den Gleichbehandlungsgrundsatz noch auf einen Besitzschutz berufen könne.
Der in §
88 Abs.
1 SGB VI geregelte Sachverhalt einer Erwerbsminderungsrente vor Eintritt in die Altersrente sei nicht vergleichbar mit dem hier gegebenen
Fall der Nachversicherung eines dienstunfähigen Beamten wegen Wegfall des beamtenrechtlichen Versorgungsanspruchs. Eine Regelungslücke
sei nicht gegeben.
Am 30.06.2020 hat der Kläger dagegen Berufung eingelegt und weiterhin geltend gemacht, einem Bezieher von Erwerbsminderungsrente
gleichgestellt werden zu müssen. Beide Sachverhalte seien vergleichbar. Sinn der Regelung in §
88 SGB VI sei es, einen Rentenantragsteller aufgrund einer von ihm nicht zu vertretenen Erwerbsunfähigkeit nicht zu benachteiligen.
Aufgrund der fehlerhaften Berechnung sei auch keine Erhöhung auf die Mindestentgeltpunkte vorgenommen worden. Insgesamt gebe
es keinen Grund, die Zeit nicht zu berücksichtigen, zumal bereits mit der Bescheinigung der Beigeladenen vom 15.02.2012 der
Zeitraum vom 01.07.1992 bis 31.01.2002 teilweise als ruhegehaltsfähige Zeit berücksichtigt worden sei.
Die Beteiligten haben sich ausdrücklich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung einverstanden
erklärt (Schriftsätze vom 30.07.2020, 18.08.2020 und 20.08.2020). Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass ihm nach seiner
Auffassung aufgrund seiner Dienst-/Erwerbsunfähigkeit und der Nachversicherung in diesem Umfang auch Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
zugestanden hätte.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 08.06.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.02.2018 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung des Bescheids
vom 09.08.2012 und unter Anrechnung des Zeitraums vom 01.07.1992 bis 31.03.2012 eine höhere Altersrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat mit Schriftsatz vom 14.07.2020 auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids verwiesen.
Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Leistungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten
beider Rechtszüge auch im Verfahren Az.: S 6 R 318/18 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Senat kann mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Der Sachverhalt ist - soweit für die Entscheidungsfindung erforderlich
- geklärt und die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu sowie zu ihren rechtlichen Einschätzungen der Voraussetzungen
des streitigen Anspruchs gehabt. Eine mündliche Verhandlung ist daher zur Wahrung der prozessualen Rechte der Beteiligten
nicht erforderlich. Dem steht auch nicht entgegen, dass bereits das Sozialgericht die Streitsache ohne mündliche Verhandlung
entschieden hat. Denn der Regelung in Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die eine mündliche Verhandlung garantiert, ist jedenfalls dann ausreichend Rechnung getragen, wenn die Beteiligten sich
mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R -, juris Rn. 10; mwH, Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl. 2020, §
124 Rn. 3).
II.
Die Berufung ist gemäß §§
143,151
SGG zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs-
und Leistungsklage statthaft (vgl. etwa BSG, Urteil vom 13.02.2014 - B 4 AS 22/13 R - BSGE 115, 126). Der Kläger begehrt neben der Aufhebung des ablehnenden Überprüfungsbescheids vom 01.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 09.04.2018 die Abänderung des Rentenbescheids vom 09.08.2012 und die Neuberechnung seiner Altersrente unter rentensteigernder
Berücksichtigung der Jahre des Pensionsbezugs.
III.
Die Berufung ist aber unbegründet. Die Beklagte hat es mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt, die Altersrente
des Klägers neu zu berechnen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Zeit von
01.07.1992 bis 31.03.2012. Der Bescheid vom 09.08.2012 ist wie der Bescheid vom 01.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 09.04.2018 gegenüber dem Kläger rechtmäßig ergangen. Weder hat die Beklagte bei Erlass des Bescheids vom 09.08.2012 das
Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich nach Überprüfung als unrichtig erweist
(§ 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -). Es fehlt bereits an einer Rechtsgrundlage, auf die der Kläger sein Begehren stützen könnte. Insbesondere ist die Regelung
in §
88 SGB VI auf den Kläger weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Eine Bewertung dieser Zeit mit Entgeltpunkten ist auch aus
anderen Gründen nicht möglich. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht.
1.
Der Monatsbetrag einer Rente wird ermittelt, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen
Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt
werden (§
64 SGB VI). Die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente ergeben sich, indem die Summe aller Entgeltpunkte
für Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten, Zuschläge für beitragsgeminderte Zeiten, Zuschläge oder Abschläge aus einem durchgeführten
Versorgungsausgleich oder Rentensplitting, Zuschläge aus Zahlung von Beiträgen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente
wegen Alters oder bei Abfindungen von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung oder von Anrechten bei der Versorgungsausgleichskasse,
Zuschläge an Entgeltpunkten für Arbeitsentgelt aus geringfügiger Beschäftigung, Arbeitsentgelt aus nach §
23b Abs.
2 Satz 1 bis
4 Sozialgesetzbuch
Vierten Buches (
SGB IV) aufgelösten Wertguthaben, Zuschläge an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn einer Rente wegen Alters, Zuschläge an Entgeltpunkten
für Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung und Zuschläge an Entgeltpunkten für nachversicherte Soldaten auf Zeit mit dem
Zugangsfaktor vervielfältigt und bei Witwenrenten und Witwerrenten sowie bei Waisenrenten um einen Zuschlag erhöht wird (§
66 Abs.
1 SGB VI). Hat ein Versicherter eine Rente wegen Alters bezogen, werden ihm für eine spätere Rente mindestens die bisherigen persönlichen
Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Hat ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente
bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, werden
ihm für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt (§
88 Abs.
1 Satz 2
SGB VI).
2.
Die Beklagte hat die Rente des Klägers zutreffend aus den persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Dabei hat sie neben den bis
30.04.1975 zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu Recht nur die aufgrund der für die
Zeit vom 01.05.1975 bis 30.06.1992 durchgeführten Nachversicherung von der Beigeladenen gezahlten Beiträge berücksichtigt.
Die Berechnung der Beiträge und des in die Berechnung einzustellenden Entgelts ist dabei auf der Grundlage von §
181 SGB VI erfolgt. Für die Zeit ab dem Beginn der vorzeitigen Pensionierung des Klägers (01.07.1992) sind von der Beigeladenen keine
Beiträge mehr gezahlt worden, für die Entgeltpunkte ermittelt werden könnten. Sie stellen deshalb auch keine Beitragszeiten
i.S.d. §
66 SGB VI dar. Unerheblich ist dabei, welche Zeiten von der Beigeladenen bei der Berechnung der Pension als ruhegehaltsfähig anerkannt
worden sind. Denn die Vorschriften des
Beamtenversorgungsgesetzes (
BeamtVG), nach denen die Berechnung der Beamtenpensionen erfolgt, sind im Rahmen einer Rentenberechnung nach dem
SGB VI nicht anwendbar.
3.
Die Zeit vom 01.07.1992 bis 31.03.2012 kann auch nicht als beitragsfreie Zeit berücksichtigt werden. Beitragsfreie Zeiten
sind Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für sie
nicht auch Beiträge gezahlt worden sind (§
54 Abs.
4 SGB VI). Der Tatbestand einer Zurechnungszeit ist nicht gegeben. Dabei verkennt der Kläger, dass Zurechnungszeiten auch nach dem
Recht der gesetzlichen Rentenversicherung niemals bei der Berechnung einer Altersrente Berücksichtigung finden, sondern ausschließlich
bei der Berechnung einer Rente wegen Erwerbsminderung, wegen Todes oder einer Erziehungsrente (§
59 SGB VI). Es handelt sich um Zeiten nach Eintritt des Leistungsfalles, die einen Ausgleich dafür schaffen sollen, dass ein Versicherter
aufgrund von Erwerbsminderung oder Tod an der Entrichtung künftiger Beiträge gehindert ist. Beim Kläger wäre, selbst wenn
er sein Berufsleben von vornherein nur im System der gesetzlichen Rentenversicherung verbracht hätte, eine Zurechnungszeit
nur bei der Berechnung einer Rente wegen Erwerbsminderung in Betracht gekommen, aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt
bei der Berechnung der Altersrente. Schon aus diesem Grund ist nicht erkennbar, worin bei der Anwendung des §
59 SGB VI eine Regelungslücke oder eine Ungleichbehandlung bestehen sollte.
Soweit bei der Umwandlung einer Rente wegen Erwerbsminderung in eine Rente wegen Alters die Zeit einer beim früheren Rentenbezug
anerkannten Zurechnungszeit als Anrechnungszeit aufgrund Rentenbezugs berücksichtigt wird (§
58 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 SGB VI), liegen auch diese Voraussetzungen nicht vor, da der Kläger keine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hat.
Eine Regelungslücke besteht insoweit nicht. Der Gesetzgeber hat sowohl die Voraussetzungen für eine Zurechnungszeit als auch
den nachfolgenden Tatbestand der Anrechnungszeit wegen Rentenbezugs bewusst an Tatbestände nach dem
SGB VI geknüpft, insbesondere den Tatbestand der Erwerbsminderung und des Bezugs einer Rente wegen Erwerbsminderung. Bei dem Tatbestand
der Dienstunfähigkeit nach dem
BeamtVG und dem Tatbestand der Erwerbsminderung nach dem
SGB VI handelt es sich aber hinsichtlich der Voraussetzungen und der Rechtsfolgen um völlig unterschiedliche Tatbestände, die unter
keinem denkbaren Gesichtspunkt gleichgesetzt werden können. Dass der Kläger wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig pensioniert
worden ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass er auch als rentenversicherungspflichtiger Versicherter bei gleichem beruflichen
Werdegang und Gesundheitsstörungen eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten hätte. Allerdings kommt es hierauf nicht entscheidend
an, weil der Gesetzgeber die Anrechnung von Rentenbezugszeiten ausdrücklich auf Zeiten des Rentenbezugs mit Berücksichtigung
einer Zurechnungszeit nach dem
SGB VI beschränkt hat. Andernfalls wäre der Rentenversicherungsträger gehalten, jegliche Form einer an gesundheitliche Einschränkungen
geknüpften vorzeitigen Rentengewährung, u.U. also auch auf privatrechtlicher Basis gewährte Renten, bei der Altersrente rentensteigernd
zu berücksichtigen.
4.
Auch die Voraussetzungen des §
88 SGB VI sind offensichtlich nicht erfüllt. Es handelt sich bei der Altersrente des Klägers nicht um eine Folgerente, weil er zuvor
keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen hat. Entsprechend hat es vor Beginn der Altersrente oder auch
nur vor Beginn der Neufeststellung aufgrund der Nachversicherung keine Entgeltpunkte gegeben, die über die Regelung in §
88 Abs.
1 SGB VI "geschützt" werden könnten. Dies ist schon denklogisch ausgeschlossen. Denn der Kläger hat Entgeltpunkte für die Zeit ab
1975 erstmals über die Nachversicherung überhaupt erhalten. Die Berechnung seiner Versorgungsbezüge ist nicht auf der Grundlage
von Entgeltpunkten, sondern auf der Grundlage seiner letzten Dienstbezüge in Abhängigkeit von den ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten
erfolgt.
Abgesehen davon, dass auch insoweit keine Regelungslücke gegeben ist, verkennt der Kläger mit dem Antrag, §
88 SGB VI entsprechend erweiternd auszulegen, die Möglichkeiten der Auslegung von Rechtsvorschriften. Die Grenzen einer verfassungsrechtlich
gebotenen Auslegung ergeben sich grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Lassen
der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelung und deren Sinn und Zweck mehrere
Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen
Auslegung endet allerdings dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch träte.
Anderenfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vorgreifen
oder diese unterlaufen. Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss demnach nicht nur vom Wortlaut des Gesetzes
gedeckt sein, sondern auch die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahren. Das gesetzgeberische Ziel darf nicht in einem
wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 -, BVerfGE 138, 64-102 m.w.N.). Vorliegend ist die vom Kläger gewünschte Regelung weder mit dem Wortlaut noch mit der Systematik der von ihm
bezeichneten Regelungen vereinbar. Es ist auch nicht erkennbar, dass eine solche Auslegung, die praktisch die Schaffung einer
eigenständigen bisher nicht bestehenden Rechtsgrundlage durch die Gerichte bedeuten würde, vom Willen des Gesetzgebers gedeckt
wäre. Tatsächlich hat der Gesetzgeber in den §§
8, 181ff
SGB VI Regelungen für Beamte geschaffen, die wie der Kläger ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben, nämlich deren Nachversicherung
in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dabei hat er durchaus begünstigende Regelungen getroffen und insbesondere angeordnet,
dass die Nachversicherungsbeiträge als rechtzeitig gezahlte Pflichtbeiträge gelten (§
185 Abs.
2 Satz 1
SGB VI). Wichtig ist diese Tatsache vor allem dann, wenn es um die Zahlung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geht.
Soweit er es in diesem Zusammenhang unterlassen hat, besondere Regelungen für diejenigen Personen zu treffen, die ihre Versorgung
als Ruhestandsbeamter infolge einer Straftat mit Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe verloren haben, handelt es sich nicht
um eine Regelungslücke, sondern um eine bewusste Entscheidung (vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom
30.11.2019 - L 33 R 906/16 -, juris zur fehlenden Möglichkeit der Berücksichtigung eines Versorgungsbezugs bei der Regelung in §
43 Abs.
4 SGB VI).
5.
Unter welchem denkbaren Gesichtspunkt der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art.
3 Abs.
3 Grundgesetz (
GG) verletzt sein sollte, ist nicht erkennbar. Der Kläger hat nur einen Anspruch darauf, mit vergleichbaren Personen gleichgestellt
zu werden. Dies wären aber nur Personen, die wie er nachversichert werden, nachdem sie bereits eine Beamtenpension erhalten
haben. Er kann dagegen nicht geltend machen, mit Versicherten gleichgestellt zu werden, die ihr gesamtes Versicherungsleben
in der gesetzlichen Rentenversicherung zugebracht haben und unter gänzlich anderen Voraussetzungen eine Rente wegen Erwerbsminderung
erhalten haben.
Der Kläger hat daher auch zur Überzeugung des Senats keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente.
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.