Tatbestand
Streitig ist die Auswahlentscheidung bei einer Nachfolgezulassung nach §
103 Abs.
4 SGB V.
Der Kläger ist Psychologischer Psychotherapeut und beantragte die hälftige Zulassung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut
in Nachfolge der Beigeladenen zu 9, einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Er ist seit 27.5.2010 approbiert und
seit 3.8.2010 in der Warteliste eingetragen. Er ist Verhaltenstherapeut für Erwachsene und verfügt über die Zusatzqualifikation
für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.
Die Beigeladene zu 8 ist Verhaltenstherapeutin für Kinder und Jugendliche, seit 15.11.2010 approbiert und seit 14.2.2011 in
der Warteliste eingetragen. Sie bewarb sich ebenfalls für die Nachfolge der Beigeladen zu 9.
Die Beigeladene zu 9 teilte während des Verfahrens mit, dass der Kläger ihr Wunschkandidat sei. Männliche Jugendliche seien
schwer unterzubringen, deshalb sei gerade ein männlicher Psychotherapeut wichtig.
Mit Bescheid vom 10.11.2011 ließ der Zulassungsausschuss die Beigeladene zu 8 als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
zur Fortführung der Praxis der Beigeladenen zu 9 zu und lehnte den Antrag des Klägers ab. Das Approbationsalter spreche für
den Kläger, der am längsten approbiert sei. Der entscheidende Gesichtspunkt sei die "berufliche Eignung". Ein Vergleich der
Ausbildungs- und Prüfungsordnungen für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und Psychologische Psychotherapeuten zeige,
dass die Ausbildung ersterer speziell auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen abgestimmt sei. Auch verfüge ein Kinder-
und Jugendlichenpsychotherapeut über eine wesentlich größere therapeutische Erfahrung mit Kindern und Jugendlichen als ein
Psychologischer Psychotherapeut nach Erwerb der Zusatzqualifikation. Der Kläger entspreche als Psychologischer Psychotherapeut
nicht dem Praxisprofil. Deshalb sei der Beigeladenen zu 8 im Rahmen der Auswahlentscheidung der Vorzug zu geben.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Widerspruch ein. Die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut in Kombination
mit der Abrechnungsgenehmigung für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie gelte genauso als Schwerpunkt im Sinne der Bedarfsplanungsrichtlinien
wie die Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut.
Mit Bescheid vom 21.3.2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten müssten die
gesamte Ausbildung an Ausbildungsinstituten ableisten, die nur Patienten unter 21 Jahren behandeln dürften, während in der
Ausbildung für Psychologische Psychotherapeuten der Anteil der Kinder und Jugendlichen sehr gering sei. Damit sei die Qualifikation
der Bewerber in Bezug auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen fachlich unterschiedlich intensiv. Dies sei bei der
Auswahlentscheidung als Kriterium zu berücksichtigen. Hinzu komme, dass §
103 Abs.
4 SGB V die Kontinuität der Patientenversorgung wahren solle.
Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG). Bei Psychologischen Psychotherapeuten erstrecke sich die Behandlungsberechtigung auch auf Personen unter 21 Jahren. Die
Ausführungen der Zulassungsgremien seien unzutreffend und tendenziös. Jeder Ausbildungsteilnehmer müsse auch in der psychotherapeutischen
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geschult und geprüft werden. Es sei jeweils eine differenzierte Eignungswertung der Bewerber
vorzunehmen.
Das SG gab der Klage mit Urteil vom 14.11.2012 statt und hob den streitgegenständlichen Bescheid auf. Der Beklagte habe das Merkmal
"berufliche Eignung" falsch ausgelegt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 15.8.2012, B 6 KA 48/11 R und die Neufassung von §
101 Abs.
4 S. 5
SGB V seien die Leistungserbringer, die ausschließlich Kinder und Jugendliche betreuen, mit Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
gleichgestellt. Deshalb könne auch hinsichtlich der Eignung der Bewerber im Sinne von §
103 Abs.
4 S. 5
SGB V nicht differenziert werden.
Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Berufung ein. Die Auswahlentscheidung sei zutreffend. Die spezialisierte und intensivere
Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin könne als Kriterium herangezogen werden. Die Beigeladene zu 2 wies
darauf hin, dass zwischen §
101 Abs.
4 S. 5
SGB V und §
103 Abs.
4 SGB V differenziert werden müsse. Während §
101 Abs.
4 SGB V eine Versorgungslücke voraussetze, regle §
103 Abs.
4 SGB V die Praxisnachfolge im überversorgten Gebiet. Deshalb sei das Urteil des BSG nicht übertragbar. Die Beigeladene zu 1 wies ebenfalls darauf hin, dass sich die Rechtsprechung des BSG auf die Fälle einer Versorgungslücke beziehe und nicht auf eine Auswahlentscheidung nach §
103 Abs.
4 SGB V übertragen werden könne.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.11.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Beklagtenakte und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Beklagte hat bei der Auswahlentscheidung zutreffend die speziellere Qualifikation
der Beigeladenen zu 8 berücksichtigt.
Rechtsgrundlage für eine Nachfolgezulassung in einem Planungsbereich, in dem Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, ist
§
103 Abs.
4 SGB V. Gehen für eine ausgeschriebene Praxis mehrere Bewerbungen ein, so bestimmt §
103 Abs.
4 S. 4
SGB V, dass die Auswahl durch die Zulassungsgremien nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt. Die Kriterien, die diese Auswahl steuern,
werden vom Gesetzgeber in §
103 Abs.
4 S. 5
SGB V vorgegeben. Sowohl nach der alten als auch nach der aktuellen Fassung des §
103 Abs.
4 S. 5
SGB V ist die berufliche Eignung bei der Auswahl mehrerer Bewerber zu berücksichtigen.
Das Tatbestandsmerkmal der "beruflichen Eignung" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei seiner Feststellung haben die Zulassungsgremien
als fachkundig besetzte Stellen einen Beurteilungsspielraum, der vom Beklagten nicht überschritten wurde.
Die berufliche Eignung ist grundsätzlich anhand der Qualifikation des Bewerbers festzustellen. Insoweit ist der Beklagte zutreffend
davon ausgegangen, dass die Beigeladene als KJP spezifischer qualifiziert ist. Nach § 1 Abs. 2 Psychotherapeutengesetz (PsychThG) ist die Ausübung des Berufs des KJP auf Patienten beschränkt, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Demgemäß muss die gesamte Ausbildung gemäß § 6 Abs. 2 Ziffer 1 PsychThG an einer Ausbildungsstätte erfolgen, in der ausschließlich
Personen behandelt werden, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für die Weiterbildung eines Psychologischen
Psychotherapeuten mit der Berechtigung zur Abrechnung der entsprechenden Leistungen gemäß § 6 Abs. 4 Psychotherapie-Vereinbarung (Anlage 1 zum BMV-Ä) genügt demgegenüber der Nachweis einer Psychodiagnostik bei Kindern und Jugendlichen von mindestens 200 h sowie der Nachweis
einer Psychotherapie unter Supervision in vier beziehungsweise im Bereich der Verhaltenstherapie fünf Fällen.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts führt nicht zu einer anderen Betrachtung. Das genannte Urteil des BSG betrifft ausschließlich die Kriterien der Bedarfsprüfung und der Situation der Unterversorgung, nicht die Situation im überversorgten,
geschlossenen Bereich. Das Bundessozialgericht führt nämlich aus, dass sich der Grund für die Wertung, die sich aus §
101 Abs.
4 Satz 5
SGB V ergebe, nämlich dass auch ein PP, der ausschließlich Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch betreue, für eine Zulassung
zur Deckung des Versorgungsbedarfs im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie geeignet sei, der Befund sei, dass
dringlicher Bedarf für die Zulassung einer größeren Zahl an ausgewiesenen Spezialisten in der psychotherapeutischen Versorgung
von Kindern und Jugendlichen bestehe, und verweist insoweit auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 16/10070, Seite 3). Damit
dieser Bedarf möglichst effektiv gedeckt werden könne, erweitere der Gesetzgeber die Möglichkeit privilegierter Zulassung
im Rahmen der Quotenregelung des §
101 Abs
4 Satz 5
SGB V und erstrecke sie über die KJP hinaus auf weitere psychotherapeutische Leistungserbringer, die er als Spezialisten in der
psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen ansehe: auf alle diejenigen - unabhängig davon, ob sie die Berufsbezeichnung
KJP führen -, die ausschließlich Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch betreuen würden (vgl. BT-Drs. 16/9559 S. 18).
Damit wolle er dem dringlichen Versorgungsbedarf gerade auch in Regionen, die eher als weniger attraktiv für Niederlassungen
angesehen würden - z.B. im ländlichen Raum -, abhelfen.
Dieses Urteil trifft zum vorliegenden Sachverhalt einer Nachfolgezulassung im überversorgten Bereich keine Aussage und war
vom Beklagten deshalb nicht zwingend zu berücksichtigen.
Die Gewichtung des Kriteriums der "beruflichen Eignung" durch den Beklagten ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
Eine fehlende spezielle Qualifikation als KJP kann auch nicht durch eine frühere Approbation oder eine frühere Eintragung
in die Warteliste kompensiert werden. Anhaltspunkte für einen Ermessensfehler sieht der Senat nicht.
Im Ergebnis ging der Beklagte zu Recht davon aus, dass der Kläger als PP mit Zusatzqualifikation nicht in dem Maße beruflich
geeignet ist wie die Beigeladene zu 8. Der Berufung war stattzugeben.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt.