Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Vergangenheit
Rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Dezember 2020 geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2020 wird aufgehoben,
soweit die Beklagte darin den Bewilligungsbescheid vom 23. Januar 2018 für die Zeit vom 11. Oktober 2019 bis 25. Oktober 2019
aufgehoben hat.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt ein Siebtel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte hatte dem 1983 geborenen Kläger, bei dem 2015/16 ein Rektumkarzinom operativ und chemotherapeutisch behandelt
worden war, dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) bewilligt (Bescheid vom 8. Dezember 2016). Nach
Eignungsklärung und Arbeitserprobung sowie einem Reha-Vorbereitungslehrgang bewilligte die Beklagte LTA-Leistungen in Gestalt
einer Ausbildung zum Steuerfachangestellten für die Zeit vom 8. Februar 2018 bis 7. Februar 2020 im Berufsförderungswerk (BFW)
D (Bescheid vom 23. Januar 2018) mit Gewährung von Übergangsgeld (Bescheid vom 8. Februar 2020).
Krankheitszeiten des Klägers wurden vom BFW vom 18. Juni bis 20. Juni 2018, vom 25. September 2018 bis 28. September 2018,
am 26. November 2018, vom 4. Dezember 2018 bis 7. Dezember 2018, am 12. Februar 2019, vom 2. April 2019 bis 10. April 2019,
vom 22. Juli 2019 bis 2. August 2019, vom 9. August 2019 bis 16. August 2019, vom 27. August 2019 bis 6. September 2019 und
vom 23. September 2019 bis 4. Oktober 2019 mitgeteilt. Vom 9. September 2019 bis 16. September 2019 fehlte der Kläger unentschuldigt
im Berufsschulunterricht. Der Kläger hat die Zwischenprüfung der Steuerberaterkammer B nicht bestanden; auf die Bescheinigung
vom 17. April 2019 wird Bezug genommen. Auf die Einschätzungen des BFW vom 8. Oktober 2019 und 15. Oktober 2019 wird wegen
der Einzelheiten verwiesen.
Nach Anhörung des Klägers am 8. Oktober 2019 widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14. Januar 2020 die LTA-Bewilligung mWv 11. Oktober 2019 (letzter Tag der Teilnahme des Klägers am 10. Oktober 2019).
Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die auf Aufhebung des Bescheides vom 23. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar
2020 gerichtete Klage, mit der der Kläger ua eine fehlende Ermessensbetätigung der Beklagten rügt, abgewiesen (Gerichtsbescheid
vom 13. Dezember 2020). Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf die Berufungsschrift wird Bezug genommen.
Er beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Dezember 2020 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2019
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2020 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie habe ihr Ermessen ausgeübt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt
(vgl §§
124 Abs.
2,
155 Abs.
3 und
4 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers, mit der dieser seine statthafte isolierte Anfechtungsklage weiter verfolgt, ist nur im
tenorierten Umfang begründet; im Übrigen ist sie unbegründet und war zurückzuweisen.
Soweit die Beklagte die LTA-Bewilligung mW für die Vergangenheit, dh ausgehend von der Bekanntgabe des angefochtenen Aufhebungsbescheides,
von der ausweislich des Absendevermerks bereits vom 22. Oktober 2019 gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) am 25. Oktober 2019 auszugehen ist, für die Zeit vom 11. Oktober bis 25. Oktober widerrufen hat, liegen die Voraussetzungen
des insoweit heranzuziehenden § 47 Abs. 2 SGB X für eine entsprechende Widerrufsentscheidung ersichtlich nicht vor.
Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, der eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes zuerkennt
oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für
die Vergangenheit widerrufen werden, wenn (1) die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den
in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird, (2) wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der
Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (§ 47 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Ungeachtet dessen, ob die genannten tatbestandlichen Voraussetzungen überhaupt erfüllt sind, lässt sich darüber hinaus
eine insoweit erforderliche Ermessensentscheidung den angefochtenen Bescheiden nicht entnehmen. Die Beklagte hat zwar Gründe
für ihre Entscheidung mitgeteilt. Es reicht aber insoweit nicht aus, die Gründe für den Widerruf zu benennen und zur Begründung
des Widerrufs nur hierauf zu verweisen (vgl BSg, Urteil vom 26. Mai 1983 – 10 RKg 13/82 = SozR 1200 § 66 Nr 10 – Rn 16). Denn die Voraussetzungen für die Ausübung von Ermessen ersetzen nicht die Ermessensentscheidung
als solche.
Soweit die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 23. Januar 2018 für die Zeit ab Bekanntgabe des Bescheides hingegen mit Wirkung
für die Zukunft widerrufen hat, war sie bereits zu einer Ausübung von Ermessen nicht verpflichtet. Denn die Beklagte war insoweit
berechtigt und verpflichtet, die Bewilligung schon nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X – nach telefonischer Anhörung des Klägers am 8. Oktober 2019 - mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, weil in den Tatsachen,
die für den Erlass des Bewilligungsbescheides maßgeblich waren, eine wesentliche Änderung eingetreten war (vgl hierzu schon
BSG, Urteil vom 22. September 1981 – 1 RJ 112/80 = SozR 1300 § 48 Nr 1 – Rn 26, 27). Ausweislich der gezeigten Leistungen, der nicht bestandenen Zwischenprüfung, der unentschuldigten Fehlzeiten
und mangelnder Motivation – das Gericht verweist insoweit auf die ausführlichen und eindrücklichen Einschätzungen des BFW
vom 8. Oktober 2019 bzw 15. Oktober 2019 - war die Prognose der Beklagten gerechtfertigt, dass das Umschulungsziel mangels
Eignung bzw Motivation nicht mehr erreicht werden kann. Auch Letzteres gehört zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der
bewilligten LTA-Maßnahme (vgl BSG aaO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.