Gewährung von Blindengeld nach dem BayBlindG
Schwer demente Antragstellerin
Einwand der Zweckverfehlung des BayBlindG
Massive Verarbeitungsstörung aller Sinnesqualitäten
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) streitig.
Die 1943 geborene Klägerin leidet an einer schweren Alzheimer-Demenz. Am 12.09.2012 beantragte sie, vertreten durch ihren
Sohn, beim Beklagten die Gewährung von Blindengeld, ferner die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl". Der Vertreter der Klägerin
wies darauf hin, dass diese völlig hilflos, komatös und objektiv physisch wie geistig nicht in der Lage sei, noch irgendetwas
sinnvoll wahrzunehmen oder zu verarbeiten. Die Klägerin ist seit 2004 in einem Pflegeheim untergebracht.
In seinem für den Beklagten angefertigten Gutachten vom 03.11.2012 stellte der Augenarzt Dr. K. die Diagnosen Cataracta senilis
provecta, mäßige Arterienverkalkung, fortgeschrittene Alzheimer-Demenz. Die Sehschärfe lasse sich nicht prüfen, da die Klägerin
auf Fragen nicht antworte. Aus dem objektiven Befund ergebe sich kein Nachweis einer Blindheit. Die Klägerin sei nicht transportfähig.
Dem Gutachter gelang lediglich eine Augenuntersuchung, bei der er unter anderem eine positive Reaktion auf Licht, eine klare
Hornhaut und eine mäßige Linsenkerntrübung feststellte. Blindheit sei nicht nachgewiesen, so der Gutachter.
In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 30.01.2013 wurde darauf hingewiesen, dass keinerlei Anhalt für
eine spezielle Schädigung der Sehstrukturen bestehe.
Mit Bescheid vom 26.02.2013 lehnte der Beklagte den Antrag auf Blindengeld ab. Bei der Klägerin, so die Begründung, bestehe
eine sehr weit fortgeschrittene Demenz; eine Kommunikation sei nicht mehr möglich, Sinneseindrücke könnten nicht mehr verarbeitet
werden. Aus der vorliegenden generellen zerebralen Funktionsstörung lasse sich Blindheit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 BayBlindG nicht ableiten. Es lasse sich auch nicht der objektive Nachweis führen, dass bei der Klägerin faktische Blindheit bestehe.
Hiergegen legte die Klägerin über den Bevollmächtigten am 03.03.2013 Widerspruch ein. Der Vertreter begründete den Widerspruch
umfangreich im Schreiben von 14.04.2013 und wies dabei unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.07.2005 (Az.: B 9 BL 1/05 R) hin. Er teilte mit, dass die Klägerin bereits auf einer sehr frühen Stufe des Prozesses visueller Wahrnehmung (Erkennen/Benennen)
Objekte nachweislich schon nicht erkennen könne, weswegen eine bloße Benennungsstörung perzeptuell repräsentierter Objekte
auszuschließen sei. Es ergäben sich zahlreiche Hinweise für eine "kortikale Agnosie", insbesondere bestehe kein optokinetischer
Nystagmus (OKN). Die höhergelegenen Zentren, die für die Auswertung der visuellen Signale verantwortlich seien, sowie die
Assoziativzentren temporal und frontal seien vom allgemeinen Hirnabbauprozess mitbetroffen. Die auf anderen Feldern der Sinneswahrnehmung
verbliebenen Fähigkeiten seien ihrerseits nicht so weit herabgesetzt, dass der Leistungsunterschied zur fehlenden visuellen
Modalität unbeachtlich wäre. Zudem sind weitere medizinische Unterlagen vorgelegt worden, wie ein Attest des Seniorenzentrums
L. vom 05.03.2013.
In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.06.2013 wies die Ärztin Dr. P. des Beklagten unter anderem darauf hin,
es bestehe kein Zweifel, dass die fortgeschrittene Alzheimer-Demenz eine schwere geistige Behinderung zur Folge habe. Beeinträchtigt
seien dabei aber nicht nur die visuelle Wahrnehmung, sondern auch die Wahrnehmungen anderer Sinnesmodalitäten.
Daraufhin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2013 den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Begründung
stellte vor allem darauf ab, dass es trotz Einsatzes aller diagnostischen Möglichkeiten nicht gelungen sei, das genaue Ausmaß
der bei der Klägerin offensichtlich vorliegenden Sehstörung festzustellen. Der Beklagte verwies auf den Grundsatz der objektiven
Beweis- und Feststellungslast. Eine umschriebene Zerstörung von Strukturen des zentralen Sehsystems sei nicht nachweisbar.
Dies wäre, so der Bescheid, jedoch erforderlich, um Rindenblindheit zu belegen. Eine faktische Blindheit im Sinne des BSG-Urteils vom 20.07.2005 (a.a.O.) liege ebenfalls nicht vor, da es an einer spezifischen Sehstörung fehle. Beeinträchtigt durch
die fortgeschrittene Alzheimer-Demenz sei auch die Wahrnehmung in anderen Sinnesmodalitäten.
Hiergegen hat der Bevollmächtigte für die Klägerin am 03.07.2013 Klage zum Sozialgericht (SG) Landshut erhoben. Zur Begründung hat er auf die vorliegenden ärztlichen Befundberichte verwiesen, unter anderem auf die
Bestätigung des Allgemeinmediziners Dr. S. vom 10.09.2012, nach der bei der Klägerin aufgrund der schweren neurologischen
Störungen unter anderem des Sehvermögens die Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" vorliegen würden. Weiter hat der Bevollmächtigte
auf die ärztliche Stellungnahme der Radiologie R. vom 30.11.2012 verwiesen, dass schätzungsweise ca. 50 % der gesamten Gehirnmasse
fehlen würden "und dies natürlich auch im Bereich des zentralen Sehsystems". Zur medizinischen Sachverhaltsermittlung hat
das SG einen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. S. vom 23.01.2014 eingeholt. Danach leidet die Klägerin an einer schweren
Alzheimer-Demenz mit ausgeprägter Pflegebedürftigkeit, wobei von einem hochgradigen atrophen Hirnsubstanzverlust mit fehlender
visueller Wahrnehmungsfähigkeit auszugehen sei. Demgegenüber bestünden jedoch noch Restkompetenzen hinsichtlich der Wahrnehmungsfähigkeit
in den Modalitäten Fühlen, Hören, Geschmack und Schmerzempfinden, mittels derer es der Klägerin möglich sei, mit dem Pflegepersonal
nonverbal zu kommunizieren bzw. durch Laute, Gestik und Mimik.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch ein radiologisches Sachverständigengutachten von Dr. N. vom 21.03.2014. Dieses hat sich
auf die Einsichtnahme in Unterlagen sowie die radiologischen Untersuchungen vom 30.11.2012 und 28.09.2010, angefertigt am
Krankenhaus P-Stadt, gestützt. Der Sachverständige hat festgestellt, dass der bei der Klägerin erhobene Befund passend zu
Morbus Alzheimer sei. Eine umschriebene Schädigung der Sehbahn und der Sehrinde lasse sich mittels des vorliegenden Bildmaterials
nicht nachweisen. Es bestünden, so Dr. N., im Rahmen der generalisierten Atrophie auch Substanzminderungen im Bereich der
primären und sekundären Sehrinde. Ein vollständiger Ausfall der Wahrnehmung visueller Reize sei durch die vorliegenden Hirnveränderungen
nicht nachzuweisen.
Am 26.05.2014 hat eine mündliche Verhandlung der Kammer stattgefunden. In der Sitzung hat der Vertreter der Klägerin drei
Videosequenzen über die Klägerin von jeweils etwa einer halben Minute Dauer gezeigt, die am 25.04.2014 vormittags aufgenommen
worden seien. Die mündliche Verhandlung ist vertagt worden.
Sodann hat das Gericht erneut ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Dr. M., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie
und Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin, Radiologische Diagnostik und Neuroradiologie, hat die Klägerin am 15.07.2014
im Seniorenzentrum L. untersucht und am 08.09.2014 das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten erstellt. Dr.
M. hat bei der Klägerin eine sehr schwere Demenz bei Alzheimerkrankheit mit frühem Beginn diagnostiziert. Die Erkrankung sei
durch den klinischen Verlauf belegt mit jetzt schwerster Ausprägung. Der Hauptschaden liege jetzt in dem funktionellen Verlust
der Kognition. Dies betreffe psychische Fähigkeiten wie Gedächtnis, Intelligenz und Sprache sowie Funktionen wie Wahrnehmung,
Denken und Behalten und schließlich das Erleben als psychische Kraft: Gefühle, Interessen, Triebe und Bedürfnisse. Aus medizinischer
Sicht liege keine Blindheit oder Seelenblindheit, kein Riech- oder Hörverlust vor, sondern der Verlust der kognitiven Bearbeitung
aller einkommenden Informationen auf kortikaler Ebene. Es liege auch keine psychogene Blindheit oder visuelle, akustische
bzw. taktile Agnosie vor. Diese würden ein ausreichendes Bewusstsein voraussetzen, so Dr. M ...Der Sachverständige hat zusammenfassend
Folgendes festgestellt:
* Es erfolge keinerlei Reaktion auf visuelle Reize.
* Bei Schmerzauslösung durch Rotation der linken Hüfte bestünden ungerichtete, reproduzierbare Abwehrbewegungen. Diese seien
nicht gezielt oder willensgesteuert, sondern würden auf Reflexebene ablaufen. Bei der Geschmacksprüfung habe es nur bei Bitterstoff
ungerichtete reproduzierbare Mundbewegung gegeben, bei den übrigen Geschmacksprüfungen keine Reaktion. Es lasse sich keine
willentliche Beeinflussung feststellen, die Mundbewegung erfolge auf Reflexebene. Bei der Überprüfung anderer Sinneswahrnehmungen
(Geruch, Hörreize, Berührung und Lagesinn) bestünde keine spezifische und reproduzierbare Reaktion.
* Die Wahrnehmung in allen Sinnesmodalitäten sei geprägt durch den Verlust der Kognition und der Reizverarbeitung. Hierdurch
bestehe kein deutlicher Unterschied im Hinblick auf die Wahrnehmung unterschiedlicher Reize. Die oben angeführten Reaktionen
auf Reflexbogenebene könnten nicht als Unterschied gewertet werden.
* Den Ausführungen der Ärztin Dr. P. des Beklagten sei im Ergebnis voll zu folgen, auch bezüglich der Bewertung der Bildgebung.
Wesentlich sei, dass auch die Ärztin festgestellt habe, dass nicht die Herabsetzung der visuellen Informationserfassung und
Leitung der wesentliche Punkt sei, sondern der übergreifende Verlust der Kognition und Informationsverarbeitung im Rahmen
der Demenz. Dies treffe ohne wesentlichen Unterschied auch die übrigen Sinnesmodalitäten.
Zu dem Gutachten hat der Bevollmächtigte der Klägerin am 14.10.2014 im Einzelnen Stellung genommen. Das Gutachten sei nicht
schlüssig. Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass es sich nach klägerischer Ansicht in vorliegendem Fall um Blindheit
handle; selbst bei der Annahme eines einigermaßen intakten optischen Systems könnten Bildeindrücke nicht mehr verarbeitet
werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 20.11.2014 ist die Klage ist abgewiesen worden, da Blindheit nicht nachgewiesen sei. Zwar sei das
SG davon überzeugt, dass bei der Klägerin ein Verlust der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit gegeben sei. Es liege jedoch im Hinblick
auf die Feststellungen von Dr. M. keine spezifische Sehstörung im Sinne der BSG-Rechtsprechung vor. Es sei auch keine vollständige Zerstörung der für die visuelle Wahrnehmung zuständigen Hirnregionen gegeben.
Am 19.12.2014 hat die Klägerin über ihren Bevollmächtigten Berufung beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegt. Entgegen
der Ansicht des SG lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Blindengeld vor. In den Ausführungen des Bevollmächtigten ist vor allem darauf
abgestellt worden, dass bei der Klägerin eine spezifische Sehstörung und ausdrücklich keine generalisierte Herabsetzung aller
Sinneswahrnehmungen bestehe.
Im Hinblick auf Musterverfahren des Senats (L 15 BL 4/10 und L 15 BL 5/11) und auf das beim BSG anhängige Revisionsverfahren (B 9 BL 1/14 R) ist sodann auf Antrag am 22.06.2015 das Ruhen des Verfahrens gemäß §
202 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
251 Zivilprozessordnung angeordnet worden. Mit Schriftsatz vom 26.10.2015 hat der Bevollmächtigte die Fortsetzung des Verfahrens beantragt.
Auch nach dem Urteil des BSG vom 11.08.2015 (B 9 BL 1/14 R) hat der Beklagte mit Schreiben vom 22.02.2016 die Zurückweisung der Berufung beantragt, da Blindheit nicht nachgewiesen
sei. In der 19. Kommissionssitzung zur Beratung schwieriger Begutachtungsfälle nach dem BayBlindG beim Beklagten sei am 08.12.2015 betont worden, dass sich "Bewusstsein" in dem vorliegenden Zusammenhang auf die visuelle,
nicht auf die allgemeine Wahrnehmung beziehen solle, sonst wäre, so der Beklagte, jeder bewusstseinsgestörte Mensch blind.
Auch bei Apallikern müsse Blindheit nachgewiesen sein; allein der Umstand des Wachkomas begründe Blindheit nicht. Blindengeld
sei kein "Bewusstlosengeld". Vorliegend sei zwar der Nachweis erbracht, dass die weitere Verarbeitung optischer (und der übrigen)
Reize auf der höheren Assoziationsebene nicht mehr gegeben sei, jedoch gebe es keinen Nachweis dafür, dass auch die optische
Reizaufnahme gestört sei. Bei der gegebenen Befundlage könne davon ausgegangen werden, dass die verbliebenen neuronalen Strukturen
ausreichend seien, um die von der weitgehend intakten Netzhaut aufgenommenen optischen Signale zu verarbeiten.
Am 23.05.2016 hat der Senat Dr. M., den Sachverständigen des erstinstanzlichen Verfahrens, beauftragt und um Klärungen insbesondere
hinsichtlich des morphologischen Befunds und der Möglichkeit der Klägerin, optische Signale zu verarbeiten, gebeten. In seiner
nach Aktenlage erstellten ergänzenden Stellungnahme vom 16.06.2016 hat Dr. M. ausdrücklich festgestellt, dass kein Hinweis
auf eine funktionelle oder morphologisch fassbare Rindenblindheit bestehe. Ihm, dem Sachverständigen, sei aber keine wissenschaftliche
Arbeit bekannt, bei dem eine Relation bezüglich einer Atrophie im Bereich der Sehrinde und im übrigen Cortexbereich gesichert
sei. Es sei nicht möglich anzugeben, bei welchem Ausmaß einer Parenchymreduktion davon auszugehen sei, dass die verbliebenen
neuronalen Strukturen nicht mehr ausreichend seien, um die aufgenommenen optischen Signale verarbeiten zu können. Die Fähigkeit,
optische Signale zu verarbeiten, sei bei der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgehoben. Für diese
Fähigkeit bedürfe es neben funktionierender Neuroanatomie und Neurophysiologie unter anderem der Wahrnehmung, der Auffassungsgabe
und der Aufmerksamkeit und vor allem der Kognition der Klägerin.
Zu dem Gutachten hat sich der Beklagte am 18.08.2016 geäußert und den Abweisungsantrag aufrechterhalten. In der zugrundeliegenden
nervenärztlichen Stellungnahme hat die Fachärztin B. darauf aufmerksam gemacht, dass aus ihrer Sicht die Folgerung von Dr.
M. schlüssig sei, der vollständig abgeschlossene Vorgang der Wahrnehmung Sehen werde erst durch die kognitive Auffassung erreicht;
dies sei aber nicht gleichzusetzen mit den erfüllten Voraussetzungen für die Gewährung von Blindengeld.
Nach Einverständniserklärung der Beteiligten hat der Senat den Rechtsstreit am 19.12.2016 im schriftlichen Verfahren gemäß
§
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entschieden und den Gerichtsbescheid des SG vom 20.11.2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 26.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2013 aufgehoben
und den Beklagten verurteilt, der Klägerin ab Antragstellung Blindengeld zu gewähren. Die Revision ist zugelassen worden.
Auf der Grundlage der geschilderten (neuen) Definition von Blindheit durch das BSG im Urteil vom 11.08.2015 (a.a.O.) hat der Senat die Blindheit der Klägerin aufgrund deren Hirnschädigung mit hochgradiger
Einschränkung aller Sinnesfunktionen und der massiven Störung der visuellen Wahrnehmung als nachgewiesen erachtet. Die aufgenommenen
Signale hätten nicht mehr genutzt werden können. Aufgrund der fortgeschrittenen Demenz hätte die Klägerin, so das Urteil,
einen Verlust der kognitiven Verarbeitung erlitten, was sich aus den Feststellungen der Sachverständigen und der behandelnden
Ärztin ergebe. Dass die mangelnden Sehleistungen der Klägerin auf der allgemeinen Herabsetzung ihrer Fähigkeiten beruhen,
stehe der Annahme einer schweren Sehstörung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG nicht entgegen. Dieses im Hinblick auf die Verarbeitungsvorgänge als Elemente des Sehvorgangs vertretene weite Begriffsverständnis
des Sehvorgangs sei sachgerecht.
Gegen das Urteil des Senats hat der Beklagte beim BSG Revision eingelegt (). Dabei hat er im Wesentlichen gerügt, dass das angegriffene Urteil gegen Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG verstoße. Das BayLSG habe entgegen dem Gesetzeswortlaut und den Motiven des bayerischen Gesetzgebers den Begriff der Blindheit
im Sinne dieser Vorschrift erweitert.
Mit Urteil vom 14.06.2018 hat das BSG das Urteil des BayLSG vom 19.12.2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das BayLSG zurückverwiesen.
Das BSG hat das vom BayLSG in dessen Urteil zugrunde gelegte Begriffsverständnis von Blindheit bejaht, jedoch festgestellt, dass
in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht klar sei, ob der blinden Klägerin aufgrund des bei ihr bestehenden Krankheitsbildes
überhaupt blindheitsbedingte Mehraufwendungen entstehen könnten. Auch wenn Art. 1 Abs. 1 BayBlindG keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung zu entnehmen sei, werde doch der erklärte Zweck des Blindengeldes verfehlt, wenn
ein blindheitsbedingter Aufwand aufgrund der Eigenart des Krankheitsbildes gar nicht erst ent- bzw. bestehen könne. Für den
vom Gericht überprüfbaren Einwand der Zweckverfehlung trage die zuständige Behörde die Darlegungs- und Beweislast. Ob der
Klägerin angesichts ihrer fortschreitenden Demenz noch ein blindheitsbedingter Mehrbedarf entstehen könne, habe das BayLSG
aus seiner Sicht zu Recht nicht festgestellt. Auch wenn ein solcher bei dem festgestellten Krankheitsbild der Klägerin kaum
noch anzunehmen sein dürfte, so das BSG, fehlten hierzu doch konkrete Feststellungen. Diese werde das BayLSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen und
zu prüfen haben, ob aufgrund der Eigenart des Krankheitsbildes bei der Klägerin blindheitsbedingter Mehraufwand entstehen
könne.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat sich der Beklagte mit Schriftsatz vom 20.11.2018 geäußert und zunächst auf die
Schilderung des Zustands der Klägerin durch deren Vertreter bei der Antragstellung (s.o.) hingewiesen. Nach Auffassung des
Beklagten sei es bei dem bei der Klägerin bestehenden Krankheitsbild ausgeschlossen, dass der Mangel an Sehvermögen durch
bestimmte Maßnahmen wie Assistenzleistungen (z.B. Vorlesen bzw. Verfassen von Post, Hilfsmittel wie Lesegeräte, spezielle
EDV, Blindenlangstock, Blindenführhund usw.) ausgeglichen werden könne. Es könne von vornherein kein Mehraufwand im o.g. Sinn
speziell durch die Blindheit entstehen. Der Beklagte mache daher den anspruchsvernichtenden Einwand der Zweckverfehlung geltend.
Sofern dies seitens des Bevollmächtigten anders gesehen werde, habe dieser konkret darzulegen, ob und inwieweit seit Antragstellung
im September 2012 ein Mehraufwand speziell durch die Blindheit entstanden sei.
Im Schriftsatz vom 05.12.2018 hat die Klägerseite sodann auf die vom BSG festgestellte Darlegungs- und Beweislast (des Beklagten) verwiesen. Zudem ist hervorgehoben worden, dass die o.g. Äußerung
des Vertreters der Klägerin bei der Antragstellung gerade keine medizinische Äußerung gewesen sei. Mit der Bezeichnung "komatös"
habe der Vertreter nicht die Diagnose Koma ausdrücken wollen, sondern den landläufig gebräuchlichen Ausdruck für einen Zustand
schwerer Gehirnschädigung mit Verarbeitungsstörung. Zudem ist eine Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. S. vom 21.06.2018
vorgelegt worden. Darin ist u.a. wörtlich ausgeführt worden: "Im Rahmen ihrer Erkrankung und der damit verbundenen Unmöglichkeit,
visuelle Eindrücke zu verarbeiten, ist für die Patientin in besonderer Weise die Sicherheit durch die Anwesenheit des ihr
als vertraut geltenden und von ihr über Stimme und Berührungen identifizierten Betreuungspersonals von Bedeutung, das ihr
Sicherheit durch das Herstellen von Nähe bzw. Körperkontakt zu vermitteln vermag. Bereits vor vielen Jahren haben sich Heimleitung,
Hausarzt und Betreuer aus medizinischen Gründen in Absprache und im Hinblick auf den Verbleib der Patientin im Heim und der
ihr vertrauten Umgebung daher für eine Unterbringung in einem Zimmer des Heims entschieden, das eigentlich zur Belegung für
zwei Patienten gewidmet, gegen einen finanziellen Zusatzaufwand der Patientin ihr jedoch aus medizinischen Gründen aufgrund
ihrer Probleme aufgrund der visuellen Verarbeitungsstörung im Rahmen ihrer Alzheimererkrankung (Störung des Tag-Nacht-Rhythmus,
Unruhezustände etc.) allein zur Bewohnung überlassen wird, was gleichzeitig dem Schutz von Mitbewohnern vor Beeinträchtigung
durch auftretende Unruhezustände dient und die Patientin vor Angstzuständen durch fremde Personen in ihrem Zimmer bewahrt.
Die Patientin [ ...] kann jedoch offenbar in gewissem Umfang auch zwischen fremden und bekannten Personen anhand ihrer Stimme
oder Berührungen unterscheiden und hierauf durch Unruhe oder Gelassenheit reagieren, so dass sie auf fremde Personen in ihrem
Umfeld mit Beunruhigung und Angstzuständen reagieren würde. Bei der Patientin liegt kein komatöser Zustand vor. Frau A. reagiert
im Rahmen ihrer Möglichkeiten im täglichen Umgang auf taktile Reize, auf Schmerzempfinden oder Ansprache durch das Pflegepersonal."
In einer Bescheinigung vom 25.06.2018 hat das A. Seniorenzentrum L. bestätigt, dass von der Klägerin neben den regulären monatlichen
Heimentgelten für das von ihr bewohnte Einzelzimmer ein monatlicher Zusatzbeitrag in Höhe von 125,00 Euro (ab 01.01.2017:
62,50 Euro) zu bezahlen sei, um ihr den Verbleib in ihrem (eigentlich als Doppelzimmer gewidmeten) gewohnten Einzelzimmer
am Ende eines Ganges zu ermöglichen. Die Klägerin benötige im Rahmen ihrer Erkrankung und der damit verbundenen Unmöglichkeit,
visuelle Eindrücke zu verarbeiten, die Sicherheit des ausschließlich Umsorgtwerdens von Pflegekräften, die sie offenbar anhand
deren Stimme und Berührungen wahrnehmen und identifizieren könne. Sie würde durch fremde Personen in ihrem Umfeld beunruhigt
und verängstigt werden, so dass im Hinblick auf den Verbleib im Heim und die ihr vertraute Umgebung nur eine Einzelbelegung
möglich sei. Auch sei nur eine Einzelzimmerlösung möglich, um die Beeinträchtigungen und Störungen anderer Heimbewohner möglichst
gering zu halten, u.a. wegen der im Rahmen der visuellen Verarbeitungsstörung bestehenden Unruhezustände. Weiter ist in der
Bescheinigung bestätigt worden, dass der Pflegeaufwand für die Klägerin weit über das Maß der Pflege eines normalen Alzheimerpatienten
hinausgehe und insoweit besondere Anforderungen an Personaleinsatz, Zeitaufwand und fachliche Kompetenzen des Pflegepersonals
stelle, wofür auch monatliche Vergütungszuschläge in Höhe von 130,81 Euro berechnet würden.
In dem Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 05.12.2018 ist auf das Gutachten von Dr. M. vom 08.09.2014 verwiesen worden; die
Feststellungen würden, so die Klägerseite, einen Komazustand bzw. einen Zustand der dauernden Bewusstlosigkeit widerlegen.
Auch die Ernährung der Klägerin per Sonde erfordere übrigens eine intensive und zeitaufwändige Überwachung durch das Pflegepersonal.
Weiter sei zu berücksichtigen, dass Vergütungszuschläge, die jedoch seitens der Beihilfe/Krankenkasse erstattet würden, anfielen
und auch noch das sog. Zusatzentgelt bezüglich der Einzelzimmerbelegung. Die Kosten für Letztere würden nicht erstattet.
In einem (sehr ausführlichen) Schreiben des Vertreters der Klägerin an das BayLSG vom 03.12.2018 ist dargelegt worden, dass
spezieller Hilfebedarf mehrfach behinderter blinder Menschen, wie der Klägerin, in dem Erfordernis einer körpernahen Kommunikation
bestehe, um unzureichende Umweltinformationen auszugleichen; hierbei sei zu berücksichtigen, dass viele Vorgänge sehr viel
mehr Zeit erfordern würden als bei Sehenden. Darüber hinaus sei ein massiv höheres Gefährdungspotenzial beim Blinden bzw.
visuell Verarbeitungsgestörten vorhanden, was durch eine sehr intensive, häufig permanente Aufsicht des Pflege- und Betreuungspersonals
aufgefangen werden müsse. Im Einzelnen gelte dies für den Rahmen der Sondennahrungsgabe wie auch der normalen Zufütterung
und betreffe zusätzlich auch die Sicherstellung der adäquaten Medikamentengabe. Die taktile und verbale Assistenz des Betreuungspersonals
sei unerlässlich, um der Betroffenen - zumindest unterschwellig - durch die Anwesenheit des Betreuungspersonals Sicherheit
im Wege des Herstellens von Nähe zu signalisieren. Im Bereich der Körperpflege seien Assistenztätigkeiten des Betreuungspersonals
zusätzlich zum normalen Pflegeaufwand eines normalen schwer Pflegebedürftigen in besonderer Weise erforderlich, weil die Klägerin
z.B. keine visuelle Kontrolle der Frisur oder des Intimbereichs (einschließlich der Kontrolle von Einlagen) durchführen könne.
Vorhandene Störungen des Tag- und Nachtrhythmus im Rahmen der Blindheit der Klägerin würden weiterhin einen besonderen Aufsichtsbedarf
zur Vermeidung von Eigengefährdungen sowie eine gezielte Zuwendung der Nachtwache erfordern. Dabei sei zu berücksichtigen,
dass wegen der Hirnleistungsstörungen der Kommunikationsprozess nur unter sehr erschwerten Bedingungen und mit deutlich erhöhtem
Zeitaufwand zu leisten sei. Zu den blindheitsbedingten Mehraufwendungen gehörten darüber hinaus ohne Zweifel auch die kontinuierliche
Gesundheitskontrolle sowie genaue Beobachtung der Haut auf kleinste Veränderungen. Darüber hinaus habe das Betreuungspersonal
die Organisation der Arztbesuche zu unterstützen bzw. zu organisieren und - anders als bei normal schwer Pflegebedürftigen
- die Klägerin auch zu ambulanten Untersuchungen ins Krankenhaus zu begleiten, um deren emotionale Sicherheit zu stützen.
Der vorgenannte Zusatzaufwand des Betreuungspersonals für die Klägerin gehe weit über das Maß hinaus, das normal Schwerstpflegebedürftigen
zugewendet werden müsse. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass das Blindengeld bei Heimbewohnern ohnehin nur gekürzt ausgezahlt
werde. Schließlich hat der Vertreter hervorgehoben, dass die vorgelegten ärztlichen und pflegefachlichen Feststellungen einen
Komazustand oder ein apallisches Syndrom bei der Klägerin klar widerlegen würden.
Im Schriftsatz vom 31.01.2019 hat sich der Beklagte überrascht über die Angaben des Vertreters der Klägerin gezeigt, dass
dessen frühere Angaben "nunmehr gar nicht so gemeint seien", da damit auch, so der Beklagte, der in den Urteilen des BSG und des erkennenden Senats des BayLSG dargestellte Tatbestand nachträglich unrichtig werde. In der dieser Stellungnahme zugrundeliegenden
versorgungsärztlichen Äußerung von Dr. L. vom 28.01.2019 ist auf die Feststellungen bei der Begutachtung durch Dr. M. (15.07.2014)
verwiesen worden. Bei komatösen Patienten, so Dr. L., bestehe generell ein sehr hoher Pflege- und Betreuungsaufwand, der sämtliche
beschriebenen Assistenzleistungen umfasse. Die bestehende visuelle Wahrnehmungsstörung wirke sich nicht zusätzlich erschwerend
aus. Der Mangel des Sehvermögens könne auch bei dieser Ausprägung der Demenz durch keine Maßnahmen ausgeglichen werden.
Hierauf hat die Klägerseite am 28.04.2019 klargestellt, dass blindheitsbedingte Bedarfe sehr unterschiedlich sein könnten
und jeweils auf die persönliche Situation des Betroffenen abzustimmen seien. Aufgrund der höchstpersönlichen Natur der Entscheidung,
welcher blindheitsbedingte Bedarf mit dem Blindengeld befriedigt werden solle, stehe dem Beklagten eine Prüfung insoweit nicht
zu.
Daraufhin hat wiederum der Beklagte Stellung genommen und erneut den anspruchsvernichtenden Einwand der Zweckverfehlung erhoben.
Auch die erneut beschriebenen pflegerischen Leistungen bzw. der Pflegeaufwand seien bedingt durch das schwere bestehende Krankheitsbild
und würden bei weitem die Blindheit überlagern. Die vielfältigen speziellen Maßnahmen, um den Mangel an Sehvermögen auszugleichen,
die der Beklagte in dem Schriftsatz beispielhaft aufgeführt hat, seien allesamt bei der Klägerin nicht möglich. Der Beklagte
habe sehr wohl ein Prüfungsrecht hinsichtlich des Ausgleichs blindheitsbedingter Mehraufwendungen und des anspruchsvernichtenden
Zweckverfehlungseinwands.
In der mündlichen Verhandlung des Senats am 11.02.2020 ist der Leiter des A. Seniorenzentrums L., Herr E., als Zeuge (uneidlich)
einvernommen worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 20.11.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 26.02.2013
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2013 zu verurteilen, der Klägerin ab Antragstellung Blindengeld nach dem
Bayerischen Blindengeldgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten, des SG und des BSG beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die Gegenstand der gerichtlichen
Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig (Art. 7 Abs. 3 BayBlindG i.V.m. §§
143,
151 SGG), jedoch nicht begründet.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin blind oder hochgradig sehbehindert im Sinne des BayBlindG ist und ihr deshalb ab dem Monat der Antragstellung Blindengeld zusteht.
Letzteres hat das SG zu Recht verneint. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Blindengeld nach dem BayBlindG. Der Bescheid vom 26.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2013 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 BayBlindG erhalten blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Freistaat
Bayern haben oder soweit die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dies vorsieht, zum Ausgleich der durch diese Behinderungen bedingten
Mehraufwendungen auf Antrag ein monatliches Blindengeld.
Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG). Als blind gelten gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayBlindG auch Personen,
1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 0,02 (1/50) beträgt,
2. bei denen durch Nr. 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung
der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachten sind.
Hochgradig sehbehindert ist gemäß Art. 1 Abs. 3 BayBlindG, wer nicht blind in diesem Sinne (Art. 1 Abs. 2 BayBlindG) ist und
1. wessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch beidäugig nicht mehr als 0,05 (1/20) beträgt oder
2. wer so schwere Störungen des Sehvermögens hat, dass sie einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 nach dem Sozialgesetzbuch
Neuntes Buch (
SGB IX) bedingen.
Vorübergehende Sehstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten.
Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 oder weniger gleichzusetzende Sehstörung im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG liegt, den Richtlinien der DOG folgend, bei folgenden Fallgruppen vor (siehe VG, Teil A Nr. 6):
aa) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds
in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
bb) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes
in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
cc) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds
in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
dd) bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung
mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
ee) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld
unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
ff) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der
Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,gg) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe
nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
Wie der Senat wiederholt (vgl. z.B. die Urteile v. 12.11.2019 - L 15 BL 1/12 - und 26.11.2019 - L 15 BL 2/19) unterstrichen hat, sind nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren die einen Anspruch begründenden Tatsachen
grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil v. 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen.
Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses
des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil v. 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil v. 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92, Beschluss v. 29.01.2018 - B 9 V 39/17 B, Urteil v. 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R). Auch dem Vollbeweis können gewisse Zweifel innewohnen; verbleibende Restzweifel sind bei der Überzeugungsbildung unschädlich,
solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (z.B. BSG, Urteil v. 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R, m.w.N.).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Blindengeld.
Die Klägerin ist zwar blind im Sinne des BayBlindG. Der Beklagte hat jedoch mit Erfolg den anspruchsvernichtenden Einwand der Zweckverfehlung des BayBlindG erhoben, da das konkrete Krankheitsbild der Klägerin blindheitsbedingte Aufwendungen (in ihrer Situation) von vornherein
ausschließt.
1. Die Klägerin ist blind im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG.
Wie der Senat bereits im Urteil vom 19.12.2016 im Einzelnen dargelegt hat, ist es zu seiner Gewissheit nachgewiesen, dass
bei der Klägerin eine Verarbeitungsstörung vorliegt, so dass sie die Signale der (auch) visuellen Sinnesmodalität nicht identifizieren,
mit früheren Erinnerungen nicht vergleichen und nicht benennen kann. Dies folgt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dabei
insbesondere aus dem überzeugenden und fundierten Gutachten von Dr. M ... Danach leidet die Klägerin an einer sehr schweren
Demenz bei Alzheimerkrankheit mit frühem Beginn. Ihre (visuelle) Wahrnehmung ist massiv gestört, nicht durch Schädigungen
im Sinnesorgan und der Leitung zum Gehirn, sondern durch Verlust der kognitiven Verarbeitung, worauf der Sachverständige nachvollziehbar
hingewiesen hat. Dementsprechend lässt sich auch kein Schaden in den genannten Gehirnbereichen sicher nachweisen. Wie Dr.
M. nachvollziehbar dargestellt hat, besteht die Störung der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darin,
dass die Signale der verschiedenen Sinnesmodalitäten nicht identifiziert, mit früheren Erinnerungen nicht verglichen und nicht
benannt werden können. Entsprechend den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen besteht eine Verarbeitungsstörung aller
Sinnesqualitäten, wobei Hauptursache die generalisierte Kognitionsstörung ist. Ohne Schäden im Bereich des Empfangsorgans
bzw. der Leitung einer Sinnesqualität können die aufgenommenen Signale wegen fehlender Verarbeitung nicht mehr genutzt werden;
dies gilt auch für das Sehen. Dies steht aufgrund des plausiblen Gutachtens von Dr. M. fest. Insbesondere steht auch der morphologische
Befund nicht entgegen, sondern erklärt vielmehr die eben festgestellte Beeinträchtigung der Klägerin in vollem Umfang.
Damit ist entsprechend der Bestätigung durch das Urteil des BSG im vorliegenden Verfahren bei der Klägerin Blindheit im Sinne der genannten Vorschrift gegeben. Dass die mangelnden Sehleistungen
der Klägerin auf der allgemeinen Herabsetzung ihrer Fähigkeiten beruhen, steht der Annahme der Blindheit nicht entgegen.
2. Ein Anspruch der Klägerin auf Blindengeld nach dem BayBlindG besteht jedoch deshalb nicht, weil der Beklagte erfolgreich den Einwand der Zweckverfehlung erhoben hat.
Wie das BSG im vorliegenden Verfahren dargelegt hat, stellt die in Art. 1 Abs. 1 BayBlindG enthaltene Formulierung des Gesetzgebers hinsichtlich des Ausgleichs blindheitsbedingter Mehraufwendungen keine eigenständige
Anspruchsvoraussetzung dar, sondern umschreibt lediglich die allgemeine Zielsetzung der gesetzlichen Regelung. Dennoch bleibe,
so das BSG (a.a.O.), der Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen ausdrücklich das erklärte Ziel der Regelung, was sich auch an
anderer Stelle aus dem Gesetz erschließe. So sehe das BayBlindG Regelungen zur Vermeidung einer Überversorgung des blinden Menschen vor (Art. 4 Abs. 3 BayBlindG). Der Zweck des Blindengelds werde aber, so das BSG in der genannten Entscheidung, auch dann verfehlt, wenn ein blindheitsbedingter Aufwand aufgrund der Eigenart des Krankheitsbilds
des Betroffenen gar nicht erst ent- bzw. bestehen könne. Das BSG hat im Einzelnen Folgendes festgestellt:
"Hieran anknüpfend führt der Senat seine Rechtsprechung fort und räumt der Versorgungsverwaltung den anspruchsvernichtenden
Einwand der Zweckverfehlung ein, wenn bestimmte Krankheitsbilder blindheitsbedingte Aufwendungen von vornherein ausschließen,
weil der Mangel an Sehvermögen krankheitsbedingt durch keinerlei Maßnahmen (auch nicht anteilig) ausgeglichen werden kann.
Dies wird am ehesten auf generalisierte Leiden zutreffen können (zB dauernde Bewusstlosigkeit oder Koma). Das Gesetz geht
in Art 1 Abs 1 BayBlindG ausdrücklich vom Vorliegen der Blindheit und von bestehenden Mehraufwendungen aus. Es setzt typisierend voraus, dass überhaupt
ein "Mehraufwand" aufgrund der Blindheit bestehen kann. Mit dem Blindengeld soll weniger ein wirtschaftlicher Bedarf gesteuert
werden. Das BVerwG hat hierzu zur früheren Blindenhilfe nach § 67 Abs 1 BSHG bereits ausgeführt, dass Aufwendungen, die einem Blinden durch Kontaktpflege und Teilnahme am kulturellen Leben entstehen,
nur einen Teil dessen ausmachen, was ein Blinder bedingt durch sein Leiden im Verhältnis zu einem Sehenden vermehrt aufwenden
muss (so BVerwG Urteil vom 4.11.1976 - V C 7.76 - BVerwGE 51, 281, 287). Das Blindengeld dient in erster Linie als Mittel zur Befriedigung laufender blindheitsspezifischer, auch immaterieller
Bedürfnisse des Blinden, um diesem die Möglichkeit zu eröffnen, sich trotz Blindheit mit seiner Umgebung vertraut zu machen,
mit eigenen Mitteln Kontakt zur Umwelt zu pflegen und am kulturellen Leben teilzunehmen [ ...]. Eine Eingliederung blinder
Menschen in die Gesellschaft kann nur erreicht werden, wenn ein Ausgleich für die dauernden blindheitsbedingten Mehraufwendungen
und Nachteile erfolgt (vgl Demmel, Die Entwicklung und Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Blindengeldleistung als Sozialleistung,
2003, S 35), weil diese in der zunehmend visualisierten Umwelt besonderen Beeinträchtigungen unterliegen (vgl Braun, MedSach
3/2016, 134, 135 mwN). So geht der Bayerische Landesgesetzgeber nach wie vor davon aus, dass ua blinde Menschen einen außergewöhnlich
großen Bedarf an Assistenzleistungen zur Kommunikation und an Unterstützungsleistungen zur Bewältigung des Alltags haben und
dass finanzielle Ausgleichsleistungen die selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wesentlich fördern (vgl Bayerisches
LSG, aaO; BayLT-Drucks 17/17055 S 1 zu A und 17/21510 S 1 zu A). Orientiert am vorgenannten Regelungszweck des Gesetzes ist
es sachgerecht, im Fall eines objektiv nicht möglichen blindheitsbedingten Mehraufwands den Anwendungsbereich für die Blindengeldleistung
einzuschränken. Steht fest, dass aufgrund eines bestimmten Krankheitsbildes typischerweise von vornherein kein Mehraufwand
im oben genannten Sinne speziell durch die Blindheit entstehen kann, weil etwa ein derart multimorbides oder die Blindheit
überlagerndes Krankheitsbild besteht (zB dauerhafte Bewusstlosigkeit), dass aus der Blindheit keinerlei eigenständige Aufwendung
in materieller oder immaterieller Hinsicht folgt, kann die gesetzliche Zielsetzung der Blindengeldgewährung nicht erreicht
werden. Denn deren Zweck wird verfehlt, wenn ein blindheitsbedingter Aufwand aufgrund der Eigenart des Krankheitsbildes gar
nicht erst ent- bzw bestehen kann."
Vorliegend hat der Beklagte den anspruchsvernichtenden Einwand der Zweckverfehlung wirksam erhoben. Der Mangel an Sehvermögen
der Klägerin kann krankheitsbedingt durch keinerlei Maßnahmen ausgeglichen werden.
Dies folgt aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, das die vom Vertreter der Klägerin bereits bei der Antragstellung abgegebene
zusammenfassende Schilderung bestätigt hat, wonach die Klägerin völlig hilflos und objektiv nicht in der Lage ist, noch irgendetwas
sinnvoll wahrzunehmen bzw. zu verarbeiten. Dieser - einen blindheitsbedingten Mehraufwand ausschließende - Zustand der Klägerin
ergibt sich jedoch nicht nur aus den Angaben des Vertreters der Klägerin, sondern (weit) darüber hinaus der Auswertung aller
vorliegenden einschlägigen medizinischen und pflegerischen Unterlagen, insbesondere auch der Sachverständigengutachten, und
zudem aus den verschiedenen Angaben von Mitarbeitern des die Klägerin betreuenden Pflegeheims.
Wie der Senat in dem Urteil vom 19.12.2016 bereits im Einzelnen und oben nochmals dargelegt hat, besteht bei der Klägerin
nach den nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Dr. M. eine massive Verarbeitungsstörung aller Sinnesqualitäten,
wobei Hauptursache die generalisierte Kognitionsstörung ist. Bei der Klägerin ist der Verlust von kognitiver Bearbeitung aller
eingehenden Informationen auf kortikaler Ebene gegeben. Wie sich unter anderem aus den Angaben des A. Seniorenzentrums L.
(z.B. aus der schriftlichen Bescheinigung vom 05.03.2013, aber auch der Zeugenaussage des Leiters der Einrichtung in der mündlichen
Verhandlung) und den Feststellungen im Gutachten von Dr. M., worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, ergibt, ist die
Klägerin in jeder Hinsicht hilflos. So ist bei der Begutachtung durch Dr. M. (15.07.2014) festgestellt worden, dass die Klägerin
in einem verstellbaren Bett mit beidseitigen Bettgittern mit gering angebeugten Beinen und Armen leicht links gedreht vorgefunden
worden ist. Durch fehlende kognitive Leistungen ist keine Kommunikation möglich gewesen. Die Augen sind fest geschlossen,
eine Willküraktivität ist nicht zu erkennen gewesen. Die Muskelmasse ist bereits deutlich reduziert beschrieben worden. Diese
Feststellungen werden u.a. bestätigt durch die glaubhaften Angaben des Zeugen in der mündlichen Verhandlung, dass die Klägerin
bettlägerig ist und nicht mehr aus dem Bett mobilisiert wird. Wie der Zeuge weiter nachvollziehbar dargelegt hat, muss die
im Übrigen inkontinente Klägerin alle zwei Stunden in eine andere Position gebracht werden. Aus den vorliegenden Unterlagen
ergibt sich auch ohne Weiteres, dass eine sinngebende Kommunikation mit der Klägerin nicht (mehr) möglich ist, auch wenn die
Klägerin noch gewisse Reaktionen zeigt. Wie der Senat in seinem Urteil vom 19.12.2016 bereits herausgearbeitet hat, handelt
es sich entsprechend den plausiblen Darlegungen des Gutachters Dr. M. lediglich um sogenannte Startlereaktionen im Sinne einer
raschen, schützenden Reflexantwort der Muskulatur auf überraschende Reize, soweit die Klägerin bei Untersuchungen und Beobachtungen
auf verschiedene Reize Reaktionen gezeigt hat. Diese bieten aber, wie der Senat auch früher bereits mehrfach entschieden hat
(vgl. z.B. das Urteil vom 27.03.2014 - L 15 BL 5/11, m.w.N.), keine Anhaltspunkte für das Funktionieren eines Sinns; eine visuelle Schreckreflexreaktion kann sogar bei blinden
Personen ausgelöst werden (a.a.O.). Startlereaktionen dürfen nicht als reizspezifische Antworten bzw. willensgesteuerte motorische
Reaktionen fehlgedeutet werden.
Im Übrigen hat der Senat im Urteil vom 19.12.2016 im Einzelnen Folgendes festgestellt:
"Soweit in der Bescheinigung der Pflegeeinrichtung festgestellt wird, dass die Klägerin bei jeder Berührung und Ansprache
mit den Augen reagiere, die sich hin und her bewegen würden, was angesichts der Feststellungen des Gutachters Dr. M. für den
Senat ohnehin kaum nachvollziehbar ist, spricht vieles dafür, dass es sich auch insoweit lediglich um Startlereaktionen gehandelt
hat. Soweit behauptet wird, dass die Klägerin "so nonverbal mit dem Pflegepersonal" kommuniziere, kann dies den Senat nicht
überzeugen. Denn die Bescheinigung ist in sich widersprüchlich. Sie geht nämlich selbst ausdrücklich von einem Verlust der
visuellen Wahrnehmung aus. Zudem steht aufgrund des plausiblen und fundierten Gutachtens von Dr. M. fest, dass mit der Klägerin
keine Kommunikation möglich ist; der Sachverständige hat dies ausdrücklich im Hinblick auf die fehlende kognitive Leistung
festgestellt. Entsprechendes gilt für den Bericht des (insoweit fachfremd argumentierenden) Hausarztes Dr. S ...
Im Übrigen besteht hier auch Einigkeit mit dem Beklagten. So hat die Ärztin Dr. P. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme
vom 07.06.2013 ausdrücklich festgestellt, dass eine sinngebende Kommunikation mit der Klägerin nicht möglich sei. Das von
der Hausleitung des Seniorenzentrums L. beschriebene Abwehrverhalten sei keine sinngebende bzw. spezifische Reaktion bzw.
nicht Ausdruck einer adäquaten Verarbeitung von Sinneseindrücken. Entsprechendes gilt schließlich für die gezeigten Videosequenzen.
Insbesondere ist auch hier in keiner Weise nachgewiesen, dass es sich um eine Reaktion aufgrund Wahrnehmung aus kognitiver
Verarbeitung handeln würde. Wie der Gutachter im Einzelnen herausgearbeitet hat, liegt bei der Klägerin keine (erkennbare)
Auffassungsgabe und Aufmerksamkeit vor."
Auch nach dem Ergebnis des wiedereröffneten Berufungsverfahrens besteht kein Anlass, insoweit zu einer anderen Einschätzung
zu kommen. Vielmehr bestätigen die von der Klägerseite vorgetragenen und vom Zeugen bestätigten bei einem gewissen Lärmpegel
oder hektischen Bewegungen anderer Personen bei der Klägerin auftretenden Unruhezustände die geschilderten Annahmen. Auch
diese Zustände stellen kein willensgesteuertes Verhalten und somit auch kein Kommunikationsmittel der Klägerin dar.
1. Maßgeblich hinsichtlich des blindheitsbedingten Mehraufwands sind die tatsächlichen bei der Klägerin bestehenden Verhältnisse
(vgl. bereits die Urteile des Senats v. 12.11.2019 - L 15 BL 1/12 - und 26.11.2019 - L 15 BL 2/19). Ein Verweis auf die jeweilige Diagnose wäre nicht ausreichend, um dem Einzelfall gerecht zu werden (vgl. näher a.a.O. mit
Verweis auf das Urteil des erkennenden Senats bereits v. 17.07.2012 - L 15 BL 11/08).
2. Mit dem BSG geht der Senat davon aus, dass der Begriff der blindheitsbedingten Mehraufwendungen weit auszulegen ist (vgl. bereits die
Urteile des Senats v. 12.11.2019 und 26.11.2019, jeweils a.a.O.). Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus den Darlegungen
des BSG sowie aus den vom BSG ebenfalls genannten Motiven des Landesgesetzgebers (so auch Braun, Die neuen Kriterien für den Blindheitsnachweis bei zerebralen
Funktionsstörungen, in: MedSach 3/2019, 94 (97)). Inwieweit es genügt, wenn nur ganz geringfügiger Mehraufwand im Raum steht,
muss vorliegend nicht entschieden werden, da vorliegend keinerlei Mehraufwand ermittelt werden konnte.
3. Wie vom Senat ebenfalls bereits entscheiden worden ist (vgl. die o.g. Urteile v. 12.11.2019 und 26.11.2019, jeweils a.a.O.),
stellen entgegen einer in der Literatur geäußerten Auffassung (vgl. Dau, in: jurisPR-SozR 9/2019 Anm. 4) Aufwendungen für
die allgemeine pflegerische Betreuung, wie sie hier ausschließlich bestehen, keine blindheitsbedingten Mehraufwendungen dar
(vgl. im Einzelnen a.a.O.).
4. Für den gerichtlich überprüfbaren Einwand der Zweckverfehlung trägt nach der Entscheidung des BSG vom 14.06.2018 (a.a.O.) die Behörde die Darlegungs- und die Beweislast. Dabei ist sie verpflichtet, soweit möglich den -
wie oben dargelegt individuellen - Sachverhalt zu ermitteln, steht jedoch vor der Schwierigkeit, dass sie die Darlegungs-
und Beweispflicht hinsichtlich einer negativen Tatsache trifft, eben hinsichtlich des Nichtvorhandenseins blindheitsbedingter
Mehraufwendungen. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen dazu, dass zur Ermittlung daher neben den medizinischen/pflegerischen
Unterlagen vor allem die Angaben der Personen heranzuziehen sind, die die Verhältnisse hinsichtlich des betroffenen blinden
Menschen aufgrund der Sach- und Ortsnähe beurteilen können. Die Antragsteller trifft dabei eine Mitwirkungsobliegenheit. Maßgeblich
bei der Beurteilung der Frage, ob im konkreten Fall blindheitsbedingte Mehraufwendungen möglich sind, ist die objektive Situation
des betroffenen blinden Menschen. Ob blindheitsbedingte Mehraufwendungen von dem Betroffenen tatsächlich getragen werden,
ist dabei nur ein Indiz; so kann unnötiger Aufwand o.ä. keine Berücksichtigung finden. Entscheidend nach der Rechtsprechung
des BSG ist, dass der Mangel an Sehvermögen durch spezielle Maßnahmen ausgeglichen werden kann. In der konkreten Situation des Betroffenen
objektiv nicht möglicher blindheitsbedingter Mehraufwand muss außer Betracht bleiben.
5. Nach der im Verfahren durchgeführten Prüfung der der Klägerin verbleibenden Möglichkeiten durch den Senat ergibt sich,
dass wegen der plausiblen medizinischen Unterlagen und der vorliegenden Angaben davon ausgegangen werden muss, dass es das
schwere Krankheitsbild der Klägerin ausschließt, den Mangel an Sehvermögen durch spezielle Maßnahmen (auch nur teilweise)
auszugleichen.
Wie sich aufgrund der vorliegenden medizinischen Befunde ohne jeden Zweifel ergibt, leidet die Klägerin an einer schwersten
Behinderung. Sie ist in jeder Hinsicht schwerstpflegebedürftig und in allen Verrichtungen des täglichen Lebens vollständig
von fremder Hilfe abhängig. Eine sinngebende Kommunikation mit ihr ist nicht möglich. Zu willensgesteuerten Reaktionen ist
sie nicht in der Lage. Im Übrigen wird auf die nach dem Ergebnis des Verfahrens zur Überzeugung des Senats nachgewiesenen
schwersten Einschränkungen, die oben bereits im Einzelnen dargestellt worden sind, verwiesen.
Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass es nicht entscheidend darauf ankommt, ob bei der Klägerin
noch ein Restkommunikationsvermögen vorhanden ist. Selbst wenn ein solches noch bestehen würde, wovon vorliegend nicht auszugehen
ist, würde dies - wie sich aus den Darlegungen des BSG im vorliegenden Verfahren ohne Weiteres ergibt - nichts daran ändern, dass das Krankheitsbild der Klägerin von vornherein
blindheitsbedingte Aufwendungen nicht entstehen lässt, da der Mangel an Sehvermögen krankheitsbedingt durch keinerlei Maßnahmen
ausgeglichen werden kann. Denn ein solcher Ausschluss ist, wie das BSG ausdrücklich formuliert hat und wie sich aus medizinischer, pflegerischer und realistischer Sichtweise ergibt, keineswegs
ausschließlich bei dauernder Bewusstlosigkeit oder Koma möglich. Dem Hinweis des Vertreters der Klägerin bei der Antragstellung
auf einen "komatösen" Zustand kommt somit keine erhöhte Bedeutung zu.
Eine Nachweispflicht des Betroffenen, welche blindheitsbedingten Mehraufwendungen im Einzelnen entstanden sind, besteht nicht.
Dies folgt aus der vom BSG vorgenommenen Beweislastverteilung, an die sich der Senat gebunden fühlt. Vorliegend ist jedoch zur Überzeugung des Senats,
die dieser aufgrund der zahlreichen plausiblen medizinischen Befunde gewonnen hat, ausgeschlossen, dass ein blindheitsbedingter
Mehraufwand bei der Klägerin im Hinblick auf ihr schweres Behinderungsbild besteht, da die Klägerin keine Mehraufwendungen
haben kann, "die aufgrund der Unfähigkeit, selbst etwas in gleicher Weise zu tun, wie bei vorhandenem Sehvermögen, entstehen,
so dass entweder die Tätigkeiten von Anderen ausgeführt werden müssen oder die Unterstützung durch Andere notwendig ist bzw.
spezielle Hilfsmittel eingesetzt werden müssen" (vgl. Braun, a.a.O., S. 97, mit Verweis auf Demmel, Die Entwicklung und Bedeutung
der öffentlich-rechtlichen Blindengeldleistung als Sozialleistung, 2003, S. 239). Insbesondere die vom Beklagten aufgeführten
einzelnen Aufwendungen kommen nicht in Betracht, darüber hinaus jedoch auch keine weiteren Maßnahmen des Ausgleichs mangelnden
bzw. aufgehobenen Sehvermögens (vgl. Demmel, a.a.O.).
Auch die Klägerseite konnte keine blindheitsbedingten Mehraufwendungen benennen. Dies ist aus Sicht des Senats die logische
Konsequenz der schwersten Behinderung der Klägerin und unterstreicht seine Auffassung.
Der gesamte von der Klägerseite, insbesondere vom Vertreter der Klägerin, aber auch der vom Allgemeinarzt Dr. S. und von der
Pflegeeinrichtung geschilderte Aufwand stellt allgemeinen Pflegeaufwand (bzw. pflegerische Leistungen) dar, der durch das
sehr schwere Krankheitsbild der Klägerin verursacht wird, das, wie der Beklagte zu Recht dargelegt hat, die Blindheit bei
weitem überlagert. Zusätzliche Erschwernisse durch Letztere bestehen nicht. Diese konnten trotz offensichtlicher Bemühungen
auf Klägerseite nicht dargelegt werden. Dass die einzelnen geschilderten Aufwendungen speziell durch die Blindheit bedingt
sind - wie etwa die Begleitung der in jeder Hinsicht hilflosen Klägerin zu ambulanten Untersuchungen, die wegen erhöhten Gefährdungspotenzials
sehr intensive Aufsicht der in einem mit beidseitigen Bettgittern ausgestatteten Bett liegenden, ohne erkennbare Willküraktivität
vom Gutachter angetroffenen Klägerin, die nach Aussage des Zeugen häufig gewendet werden muss, oder die zu übernehmende visuelle
Kontrolle des Intimbereichs der nicht orientierten Klägerin -, ist nach Auffassung des Senats ausgeschlossen.
Schließlich konnte auch der Zeuge keinen speziellen Pflegeaufwand, der über das Maß bei einem "normalen" Alzheimerpatienten
hinausgehen würde, benennen.
Wenn im Verfahren dargelegt worden ist (Bescheinigung des Seniorenzentrums L. v. 25.06.2018), dass der Pflegeaufwand für die
Klägerin - insbesondere auch aufgrund der Tatsache, dass bei ihr kein Austausch wegen der visuellen Verarbeitungsstörung mehr
möglich sei - weit über das Maß der Pflege eines "normalen" Demenzpatienten hinausgehe, so zeigt die verwendete Formulierung
bereits, dass keine blindheitsspezifischen Mehraufwendungen bestehen, weil sich eben die erhöhte Pflegebedürftigkeit daneben
auch aus anderen Umständen ergibt. Selbst wenn man jedoch - gewissermaßen zu Gunsten des klägerischen Anliegens - einen großzügigeren
Maßstab an die in der Bescheinigung enthaltenen Aussage angelegt, kann diese nicht im Sinne des Vorliegens blindheitsbedingten
Mehraufwands überzeugen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht, dass ein Austausch mit der Klägerin nicht an
der visuellen, sondern an der generellen Verarbeitungsstörung scheitert.
Soweit geltend gemacht worden ist, dass die Klägerin wegen der Unruhezustände ein Einzelzimmer benötige, was zu erheblicher
wirtschaftlicher Mehrbelastung führe, kann nur darauf hingewiesen werden, dass diese Unruhezustände gerade (nur) zu allgemeinem
Aufwand wegen der gravierenden Demenz der Klägerin führen. Wegen der weitreichenden zerebralen Schäden würden solche Unruhezustände
naheliegenderweise auch dann bestehen, wenn der Sehvorgang in keiner Weise betroffen wäre, da sie ihr (früher) bekannte Personen
mit Blick auf die vorliegenden Kognitionsstörung ohnehin nicht wiedererkennen könnte und da Unruhezustände mit Blick auf die
massiven sonstigen Störungen der Klägerin - für Alzheimerpatienten in fortgeschrittenem Stadium typisch - unabhängig vom Sehen
anzunehmen wären.
Auch der Verweis auf die taktile und verbale Assistenz des Betreuungspersonals, um der Klägerin durch die Anwesenheit und
durch das Herstellen von Nähe bzw. Körperkontakt Sicherheit zu geben, kann der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Wie der
Senat bereits entschieden hat (Urteile v. 27.11.2013 - L 15 BL 4/12 - und vom 26. 11. 2019 - L 15 BL 2/19), stellen Maßnahmen nur des psychischen Beistands o.ä. keinen blindheitsbedingten Aufwand dar, da insoweit keine Betreuungsleistungen
(im weiteren Sinn) betroffen sind; dementsprechend hat sich der genannte Verweis auch im Ungefähren gehalten. Dies könnte
jedoch letztlich sogar dahinstehen, da die Herstellung von Nähe grundsätzlich keine blindheitsspezifischen Nachteile ausgleicht
(vgl. die therapeutisch empfohlene Ansprache etc. bewusstloser Menschen).
Die Berufung bleibt damit ohne Erfolg. Sie ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).