Anspruch auf Arbeitslosengeld II, Leistungen für Unterkunft und Heizung bei ungesetzlichem Wohnen
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und auch begründet. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers hat hingegen
keinen Erfolg.
Der Antragsgegner ist vom Sozialgericht zu Unrecht vorläufig verpflichtet worden, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 15.
August bis 15. November 2007 Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 278,00 EUR zu bewilligen und zu zahlen. Dem Antragsteller
stehen Kosten der Unterkunft, die im vorliegenden Verfahren allein streitig sind, von Rechts wegen derzeit nicht zu, so dass
es an dem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86 b Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - erforderlichen Anordnungsgrund fehlt.
Nach § 22 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die vom Antragsteller geltend gemachten Kosten in Höhe von 358,00 EUR
sind der Höhe nach zwar nicht unangemessen (vgl. dazu die Ausführungsvorschriften der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales
und Verbraucherschutz vom 7. Juni 2005 zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II) sie stehen ihm aber
deshalb nicht zu, weil die Art des Wohnens gegen ein gesetzliches Gebot verstößt und es sich deshalb nicht um eine Unterkunft
im Sinne von § 22 SGB II handelt, für die vom Träger der Grundsicherung öffentliche Mittel aufzubringen sind.
Der vom Antragsteller unter dem 15. August 2007 geschlossene Mietvertrag umfasst allein den Gebrauch eines Wohnwagens. Ein
Stellplatz für diesen Wohnwagen ist von ihm nicht angemietet worden und der Antragsteller verfügt auch nicht über einen privaten
Stellplatz. Abgestellt wird der Wohnwagen deshalb nach Angaben des Antragstellers auf öffentlichen Straßen an ständig wechselnden
Orten in Berlin-Pankow. Zwar kann auch ein Wohnwagen grundsätzlich eine zu Wohnzwecken geeignete Unterkunft im Sinne von §
22 Abs. 1 SGB II sein. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Art der Nutzung des Wagens gegen nicht zur Disposition des Einzelnen
stehende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Allgemeinheit dienen, verstößt und zudem die Voraussetzungen
für eine Ordnungswidrigkeit erfüllt. Dies ist hier der Fall, denn der Antragsteller nutzt zu Wohnzwecken dazu nicht bestimmte
öffentliche Straßen in Berlin. Nach § 10 Abs. 2 des Berliner Straßengesetzes ist der Gebrauch öffentlicher Straßen jedem im
Rahmen der Widmung für den Verkehr (Gemeingebrauch) gestattet. Das Abstellen eines Wohnwagens zu Wohnzwecken auf öffentlichen
Straßen dient aber nicht dem Verkehr und stellt deshalb eine den Gemeingebrauch übersteigende Sondernutzung der Straße dar.
Eine derartige Sondernutzung bedarf nach § 11 Abs. 1 Berliner Straßengesetz der Erlaubnis der Straßenbaubehörde. Über eine
solche Erlaubnis verfügt der Antragsteller nicht. Eine erlaubnispflichtige Sondernutzung scheidet auch nicht deshalb aus,
weil der Antragsteller den Wohnwagen nicht länger als 48 Stunden am gleichen Ort abstellt. Eine Sondernutzung der Straße erfolgt
bereits dann, wenn sie nicht überwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken genutzt wird (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 3 Berliner
Straßengesetz). Dies ist beim dauerhaften Abstellen eines Wohnwagens zu Wohnzwecken auch dann der Fall, wenn er lediglich
zur Verschleierung dieser Nutzung nach Ablauf einer bestimmten Frist umgesetzt wird. Insbesondere handelt es sich dabei nicht
um ein nach § 12 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung auf öffentlichen Straßen zulässiges Parken. Zwar ist auch ein Dauerparken von zugelassenen Fahrzeugen nach der Straßenverkehrsordnung grundsätzlich nicht verboten und demzufolge auch keine Sondernutzung. Wenn aber - so wie hier - der vorrangige Zweck des
Abstellens des Wohnwagens die Nutzung öffentlicher Straßen als Ort des Wohnens ist, wird damit ein verkehrsfremder Zweck verfolgt,
der außerhalb des Gemeingebrauchs liegt und als erlaubnispflichtige Sondernutzung anzusehen ist (vgl. OLG Braunschweig Beschluss
vom 8. Juli 1981 Ss [Bz] 72/81 - zitiert nach juris).
Eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Förderung dieses mit Normen des öffentlichen Rechts nicht in Einklang stehendem
und die Voraussetzungen einer Ordnungswidrigkeit (vgl. § 28 Abs. 1 Nr. 2 Berliner Straßengesetz) erfüllenden Wohnens durch
Gewährung staatlicher Leistungen besteht nicht. Eine Leistungsgewährung wäre bereits im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung
verfehlt, weil öffentliche Mittel anderenfalls zur Förderung und Aufrechterhaltung eines der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
zuwiderlaufenden Zustands (Störung der öffentlichen Sicherheit durch die unbefugte Nutzung von Fahrzeugen als Wohnung, die
auch eine Beschlagnahme des Fahrzeugs rechtfertigen kann, siehe VG Freiburg Beschluss vom 9. Januar 2006, 4 K 2231/05 - zitiert nach juris) aufzuwenden wären.
Ob damit eine Leistungsgewährung stets ausgeschlossen ist, wenn das Wohnverhältnis gegen die Rechtsordnung verstößt, kann
offen bleiben. Die Gewährung von Wohngeld ist vom Bundesverwaltungsgericht zwar von der (bau) - rechtlichen Zulässigkeit einer
Dauernutzung zu Wohnzwecken abhängig gemacht worden (Urteil vom 18. Januar 1991, 8 C 63/89 - zitiert nach juris). Im Bereich des SGB II wird aber ein weiterer Wohnraumbegriff vertreten (vgl. Berlit in Münder Sozialgesetzbuch
II, 2. Auflage, § 22 RdNr. 13) und beispielsweise angenommen, ein Untermieter habe auch dann einen Leistungsanspruch auf Übernahme
der Kosten der Unterkunft, wenn der Hauptmieter im Verhältnis zum Vermieter nicht zum Abschluss des Untermietvertrages berechtigt
gewesen sei (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen L 8 AS 165/06 ER - veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Ob der zuletzt genannten Auffassung zuzustimmen ist, braucht hier
nicht entschieden zu werden, denn etwas anderes muss jedenfalls dann gelten, wenn die Nutzung als Wohnraum nicht nur gegen
Vorschriften des Privatrechts verstößt, sondern eine Ordnungswidrigkeit darstellt, weil sie öffentlich-rechtlichen Regelungen
zuwiderläuft, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung bewahren sollen und damit auch dem Schutz der Allgemeinheit dienen.
Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn ein Gartenhaus in einer Kleingartenkolonie dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt
werden soll, obwohl dies rechtlich nicht zulässig ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 8. März 2006, L 19 B 42/06 AS ER- veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Grund für das Verbot ist in solchen Fällen, dass beispielsweise
keine ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und keine Kanalisation vorhanden sind. Dem Verbot liegen damit auch Gründe des
Umweltschutzes und der Seuchenbekämpfung zugrunde, deren - mittelbare - Missachtung durch Gewährung staatlicher Leistungen
zur Aufrechterhaltung dieses verbotswidrigen Zustandes nicht ohne einen durch nichts zu rechtfertigenden Verstoß gegen die
Einheit der Rechtsordnung erfolgen könnte. Ob die Nutzung des Wohnwagens als dauerhafte Unterkunft auch aus diesen Gründen
schon gegen öffentlichen Rechts verstößt (insoweit dürften gewisse Parallelen zur Nutzung eines Gartenhauses zu dauerhaften
Wohnzwecken bestehen) kann offen bleiben, weil die Wohnverhältnisse des Antragstellers - wie oben bereits dargelegt - jedenfalls
gegen das Berliner Straßengesetz verstoßen, dessen Regelungen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
dienen.
Eine allgemeine Interessenabwägung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren kann zu keiner anderen Entscheidung führen. Denn durch
einen möglicherweise drohenden Verlust des Wohnraums im Wohnwagen in Folge einer vom Vermieter wegen Mietrückständen ausgesprochenen
Kündigung würde nur ein Zustand beendet, zu dessen Beseitigung der Antragsteller ohnehin öffentlich-rechtlich verpflichtet
ist und an dessen Fortsetzung deswegen kein überwiegendes Interesse bestehen kann. Zudem steht aufgrund des nach wie vor entspannten
Berliner Wohnungsmarktes eine Obdachlosigkeit des Antragstellers nicht ernsthaft zu befürchten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren kam mangels hinreichender Erfolgsaussichten nicht in Betracht
(§
73 a SGG in Verbindung mit §
114 Zivilprozessordnung).
Dieser Beschluss kann nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).