Verhängung von Ordnungsgeld im sozialgerichtlichen Verfahren; Glaubhaftmachung von Reise- bzw. Verhandlungsunfähigkeit
Gründe:
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg begehrt die Klägerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) die Feststellung
eines Grades der Behinderung (GdB) in Höhe von 50. Mit Bescheid vom 12. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27. Januar 2011 lehnte die Beklagte dies ab.
Das Sozialgericht hat die Bf. zur Beweisaufnahme sowie zur Erörterung der Sach- und Rechtslage für den 15. November 2011 geladen.
Mit Beweisanordnung vom 13. Oktober 2011 hat es die Fachärztin für Innere Medizin, Dr. H., zur Sachverständigen ernannt. Das
Sozialgericht hat das persönliche Erscheinen angeordnet und auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen. Die Ladung ist der
Bf. am 28. Oktober 2011 zugestellt worden. Einen Antrag des Prozessbevollmächtigten der Bf. vom 2. November 2011 auf Terminsverlegung
wegen Terminskollision hat das Sozialgericht mit Fax vom 10. November 2011 abgelehnt.
Weder die Bf. noch ihr Prozessbevollmächtigter sind zu dem Termin erschienen. Die Kammervorsitzende hat mit Beschluss vom
15. November 2012 gegen die Bf. ein Ordnungsgeld in Höhe von 300.- EUR festgesetzt. Die Klägerin sei zum heutigen Termin unentschuldigt
nicht erschienen.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Beschwerde hat die Bf. zum einen ein ärztliches Attest des Dr. A. vom 12. Dezember
2011 vorgelegt, nach dem diese am 15. November 2011 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Zum anderen sei sie aufgrund des
Antrags auf Terminsverlegung davon ausgegangen, dass der Termin nicht stattfinde. Weitere Angaben hat sie auch auf gerichtliches
Schreiben vom 16. Januar 2012 nicht gemacht.
Voraussetzung für die Auferlegung von Ordnungsgeld ist eine ordnungsgemäße Ladung und das unentschuldigte Nichterscheinen
des Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war.
Nach §§
111,
202 SGG i.V.m. §
141 Zivilprozessordnung (
ZPO) kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung
nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende
eine Anordnung nach §
111 SGG treffen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Hält er zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der gesamten
Kammer eine Erörterung und Beweiserhebung für notwendig, so kann er hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen.
Nach §
141 Abs.
1 S. 1
ZPO ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten dann ermessensfehlerfrei, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts
geboten erscheint. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist dabei der Ermessensspielraum weit. Da das Gericht gehalten ist, in
einer mündlichen Verhandlung eine Entscheidung zu treffen, bedarf es vielfach eines vorbereitenden Erörterungstermins (§
106 Abs.
3 Nr.
7 SGG), in dem die Anwesenheit der Beteiligten notwendig ist, um die Sach- und Rechtslage zu klären und/oder zu sachdienlichen
Anträgen zu gelangen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Bf. ist insofern ermessensfehlerfrei, zumal die Anordnung
in Zusammenhang mit der ebenfalls angeordneten ärztlichen Begutachtung stand.
§
141 Abs.
3 ZPO verweist im Falle des Ausbleibens einer Partei auf die für Zeugen geltenden Regelungen der §§
380,
381 ZPO. Nach §
380 ZPO sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten sowie ein Ordnungsgeld
aufzuerlegen. §
381 ZPO nennt die Gründe, nach denen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben hat bzw. nachträglich aufzuheben ist. Dies
ist dann der Fall, wenn der Beteiligte sein Ausbleiben genügend entschuldigen kann. Entschuldigt er sein Fernbleiben rechtzeitig,
d.h. so rechtzeitig, dass der Termin aufgehoben und die übrigen Beteiligten hiervon noch unterrichtet werden können, so hat
die Festsetzung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben. Erfolgt wie vorliegend die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so ist
die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nur dann gemäß §
381 Abs.
1 S. 2
ZPO aufzuheben, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Betroffenen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft
und die Entschuldigung hinreichend ist. Erfolgt die genügende Entschuldigung oder die Glaubhaftmachung wie im Falle der Bf.
durch die Einreichung des ärztlichen Attests erst im Beschwerdeverfahren nachträglich, so werden die getroffenen Anordnungen
unter den Voraussetzungen des Satzes 2 aufgehoben (§
381 Abs.
1 S. 3
ZPO).
Was als Entschuldigung gilt, entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen und unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls.
Für die genügende Entschuldigung müssen Umstände vorliegen, die das Ausbleiben nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen.
Soweit die Bf. angibt, dass sie aufgrund des Antrags auf Terminsverlegung davon ausgegangen sei, dass sie an dem Termin nicht
erscheinen müsse, ist dieser Irrtum unbeachtlich und als Entschuldigungsgrund nicht geeignet. Den Antrag ihres Prozessbevollmächtigten
vom 2. November 2011 hat das Sozialgericht nämlich rechtzeitig mit Fax vom 10. November 2011 abgelehnt. Eine weitere Glaubhaftmachung
der Verhinderungsgründe, z.B. der Terminskollision durch Vorlage der Ladung des Amtsgerichts T., hat nicht stattgefunden.
Ist ein Zeuge erkrankt und kann er deshalb nicht zum Termin erscheinen oder an dem Termin teilnehmen, ist dies grundsätzlich
ein ausreichender Entschuldigungsgrund im Sinne des §
381 ZPO. Erkrankt ein mit der Anordnung zum persönlichen Erscheinen geladener Beteiligter, so hat er durch ein ärztliches Attest
oder Bescheinigung zu belegen, dass ein Erscheinen und die Teilnahme an der Sitzung oder zumindest an dem Untersuchungstermin
nicht möglich gewesen ist. Laut nachgereichtem ärztlichen Attest vom 12. Dezember 2011 war die Bf. am Sitzungstag arbeitsunfähig
erkrankt. Allein durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - hier ohne Angabe der Diagnose - kann
eine Reise- bzw. Verhandlungsunfähigkeit nicht ausreichend dargelegt werden (vgl. auch Beschluss des BFH v. 27.08.2010, Az.:
III B 104/09 m.w.N.). Der Vorsitzende hat deshalb mit Schreiben vom 16. Januar 2012 hierzu nähere Angaben erbeten, die von der Bf. nicht
erteilt wurden. Eine Verhandlungs- oder Reiseunfähigkeit ist somit nicht ausreichend nachgewiesen.
Darüber hinaus erfolgte die Entschuldigung durch die Bf. nicht rechtzeitig im Sinne des §
381 Abs.
1 ZPO. Rechtzeitigkeit im Sinne des oben genannten Satzes 1 der Vorschrift liegt vor, wenn sie dem Sozialgericht in einem Zeitpunkt
zugegangen wäre, in dem die Aufhebung des Termins und die Abladung der anderen Prozessbeteiligten noch ohne Weiteres möglich
gewesen wäre (Thomas-Putzo,
ZPO, 32. Aufl., §
381 Rdnr. 2). Ein entsprechendes Fax oder zumindest ein Anruf der Bf. ging jedoch vor dem Termin nicht ein.
Aber auch eine Aufhebung nach §
381 Abs.
1 S. 3 i.V.m. S. 2
ZPO kommt nicht in Betracht, da die Bf. nicht glaubhaft gemacht hat, dass sie an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden
trifft. Die nachträgliche Entschuldigung ist zeitnah bzw. unverzüglich nachzureichen. Regelmäßig ist ein Eingang der ärztlichen
Bescheinigung am Sitzungstag oder am folgenden Tag, spätestens in den nächsten Werktagen erforderlich. Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
wurde jedoch erst am 12. Dezember 2011 ausgestellt; diese ging am 22. Dezember 2011 - somit über einen Monat nach dem Termin
- beim Sozialgericht ein. Eine Verzögerung beim Eingang des Attests liegt somit zum einen in Bezug auf den Sitzungstermin
beim Sozialgericht, zum anderen auf das Ausstellungsdatum der Bescheinigung vor. Diese Verzögerungen hat die Bf. zu vertreten;
sie müsste sich ein eventuelles Verschulden ihres Bevollmächtigten anrechnen lassen.
Aus den beiden dargelegten Gründen liegt auch im Hinblick auf eine Erkrankung keine ausreichende Entschuldigung vor.
Die Höhe des Ordnungsgeldes richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum
Strafgesetzbuch (EGStGB). Danach ist ein Rahmen von 5,00 EUR bis 1.000,00 EUR vorgegeben, innerhalb dessen sich das Ordnungsgeld bewegen kann. Bei
der Zumessung hat das Gericht die Umstände, die für oder gegen die Bf. sprechen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist auf das
Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art des Verstoßes und dessen schuldhafte Auswirkungen, auf die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse der Bf. sowie auf das Verhalten nach dem Ordnungsverstoß abzustellen. In der Regel bedarf es keiner eingehenden
Begründung dieser Ermessensentscheidung, wenn sich das Ordnungsgeld im unteren Mittel des vorgegebenen Rahmens bewegt. Dies
ist hier bei der Festsetzung von Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 EUR der Fall.
Die Beschwerde war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung erfolgt analog §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.