Tatbestand:
Die Klägerin ist 1939 in B. geboren. Von 1939 bis 1945 lebte sie im späteren West-B., von 1945 bis 1986 in Ost-B ... Nach
ihren Angaben litt sie in den Jahren 1944 und 1945 sehr unter den Luftangriffen der Alliierten und wurde zusammen mit ihrer
Mutter und der Schwester verschüttet. Ihr Sohn M. wurde 1960 geboren, die nach der Geburt geschlossene Ehe mit H. C. wurde
am 22.02.1962 geschieden, nachdem dieser in den Westen geflohen war. 1967 heiratete die Klägerin erneut, die Tochter A. wurde
1967, der Sohn C. 1968 geboren. Die Ehe wurde am 19.03.1968 geschieden. 1984 durfte der Sohn M. in den Westen ausreisen, am
07.03.1986 folgte ihm die Klägerin zusammen mit ihrem Sohn C ... Sie lebte zunächst in West-B., später in Bayern. Seit März
1986 war sie aus psychischen Gründen dauerhaft arbeitsunfähig. Seit Dezember 1990 bezieht sie eine Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres wegen Erwerbsunfähigkeit (Rentenbescheid vom 17.02.1992; Neufeststellungs-Bescheid
vom 02.06.1997 in Anwendung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes).
Bei einer vertrauensärztlichen Begutachtung am 09.04.1987 stellte Frau Q. fest, dass die Versicherte krankheitsbetont wirke,
einen wehleidigen Eindruck mache und auch heute eine depressive Grundstimmung bestehe (Diagnosen: Involutionsdepression, abklingende
Cystitis, Struma nodosa, Varicosis).
In der Zeit von 24.11.1987 bis 19.01.1988 absolvierte die Klägerin ein Heilverfahren in Bad W ... Im Entlassungsbericht vom
22.02.1988 ist als einzige Diagnose neurotische Kontaktstörung aufgeführt. Bezug genommen wurde auf ein im Bewilligungsverfahren
erstattetes Gutachten des Dr. F. vom 08.05.1987, der die Diagnose psychogene Erkrankung mit paranoidem Einschlag gestellt
hatte, und auf ein nervenärztliches Gutachten des Dr. M. vom 08.09.1987, der ein Depressionssyndrom mit angstneurotischen
Zügen im Klimakterium diagnostiziert hatte. Wie im Entlassungsbericht festgehalten wurde, ist nach Meinung der Klägerin für
ihr gesamtes Elend die Mauer zwischen Ost und West verantwortlich. Am Tag nach der Entlassung wurde die Klägerin vom Notarzt
in eine psychiatrische Klinik in B. eingewiesen und dort zwei Monate lang wegen eines depressiven Syndroms behandelt (Entlassungsbericht
der Kliniken im T. Werk vom 19.04.1988).
In einem vom Rentenversicherungsträger veranlassten orthopädischen Gutachten vom 19.05.1988 diagnostizierte Dr. K. ein LWS-Syndrom
bei Spondylose und wies darauf hin, das im Vordergrund eine psychische Erkrankung bzw. eine psychosomatische Komponente zu
stehen scheine. Aus orthopädischer Sicht bestehe vollschichtiges Leistungsvermögen.
In den sozialmedizinischen Gutachten vom 24.01.1991 und vom 03.06.1991, die durch die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin veranlasst
waren, stellte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. die Diagnose depressives Syndrom und sprach außerdem von
einer ausgeprägten Angstsymptomatik der Klägerin, insbesondere gegenüber fremden Menschen, von denen sie sich in unterschiedlichster
Form bedroht fühle. Die Klägerin hatte ihm berichtet, dass sie sich große Sorgen mache, ob nicht alte Kräfte wieder wirksam
würden. Hinzu komme, dass die aktuellen Kriegsberichte aus dem Golf ihre eigenen Ängste aus der Kriegszeit wieder beleben
würden und sie überhaupt keine Ruhe mehr finden könne. Von den verschiedensten Nachrichten werde sie seelisch derart angesprochen,
dass es sie förmlich zerreiße. Als sie die Nachricht in der Presse gelesen habe, dass in der ehemaligen DDR die Kinder von
Republikgegnern zwangsadoptiert worden seien, sei in ihr wieder eine Welle der Angst ausgebrochen, da sie eine derartige Situation
selbst erlebt habe. Denn auch ihre Kinder habe man ihr entreißen wollen, was sie aber nie übers Herz hätte bringen können.
Sie teilte Dr. L. auch mit, dass sie einen ganz großen Kummer mit ihrer Tochter habe. Sie schaffe es nicht mehr, mit ihr zu
sprechen und müsste doch noch so viel klären. Sie habe ihrer Tochter einen Brief geschrieben und ihrem Herzen Luft gemacht
und auch an ihre Schwester geschrieben, mit der sie sich auch nicht richtig verstehe.
Ein weiteres Heilverfahren erfolgte in Bad S. in der Zeit von 23.07.1991 bis 03.09.1991. Im Entlassungsbericht vom 06.09.1991
sind die Diagnosen Depression, akute Lumbalgie, LWS-Syndrom, Oestrogenmangelsyndrom, psychovegetative Erschöpfung und Übergewicht
aufgeführt. Dr. M. stellte in einer psychiatrischen Konsiliaruntersuchung die Diagnose einer neurotischen Depression bei endoreaktivem
Fehlverhalten. Im psychologischen Zusatzbericht ist festgehalten, dass zahlreiche Kränkungen fokussiert worden seien, denen
die Patientin von Kindheit an bis heute - von Seiten der Familie und von Institutionen - ausgesetzt gewesen sei. Sie erhielt
psychotherapeutische Beratung wegen starker Depressionen.
Wegen ihrer Schlafstörungen stellte sich die Klägerin im September 1993 in der interdisziplinären Spezialambulanz für Schlafstörungen
der FU B. vor. Im Arztbrief vom 25.09.1993 wird von einer ausgeprägten Restless-Legs-Symptomatik gesprochen. Im abschließenden
Bericht vom 06.12.1993 stellte Prof. Dr. P. die Diagnosen periodische Beinbewegungen im Schlaf, Verdacht auf Restless-legs-Syndrom
und Verdacht auf chronisch psychotische Störung. Er empfahl eine medikamentöse Behandlung.
In einem Schwerbehindertenverfahren stellte die Psychiaterin und Neurologin H. in einem Gutachten vom 03.07.1996 einen Grad
der Behinderung (GdB) von 60 bei folgenden Leiden fest: - Seelisches Leiden mit psychovegetativen Störungen (50); - Wirbelsäulen-
und Gelenkverschleiß, folgenlos verheilter Oberarmbruch links (20); - Hämorrhoiden nach operiertem Rektumvorfall mit Funktionsschwäche
(20); - Neigung zu Zwölffingerdarmgeschwüren und Bauchspeicheldrüsenentzündung, Entfernung der Gallenblase (10); - Krampfaderleiden
(10). Eine Herzerkrankung, so die Versorgungsärztin H., liege nicht vor. Das seelische Leiden sei mit weiterbestehendem wahnhaften
Erleben und schwerer depressiver Verstimmung sowie einer Einbuße an beruflicher und sozialer Anpassungsmöglichkeit verbunden.
Bei der vorangegangenen versorgungsärztlichen Untersuchung am 27.06.1996 hatte die Klägerin die Vorgeschichte wie folgt dargestellt:
Die seelischen Probleme hätten 1961 mit dem Mauerbau und der Trennung vom Ehemann angefangen. Dieser sei kurz nach dem Mauerbau
in den Westen gegangen, sie sei mit dem kleinen Sohn zurückgeblieben und habe sich 1962 scheiden lassen. Damals sei es ihr
sehr schlecht gegangen, sie sei sehr traurig gewesen, appetitlos, habe furchtbare Träume gehabt, die sich um die Mauer drehten,
sei aber auch gegen das Kind sehr ungeduldig und aggressiv gewesen. Sie habe sich dann nach etwa zwei Jahren wieder halbwegs
stabilisiert. 1967 habe sie zum zweiten Mal geheiratet, im selben Jahr die Tochter und 1968 den zweiten Sohn geboren. 1968
sei sie zum zweiten Mal geschieden worden. Mit den drei kleinen Kindern habe sie erhebliche Probleme gehabt, sie habe aggressiv
reagiert, die Kinder geschlagen, das Bedürfnis gehabt, Hilfe zu bekommen. Der Nervenarzt, den sie aufgesucht habe, habe ihr
jedoch erklärt, sie habe doch nichts, sie sei sehr enttäuscht gewesen. Dann habe sie nicht mehr versucht, Hilfe zu bekommen.
Sie habe Schwierigkeiten mit den betreuenden Einrichtungen der Kinder gehabt. 1984 sei der älteste Sohn ausgereist. Nach langen
Kämpfen und zahlreichen Einbestellungen zur Staatssicherheit in O. habe sie dann 1986 ausreisen dürfen mit dem jüngsten Sohn,
die Tochter sei kurz vor ihrem Abschlussexamen gestanden und im Osten geblieben. In West-B. sei sie dann zu Dr. P. bzw. zu
Dr. D. in nervenärztliche Behandlung gegangen. Sie habe damals viele Alpträume gehabt, von denen sie nachts aufgewacht sei,
habe nachts auch Halluzinationen gehabt, plötzlich hellwach im Bett gesessen und in der Tür einen uniformierten DDR-Offizier
stehen sehen. Sie habe sich hier im Westen verfolgt gefühlt, beobachtet von irgendwelchen Privatpersonen aus dem Osten. Bereits
in der DDR habe sie sich beobachtet gefühlt von einer Nachbarin, habe auch immer gefürchtet, abgeholt zu werden wegen der
Ausreiseanträge. Nach der Übersiedlung in den Westen habe sie zwar aufgeatmet, aber die Nachtzustände seien geblieben. Die
Medikamente vom Nervenarzt hätten dann gegen das viele Weinen geholfen und auch etwas zur Beruhigung beigetragen. Die Maueröffnung
sei dann für sie ein Horror gewesen, sie habe sich vermehrt beobachtet gefühlt, auch das Gefühl gehabt, jetzt kämen alle hierher.
Es seien dann auch Dinge passiert, die sie sich nicht habe erklären können, das geschehe auch jetzt noch in ihrer Wohnung,
aber auch draußen. Nach der Öffnung der Mauer fühle sie sich eigentlich nicht mehr befreit, sie habe vielmehr das Gefühl,
als ob sie wieder im Osten wäre.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. bestätigte mit Attest vom 28.11.2003, dass sich die Klägerin seit dem 22.01.1998
in seiner nervenärztlichen Behandlung befinde. Es bestünden deutliche Hinweise, dass die depressive Erkrankung in engem Zusammenhang
mit in der ehemaligen DDR erlittenen seelischen Traumatisierungen stehe. Noch heute bestehe eine schwerwiegende psychische
Belastungsstörung mit depressiven Symptomen, Schlafstörungen, rezidivierenden Angstzuständen und Rückzugstendenzen. Auch wiederkehrende
Verfolgungsängste dürften noch mit erlittenen Nachstellungen durch die Behörden des ehemaligen DDR-Regimes in Zusammenhang
stehen.
In einer Rheumaklinik in Bad W. erfolgte im Sommer 2005 ein weiteres, orthopädisch ausgerichtetes Heilverfahren. Diagnostiziert
wurde u.a. eine chronifizierte depressive Verstimmung (Entlassungsbericht vom 20.07.2005).
In der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie A-Stadt wurde die Klägerin in der Zeit von 24.04.2006
bis 23.06.2006 tagesklinisch behandelt, nachdem sie zuvor wegen Blutdruckentgleisung und Kreislaufkollaps stationär aufgenommen
worden war. Prof. Dr. K. hielt im Bericht vom 30.06.2006 fest, dass die Klägerin mit dem Wunsch gekommen sei, ihre Familiengeschichte
aufzuarbeiten, da erhebliche Konflikte mit beiden Söhnen bestünden und auch die Tochter ihr nicht so helfen könne wie gewünscht.
Einerseits fühle sie sich allein gelassen, andererseits könne sie keine tragenden Beziehungen eingehen. Immer wieder hätte
sie darauf hingewiesen, wie wichtig ihr die Aufarbeitung ihrer traumatischen Familiengeschichte sei. Aufgelistet sind folgende
Diagnosen: mittelgradige depressive Episode, undifferenzierte Somatisierungsstörung, akzentuierte Persönlichkeit, Dysthymie,
Restless-legs-Syndrom, essenzielle Hypertonie, Schlafapnoe-Syndrom, unspezifische Neuralgien. Im Arztbrief vom 07.08.2006
sprach Prof. Dr. K. von einem sehr komplexen Krankheitsbild, bei dem sich verschiedene Anteile gegenseitig beeinflussen würden.
Ausgehend von einer bekannten Depression, bei der kritische Lebensereignisse eine Rolle spielen würden, hätten sich Hinweise
für eine jetzt episodenhafte Exazerbation gefunden. Zu vermuten sei eine unspezifische Stressreaktion durch Probleme mit nahen
Bezugspersonen sowie eine Überforderung in der Versorgung des Enkelsohns.
Auf ihren Antrag vom 19.08.2003 auf Rehabilitierung nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz erhielt die Klägerin
den Bescheid des Landesamts für Gesundheit und Soziales B. vom 16.06.2005 mit folgendem Inhalt:
"Es wird festgestellt, dass die permanente Überwachung durch den Staatssicherheitsdienst mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaats
schlechthin unvereinbar war. Diese Maßnahmen werden für rechtsstaatswidrig erklärt. Ausschließungsgründe gemäß §
2 Abs.
2 VwRehaG liegen nicht vor."
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin durch ihre fortgesetzten Ausreisebemühungen seit 1975 mehrfach zu Gesprächen
aufgefordert worden sei und unter ständiger Beobachtung durch den Staatssicherheitsdienst gestanden habe. Die Beobachtung
durch den Staat infolge eines durchaus legitimen Ausreisebegehrens sei mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaats schlechthin
unvereinbar. Die Klägerin habe vorgetragen, infolge der systematischen langjährigen Maßnahmen erhebliche gesundheitliche Schäden
erlitten zu haben, und insofern glaubhaft gemacht, dass ihr gemäß §§
2,
3 VwRehaG Ansprüche auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz zustehen könnten.
Mit Schreiben vom 12.08.2005, eingegangen am 16.08.2005, stellte die Klägerin den streitgegenständlichen Antrag auf Versorgung
nach dem
VwRehaG. Im Formularantrag gab sie als schädigendes Ereignis "Kindheitserlebnisse im Krieg und mangelhafte Ernährung in Kriegszeiten
und Nachkriegszeiten in der SBZ, Bespitzelung und Verfolgung durch den Staatsicherheitsdienst der ehemaligen DDR" an. Als
darauf zurückzuführende Gesundheitsschäden benannte sie Mastdarmprolaps mit Stuhlinkontinenz, Skoliose der Brustwirbel- und
Lendenwirbelsäule, Fehlstellung der Halswirbelsäule, Knochenabbau im Kiefer, Arthrose der linken Schulter und des Oberarms,
Restless-legs-Syndrom, seelisches Leiden, Diät wegen einer Funktionsschwäche des Magens und der Galle, Varizen an den Beinen
bis zu den Oberschenkeln, Sehschwäche sowie Blutkontrolle wegen erhöhtem Tumormarker. Ärzte hätten ihr 1997 zu verstehen gegeben,
dass bei ihr diese Körperschäden 10 bis 15 Jahre zu früh aufgetreten seien.
Auf Anforderung des Beklagten erstattete Dr. K. den nervenärztlichen Befundbericht vom 07.02.2006. Diagnostisch handele es
sich um eine chronifizierte Angststörung mit depressiven Symptomen sowie um eine Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Zügen
auf dem Boden von jahrelangen tatsächlich erlebten Nachstellungen durch die Behörden der DDR. Darüber hinaus bestünden ein
pulssynchrones Ohrgeräusch, ein deutlich ausgeprägtes degeneratives HWS- und LWS-Syndrom mit wiederkehrenden Wurzelreizerscheinungen,
eine arterielle Hypertonie, eine Hypercholesterinämie, eine Divertikulose, ein Rektumprolaps mit Stuhlinkontinenz und eine
Gonarthrose. Es gäbe deutliche Hinweise, dass die chronifizierte depressive Erkrankung verbunden mit massiven Ängsten und
zeitweilig auftretenden Verfolgungsgedanken in engem Zusammenhang mit in der ehemaligen DDR erlittenen seelischen Traumatisierungen
steht. Noch heute bestünden erheblich ausgeprägte depressive Symptome, chronische Schlafstörungen, rezidivierend auftretende
Angstzustände und Rückzugstendenzen. Die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei durch die seelische Erkrankung erheblich eingeschränkt.
Der Arzt für Psychiatrie Dr. S. kam nach Auswertung der Akten und Untersuchung der Klägerin im versorgungsärztliches Gutachten
vom 07.08.2006 zu dem Schluss, dass es nicht möglich sei, in der Genese der neurotischen Störung einzelne Faktoren als eindeutig
auslösend dingfest zu machen. Subjektive Erklärungsbedürfnisse, Vereinfachung einer komplexen Wirklichkeit auf einfache "Gewissheit"
würden zwar physiologische Verarbeitungsmechanismen darstellen, sollten aber ihren Niederschlag nicht in fachärztlichen Befundberichten
finden. Ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen den im Antrag geltend gemachten Störungen (Mastdarmprolaps, Wirbelsäulenfehlstellung,
Knochenabbau, Schulterarthrose, Restless-legs-Syndrom, seelisches Leiden, Notwendigkeit der Einhaltung einer Diät wegen Gallenfunktionseinschränkung,
Beinvarizen und Sehschwäche) mit Erlebnissen während des Krieges und der Nachkriegszeit und auch in der ehemaligen DDR oder
durch den Mauerbau lasse sich nicht herstellen.
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem
VwRehaG mit Bescheid vom 08.11.2006 ab. Nach dem Ergebnis der versorgungsärztlichen Untersuchung und unter Berücksichtigung aller
beigezogenen Unterlagen sei ein ursächlicher Zusammenhang der Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet mit hoheitlichen Maßnahmen
durch die Behörden der ehemaligen DDR nicht wahrscheinlich. Neben konstitutionellen Faktoren seien für die Entwicklung der
Erkrankung überwiegend belastende Verhältnisse während ihrer Kindheit - bedingt durch die lange Kriegsgefangenschaft des Vaters
und den frühen Tod der Eltern - sowie während der beiden gescheiterten Ehen verantwortlich. Auch die weiteren geltend gemachten
Gesundheitsstörungen stünden in keinem ursächlichen Zusammenhang mit rechtsstaatswidrigen Maßnahme der DDR-Behörden und könnten
daher nicht als Schädigungsfolgen im Sinn des
VwRehaG anerkannt werden.
Einen Tag vorher hatte der Beklagte den ebenfalls im August 2005 gestellten Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz abgelehnt (Bescheid vom 07.11.2006). Im Antrag habe die Klägerin geltend gemacht, dass sie infolge der Kriegsereignisse und
-erlebnisse noch heute an einer posttraumatischen Belastungsstörung, den Folgen einer Lungenerkrankung und an Wirbelsäulenschäden
leide. Die posttraumatische Belastungsstörung hätte sich nach ihren Angaben später durch schikanöse Behandlung der Staatssicherheitsbehörden
der früheren DDR wesentlich verschlimmert. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass die als Schädigungsfolgen im Sinn des BVG geltend gemachten Gesundheitsstörungen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit den angegebenen Kriegserlebnissen stünden.
Nach fachärztlicher Beurteilung sei das seelische Leiden mit psychovegetativen Störungen durch die bei den Luftangriffen 1944
und 1945 erlebten Ereignissen (gemeinsame Verschüttung mit Mutter und Schwester, erlittene Rauchvergiftung, Auffinden von
Verwundeten und Toten) weder hervorgerufen worden noch sei dadurch eine Verschlimmerung einer eventuell vorbestandenen psychischen
Minderbelastbarkeit bewirkt worden. Die weiteren vorgebrachten schädlichen Einflüsse der Kriegs- und Nachkriegszeit (Mangelernährung
und durch Ansteckung von der Mutter erworbene Tbc-Erkrankung) würden keine unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinn des BVG darstellen, weil Zustände, denen alle Bevölkerungskreise damals längere Zeit ausgesetzt gewesen seien, nicht unter diesen
Begriff fallen würden.
Gegen den Bescheid vom 08.11.2006 legte die Klägerin Widerspruch ein. Es mache sie sehr traurig, dass die Bearbeiter nach
einem 40minütigen ärztlichen Gespräch nicht nachvollziehen könnten, unter welchen Bedingungen vom Anfang des Baus der Berliner
Mauer bis zum Abriss derselben andersdenkende Personen, auch sie selbst, der Beobachtung, Bespitzelung, Bedrohung, seelischer
und körperlicher Drangsalierungen bis hin zur Inhaftierung ausgesetzt gewesen seien und dort hätten leben müssen. Vor 1986
und noch heute habe dieses Geschehen bei ihr Spuren hinterlassen, was sich in Alpträumen, Misstrauen, Angst, Beobachtung (incl.
Verfolgungswahn), Herzrasen und in körperlichen Beschwerden niederschlage. Derenthalber stünde sie heute noch in psychologischer
Behandlung. Diese Zeit sei ein Stück Geschichte Deutschlands. Sie bleibe bei ihrem Widerspruch.
Auf Anforderung des Beklagten berichtete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. am 19.02.2007 über die ständige
Behandlung der Klägerin in der Zeit von März 1986 bis Juni 1999 (Gespräche, hochdosierte Psychopharmakatherapie) und wies
darauf hin, dass eine Psychotherapie/Verhaltenstherapie erforderlich sei. Als Diagnose benannte er eine posttraumatische Belastungsstörung
als Folge anhaltender politischer Verfolgung in der DDR mit folgendem Bild: chronisch-depressive Störung mit rezidivierenden
schweren depressiven Phasen bei Suizidalität; Angststörung (chronifiziert) mit sensitiv-paranoiden Anteilen; psychosomatische
Störung mit Häufung auch sonst primär organischer Erkrankungen.
Dazu äußerte sich Dr. S. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 29.03.2007: Dr. D. diagnostiziere zu Unrecht eine posttraumatische
Belastungsstörung, es handele sich um eine Fehldiagnose. Dr. D. mache sich unkritisch die von der Patientin selbst verwendeten
Erklärungsmuster zu eigen, was auch therapeutisch als bedenklich gelten müsse. Die versorgungsärztliche Untersuchung habe
keine Hinweise dafür ergeben, dass die chronifizierte depressive Erkrankung verbunden mit Ängsten und zeitweise auftretenden
Verfolgungsgedanken im engen Zusammenhang mit den in der ehemaligen DDR erlittenen negativen Erlebnissen stehe.
Der Klägerin wurde mit Schreiben des Beklagten vom 03.05.2007 mitgeteilt, dass es nach erneuter Überprüfung der Angelegenheit
leider bei der ablehnenden Entscheidung bleiben müsse. Die psychische Symptomatik habe nach versorgungsärztlicher Beurteilung
multifaktorielle Ursachen. Bei der psychoreaktiven Störung infolge der politischen Verfolgung handele es sich nach den vorliegenden
Unterlagen um eine von mehreren Ursachen für das Gesamtbild der psychischen Symptomatik, wobei die Trennungserlebnisse und
psychosozialen Belastungen weit im Vordergrund stünden. Den schädigenden Ereignissen im Sinn des
VwRehaG komme insoweit keine gleichwertige Bedeutung zu. Die über viele Jahre in der DDR erfolgte Schikanierung, Bespitzelung und
Verfolgung solle durch diese versorgungsärztliche Beurteilung keinesfalls herabgewürdigt werden. Bei der versorgungsärztlichen
Beurteilung müsse jedoch die gesamte Biographie gewürdigt werden. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales werde daher den
Widerspruch als unbegründet zurückweisen müssen. Die Zurückweisung durch Widerspruchsbescheid erfolgte dann mit Datum 13.06.2007.
Die Klägerin hat am 15.05.2007 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und zur Begründung auf den Bescheid des Landesamts
für Gesundheit und Soziales B. vom 16.06.2005 verwiesen. Der vom Sozialgericht befragte Hausarzt Dr. M. hat über im Jahr 2006
aufgetretene akute abdominelle Probleme (Appendizitis) informiert, mit stationärer Behandlung im November 2006 und einer Reha-Maßnahme
in der Zeit von 04.04.2007 bis 25.04.2007 (Befundbericht vom 05.07.2007 mit Anlagen).
Die Neurologin und Psychiaterin Dr. A. ist im Gutachten vom 10.10.2007 zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Gesundheitsstörungen
vorlägen, die mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit auf die rechtsstaatswidrigen Maßnahme der DDR-Behörden zurückzuführen
seien. Im Vordergrund stehe bei der Klägerin eine chronifizierte depressive Störung im Sinn einer Dysthymie und eine Persönlichkeitsstörung
mit schizoiden und paranoiden Persönlichkeitszügen. Die depressive Störung äußere sich in Schlafstörungen, Insuffizienzgefühlen,
Alpträumen, Antriebsminderung, eingeschränkter Freude und Erschöpfungsgefühlen. Die Klägerin nehme ein Antidepressivum und
befinde sich in psychotherapeutischer Behandlung und einmal monatlich in psychosomatischer Behandlung. Die vorbeschriebenen
körperlichen Störungen im Sinn einer Somatisierungsstörung seien deutlich in den Hintergrund getreten, vermutlich als Folge
der tagesklinischen Behandlung in der psychosomatischen Abteilung der Universitätsklinik A-Stadt, von der die Klägerin nach
eigenen Angaben deutlich profitiert habe. Bei der Klägerin bestünden paranoide und schizoide Persönlichkeitszüge, die sich
in erheblichem Misstrauen gegenüber der Umwelt bzw. anderen Menschen äußern würden, außerdem in der Tendenz, Erlebtes zu verdrehen,
indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich missdeutet werden, Streitbarkeit, Selbstbezogenheit
und Abwertung anderer, insbesondere von "Ausländern". Dadurch habe sie erhebliche Konflikte innerhalb der Haus- und Wohngemeinschaft,
was wiederum zu weiterem Rückzug und Anbringen mehrerer Schlösser führe. Sie habe praktisch keine Sozialkontakte, lediglich
in negativer Form von Auseinandersetzungen mit der Hausgemeinschaft. Beide Söhne hätten sich weitgehend abgegrenzt. Auch mit
der in A-Stadt wohnenden Tochter bleibe der Kontakt offenbar distanziert und kühl. Eine posttraumatische Belastungsstörung
liege bei der Klägerin nicht vor. Auch wenn die Ereignisse in der ehemalige DDR für die Klägerin subjektiv mit Sicherheit
traumatisierend gewesen seien, so erfüllten sie dennoch nicht die Kriterien, wie sie für die posttraumatische Belastungsstörung
gefordert seien, sowohl nach dem Klassifikationssystem DSM IV als auch nach dem Klassifikationssystem ICD 10. In beiden Systemen
werde gefordert, dass die Betroffene mit einem lebensbedrohlichen Ereignis konfrontiert gewesen sei. Selbst wenn man dies
außer Acht lasse bzw. unterstelle, seien die weiteren diagnostischen Merkmale nicht gegeben. Fehlen würden die aufdringlichen
Nachhallerinnerungen. Außerdem würden auch nicht die Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen,
möglichst vermieden. Die Klägerin sei durchaus in der Lage, wichtige Aspekte der Belastung zu erinnern. Man habe auch nicht
den Eindruck, dass sie ungern über diese Dinge spreche. Die depressive Störung sei bei der Klägerin multifaktoriell bedingt.
Sicher spielten schwierige Lebensumstände und biographische Ereignisse eine Rolle, nicht zuletzt zwei gescheiterte Ehen. Eine
Kausalität zu den Ereignissen in der ehemaligen DDR lasse sich nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit herstellen. Die
Symptome der affektiven Störung würden sich auch mit den Symptomen der Persönlichkeitsstörung vermischen, die mit Sicherheit
in keinerlei Zusammenhang mit den ungünstigen Lebensumständen stehe. Eine Persönlichkeitsstörung sei eine anlagebedingte Störung,
die sich meist in der Jugendzeit herausbilde und von äußeren Faktoren nur mäßig beeinflusst werde. Obwohl nach objektiven
Kriterien davon auszugehen sei, dass die Klägerin hier keinen außergewöhnlichen Belastungen und Drangsalierungen ausgesetzt
sei, habe sie auch jetzt wieder erhebliche Probleme mit der Hausgemeinschaft, sei misstrauisch, verarbeite neutrale Dinge
gegen sich, sei einzelgängerisch und durchaus auch konfliktbereit. Das seien Symptome ihrer Persönlichkeitsakzentuierung und
seien bereits in zahlreichen Befundberichten so oder ähnlich beschrieben worden. Zum Feindbild würden jetzt die "Ausländer",
vor allem in Form der Nachbarschaft, des Hausmeisters und anderer Mitbürger. Die bei der Klägerin bestehende depressive Störung
habe sich multifaktoriell entwickelt, die bestehende Persönlichkeitsstörung sei traumaunabhängig und keinesfalls im Sinn einer
anhaltenden Persönlichkeitsänderung als Folge des psychischen Traumas aufzufassen. Die Klägerin sei sicher sehr belastenden
Schikanen ausgesetzt gewesen, sie habe sich aber weder in rechtsstaatswidriger Haft in der DDR befunden noch sei sie psychischer
Gewalt ausgesetzt gewesen. Die Kriterien der posttraumatischen Belastungsstörung träfen weder hinsichtlich der stattgehabten
Traumata noch hinsichtlich der zu fordernden Krankheitssymptomatik zu. Die Chronifizierung der Störung sei auf schädigungsunabhängige
Faktoren zurückzuführen.
An dieser Einschätzung hat die Sachverständige mit ergänzender Stellungnahme vom 04.03.2008 festgehalten, nachdem ihr das
14-seitige maschinenschriftliche Schreiben der Klägerin vom 11.11.2007 vorgelegt worden war, in dem diese unter Bezugnahme
auf die diagnostischen Kriterien für die posttraumatische Belastungsstörung dargelegt hatte, dass entgegen der Einschätzung
der Sachverständigen alle Voraussetzungen erfüllt seien.
Die behandelnde Psychotherapeutin Dr. F. hat am 05.05.2008 berichtet, dass sie die Klägerin seit 18.10.2006 verhaltenstherapeutisch
behandele und das Ende noch nicht abschätzbar sei. Es liege eine posttraumatische Belastungsstörung mit folgendem Bild vor:
rezidivierende depressive Symptomatik mit zum Teil schweren Episoden und Suizidalität; chronifizierte Angststörung mit Panikattacken;
akzentuierte Persönlichkeit mit ängstlichen und misstrauisch-paranoiden Anteilen. Als weitere Diagnosen hat sie eine Dysthymia
und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung benannt. Aktuell sei die Klägerin wenig depressiv. Suizidalität liege derzeit
nicht vor.
Dr. B., Leiter der internistischen Psychosomatik an der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
A-Stadt, hat den Befundbericht vom 30.09.2008 erstattet. Beginnend im Dezember 2005 sei die Klägerin mehrmalig in der Internistischen
Psychosomatik ambulant sowie stationär behandelt worden. Die Entstehungsbedingungen für die depressive Störung seien bei der
Klägerin komplex. Für eine genetische Prädisposition sei zu wenig bekannt. Dagegen würden entwicklungsbedingte Faktoren, somatische
Stressoren (multiple körperliche Erkrankungen) sowie psychosoziale Stressoren (multiple traumatisierende Lebenserfahrungen)
eine Rolle spielen. Der Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen liege im psychosomatischen Bereich.
In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 08.01.2009 hat die Sachverständige Dr. A. erläutert, dass die Diagnose der
Dr. F. nicht richtig sei. Die Diagnosekriterien der posttraumatischen Belastungsstörung ließen sich unterteilen in anamnestische
und psychopathologische Kriterien. Selbst wenn man die anamnestischen Kriterien anerkenne und von einer subjektiven lebensbedrohlichen
Situation ausgehe, so würden doch die psychopathologischen Kriterien nicht vorliegen, die vor allem in Intrusionen, Nachhallerinnerungen,
Vermeidungsverhalten und chronischer Alarmreaktion bestünden. Typischerweise würden die Betroffenen mit einer posttraumatischen
Belastungsstörung der Thematisierung des traumatischen Erlebens ausweichen. Frau Dr. F. beschreibe, abgesehen von der unkorrekten
Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung, die anderen psychopathologischen Phänomene einer Persönlichkeitsstörung,
einer Angststörung, einer depressiven Störung und einer Somatisierungsstörung. Den Ausführungen des Dr. B. könne sie sich
ganz überwiegend anschließen.
Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 04.03.2009 abgewiesen. Es sei nicht nachgewiesen, so das
Sozialgericht zur Begründung, dass bei der Klägerin Gesundheitsstörungen als Folgen einer Schädigung nach §
3 Abs.
1 Satz 1
VwRehaG bestünden. Insbesondere sei für das Gericht nicht erkennbar, dass die Klägerin infolge der permanenten Überwachung durch
den Staatssicherheitsdienst bzw. der Repressalien durch die DDR-Behörden an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide.
Das Gericht schließe sich den schlüssigen Ausführungen der äußerst erfahrenen Gerichtssachverständigen Dr. A. an.
Gegen diesen am 09.03.2009 zugegangenen Gerichtsbescheid richtet sich die am 08.04.2009 eingelegte Berufung der Klägerin.
Von ihr vorgelegte aktuelle ärztliche Unterlagen aus den Jahren 2009/2010 betreffen phlebologische, internistische, augenärztliche,
orthopädische und zahnärztliche Befunde. Im Arztbrief des Universitätsklinikum A-Stadt vom 18.09.2009 (Innere Medizin) ist
als letzte Diagnose genannt: Zustand nach mittelgradiger depressiver Episode und psychosomatischer Behandlung.
Der Senat hat Beweis erhoben durch das Gutachten des Psychiaters und Neurologen Dr. C. vom 21.06.2010, der folgende Diagnosen
gestellt hat: 1. depressive Entwicklung im Sinn einer Dysthymie; 2. Persönlichkeitsakzentuierung mit paranoiden und sthenischen
Zügen; 3. Restless-legs-Syndrom, differenzialdiagnostisch beginnende links betonte symmetrische Polyneuropathie, distal.
Er hat erläutert, dass nicht mehr jetzt, aber bei Beginn der Störung die Beschreibungen und Leitlinien der leichten depressiven
Episode erfüllt gewesen sein könnten. Die Verteilung zwischen den Episoden leichterer Depression und dazwischen liegenden
Perioden vergleichsweiser Normalität sei sehr unterschiedlich. Im Beck-Depressionsfragebogen habe die Klägerin das Vorliegen
einer schweren Depression beschrieben. Diese Selbstbeschreibung stehe im Widerspruch zu dem in der Begutachtungssituation
beobachteten Verhalten, so dass Aggravationstendenzen angenommen werden müssten. Aufgrund der depressiven Entwicklung bestehe
eine verminderte psychische Belastbarkeit, insbesondere bei Zeit- und Termindruck, aber auch in Situationen, in denen sich
die Klägerin infrage gestellt und geprüft fühle. Aufgrund der Persönlichkeitsakzentuierung mit paranoiden und sthenischen
Zügen sei die Klägerin im sozialen Kontakt behindert. Sie tendiere dazu, sich missverstanden und gekränkt zu fühlen, was zu
sozialem Rückzug und zu einer sthenischen Haltung führe. Nachweisbar sei eine Fixierung der Klägerin auf die Verursachung
ihrer Schwierigkeiten durch andere ("Kriminelle", Verfolgung durch die Staatssicherheit, politische Gegebenheiten in der ehemaligen
DDR), während eigene Anteile bei der Entstehung dieser Schwierigkeiten nicht benannt würden und sich dem Gutachter auch nur
indirekt erschlossen hätten (sthenische, teilweise querulatorisch anmutende Haltung, Aufbau von Feinbildern). Die bei der
Untersuchung festgestellten Reflex- und Sensibilitätsabweichungen sprächen für eine beginnende Polyneuropathie der Beine.
Das vordiagnostizierte Restless-legs-Syndrom stehe häufig im Zusammenhang mit einer beginnenden oder bereits klinisch manifesten
Polyneuropathie. Durch diese Erkrankung könnten Schlafstörungen, langfristig gesehen auch eine Beeinträchtigung beim Stehen
und Gehen verursacht werden. Es gäbe keine Hinweise darauf, dass bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung
bestehe, wie sie Frau Dr. F. benenne. Es fehle das A-Kriterium einer posttraumatischen Belastungsstörung. Nachvollziehbar
seien "Traumatisierungen" im Sinn von Kränkungen, Demütigungen, Bedrohungen, die aber nicht geeignet seien, das Ereigniskriterium
einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erfüllen. Diese Einschätzung müsse auch unter Berücksichtigung der Ausführungen
der Klägerin vom 11.11.2007 aufrechterhalten werden. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte für eine chronifizierte Angststörung,
wie sie Dr. K. diagnostizierte hätte, auch wenn anzunehmen sei, dass es bei der Klägerin im Zusammenhang mit der Maueröffnung
vorübergehend zu einer Reaktivierung von Ängsten gekommen sei.
Zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit der rechtsstaatswidrigen permanenten Überwachung durch
den Staatssicherheitsdienst hat der Sachverständige ausgeführt, dass die geltend gemachten traumatischen Erfahrungen im Umgang
mit den staatlichen Organen in der ehemaligen DDR, verursacht zum einen durch die Verhaltensauffälligkeiten ihres ältesten
Sohnes, zum anderen durch die gestellten Ausreiseanträge und die damit in Zusammenhang stehenden "Rückgewinnungsgespräche",
die depressive Entwicklung gefördert hätten, ohne dass sie dafür alleinig oder wesentlich verantwortlich seien. Die depressive
Symptomatik sei als multifaktorielles Geschehen zu verstehen. Bei der Klägerin ließen sich bereits in der Kindheit Lebensereignisse
nachweisen, die die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls beeinträchtigt hätten (Verschüttung im Krieg, Tuberkulose,
Sanatoriumsaufenthalte). Die zwei gescheiterten Ehen, die Mehrfachbelastung als allein erziehende Mutter von drei Kindern
und als Berufstätige, die Schwierigkeiten bei der letztendlich gescheiterten sozialen Integration nach der Übersiedlung in
die Bundesrepublik hätten zu einer überdauernden Selbstwertproblematik geführt, die sich in einem mangelnden Durchsetzungsvermögen,
aggressiver Gehemmtheit, Schwierigkeiten im sozialen Kontakt manifestiere. Weiter bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte
dafür, dass die beschriebene Persönlichkeitsakzentuierung durch die rechtsstaatswidrige permanente Überwachung durch den Staatsicherheitsdienst
verursacht worden sei. Die Klägerin habe Extrembelastungen, lebensbedrohliche Situationen, Androhung von körperlicher Gewalt
durch die staatlichen Behörden der ehemaligen DDR nicht benennen können. Sie sei in der ehemaligen DDR nicht inhaftiert gewesen.
Nachvollziehbar sei zwar, dass sie angebe, aufgrund der benannten Gegebenheiten sich beobachtet, schikaniert und verfolgt
gefühlt zu haben. Es falle allerdings auf, dass sie die Auseinandersetzung auch selbst gesucht habe, zum Beispiel indem sie
sich immer wieder bei den zuständigen Stellen um Unterhaltszahlung für ihr Kind bemüht habe. Die Klägerin erlebe sich als
Opfer, blende aber die eigenen Anteile bei der Verursachung des Geschehens aus. Hinzuweisen sie auch darauf, dass die Klägerin
in dem anlässlich der Begutachtung vorgelegten 35-seitigen handgeschriebenen Lebenslauf im Tenor eher ihre allgemeinen Belastungen
und Schwierigkeiten des Alltags in der DDR beschreibe, so dass der Eindruck entstehe, dass die geltend gemachte Verfolgung
eher ein randständiges Geschehen darstelle, das nur im Zusammenhang mit dem Entschädigungsbegehren seine besondere Bedeutung
gewinne. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Polyneuropathie bzw. dem Restless-legs-Syndrom und der rechtsstaatswidrigen
permanenten Überwachung bestehe nicht.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 04.03.2009 aufzuheben, den Bescheid vom 08.11.2006
in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 03.05.2007 und 13.06.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Beschädigtenversorgung
nach dem
VwRehaG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Wohnsitzwechsels der Klägerin nach A-Stadt ist ein Wechsel des Beklagten eingetreten. Beklagter ist nunmehr das
Land Baden-Württemberg (Beschluss des Senats vom 19.05.2009).
Der Klägerin ist mit Beschluss vom 18.06.2009 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. H. beigeordnet worden. Er
ist in Abstimmung mit der Klägerin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen (Fax vom 15.11.2010).
Der Senat hat die Akte des Sozialgerichts Augsburg sowie die Akten des Beklagten (mit Kopien aus den Akten des Landesamts
für Gesundheit und Soziales B. und aus den Akten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) beigezogen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Richtiger Beklagter ist nach dem Umzug der Klägerin von Neu-A-Stadt nach A-Stadt das Land Baden-Württemberg. Der durch den
Umzug ausgelöste Wechsel der Verwaltungszuständigkeit bewirkt bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage,
wie sie hier betrieben wird, einen Wechsel des Beklagten kraft Gesetzes (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2009, B 9 SB 4/08 R; Urteil vom 29.04.2010, B 9 SB 1/10 R). Mit Beschluss des Senats vom 19.05.2009 ist deswegen der bisherige Beklagte aus dem Verfahren entlassen und das Land Baden-Württemberg,
vertreten durch das Regierungspräsidium Stuttgart, als neuer Beklagter erfasst worden.
Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 08.11.2006 in der Fassung
des Widerspruchsbescheids ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Keine für die Entscheidung bedeutsame Relevanz misst der Senat der Frage bei, ob schon das Schreiben des Beklagten vom 03.05.2007
als Widerspruchsbescheid auszulegen ist oder ob es nur den Widerspruchsbescheid vom 13.06.2007 gibt. In jedem Fall ist das
Vorverfahren als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage (§
78 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) ordnungsgemäß durchgeführt und abgeschlossen worden. Spätestens mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids vom 13.06.2007
ist die am 15.05.2007 erhobene Klage zulässig geworden. In jedem Fall ist auch die Klagefrist des §
87 SGG gewahrt.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung gemäß §
3 Abs.
1 Satz 1
VwRehaG. Nach dieser Vorschrift erhält ein Betroffener, der infolge einer Maßnahme nach §
1 VwRehaG eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf
Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.
Die Klägerin gehört zu dem nach §
1 VwRehaG berechtigten Personenkreis. Denn mit dem bestandskräftigen Bescheid des Landesamts für Gesundheit und Soziales B. vom 16.06.2005
ist auf der Grundlage des §
1 Abs.
1, Abs.
4 Satz 1
VwRehaG die Rechtsstaatswidrigkeit der permanenten Überwachung der Klägerin durch den Staatssicherheitsdienst festgestellt und das
Fehlen von Ausschließungsgründen gemäß §
2 Abs.
2 VwRehaG verbindlich bestätigt worden. Wie in der Begründung erläutert wurde, habe die Klägerin glaubhaft gemacht, dass ihr gemäß
§§
2,
3 VwRehaG Ansprüche auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz zustehen könnten. Die Entscheidung darüber, ob die weiteren Voraussetzungen für eine Beschädigtenversorgung gemäß §
3 VwRehaG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz erfüllt sind, fällt in die Zuständigkeit des Beklagten als Träger der Versorgungsverwaltung. Wie in §
12 Abs.
4 Sätze 1 und 4
VwRehaG geregelt ist, obliegt die Feststellung der Rechtsstaatswidrigkeit einer Maßnahme nach §
1 VwRehaG sowie die Entscheidung über Ausschließungsgründe nach §
2 Abs.
2 VwRehaG der Rehabilitierungsbehörde, während die nach dem Bundesversorgungsgesetz erforderlichen Feststellungen die Behörden treffen, denen die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes obliegt.
Zu Recht ist der Anspruch der Klägerin auf Beschädigtenversorgung abgelehnt worden. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens
kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die geltend gemachten Gesundheitsstörungen, insbesondere die psychischen
Leiden der Klägerin, durch die rechtsstaatswidrige Überwachung der Klägerin mit Wahrscheinlichkeit hervorgerufen oder verschlimmert
worden sind.
Die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale - schädigendes Ereignis, hier die Maßnahme nach §
1 VwRehaG, gesundheitliche Schädigung (Primärschaden), gesundheitliche Folgen dieser Schädigung (verbleibende, als Grad der Schädigung,
GdS, ausweisbare Gesundheitsstörung) - müssen nach den allgemein für die richterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung
maßgeblichen Anforderungen voll bewiesen werden, d.h. sie müssen sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen
lassen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R). Zur Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Folge einer Schädigung (sog. haftungsausfüllende Kausalität) genügt die
Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§
3 Abs.
5 Satz 1
VwRehaG), die gegeben ist, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit
oder ein zeitlicher Zusammenhang genügt nicht (allgemeine Meinung, vgl. etwa BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, Juris Rn. 20). Auch für die haftungsbegründende Kausalität, also den Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und
der gesundheitlichen Schädigung, gilt der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R, Juris Rn. 17 ff.). Aus der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ebenso wie im Versorgungsrecht geltenden Theorie
der wesentlichen Bedingung folgt, dass nicht jeder Umstand, der irgendwie zum Erfolg beigetragen hat, rechtlich beachtlich
ist, vielmehr werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum
Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, Juris Rn. 14). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere
Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. BSG, Urteil vom 10.06.1955,
10 RV 390/54, Juris Rn. 36; vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, Juris Rn. 14).
Bewiesen ist das schädigende Ereignis, nämlich die für rechtsstaatswidrig erklärte permanente Überwachung der Klägerin durch
den Staatssicherheitsdienst, also die Maßnahme nach §
1 VwRehaG (dazu oben). Andere Umstände sind dagegen nicht geeignet, den Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach §
3 VwRehaG zu begründen, so dass es auf deren Beweis nicht ankommt. Dies betrifft insbesondere - die belastenden Kindheits- und Kriegserlebnisse
der Klägerin, die Gegenstand eines Verfahrens auf Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz waren, - die schweren familiären Belastungen in verschiedenen Lebensphasen der Klägerin (z.B. zwei gescheiterte Ehen, Mehrfachbelastung
als allein erziehende Mutter von drei Kindern und als Berufstätige, phasenweise größte Schwierigkeiten im Kontakt mit ihren
Kindern auch nach der Übersiedlung in den Westen), - die schlecht bewältigte Integration nach der Übersiedlung in den Westen,
- die von der Klägerin wiederholt beklagte politische Entwicklung seit Anfang der 60er Jahre ("Mauerbau"). So hat sie im November
1987, also eineinhalb Jahre nach ihrer Ausreise in den Westen, in der Reha-Klinik in Bad W. berichtet, dass für ihr gesamtes
Elend die Mauer zwischen Ost und West verantwortlich sei. Anlässlich der versorgungsärztlichen Begutachtung im Juni 1996 hat
sie im Rahmen der Anamnese erzählt, dass es ihr damals, als ihr Mann kurz nach dem Mauerbau in den Westen gegangen sei, sehr
schlecht gegangen sei und sie furchtbare Träume gehabt hätte, die sich um die Mauer gedreht hätten.
Der Senat sieht durchaus, dass die von der Klägerin für ihr Elend verantwortlich gemachten politischen Verhältnisse in der
DDR auch die rechtsstaatswidrige Überwachung durch den Staatssicherheitsdienst einschließen. Es muss allerdings, wie der Senat
der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu erklären versucht hat, differenziert werden zwischen den - rechtlich unbeachtlichen
- allgemeinen politischen Entwicklungen in der DDR, die alle Bürger hinnehmen mussten und die nicht rehabilitierungsfähig
sind, und dem hier einzig beachtlichen Umstand, der rechtsstaatswidrigen permanenten Überwachung der Klägerin durch den Staatssicherheitsdienst.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin an einer chronifizierten depressiven Störung im Sinn einer Dysthymie
und an einer Persönlichkeitsstörung bzw. Persönlichkeitsakzentuierung mit paranoiden Zügen leidet, wobei sich die zeitweise
stark ausgeprägte depressive Störung in den letzten Jahren gebessert hat. Außerdem liegt, wie Dr. C. festgestellt hat, neben
dem Restless-legs-Syndrom auch eine beginnende Polyneuropathie vor. Nicht bewiesen ist dagegen die Behauptung der Klägerin,
dass sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Zwar kann sich die Klägerin darauf berufen, dass ihr Psychiater
Dr. D. (Befundbericht vom 19.02.2007) und ihre Psychotherapeutin Dr. F. (Befundbericht vom 05.05.2008) von einer posttraumatischen
Belastungsstörung sprechen, ohne dies allerdings konkret zu begründen. Auch die Diagnose des Psychiaters Dr. K. im Attest
vom November 2003 geht in diese Richtung (schwerwiegende psychische Belastungsstörung mit depressiven Symptomen, Schlafstörungen,
rezidivierenden Angstzuständen und Rückzugstendenzen). Die anderen Ärzte, mit denen die Klägerin im Laufe ihrer seit Ende
der 80er Jahre dokumentierten Krankengeschichte zu tun hatte, haben die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung
allerdings nicht gestellt. In Bezug auf die psychischen Leiden wurden diagnostiziert eine Involutionsdepression (1987), eine
psychogene Erkrankung mit paranoidem Einschlag (1987), ein Depressionssyndrom mit angstneurotischen Zügen im Klimakterium
(1987), eine neurotische Kontaktstörung (1988), depressives Syndrom, ausgeprägte Angstsymptomatik (1991), Depression und psychovegetative
Erschöpfung bzw. neurotische Depression bei endoreaktivem Fehlverhalten (1991), Verdacht auf chronisch psychotische Störung
(Prof. Dr. P., 1993), seelisches Leiden mit wahnhaftem Erleben und schwerer depressiver Verstimmung (1996), chronifizierte
depressive Verstimmung (2005), mittelgradige depressive Episode, undifferenzierte Somatisierungsstörung, akzentuierte Persönlichkeit,
Dysthymie (Prof. Dr. K., 2006), depressive Störung (Dr. B., 2008). Zuletzt war von einem Zustand nach mittelgradiger depressiver
Episode die Rede (2009).
Der Sachverständige Dr. C. wie auch die erstinstanzlich gehörte Dr. A. sind übereinstimmend der Meinung, dass die diagnostischen
Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung nicht erfüllt seien. Der Senat hält die Würdigung der Sachverständigen
für überzeugend und schließt sich dieser Einschätzung an. Wie Dr. C. klar herausgestellt hat, fehlt für die Diagnose schon
das extrem belastende Ereignis, das A-Kriterium einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die bei der Klägerin vorliegenden
"Traumatisierungen" im Sinn von Kränkungen, Demütigungen, Bedrohungen sind nicht geeignet, das "Ereigniskriterium" einer posttraumatischen
Belastungsstörung zu erfüllen. Auch die Sachverständige Dr. A. hält dieses Kriterium für nicht gegeben, betont allerdings
außerdem, dass auch dann, wenn diese Voraussetzung unterstellt würde und man von einer subjektiv lebensbedrohlichen Situation
ausgehen würde, jedenfalls die psychopathologischen Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung nicht gegeben seien,
die vor allem in Intrusionen, Nachhallerinnerungen, Vermeidungsverhalten und chronischer Alarmreaktion bestehen würden.
Die bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Störungen, also die chronifizierte depressive Störung im Sinn einer Dysthymie
und die Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Zügen, sind nicht durch die permanente Überwachung durch den Staatssicherheitsdienst
wesentlich verursacht oder verschlimmert worden.
Auch wenn es sich bei der rechtsstaatswidrigen Überwachung sicherlich um eine beträchtliche psychische Belastung handelte,
spricht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weit mehr dagegen als dafür, dass die bei der Klägerin bestehende Persönlichkeitsstörung
mit paranoiden Zügen dadurch verursacht worden ist. Sowohl Dr. C. als auch Dr. A. schließen übereinstimmend und nachvollziehbar
insoweit einen Zusammenhang aus. Diese Würdigung steht im Einklang mit den herrschenden medizinischen Lehrmeinungen bei der
Beurteilung der Folgen psychischer Traumen im sozialen Entschädigungsrecht, wie sie in den Anhaltspunkten für die ärztliche
Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht (AHP) 2008 zusammengefasst sind. Danach kommt eine durch psychische Traumen
bedingte Persönlichkeitsänderung sowohl nach langdauernden psychischen Belastungen (z.B. Kriegsgefangenschaft, rechtstaatswidrige
Haft in der DDR) als auch nach relativ kurzdauernden Belastungen (z.B. Geiselnahme, Vergewaltigung) in Betracht, sofern die
Belastungen ausgeprägt und mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren (siehe Nr. 71 AHP 2008). Belastungen
dieser Heftigkeit, also Extrembelastungen, war die Klägerin nicht ausgesetzt, was sowohl Dr. A. als auch Dr. C. hervorgehoben
haben.
Was die depressive Störung der Klägerin anbelangt, lässt sich die Ursächlichkeit im naturwissenschaftlichen Sinn (conditio
sine qua non) ebenfalls nicht ohne weiteres bejahen. Es ist zweifelhaft, ob dieses Leiden der Klägerin nicht oder in weniger
schwerer Form aufgetreten wäre, wenn die permanente Überwachung durch den Staatssicherheitsdienst nicht stattgefunden hätte.
Bei der Klägerin lagen psychische Auffälligkeiten mindestens seit den 60er Jahren, also schon vor dem schädigenden Ereignis,
der rechtsstaatswidrigen Überwachung der Klägerin in den 80er Jahren, vor. Nach ihren anamnestischen Angaben in den 90er Jahren,
die besonders ausführlich in dem versorgungsärztlichen Gutachten vom Juni 1996 festgehalten sind, ging es der Klägerin kurz
nach dem Mauerbau und nach der Flucht ihres Ehemanns in den Westen sehr schlecht. Sie ist, wie sie geschildert hat, sehr traurig
gewesen und appetitlos, und hatte furchtbare Träume, die sich um die Mauer gedreht hätten. Nach der zweiten Scheidung 1968
habe sie erhebliche Probleme gehabt, sie habe aggressiv reagiert, die Kinder geschlagen, das Bedürfnis gehabt, Hilfe zu bekommen.
Nach der Einschätzung der Sachverständigen Dr. A. lässt sich ein Zusammenhang zwischen der depressiven Störung und der rechtsstaatswidrigen
Überwachung nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit herstellen. Aber auch wenn mit Dr. C. die rechtsstaatswidrige Überwachung
als eine Bedingung im naturwissenschaftlichen Sinn angesehen wird, die zu der depressiven Störung beigetragen hat, liegt darin
jedenfalls keine wesentliche Ursache für die Entstehung oder Verschlimmerung der Krankheit.
Nach der ärztlichen Beurteilung der Sachverständigen ist die depressive Symptomatik der Klägerin als ein multifaktorielles
Geschehen zu begreifen. Die rechtsstaatswidrige Überwachung durch den Staatssicherheitsdienst ist nur eine von vielen psychisch
belastenden Erfahrungen und Erlebnissen im Leben der Klägerin. Es ist nicht möglich, einzelnen Lebensumständen der Klägerin
einen abgrenzbaren Anteil am Krankheitsgeschehen zuzuordnen. Bei der Bewertung, welche Bedeutung und Tragweite der rechtsstaatswidrigen
Überwachung für die depressive Störung und deren Verlauf insgesamt zukommt, schließt sich der Senat der Einschätzung des Dr.
C. an. Dieser hat ausgeführt, dass die geltend gemachten traumatischen Erfahrungen mit den staatlichen Organen in der DDR
die depressive Entwicklung gefördert hätten, ohne dass diese traumatischen Erfahrungen für die depressive Entwicklung alleinig
oder wesentlich verantwortlich seien. Nach der aufgrund der Beweisaufnahme gewonnenen Überzeugung des Senats stehen die vielfältigen
familiären und sozialen Belastungen der Klägerin seit ihrer Kindheit sowie die - insbesondere von Dr. A. gewürdigte - anlagebedingte
Persönlichkeitsstörung mit Fehlverarbeitungen im sozialen Bereich klar im Vordergrund.
Für die weiteren von der Klägerin im Antrag vom August 2005 aufgeführten Gesundheitsstörungen - Mastdarmprolaps mit Stuhlinkontinenz,
Skoliose der Brustwirbel- und Lendenwirbelsäule, Fehlstellung der Halswirbelsäule, Knochenabbau im Kiefer, Arthrose der linken
Schulter und des Oberarms, Restless-legs-Syndrom, Diät wegen einer Funktionsschwäche des Magens und der Galle, Varizen an
den Beinen bis zu den Oberschenkeln, Sehschwäche sowie Blutkontrolle wegen erhöhtem Tumormarker - ist ein Zusammenhang mit
den rechtsstaatswidrigen Überwachungsmaßnahmen erst recht nicht erkennbar. Die Klägerin selbst hat weder im Verlauf des Verwaltungsverfahrens
noch im Gerichtsverfahren noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat diese Gesundheitsstörungen weiter thematisiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG liegen nicht vor.