Aufhebung der Bewilligung eines Gründungszuschusses
Prognose bezüglich der Tragfähigkeit einer Existenzgründung
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Aufhebung der Bewilligung eines Gründungszuschusses (GZ) sowie die Anordnung zur Erstattung
der auf die Bewilligung ausgezahlten Leistungen.
Der 1953 geborene Kläger arbeitete im Lauf seines Berufslebens viel in herausgehobenen Positionen im Einzelhandel. So war
er vom 01.09.1994 bis 30.06.2000 als Verkaufsleiter bei der G. mbH und vom 01.07.2000 bis 31.12.2001 als Districtmanager bei
W. tätig. Danach fungierte er bis Ende 2003 als selbständiger Unternehmensberater. Das ganze Jahr 2004 arbeitete er als Marktleiter
bei der D. Handelsgruppe, dann vom 01.06.2005 bis 31.07.2008 in der gleichen Funktion bei der N. GmbH. Es folgte eine Beschäftigung
als Geschäftsleiter bei der Firma M. GmbH vom 01.09.2008 bis 31.10.2009.
Im Zuge des letzten Arbeitsplatzverlusts meldete sich der Kläger am 08.10.2009 mit Wirkung zum 01.11.2009 arbeitslos und beantragte
die Gewährung von Arbeitslosengeld (ALG). Mit Bescheid vom 02.11.2009 wurde dem Kläger ALG für eine Dauer von 540 Kalendertagen ab 01.11.2009 bewilligt. Mit Wirkung ab 23.11.2009 hob die Beklagte die Bewilligungsentscheidung
wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auf (Bescheid vom 23.11.2009).
Wegen dieser selbständigen Tätigkeit hatte der Kläger am 28.10.2009 einen Antrag auf Gewährung eines GZ nach §
57 des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (
SGB III) in der damals geltenden Fassung (aF) gestellt. Eine auf den 19.10.2009 datierte Gewerbeanmeldung legte der Kläger bei. In
dem Formblattantrag teilte er mit, er werde am 23.11.2009 eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit als Kaufmann eines
Feinkostgeschäfts in B-Stadt aufnehmen. Für diese selbständige Tätigkeit werde er an Arbeit künftig etwa 70 Wochenstunden
aufwenden.
Der Formblattantrag enthält unter anderem folgende Erklärung: "Ich versichere die Richtigkeit meiner Angaben. Ich werde der
Agentur für Arbeit unverzüglich alle Änderungen mitteilen, die Auswirkungen auf die Leistung haben könnten."
Auf dem Formblattantrag vermerkte die Beklagte die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung
als für die Entscheidung über den GZ notwendig. Als fachkundige Stelle benannte der Kläger eine so genannte sonstige Stelle.
Die besagte Stellungnahme gab die A. GmbH, eine Steuerberatungsgesellschaft, ab (auf einem Formblatt der Beklagten). Der Kläger,
so die A., habe folgende Unterlagen vorgelegt: aussagefähige Beschreibung des Existenzgründungsvorhabens zur Erläuterung der
Geschäftsidee, Lebenslauf, Kapitalbedarfs- und Finanzierungsplan, Umsatz- und Rentabilitätsvorschau sowie Begründung der letzten
Geschäftsaufgabe. Die A. bestätigte unter dem Datum 26.10.2009, die Voraussetzungen in fachlicher und branchenspezifischer
Hinsicht, in kaufmännischer und unternehmerischer Hinsicht sowie die Zulassungsvoraussetzungen (zB Konzessionen) würden vorliegen.
Das Leistungsangebot scheine - auch in absehbarer Zeit - konkurrenzfähig. Der Kläger schätze die voraussichtlichen Umsätze
sowie die voraussichtlichen Betriebsergebnisse vor Steuern realistisch ein, ebenso den voraussichtlichen Kapitalbedarf. Das
zu erwartende Einkommen könne dem Existenzgründer voraussichtlich eine ausreichende Lebensgrundlage bieten. Mit dem Vorhaben
scheine der Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung insgesamt realisierbar.
Dieser Stellungnahme legte die A. eine eigene Rentabilitätsplanung vom 26.10.2009 bei. Die prognostizierten Umsatzerlöse in
den Jahren 2010 bis 2014 wurden zwischen 640.000 und 700.000 EUR jährlich beziffert. Die Rohgewinne wurden daraus pauschal
mit einem Prozentsatz von 34% errechnet. Als Endergebnis wies die A. das "steuerliche Ergebnis" aus. Des Weiteren präsentierte
sie eine Liquiditätsplanung.
Nachdem die Beklagte keine Versagungsgründe hatte erkennen können, bewilligte sie mit Bescheid vom 17.11.2009 einen GZ für
die Zeit vom 23.11.2009 bis 22.08.2010 in Höhe von monatlich 2.128,20 EUR (einschließlich einer Pauschale von 300 EUR zur
sozialen Sicherung).
Danach nahm der Kläger an einem Gründercoaching teil (Gründercoach: D. H.). Der Coachingzeitraum erstreckte sich vom 27.11.2009
bis 30.04.2010 (Kontingent: 40 Coachingstunden). Der Abschlussbericht des Coaches enthält folgende wesentliche Aussagen: Auftragsgegenstand
seien Beratung und Begleitung des Klägers während der genannten Phase, das kritische Überprüfen und Überdenken dessen Handlungen
und Konzepten gewesen. Daneben habe der Kläger Unterstützung bei der Akquisition von Darlehen und allen vorbereitenden Maßnahmen
gewünscht. Herr H. habe den Kläger bei verschiedenen Gesprächsterminen sowie bei einer Ortsbesichtigung begleitet. Zu den
Beweggründen des Klägers schrieb Herr H., nach 35 Jahren Tätigkeit im Lebensmitteleinzelhandel in meist leitender Funktion
habe sich der Kläger entschlossen, seinen lange gehegten Wunsch einer Selbständigkeit in die Tat umzusetzen. Er habe einen
sehr starken Willen an den Tag gelegt, was zu Beginn des Coachingprozesses zu Spannungen geführt habe. Der Kläger sei mit
sehr konkreten Vorstellungen zu Herrn H. gekommen, wie die Umsetzung seiner Pläne habe aussehen sollen. Während des Gründungsprozesses
habe sich der Kläger um alle Arbeiten selbst gekümmert, da er keine Partner gehabt und aus dem privaten Umfeld wenig Unterstützung
erfahren habe. Vier Hauptaufgaben hätten sich für den Coach ergeben: Bearbeiten der im Coachingvertrag vereinbarten Inhalte;
Unterstützung bei der Realisierung der Finanzierung; kritisches Hinterfragen der Pläne und Handlungen; Weitergabe projektspezifischen
Know-how's. Das Ziel einer Darlehensgewährung habe bisher nicht erreicht werden können. Im Lauf des Gründungsprozesses sei
klar geworden, dass hier weitere Partner oder Teilhaber zu einer deutlichen Entspannung der Situation führen würden. Dem Kläger
sei es auch gelungen, zwei weitere Personen für sein Projekt zu gewinnen; beide würden sich mit Eigenkapital und Know-how
an der Firma beteiligen.
Mit Schreiben von 02.08.2010 beantragte der Kläger die Weitergewährung des GZ. In diesem Zusammenhang teilte er seine "unternehmerischen
Aktivitäten" der letzten Monate mit: In den letzten Monaten habe er mit seinem Coach H. seinen Geschäftsauftritt inclusive
Business-Plan erarbeitet. Außerdem seien mögliche Räumlichkeiten eruiert und Geschäftsbeziehungen mit potentiellen Lieferanten
geknüpft worden. Innerhalb der Planungen, so der Kläger weiter, seien neben der geplanten Gründung auch Möglichkeiten einer
Geschäftsgründung mit kleinerem Budget festgelegt worden. Des Weiteren habe er von Januar 2010 bis jetzt diverse Gespräche
bezüglich der Finanzierung geführt. Die Bankgespräche seien bisher wegen der zu geringen Eigenkapitalquote gescheitert; mittlerweile
sei es ihm gelungen, zwei stille Teilhaberinnen für sein Vorhaben zu gewinnen. Die Sparkasse wolle jetzt noch 50.000 EUR durch
eine Bürgschaft abgesichert haben. Um diese 50.000 EUR einzusparen, habe er sich entschlossen, ab dem 15.08.2010 eine kleinere
Version seines Feinkostgeschäfts umzusetzen (anderer Standort, weniger Miete, keine Kaution). Dass sein neues Konzept tragfähig
und erfolgreich sein werde, hätten diverse Personen die der Kläger in dem Weiterbewilligungsantrag namentlich benannte bestätigt.
Der Kläger legte mit dem Weiterbewilligungsantrag eine "Verifizierung des Business-Plans" durch den Landesverband des Bayerischen
Einzelhandels e.V. vor (Datum 09.02.2010). Der Kläger, so das Dokument, habe den Landesverband gebeten, zu seinem Business-Plan
Stellung zu beziehen, insbesondere die Verifizierung der finanzwirtschaftlichen Planung vorzunehmen und eine betriebswirtschaftliche
Beurteilung des Vorhabens abzugeben. Das Fazit des Landesverbandes ist, aufgrund des guten Standorts in Verbindung mit der
hervorragenden Qualifikation des Klägers und dem Sortiment sei eine tragfähige Vollexistenz zu erwarten.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 30.08.2010 mit, aus den eingereichten Unterlagen und den darin getroffenen
Aussagen sei nicht ersichtlich, ob dieser innerhalb der letzten neun Monate tatsächlich die Tätigkeit in Form des Verkaufs
im Feinkostladen ausgeübt habe bzw. ob und gegebenenfalls wann das Geschäft eröffnet worden sei oder ob er in der Zeit vom
23.11.2009 bis 22.08.2010 lediglich mit der Planung und Vorbereitung der Geschäftseröffnung beschäftigt gewesen sei. Der Kläger
möge darüber noch genauere Angaben machen.
Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 20.09.2010, bis jetzt sei es ihm nicht gelungen, sein Feinkostgeschäft finanziert
und eröffnet zu erhalten. So habe er sich entschlossen, ab 01.11.2010 eine Handelsagentur zu gründen und als freier selbständiger
Handelsvertreter zu arbeiten. Sein erster Geschäftspartner sei die Firma E ... Er bitte um Genehmi un dieses Antrags.
Mit Schreiben vom 04.10.2010 hörte die Beklagte den Kläger gemäß § 24 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X) an. Nach ihren Erkenntnissen, so die Beklagte, sei dem Kläger ab 23.11.2009 ein GZ in Höhe von 19.153,80 EUR zu Unrecht
gezahlt worden.
Unter dem Datum 03.11.2010 schrieb Herr H. an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, am 16.11.2009 habe ihn der Kläger zum
ersten Mal besucht. Er habe ihn gebeten, seine Gründungsaktivitäten zu unterstützen. Ihm, so Herr H., sei der enorme Tatendrang
des Klägers aufgefallen. Dieser habe sich darin gezeigt, dass in kurzer Zeit ein passendes Ladenlokal akquiriert worden sei
und der Kläger kurz darauf bereits Kostenvoranschläge von potenziellen Lieferanten und Ausstattern für die Ladeneinrichtung
parat gehabt hätte. Er habe den Kläger immer wieder auf das Problem der Finanzierung hingewiesen und habe diesem von vorschnellen
Zusagen abgeraten. Im weiteren Verlauf habe der Kläger Kontakt zu verschiedenen Banken und anderen Investoren aufgenommen,
um die Finanzierung darstellen zu können. Nachdem wiederholt keine Zusage für das nötige Kapital habe erreicht werden können,
habe der Kläger nach privaten Investoren gesucht. Er habe zwei Personen gefunden, die bereit gewesen seien, sich als stille
Gesellschafter zu beteiligen. Während des gesamten Zeitraums habe der Kläger andere Geschäftsinhaber bezüglich möglicher Kooperationen
kontaktiert und sei stets auf der Suche nach Ideen für die Ausgestaltung des Geschäfts gewesen. Außerdem sei er auch mit anderen
Projekten während der beschriebenen Zeit aktiv ewesen.
Unter dem Datum 23.11.2010 nahm der Kläger zu dem Anhörungsschreiben Stellung: Er, der Kläger, habe eine Gewerbeanmeldung
vorgelegt. Damit sei die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nachgewiesen. Zudem hat er auf die Stellungnahme des Herrn
H. vom 03.11.2010 verwiesen. "Exemplarisch" hat der Kläger ein Angebot der Firma R. (Ladeneinrichtung) vom 23.11.2009 (offenbar
hatte er bei der Firma R. am 20.11.2009 vorgesprochen und ein Angebot erbeten) beigefügt. Er wies zudem darauf hin, er sei
während der streitgegenständlichen Zeit auch bei einem weiteren Projekt aktiv gewesen. Auf die Leistungsgewährung habe er
vertraut. Sein Vertrauen sei schutzwürdig.
Gleichwohl nahm die Beklagte mit Bescheid vom 17.12.2010 die Bewilligung des GZ "ab dem 23. November 2010" zurück. Als Rechtsgrundlage
nannte sie § 45 SGB X , §
330 Abs.
2 SGB III. Sie begründete ihre Entscheidung damit, der Kläger habe die Selbständigkeit nie ausgeübt und dies mit Schreiben vom 20.09.2010
selbst mitgeteilt. Die Finanzierung sei bis zum Ende des Bewilligungszeitraums nicht geklärt gewesen. Zudem ordnete die Beklagte
die Erstattung von 19.153,80 EUR an.
Am 27.12.2010 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er habe zusätzlich zu den im Schreiben
vom 23.11.2010 genannten Aktivitäten den Landesverband des Bayerischen Einzelhandels um eine Beurteilung des Vorhabens gebeten.
Als weitere Nachweise übersandte er zwei E-Mails (vom 25.05. und 10.08.2010), aus denen jeweils deutlich wird, dass er sich
bemüht hatte, Kooperationspartner zu finden. Zudem legte der Kläger eine Rechnung der Firma M. vom 18.11.2009 über den Verkauf
von Mobiliar sowie eine Anzeige in einem Wochenblatt betreffend den ersten K. Weihnachts- und Silvestermarkt vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2011 als unbegründet zurück. Sie begründete dies damit,
die vom Kläger im Zusammenhang mit dem ersten Förderantrag eingereichten Unterlagen seien erkennbar auf die Eröffnung eines
Ladenlokals gerichtet gewesen, die allerdings niemals stattgefunden habe. Die vom Kläger geschilderten Verhandlungen mit Banken,
möglichen Investoren und dem Landesverband des Bayerischen Einzelhandels seien nicht im Stande, die ausgebliebene Ladeneröffnung
zu ersetzen. Denn sie hätten keine Außenwirkung entfaltet. Die Rentabilitätsplanung der A. habe gerade einen erfolgreich abgeschlossenen
Finanzierungsprozess unterstellt. Die Finanzierung sei aber keineswegs gesichert gewesen, nicht einmal für eine Ladeneröffnung.
Die Tragfähigkeit der Existenzgründung sei damit nicht nachgewiesen gewesen, so dass die Bewilligungsvoraussetzungen für einen
GZ nicht vorgelegen hätten. Der Kläger hätte in seinem Bewilligungsantrag auf die nicht gesicherte Finanzierung hinweisen
müssen.
Die am 22.03.2011 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 19.04.2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt,
es bestünden keine Zweifel, dass der Kläger im Antrag vom 23.10.2009 grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe. Bei der
fehlenden Finanzierung habe ihm klar sein müssen, dass er seine Tätigkeit zu dem angegebenen Zeitpunkt nicht werde aufnehmen
können. Laufende Verhandlungen, die sich über neun Monate hinzögen, um eine Finanzierung auf die Beine zu stellen, könnten
beim besten Willen nicht als Vorbereitungshandlung für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gewertet werden. Auch und
gerade einem juristischen Laien müsse klar sein, dass die im Antrag getroffene Aussage "Ich werde eine selbständige Tätigkeit
als Kaufmann für Feinkosthandel aufnehmen" nur bedeuten könne, dass die Tätigkeit des Einzelhandelskaufmanns in einem Feinkostgeschäft
tatsächlich erfolge.
Mit Schriftsatz vom 15.06.2012 hat der Kläger Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung wird betont, die Gewerbeanmeldung
mache deutlich, dass er eine selbständige Tätigkeit aufgenommen habe. Der Kläger habe mehrere Gespräche mit der IHK N. geführt.
Des Weiteren habe er mit Herrn H. Kontakt aufgenommen. Bei der Firma R. (Ladeneinrichtung) habe er ein Angebot eingeholt.
Bei der Firma M. habe er Mobiliar zu einem Preis von 800 EUR erworben. Weiter seien mehrere Gespräche erfolgt, um die Einzelheiten
der Kältetechnik und der Thekengestaltung abzuklären. Schließlich habe der Kläger drei bis vier Anzeigen in einem Wochenblatt
aufgegeben. Gespräche seien mit Banken wegen der Finanzierung sowie mit dem potentiellen Vermieter (wegen Ladengeschäft in
der T-Straße) geführt worden. Bei der Stadt B. habe der Kläger eine Erlaubnis für den Betrieb einer Schankwirtschaft mit Imbiss
beantragt. Weiter habe er eine Emailadresse für das Geschäft erworben. Auch aus einer E-Mail der Stadt B. - Straßenverkehrsamt
- vom 01.12.2009 gehe hervor, dass der Kläger Aktivitäten entfaltet habe (dabei war es um die Zulässigkeit von Ladetätigkeiten
in der T-Straße gegangen). Er habe mit Lieferanten sowie mit Handwerkern gesprochen. Ferner sei eine Kooperationsanfrage gegenüber
der Firma T. Warenhandelsgesellschaft ergangen. Auch ein Firmenlogo sei erstellt worden. Das Gesetz umschreibe nicht näher,
was unter der "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu verstehen sei. Zugunsten des Klägers müsse berücksichtigt werden,
dass dieser der Beklagten die angeforderten Unterlagen vorgelegt habe. Die Beklagte habe nicht wegen der Finanzierung rückgefragt.
Sie wäre jedoch verpflichtet gewesen zu prüfen, ob Ablehnungsgründe existierten; dazu gehöre auch die Finanzierung. Zu berücksichtigen
sei, dass Antragsteller allgemein nicht die erforderlichen Fachkenntnisse besäßen. Außerdem hätte die Beklagte den Kläger
umfassend beraten müssen. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger einen ALG-Restanspruch gehabt hätte.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 06.12.2012 erwidert, die vom Klägerbevollmächtigten angeführten Vorbereitungshandlungen
stellten keine Aufnahme und Ausübung einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit dar. Dies wäre nur dann ausnahmsweise
der Fall, wenn diese Handlungen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfaltet hätten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept
ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet gewesen wären. Eine nennenswerte Außenwirkung im
Geschäftsverkehr sei allerdings nicht erkennbar. Bei den vom Kläger angegebenen Gesprächen habe es sich um Interna gehandelt.
Eine Gewerbeanmeldung, die Einrichtung einer Emailadresse, eine Antragstellung auf eine Schankerlaubnis, eine straßenverkehrsrechtliche
Anfrage bezüglich der Ladetätigkeit sowie die Erstellung eines Firmenlogos verkörperten lediglich vorbereitende Nebenhandlungen
im Verhältnis zur Haupttätigkeit, nämlich dem Verkauf von Obst und Gemüse. Allein das Bemühen, eine Finanzierung des Vorhabens
zu erreichen, könne nicht zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ausreichen. Die vom Kläger monierte fehlerhafte Datumsangabe
"23.11.2010" werde gemäß § 38 SGB X in "23.11.2009" korrigiert.
Am 30.01.2014 hat ein Erörterungstermin stattgefunden.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger beantragt,
zum Beweis der Tatsache, dass er der A. keine bestimmten Kreditgeber und auch keine Zahlen mitgeteilt hat, eine namentlich
benannte Mitarbeiterin der A. als Zeugin zu vernehmen.
Der Kläger beantragt zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 19.04.2012 sowie den Bescheid vom 17.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 07.03.2011 aufzuheben, hilfsweise, dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu entsprechen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die Beklagtenakte verwiesen. Die Akten haben
vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Rücknahme- und
Erstattungsbescheid vom 17.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2011 ist rechtmäßig und verletzt deshalb
den Kläger nicht in seinen Rechten
Die Rücknahme der Bewilligung des GZ findet ihre rechtliche Grundlage in § 45 SGB X , die im gleichen Bescheid ausgesprochene Erstattung des überzahlten Betrags in § 50 SGB X .
Formell sind beide Verwaltungsakte rechtmäßig. Insbesondere ist eine ordnungsgemäße Anhörung ( § 24 SGB X ) erfolgt. Das Beklagtenschreiben vom 04.10.2010 genügt den Anforderungen insoweit. Die Beklagte hat darin zum Ausdruck gebracht,
sie beabsichtige, einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid zu erlassen. Dies ist dem Kläger zwar an vergleichsweise versteckter
Stelle vermittelt worden. Gleichwohl hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der damals zu der Anhörung Stellung genommen
hat, die gesamte Tragweite des von der Beklagten beabsichtigten Vorgehens erfasst, wie seine ausführliche Gegenäußerung vom
23.11.2010 zeigt. Damit ist das Anhörungsschreiben seinem Zweck in vollem Umfang gerecht geworden.
Auch in materieller Hinsicht verstoßen die beiden im Bescheid vom 17.12.2010 zusammengefassten Verwaltungsakte nicht gegen
geltendes Recht.
A. Rücknahme der GZ-Bewilligung
Die Beklagte hat die Rücknahme zutreffend auf § 45 SGB X gestützt. Die in dieser Norm statuierten Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsakts sind erfüllt. Hinsichtlich
der Rechtsfolge hat für die Beklagte kein Ermessen bestanden
Nach § 45 Abs. 1 SGB X in seiner aktuellen Fassung, die hier maßgebend ist, darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist,
für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist; das gilt allerdings
nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4. § 45 Abs. 2 SGB X trifft zum Schutz des Vertrauens auf den Bestand des Verwaltungsakts folgende Regelungen:
1Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand
des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig
ist. 2Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbR.t oder eine Vermögensdisposition
getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. 3Auf Vertrauen kann sich der
Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig
oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit
nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt
hat.
Die angefochtene Regelung der Beklagten besteht darin, die Bewilligung des GZ von Anfang an, also ab dem 23.11.2009, aufzuheben.
Zwar hat die Beklagte im Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 17.12.2010 geschrieben, die Rücknahme erfolge ab dem "23.
November 2010". Dabei handelte es sich aber um einen offenkundigen Schreibfehler, den die Beklagte inzwischen wirksam nach
§ 38 SGB X berichtigt hat. Aber auch ohne die Berichtigung wäre die Regelung keine andere. Denn nach dem objektiven Empfängerhorizont
war von Anfang an völlig klar, dass die Rücknahme gerade mit Wirkung vom 23.11.2009 erfolgen sollte und dass die Angabe "23.
November 2010" auf einem bloßen Flüchtigkeitsfehler beruhte. Die Beklagte hat trotz dieses "Zahlendrehers" das Gewollte mit
Bestimmtheit zum Ausdruck gebracht. So war der Kläger bereits im Anhörungsschreiben an exponierter Stelle darauf hingewiesen
worden, der GZ sei ab 23.11.2009 zu Unrecht zuerkannt worden. Hinzu kommt, dass am 23.11.2010 die Bewilligung bereits "verbR.t"
war - GZ-Leistungen waren nur bis 22.08.2010 zuerkannt worden. Auch wenn im Widerspruchsbescheid vom 07.03.2011 keine ausdrückliche
Berichtigung erfolgte, so war diesem doch eindeutig zu entnehmen, dass eine Rücknahme der GZ-Bewilligung ab 23.11.2009 geregelt
worden war.
1. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB X für eine Rücknahme der GZ-Bewilligung ab 23.11.2009 liegen vor.
Die mit Bescheid vom 17.11.2009 ausgesprochene Bewilligung des GZ stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt dar (" ... der
ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat ...").
Diese Bewilligung war von Anfang an - wie es § 45 Abs. 1 SGB X verlangt - rechtswidrig. Ein Fall des § 48 SGB X , der das nachträgliche "Rechtswidrigwerden" erfasst, ist nicht gegeben. Dass im vorliegenden Fall die Bewilligung des GZ
von Anfang an rechtswidrig war, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Rechtsgrundlage für die Bewilligung des GZ im Jahr 2009 ist §
57 SGB III aF, dessen Absätze 1 und 2 wie folgt lauten (Absätze 3 bis 5 sind für den hier vorliegenden Fall nicht relevant):
(1) Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, haben zur
Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss.
(2) 1Ein Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit a) einen
Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
nach diesem Buche gefördert worden ist, 2. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld,
dessen Dauer nicht allein auf § 127 Absatz 3 beruht, von mindestens 90 Tagen verfügt, 3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit
der Existenzgründung nachweist und 4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle
vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern,
Fachverbände und Kreditinstitute. 3Bestehen begründete Zweifel an den Kenntnissen und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen
Tätigkeit, kann die Agentur für Arbeit vom Arbeitnehmer die Teilnahme an Maßnahmen zur Eignungsfeststellung oder zur Vorbereitung
der Existenzgründung verlangen.
Im Hinblick auf ihre Prüfungs- und Entscheidungsstruktur weist die Bewilligung eines GZ Besonderheiten auf: Einige Tatbestandsmerkmale
von §
57 Abs.
1 , 2
SGB III aF sind zukunftsbezogen. Insoweit enthält die Entscheidung zwangsläufig Prognoseelemente (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil
vom 17.02.2015 - L 14 AL 7/11 , RdNr. 43). Das bestätigt der hier vorliegende Fall: Der Tag der Entscheidung über den Antrag, der 17.11.2009, lag vor der
avisierten Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 23.11.2009. In Bezug auf manche Leistungsvoraussetzungen musste die Beklagte
eine Vorausschau bis zum Tag der Aufnahme bzw. - soweit es sich um Leistungsvoraussetzungen handelt, die während der gesamten
Dauer des Leistungsbezugs permanent vorliegen müssen - für die gesamte Leistungsbezugsperiode anstellen.
Von einer anfänglichen Rechtswidrigkeit, wie sie § 45 SGB X voraussetzt, kann im Zusammenhang mit diesen zukunftsbezogenen Leistungsvoraussetzungen nur dann gesprochen werden, wenn
bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung damit zu rechnen ist, dass diese Leistungsvoraussetzungen nicht oder nicht dauerhaft
erfüllt werden können. Sollte sich jedoch aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen erweisen, dass die ursprüngliche Prognose
nicht realisierbar ist, macht dies die Prognoseentscheidung als solche nicht rechtswidrig im Sinn von § 45 SGB X . Vielmehr ist ab dem Zeitpunkt der veränderten Tatsachen nach § 48 SGB X vorzugehen. Ein Fall des § 48 SGB X liegt somit vor, wenn eine positive Prognose zum Zeitpunkt der Entscheidung zutrifft, die (zutreffende prognostizierte) zukunftsbezogene
Tatbestandsvoraussetzung dann aber wider Erwarten ausbleibt oder nachträglich wegfällt.
Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte korrekt § 45 SGB X als Rechtsgrundlage herangezogen. Denn bereits zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung war nicht nur absehbar, sondern stand außer
Zweifel, dass der Kläger erstens die selbständige Tätigkeit nicht zum 23.11.2009 und auch nicht zu einem späteren, jedoch
absehbaren Zeitpunkt würde aufnehmen (im Sinn von §
57 Abs.
1 SGB III aF) können, und dass es zweitens auf nicht absehbare Zeit an der Tragfähigkeit der Existenzgründung fehlen würde. Die mit
der Entscheidung vom 17.11.2009 getroffene Prognose im Hinblick auf die zukunftsbezogenen Tatbestandsmerkmale "Aufnahme der
Tätigkeit" und "Tragfähigkeit" war daher von Anfang an falsch. In diesem Zusammenhang ist zu unterstreichen, dass die Prognose
nicht schon dann rechtmäßig ist, wenn die Behörde aus den ihr bekannten Tatsachen die richtigen Schlüsse ableitet (subjektive
Betrachtung). Vielmehr muss darauf abgestellt werden, ob die zum Zeitpunkt der Entscheidung objektiv vorliegenden Tatsachen
- egal ob der Behörde bekannt oder nicht - die Prognose rechtfertigen.
a) Prognose bezüglich der Aufnahme der Tätigkeit
Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt während des Bewilligungszeitraums die der Bewilligung zugrunde liegende selbständige Tätigkeit
im Sinn von §
57 Abs.
1 SGB III aF aufgenommen. Dabei definiert der Senat das Tatbestandsmerkmal "Aufnahme" mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) weit. Danach kann eine Aufnahme schon dann vorliegen, wenn noch nicht mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen worden
ist. Vielmehr bewirken auch vorbereitende Maßnahmen die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit wenn diese Maßnahmen Außenwirkung
im Geschäftsverkehr entfalten und sie ferner nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere
Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl. BSG SozR 4-4300 § 57 Nr. 5 ).
Der Senat braucht sich nicht festzulegen, ob der Kläger hinreichende Maßnahmen unternommen hat, die Außenwirkung im Sinn der
BSG-Rechtsprechung aufweisen. Allgemein erscheint das Kriterium der Außenwirkung nicht eindeutig und wirft Fragen zur rechtlichen
Handhabung auf: Soll die Aufnahme schon dann vorliegen, nachdem das erste unternehmensbezogene Geschäft mit Außenwirkung abgeschlossen
worden ist? Das wäre im vorliegenden Fall schon im November 2009 geschehen (mit dem Kauf des Mobiliars und der Konsultation
des Herrn H.). Oder müssen die Tätigkeiten mit Außenwirkung laufend einen bestimmten quantitativen Anteil ausmachen? Bejaht
man Letzteres, stellen sich weitere Fragen: Muss das zeitliche Kontingent von 15 Stunden selbständiger Tätigkeit wöchentlich
- dieses zeitliche Quantum ist notwendig, um die Arbeitslosigkeit im Sinn von §
57 Abs.
1 SGB III aF zu beenden - allein mit außenbezogenen Tätigkeiten erfüllt werden oder reicht es, dass die außenbezogenen Tätigkeiten
einen wesentlichen Anteil daran verkörpern? Die entsprechende Frage stellt sich auch für das Tatbestandsmerkmal "Hauptberuflichkeit".
Eine praktikable Lösung, die "Außenwirkung" zu bestimmen, könnte sein, auf das Gesamtbild der Geschäftstätigkeit abzustellen.
So böte sich an, die Abgrenzung wertend danach vornehmen, ob nach dem Gesamtbild die Geschäftstätigkeit bereits angelaufen
ist; dann würde es auch nicht schaden, wenn vorübergehend keine konkrete Außentätigkeit festzustellen ist - allein das generelle
Anlaufen wäre entscheidend. Dieses generelle Anlaufen wiederum ließe sich in der Regel dann bejahen, wenn die fraglichen Vorbereitungshandlungen
bei wertender Betrachtung die Phase der Planung und Konzepterstellung hinter sich gelassen haben und der Phase der Planungsrealisierung
zugehören. Das heißt: Jedenfalls solange ein Betroffener noch ohne schlüssiges Gesamtkonzept agiert, ist die Phase der Außenwirkung
noch nicht erreicht (auch wenn dies zu einer gewissen Überschneidung mit dem Kriterium der "Unmittelbarkeit" im Sinn der genannten
BSG-Rechtsprechung führen würde).
Würde man diesen Maßstab hier anlegen, bliebe festzustellen, dass vom Vorliegen eines Gesamtkonzepts nicht im Ansatz gesprochen
werden kann. Denn wenn die Finanzierung noch in keiner Weise gesichert ist - ja nicht einmal wahrscheinlich anmutet -, liegt
keinesfalls ein fertiges Konzept vor, das nur noch der Umsetzung bedürfte.
Da die Rechtslage insoweit aber nicht als gesichert betrachtet werden kann, vermeidet es der Senat, die Aufnahme der selbständigen
Tätigkeit mit der Begründung der fehlenden Außenwirkung zu negieren. Eine "Aufnahme" im Sinn der BSG-Rechtsprechung scheitert auf jeden Fall daran, dass keinerlei Gesamtkonzept vorlag, welches unmittelbar in die spätere Geschäftstätigkeit
durch entsprechende Vorbereitungshandlungen hätte überführt werden können. Denn hinsichtlich der Finanzierung des Projekts
war der Kläger nicht nur im November 2009, sondern auch danach ohne rechte Orientierung. Das ergibt sich auch aus den Äußerungen
des Herrn H., der den Kläger offenbar wiederholt darauf hinweisen hat müssen, dass das Projekt nicht finanziert sei. Zwar
hatte der Kläger vermutlich eine gute Geschäftsidee, im Hinblick auf die Finanzierung fehlte ihm aber offensichtlich das Gespür;
auch Herrn H. gelang es augenscheinlich nicht, ihm dieses zu vermitteln. Ohne konkrete Aussicht auf die Aufbringung der erforderlichen
Mittel verkörpert aber jegliche Planung einer selbständigen Tätigkeit allenfalls "Planung im Vorstadium". Von einer unmittelbaren
Ausrichtung auf die spätere Geschäftstätigkeit kann keine Rede sein.
Dass der Kläger Ende 2009 als Organisator des K. Weihnachts- und Silvestermarkts aktiv war, stellt nicht die erforderliche
"Aufnahme" dar. Zwar nahm er damit tatsächlich eine selbständige Tätigkeit auf, jedoch nicht die, für die der GZ bewilligt
war. Der GZ ist tätigkeitsbezogen. Die aufzunehmende selbständige Tätigkeit muss im Antrag konkretisiert werden. Das Ausmaß
der notwendigen Konkretisierung und Individualisierung wird durch die materiellen Voraussetzungen der Anspruchsnorm - vor
allem die Tragfähigkeit des Projekts - bestimmt. Lässt sich also bei einer Änderung der Art der selbständigen Tätigkeit nicht
ohne weiteres sagen, dass die bereits vorgenommene materielle Prüfung den neuen Sachverhalt mitumfasst, fehlt es an der Identität
der Tätigkeit. Die Identität der behörderlicherseits geprüften und letztlich ausgeübten Tätigkeit ist aber unabdingbare Voraussetzung.
Dass die GZ-Bewilligung nur für die der Behörde unterbreitete Tätigkeit gilt, ist in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung
anerkannt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.11.2014 - L 29 AL 88/14 , RdNr. 70; ähnlich LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.02.2015 - L 14 AL 7/11 , RdNr. 46). Legt man diese Maßstäbe hier an, lässt sich die Durchführung des Weihnachts- und Silvestermarkts beim besten
Willen nicht mehr der der Beklagten unterbreiteten und von ihr geprüften Geschäftsidee zuordnen. Es handelte sich nicht einmal
um eine wesensähnliche Aktivität, sondern um ein Aliud.
Dass die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit komplett ausgeblieben ist, führt nicht dazu, dass - wie das Sozialgericht angedeutet
hat - die Rechtswidrigkeit erst mit dem 23.11.2009, also nachträglich im Sinn von § 48 SGB X - eingetreten ist. Denn das eklatante Finanzierungsdefizit war zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits ohne weiteres objektiv
absehbar. Die Prognose der Beklagten war rechtswidrig, weil sie die ungesicherte Finanzierung des Projekts nicht berücksichtigt
hatte, aber hätte berücksichtigen müssen. Wäre sie berücksichtigt worden, hätte das Prognoseergebnis nur negativ ausfallen
können. Zu einem lediglich nachträglichen "Rechtswidrigwerden" gelangt man auch nicht über die Rechtsprechung des BSG, wonach eine hinreichende Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auch dann noch vorliegt, wenn sich diese zwar nicht unmittelbar
an die Phase des ALG-Bezugs anschließt, sie jedoch später innerhalb einer zulässigen Karenzfrist (vgl. dazu BSG SozR 4-4300 § 57 Nr. 6: "enger zeitlicher Zusammenhang" - etwa ein Monat [vgl. BSG SozR 4-4300 § 57 Nr. 2 RdNr. 11, 15]) aufgenommen wird. Bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung war nämlich eindeutig zu erkennen, dass eine
"Aufnahme" auch nicht innerhalb dieser Karenzfrist würde realisieren können.
Es darf keine zeitliche Aufspaltung der Bewilligung in eine frühere Phase erfolgen, für die die Prognose rechtswidrig, und
eine spätere, für die sie rechtmäßig war. Diese zeitlich differenzierte Vorgehensweise könnte deswegen in Betracht gezogen
werden denken, weil zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung möglicherweise zu erwarten war, dass dem Kläger die Finanzierung
zwar noch nicht in der Anfangsphase, jedoch noch später während des Bewilligungszeitraums gelingen würde. Mit einer solchen
Konstellation hat man es hier aber nicht zu tun. Von Anfang an war vielmehr für den gesamten Bewilligungszeitraum keine positive
Prognose möglich. Zudem würde es bei dieser zeitlich gestaffelten Herangehensweise am Tatbestandsmerkmal "Beendigung der Arbeitslosigkeit
durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit" fehlen. Denn selbst wenn sich für irgendeine Phase Mitte 2010 hätte vorhersagen
lassen, dass die Finanzierung dann wohl gesichert wäre, hätte die fiktiv daraufhin folgende selbständige Tätigkeit nicht mehr
die Arbeitslosigkeit beenden können; diese wäre schon lange vorher beendet gewesen. Gleiches gilt übrigens für die Voraussetzung
des §
57 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 Buchstabe a
SGB III aF wonach ein Vorbezug von Entgeltersatzleistungen notwendig ist.
b) Prognose bezüglich der Tragfähigkeit
Überdies war die Existenzgründung zu keiner Zeit tragfähig. Das Erfordernis der Tragfähigkeit bringt nicht lediglich eine
formelle Obliegenheit des Existenzgründers zum Ausdruck, die er damit erfüllen kann, dass er schlicht eine positive Stellungnahme
einer fachkundigen Stelle beschafft und einreicht. Eine GZ-Bewilligung ist nicht schon dann rechtmäßig, wenn die notwendigen
Unterlagen vorgelegt worden sind. Vielmehr ist dies nur dann der Fall, wenn die materiellen Voraussetzungen auch objektiv
erfüllt sind; die Tragfähigkeit der Existenzgründung muss tatsächlich vorliegen. Ein Bewilligungsbescheid ist somit rechtswidrig,
wenn der Nachweis zwar die Tragfähigkeit ausweist, diese aber tatsächlich nicht gegeben ist. §
57 Abs.
2 Satz 1 Nr.
3 SGB III aF erlegt dem Existenzgründer lediglich eine erhöhte Mitwirkungspflicht auf und relativiert aus Sicht der Behörde die Pflicht
zur Amtsermittlung. Letztlich muss es aber gleichwohl darauf ankommen, ob die Tragfähigkeit ex ante betrachtet, also prognostisch,
objektiv vorliegt oder fehlt. Damit lässt sich die sozialgerichtliche Rechtsprechung vereinbaren, wonach der Behörde eine
Prüfungskompetenz dahin zusteht, ob der Nachweis über die Tragfähigkeit der Existenzgründung gelungen ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 18.03.2014 - L 29 AL 257/11 , RdNr. 55; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.02.2015 - L 14 AL 7/11 , RdNr. 43). Gemessen daran ließ sich zum Zeitpunkt der Entscheidung die Tragfähigkeit der Existenzgründung nicht prognostisch
bejahen. Denn bei völlig ungesicherter Finanzierung war eine positive Prognose per se ausgeschlossen. Wäre dieser Umstand
berücksichtigt worden, hätte das Prognoseergebnis wiederum nur negativ ausfallen können. Das gilt nicht nur hinsichtlich einer
Zeitspanne, die unmittelbar und kurz nach der Bewilligungsentscheidung lag, sondern für den gesamten Bewilligungszeitraum
vom 23.11.2009 bis 22.08.2010.
2. Auch die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB X liegen vor. Zwar mag es sein, dass der Kläger tatsächlich auf den Bestand der GZ-Bewilligung vertraut und im Sinn von § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X die erbrachten Leistungen verbraucht hat. Jedoch kann sich der Kläger gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauen berufen. Denn die Bewilligung des GZ beruht auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig
in wesentlicher Beziehung unrichtig und zugleich auch unvollständig gemacht hat.
a) Eine unrichtige Angabe liegt darin, dass der Kläger auf der ersten Seite seines GZ-Antrags angegeben hat, er werde am 23.11.2009
die Tätigkeit im Einzelhandel in B-Stadt "aufnehmen". Dass dies falsch war, ist oben ausgeführt worden.
Diese Falschangabe hat der Kläger auch im Sinn von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X zu vertreten ("vorsätzlich oder grob fahrlässig"). Bei unbefangener Betrachtung des Geschehensablaufs erscheinen im Hinblick
auf die beim Kläger vorliegenden subjektiven Umstände drei Alternativen realistisch: Erstens könnte der Kläger mit der Aussage,
er werde zum 23.11.2009 die selbständige Tätigkeit aufnehmen, ganz bewusst eine Falschinformation lanciert haben. Vorstellbar
wäre zweitens, dass er zwar in der Laiensphäre über die Frage der Aufnahme reflektiert hat, dass er aber dem Irrtum unterlag,
seine - de facto völlig unzureichenden - Aktivitäten würden das Tatbestandsmerkmal erfüllen. Bei dieser Lesart läge ein Subsumtionsirrtum
des Klägers vor. Angesichts des Bildes aber, das sich der Senat vom Kläger anhand der Akten und in der mündlichen Verhandlung
hat machen können, hält er es für die wahrscheinlichste Alternative, dass der Kläger überhaupt nicht reflektiert hat, sondern
die Aussa e er werde zum 23 11 2009 die selbständi e Täti keit aufnehmen auf das Geratewohl etroffen hat.
Wie die Bewusstseinslage beim Kläger auch immer ausgesehen haben mag, so hat er die falsche Angabe, wenn nicht vorsätzlich,
so doch gröbst fahrlässig gemacht. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß
verletzt wird. Die erforderliche Sorgfalt verletzt in besonders schwerem Maß, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen
nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (BSG v 11.06.1987 - 7 RAr 105, 85 = E 62, 32; BSG v 8.2.2001 - B 11 AL 21/00 R ). Erforderlich ist ein Sorgfaltsverstoß in ungewöhnlich hohem Ausmaß ( BSG v 06.03.1997 - 7 RAr 40/96 ). Dies setzt, soweit der Leistungsträger die Rechtslage nicht durch fallbezogene Subsumtion, sondern durch abstrakte Rechtsbelehrungen
(Schema; Merkblatt) voraus, dass das Defizit für den Begünstigten augenfällig ist. Diese strengen Voraussetzungen liegen beim
Kläger vor.
Für den Senat ist schlicht nicht nachvollziehbar, dass der Kläger sich vor der Formulierung des Antrags nicht bei der Beklagten
oder wenigstens bei Herrn H. erkundigt hat, ob seine sporadischen und dürftigen Bemühungen, die sich weit im Vorfeld eines
wirklichen Geschäftsbetriebs bewegten, eine hinreichende "Aufnahme" darstellen würden. Das Sozialgericht hat zu Recht darauf
hingewiesen, dass gerade rechtliche Laien das Tatbestandsmerkmal "Aufnahme" doch eher im Sinn des tatsächlichen Geschäftsbetriebs
interpretieren dürfte. Umso mehr hätten Erkundigungen nahegelegen Zudem war dem Kläger die prekäre Finanzierungssituation
bewusst; Herr H. hatte sie ihm deutlich vor Augen geführt. Angesichts dessen konnte er absehen, dass er von einem wirklichen
Geschäftsbetrieb zeitlich und qualitativ noch weit entfernt war. Dass er trotzdem ohne Nachfrage bei der Beklagten oder Herrn
H. die Dinge hat laufen lassen, erscheint unbegreiflich. Obwohl der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung schon in Kontakt
mit dem Coach stand, hat er es nicht für nötig befunden, wenigstens mit diesem darüber zu reden. Den Kläger hätte seine eigene
Aussage, er werde zum 23.11.2009 das Geschäft aufnehmen, unbedingt zum Nachdenken anregen und in Konsequenz davon zu Erkundigungen
animieren müssen. Er hat sich dem Problem aber schlichtweg verschlossen.
Der geltende subjektive Fahrlässigkeitsbegriff wirkt sich eher zu Lasten denn zu Gunsten des Klägers aus. Denn dieser besitzt
große Erfahrung im Lebensmitteleinzelhandel in leitender Position. Er hatte schon einmal Prokura und war auch selbständig.
Er war mithin geschäftlich versiert. Dass der Kläger womöglich nicht darüber reflektiert hat, ob bei ihm überhaupt eine Aufnahme
einer selbständigen Tätigkeit vorliegt, dokumentiert keinesfalls Naivität. Vielmehr drückt dieses Verhalten nach Einschätzung
des Senats eher eine außerordentliche Hartnäckigkeit aus, die sich darin äußert, dass der Kläger die selbst gesteckten Ziele
sehr beharrlich und einigermaßen kompromisslos verfolgt; so ist auch Herrn H. der "enorme Tatendrang" des Klägers aufgefallen.
Dieser Wesenszug ist offenbar Teil der Persönlichkeit des Klägers, verkörpert aber kein intellektuelles oder mentales Defizit;
er ist nicht geeignet, sich bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit zu Gunsten des Klägers auszuwirken.
b) Unvollständig im Sinn von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X waren die Angaben des Klägers deswegen, weil dieser die Beklagte im Zuge der Antragstellung unbedingt auf die komplett ungesicherte
Finanzierung hätte hinweisen müssen. Dem Kläger musste bewusst sein, dass die fehlende Finanzierung die Tragfähigkeit ausschließen
und damit für die Bewilligung von entscheidender Bedeutung sein würde. Einen entsprechenden Hinweis hätte er der Beklagten
vor allem deswegen geben müssen, weil die von ihm veranlasste Stellungnahme der A. dieses Problem vollständig ausklammerte.
Diese Stellungnahme hat die Beklagte restlos in die Irre geleitet: Die Rentabilitätsplanung, die die A. vorgelegt hat, hat
sich ausgiebig mit der Finanzierung auseinandergesetzt. So entstand bei der Beklagten der Eindruck, die A. habe sich mit der
Finanzierungsfrage besonders eingehend befasst. Die in der Rentabilitätsplanung enthaltenen Darstellungen haben der Beklagten
allerdings einen Sachverhalt vorgespiegelt, der mit der Realität nichts zu tun hatte: Die A. hat einen Fremdkapitalbedarf
von 125.000 EUR ausgewiesen und unverständlicher Weise im Detail Kreditgeber und auch Kreditkonditionen (mit Zins- und Tilgungsplänen
für jeden einzelnen Kredit!) mitgeteilt. So musste bei der Beklagten zwangsläufig der Eindruck entstehen, die Finanzierung
sei gesichert.
Der Kläger darf sich nicht darauf zurückziehen, wenn die A. derartige Falschinformationen gebe, dann ginge ihn das nichts
an und er dürfe daraus keine Nachteile haben. Das Gegenteil ist der Fall; denn nachweispflichtig ist laut Gesetz er selbst.
Der Senat vermag dem Kläger nur insoweit beizutreten, als er die falsche Darstellung der A. nicht unmittelbar dem Klä er als
dessen ei ene Fehldarstellun zurechnet.
Der Senat unterstellt den Vortrag des Klägers als richtig, er habe der A. keine bestimmten Kreditgeber und auch keine Zahlen
an die Hand gegeben. Aus diesem Grund hat der Senat dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, eine Mitarbeiterin
der A. als Zeugin zu vernehmen, nicht entsprechen müssen. Die rechtliche Grundlage dafür ergibt sich aus einer entsprechenden
Anwendung von §
244 Abs.
3 Satz 2 der
Strafprozessordnung (Wahrunterstellung). Aber auch bei diesem unterstellten Sacherhalt hatte der Kläger dafür zu sorgen, dass die von ihm beauftragte
Stelle in ihrer "fachkundigen Stellungnahme" bei der Wahrheit bleibt. Selbstverständlich hätte der Kläger die Äußerung der
A. prüfen und korrigieren müssen. Und wenn er dies schon unterlassen hat, hätte er zumindest die Beklagte unmittelbar auf
die Finanzierungsproblematik hinweisen müssen. Eine entsprechende Ingerenz des Klägers steht außer Zweifel.
Wenn der Kläger darauf sinngemäß erwidert, er habe gar nicht gewusst, welche "Luftschlösser" die A. entworfen hat, so kann
dies nur dahin interpretiert werden, dass er sich die Stellungnahme der A. nicht angesehen hat. Das allerdings stellt ein
schier unbegreifliches Versäumnis dar, das auf jeden Fall als grob fahrlässig, ja höchst leichtfertig einzustufen ist.
c) Für beide grob fahrlässigen Verletzungen der Informationsobliegenheit gilt, dass die rechtswidrige GZ-Bewilligung auch
auf diesen Defiziten im Sinn von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X beruht. Nach der BSG-Rechtsprechung (BSGE 67, 104 ) fehlt es an der damit vorausgesetzten Ursächlichkeit, wenn der zuständigen Behörde die Überprüfungsbedürftigkeit angegebener
Tatsachen bekannt ist und sie bewusst das Risiko eingeht, diese Tatsachen trotz der Unsicherheit bzw. weiteren Ermittlungsbedarfs
zugrunde zu legen (vgl. Merten, in: Hauck/Noftz, SGB X, § 45 RdNr. 66 (Stand: Mai 2015)). Von einer bewussten Eingehung eines Risikos kann aber keine Rede sein. Denn wenn die fachkundige
Stelle die Tragfähigkeit bejaht und schon für das erste Geschäftsjahr respektable Umsätze voraussagt - und der Kläger selbst
in keiner Weise dem Optimismus der fachkundigen Stelle widerspricht -, muss die Behörde nicht davon ausgehen, dass alles ganz
anders kommen könnte. Die Einschaltung der fachkundigen Stelle dient gerade dazu, dem Vortrag des Existenzgründers eine hohe
Richtigkeitsgewähr, wenn nicht gar eine Vermutung der Richtigkeit zu vermitteln.
Vor diesem Hintergrund helfen dem Kläger seine Vorhaltungen gegenüber der Beklagten, diese hätte ihn aufklären müssen, nicht
weiter. Angesichts der immensen Fehlleistungen auf Seiten des Klägers - diese sind oben dargestellt worden - muten derartige
Vorwürfe geradezu treuwidrig an.
Der Vollständigkeit halber: Selbst wenn die Beklagte Hinweis- oder Beratungspflichten verletzt hätte, könnten die Tragfähigkeit
und die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden.
3. Die nach dem Gesetz zu beachtenden Fristen sind eingehalten. Die Handlungsfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X (Jahresfrist ab Kenntnis der die Rücknahme berechtigenden Tatsachen) hat die Beklagte ohne Zweifel gewahrt. Da die GZ-Bewilligung
einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung verkörpert, ist auch die Frist nach § 45 Abs. 3 SGB X zu beachten. Jedoch gilt nicht die Zweijahresfrist des Absatz 3 Satz 1, sondern gemäß Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz
2 Satz 3 Nummer 2 eine Zehnjahresfrist, weshalb auch insoweit keine Probleme bestehen.
4. Die Rechtsfolge ist, dass die GZ-Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden muss. Behördliches
Ermessen besteht nicht. Denn §
330 Abs.
2 SGB III bestimmt, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist,
wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen.
Dass der Kläger noch einen ALG-Restanspruch gehabt hätte, ist nicht von Bedeutung. Erstens verleiht ihm dieser Umstand keinen besonderen Vertrauensschutz,
den GZ behalten zu dürfen. Und zweitens übersieht der Kläger, dass er während des GZ-Bewilligungszeitraums den Vermittlungsbemühungen
der Agentur für Arbeit nicht mehr zur Verfügung stand.
B Anordnun der Erstattun
Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X . Die formalen Anforderungen des § 50 Abs 3 SGB X sind gewahrt Der Anspruch ist nicht verjährt (vgl § 50 Abs 4 SGB X )
Die Beklagte hat den Erstattungsbetrag von 19.153,80 EUR rechnerisch zutreffend ermittelt. Geleistet wurden für die Monate
Dezember 2009 bis Juli 2010 jeweils 2.128,20 EUR, insgesamt also achtmal diesen Betrag. Das ergibt 17.025,60 EUR. Für den
Monat November 2009 kommen 8/30 und für den Monat August 22/30 von diesem Monatsbetrag dazu - insgesamt also 30/30; das macht
einen weiteren kompletten Monatsbetrag. Daraus resultiert dann das Gesamtergebnis von 19.153 80 EUR.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG .
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.