Gründe:
I. Das Sozialgericht München (SG) hat mit Urteil vom 23.April 2008 die Beklagte verpflichtet, Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten des Klägers vom 25. Juni
1959 bis 31. Oktober 1959, vom 20. Februar 1971 bis 25. April 1984 und vom 27. April 1984 bis 8. April 1986 der Qualifikationsgruppe
4 der Anlage 13 zum
SGB VI zuzuordnen und Leistungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Nach Auffassung der Kammer habe der Kläger
in den streitigen Zeiten Tätigkeiten auf Facharbeiterniveau sowohl nach polnischen Verhältnissen als auch vergleichbar mit
den Verhältnissen in der ehemaligen DDR ausgeübt ...
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil am 27. Mai 2008 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie in ihrem Schriftsatz vom
24.September 2008 darauf hingewiesen hat, dass für die Tätigkeiten als Lehrbergmann/Jungbergmann und als Kraftfahrer die Voraussetzungen
zur Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 fehlten, da beim Kläger nicht vom Vorliegen eines Facharbeiterstatus ausgegangen
werden könne. Sie regte insoweit eine weitere Beweiserhebung an.
Mit der Berufungsbegründung vom 24.September 2008 beantragt die Beklagte auch, die Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil
auszusetzen. Das Urteil sei wegen der unzutreffenden Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 4 fehlerhaft. Der Klägerbevollmächtigte
beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
II. Nach §
154 Abs.
2 SGG bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass
des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Keine aufschiebende Wirkung tritt dagegen kraft Gesetzes für die Zeit
nach Erlass des Urteils ein, wenn ein Versicherungsträger verurteilt wurde, dem Kläger eine Rente zu zahlen. Der Versicherungsträger
ist daher verpflichtet, die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die der Kläger aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil
des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.
Auf Antrag oder von Amts wegen kann jedoch der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des Landessozialgerichts
gemäß §
199 Abs.
2 SGG durch einstweilige Anordnung die Vollstreckung aus dem Urteil aussetzen - soweit die Berufung gemäß §
154 Abs.
2 SGG keine aufschiebende Wirkung hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) soll eine Aussetzung allerdings nur
dann erfolgen, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSG 12, 138; 33, 118, 121). Nach der herrschenden
Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist der Auffassung des BSG nicht uneingeschränkt zu folgen und eine Aussetzung der
Vollstreckung auch dann anzuordnen, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Leistungsträger mit seinem Rechtsmittel
jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird (vgl. Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl, Rdnr 400; Meyer-Ladewig,
SGG, 9.Auflage, §
199, Rdnrn 8 und 8a mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob in der Zwischenzeit geleistete Beträge nach Aufhebung des Urteils dann
eingetrieben werden können. Das Interesse des Leistungsträgers an der Rückerstattung der Leistung ist umso höher zu bewerten,
je größer die Erfolgsaussichten der Berufung des Leistungsträgers einzuschätzen sind. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen,
dass insbesondere dann, wenn Altersrente schon gewährt wird, der Versicherungsträger nach §
51 Abs.
2 SGB I aufrechnen kann bzw. sonst nach §
52 SGB I eventuell einen anderen Leistungsträger mit der Verrechnung beauftragen kann.
Fordert man mit dem 4.Senat des BSG über §
198 Abs. l
SGG, §
719 Abs. l
ZPO in entsprechender Anwendung des §
707 Abs. l Satz 2
ZPO für die Aussetzung der Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil für den Schuldner durch die Vollstreckung, so trifft
die Beklagte die Verpflichtung, die Voraussetzungen dafür glaubhaft zu machen. Dies ist aber nicht andeutungsweise geschehen.
So hat die Beklagte schon nicht glaubhaft gemacht, dass eine Vollstreckung die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben unmöglich
machen oder zumindest gefährden würde. Da mithin ein der Beklagten entstehender, nicht wieder gutmachbarer Schaden nicht erkennbar
ist, ist auf das Vorhandensein eines überwiegenden Interesses des Klägers an der Durchführung der Vollstreckung nicht mehr
einzugehen.
Vorliegend lässt sich die Erfolgsaussicht der Berufung auch nur schwer beurteilen, da vom Senat noch weitere Ermittlungen
zur Aufklärung des Sachverhalts durchzuführen sind. Dies hat die Beklagte schon von sich aus angeregt. Dass die Beklagte und
Berufungsklägerin ihre Berufung auf eine andere Bewertung der klägerischen Tätigkeit stützt, macht es aus objektiver Sicht
noch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sie mit ihrer Berufung jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird.
Unter diesen Umständen besteht unter Abwägung einerseits des Interesses des Klägers an der Vollstreckung des Urteils und andererseits
des Interesses der Beklagten daran, vor endgültiger Klarstellung der Rechtslage nicht leisten zu müssen, kein Anlass, von
der im Gesetz vorgesehenen Regelung, dass die Berufung gemäß §
154 Abs.
2 SGG für die Zeit ab Erlass des angefochtenen Urteils keine aufschiebende Wirkung hat, abzuweichen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des §
193 SGG und beruht auf der Erwägung, dass der Aussetzungsantrag erfolglos geblieben ist (zur Notwendigkeit einer gesonderten Kostenentscheidung
in einem Verfahren nach §
199 Abs.
2 SGG siehe BayLSG, NZS 1996, S. 592; Beschluss des BSG vom 06.08.1999, Az.: B 4 RA 25/98 B).
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.