Anspruch auf Rente; Berücksichtigung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der wissenschaftlichen
Intelligenz; Unterscheidung zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (nur noch) streitig, ob die Beklagte die Zeit vom 1. Januar 1983 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit
der Zugehörigkeit des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen
und medizinischen Einrichtungen (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 4 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz [AAÜG]) feststellen muss.
Der 1947 geborene Kläger, ein gelernter Matrose, studierte von September 1968 bis April 1974 an der Universität von G in P,
Fakultät für Transportökonomik, und erwarb dort am 4. April 1974 die Hochschulqualifikation Magister-Ökonom. Aufgrund dessen
wurde ihm seitens des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen der DDR unter dem 8. Mai 1974 das Recht verliehen, den akademischen
Grad Diplom-Ingenieurökonom zu führen. Nachdem der Kläger vom 1. Mai 1974 bis zum 31. Dezember 1977 als Mitarbeiter für Marktforschung
beim VEB B B gearbeitet hatte, war er vom 1. Januar 1978 bis zum 28. Februar 1979 als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim
Zentralen Forschungsinstitut des Verkehrswesens der DDR (ZFIV) beschäftigt. Im Anschluss an eine darauffolgende dreimonatige
Tätigkeit als Rangierleiter bei der Deutschen war er vom 1. Juni 1979 bis zum 30. Juni 1990 und darüber hinaus wiederum beim
ZFIV beschäftigt, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, ab Beginn 1983 als wissenschaftlicher Experte, ab Beginn des
Jahres 1984 als wissenschaftlicher Arbeitsgruppenleiter, ab Beginn des Jahres 1988 als stellvertretender Direktor des Zentrums
für Transportökonomie.
Eine Zusage zusätzlicher Altersversorgung wegen der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem wurde dem Kläger nicht
erteilt; er hat auch nicht vorgetragen, einen einzelvertraglichen Anspruch auf eine derartige Zusage gehabt zu haben. Der
freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) trat der Kläger nicht bei.
Am 20. Dezember 2004 beantragte der Kläger die Feststellung der Zeit vom 1. September 1974 bis zum 31. Dezember 1977 als Zeit
der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die Feststellung der Zeiten vom 1. Januar
1978 bis zum 28. Februar 1979 sowie vom 1. Juni 1979 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung
der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen.
Den Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. März 2005 ab und führte zur Begründung aus, er habe am 30.
Juni 1990 weder eine Versorgungszusage gehabt noch eine Beschäftigung ausgeübt, aufgrund derer er - aus bundesrechtlicher
Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen sei. Das AAÜG sei nicht anwendbar.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 15. März 2005 Widerspruch ein und führte insbesondere aus, er sei aufgrund seines Hochschulabschlusses
als Diplom-Ingenieurökonom in der Zeit vom 1. Januar 1978 bis zum 28. Februar 1979 und dann wieder vom 1. Juni 1979 bis über
den 30. Juni 1990 hinaus als hauptberuflich tätiger Wissenschaftler an einer wissenschaftlichen selbständigen staatlichen
Einrichtung (Forschungsinstitut) tätig gewesen.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, der Kläger
erfülle zwar die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der wissenschaftlichen
Intelligenz, sei aber am 30. Juni 1990 nicht in einer Einrichtung beschäftigt gewesen, die unter den Anwendungsbereich der
Versorgungsordnung vom 12. Juli 1951 falle. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei ein Forschungsinstitut eine Forschung
betreibende Einrichtung, wobei unter Forschung die planmäßige und zielgerichtete Suche nach neuen Erkenntnissen in einem bestimmten
Wissensgebiet (wissenschaftliche Forschung) verstanden werde. Bei der Auslegung des Begriffs "Institut" seien jedoch als faktische
Anknüpfungspunkte die jeweiligen Besonderheiten in der DDR zu beachten. In der DDR sei zwischen (staatlicher) Forschung an
der Akademie der Wissenschaften und an den dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen unterstellten Hochschulen und wissenschaftlichen
Einrichtungen einerseits und der Forschung an den Wirtschaftseinheiten andererseits unterschieden worden. Von der zusätzlichen
Altersversorgung der wissenschaftlichen Intelligenz seien nur die der Akademie der Wissenschaften bzw. dem Ministerium für
Hoch- und Fachschulwesen unterstellten wissenschaftlichen Einrichtungen erfasst. Das ZFIV sei direkt dem Ministerium für Verkehrswesen
unterstellt gewesen. Es handele sich somit nicht um eine wissenschaftliche Einrichtung im Sinne von § 6 der Versorgungsordnung
vom 12. Juli 1951, so dass die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt sei.
Daraufhin hat der Kläger am 29. Juni 2005 Klage zum Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben und vorgetragen, das ZFIV sei eine
selbständige staatliche Forschungsstätte gewesen, der die "freie" Auswahl der zentralen Forschungsziele zur Entwicklung des
Verkehrswesens der DDR oblegen habe. Die zweck- und betriebsbezogene Forschung hingegen sei, anders als von der Beklagten
behauptet, in den volkseigenen Betrieben und Kombinaten des Verkehrswesens, zum Beispiel im VE Kombinat Binnenschifffahrt
und Binnenhäfen durch die "Forschungs- und Versuchsanstalt der Binnenschifffahrt" erfolgt. Entgegen der Behauptung der Beklagten
sei die staatliche Forschung in der DDR nicht auf den Bereich des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen begrenzt gewesen.
Der Kläger hat eine von der E GmbH B unter dem 28. Juni 2006 erstellte Tätigkeitsbeschreibung bezüglich seiner Beschäftigung
im ZFIV in Ablichtung zu den Akten gereicht.
Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten und einen das ZFIV betreffenden Auszug aus dem Register der volkseigenen
Wirtschaft (Register-Nr. 110-15-1690) vom 15. November 2005 in Ablichtung zu den Akten gereicht.
Mit Urteil vom 6. September 2006 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt,
die Einrichtung, an der der Kläger beschäftigt gewesen sei, falle nicht in den Anwendungsbereich der Versorgungsordnung der
wissenschaftlichen Intelligenz, weil es sich bei dem ZFIV nicht um eine wissenschaftliche Einrichtung, insbesondere ein Forschungsinstitut,
im Sinne des § 6 AVI-VO gehandelt habe. Dies folge zwar nicht zwingend aus dem Wortlaut der Vorschrift, weil unter dem Begriff
Forschungsinstitut ohne weiteres jede Einrichtung zu fassen sei, die in irgendeiner Weise mit Forschung betraut gewesen sei,
der Kontext der Vorschrift mache jedoch deutlich, welche Forschungsinstitute gemeint seien. Die Kammer schließe sich der höchstrichterlichen
Rechtsprechung an, der zufolge nur solche Forschungseinrichtungen von dem Zusatzversorgungssystem erfasst gewesen seien, die
bei der Auswahl ihrer Forschungsziele frei gewesen seien. Allein zweck- und betriebsbezogene Forschungseinrichtungen der volkseigenen
Betriebe und der Kombinate seien daher vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Die Gebiete, auf welchen im ZFIV gearbeitet worden
sei, seien in § 3 der Anordnung über das Statut des ZFIV vom 10. März 1971 definiert. Danach habe es sich um eine Forschung
betreibende selbständige Einrichtung gehandelt, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung
und Entwicklung gewesen sei.
Gegen das ihm am 21. Februar 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. März 2007 Berufung eingelegt. Er hält an seiner
im erstinstanzlichen Verfahren vertretenen Auffassung fest und führt ergänzend aus, dass ZFIV sei kein "VEB-Forschungszentrum"
gewesen, sondern eine wichtige Forschungsstätte, die durch die Wissenschaftsorganisation mit allen Bereichen der sozialistischen
Gesellschaft verbunden gewesen sei. Die Forschungstätigkeit habe in der Themenbreite Fragestellungen für die Landesverteidigung,
wissenschaftliche Probleme der infrastrukturellen Entwicklung, der Entwicklung der Volkswirtschaft, der Landwirtschaft, des
Energiewesens, der Luft- und Seefahrt, des Personen- und Güterverkehrs und dergleichen mehr erfasst. Das Institut habe den
wissenschaftlichen Vorlauf einschließlich der Überleitung in die Praxis sichern sollen. Es sei also nicht etwa nur um die
Entwicklung neuer Erzeugnisse gegangen. Ausdruck der staatlichen Forschungstätigkeit im Sinne der Versorgungsordnung sei zudem
die enge Verzahnung des wissenschaftlichen Personals des Instituts unter anderem mit dem Personal der Hochschule für Verkehrswesen
gewesen. Eine von Dr.-Ing. Ulrich R, der an dem Institut bis zu seiner Auflösung im Jahr 1990 als Gruppenleiter und Experte
für Verkehrsplanung tätig war, unter dem 8. Juni 2007 erstellte Stellungnahme zur Rechtsstellung des ZFIV hat der Kläger in
Ablichtung zu den Akten gereicht. Zum Beweis der Richtigkeit seiner Ausführungen über die Art der an dem Institut betriebenen
Forschung bietet er Beweis durch die Vernehmung zweier Zeugen an.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 6. September 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2005 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 1. Januar
1983 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der wissenschaftlichen Intelligenz
(Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG) und in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und meint, das ZFIV habe nicht zu den versorgungsrelevanten Einrichtungen
im Sinne des § 6 der einschlägigen Verordnung gehört, denn es sei direkt dem Ministerium für Verkehrswesen unterstellt gewesen,
mithin keine selbständige Forschungseinrichtung gewesen. Auch wenn das Institut sich auch mit branchenübergreifender Forschung
befasst habe, seien seine Forschungsziele durch die Anordnung über das Statut der Forschungsinstitute des Verkehrswesens genau
definiert gewesen, so dass von einer freien Auswahl der Forschungsziele nicht die Rede gewesen sein könne.
Der Senat hat die vom 30. November 1979 und vom 30. November 1985 datierenden nicht veröffentlichten Statute des ZFIV sowie
die nicht veröffentlichten Organisationsanweisungen des Ministers für Verkehrswesen vom 4. Januar 1971, vom 19. Oktober 1981,
vom 27. Dezember 1984 und vom 28. September 1987 aus dem Bundesarchiv beigezogen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (VSNR ) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Obwohl die beim Bundesarchiv angeforderten Unterlagen erst am Tag der mündlichen Verhandlung eingegangen waren und zum Termin
kein Vertreter der Beklagten erschien, konnte der Senat die Sache am Sitzungstag entscheiden, denn der Beklagten waren die
Unterlagen aus einem anderen beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg anhängig gewesenen Verfahren (L 3 R 1069/07) bereits bekannt. Darüber, dass sie nochmals angefordert worden waren, hatte sie Kenntnis.
Die Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren nur noch bezüglich des Zeitraums vom 1. Januar 1983 bis zum 30. Juni 1990
weiterverfolgt, hat Erfolg. Sie ist statthaft (§
143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§
151 SGG). Sie ist auch begründet; bezüglich des noch streitbefangenen Zeitraums hat Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Anfechtungs-
und Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Der angegriffene ablehnende Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt
den Kläger in seinen Rechten, denn er hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die streitige Zeit als solche seiner Zugehörigkeit
zur zusätzlichen Altersversorgung der wissenschaftlichen Intelligenz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte
feststellt.
Das Begehren des Klägers ist letztlich auf die Leistung einer (höheren) Rente gerichtet. Da er im streitigen Zeitraum originäre
rentenrechtliche Zeiten im bundesdeutschen Rentenversicherungssystem nicht zurückgelegt hat, der bundesdeutsche Rentenversicherungsträger
aber grundsätzlich nur seinen Versicherten zur (höheren) Leistung verpflichtet ist, bedarf es zur Begründung und Ausgestaltung
von Rechten und Anwartschaften im Rahmen des insoweit maßgeblichen Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) sowie zur Wertbestimmung derartiger Berechtigungen nach dessen Grundsätzen jeweils besonderer bundesrechtlicher Grundlagen.
Der Bundesgesetzgeber hat diesen Vorgang in zwei voneinander zu trennende Verfahren gegliedert. Während das eine Verfahren
mit dem Erlass eines sogenannten Entgeltbescheides endet, hat das andere einen die Rente feststellenden Bescheid zum Ziel.
In dem erstgenannten Verfahren hat der Versorgungsträger, hier die Beklagte, - dem Vormerkungsverfahren nach §
149 Abs.
5 SGB VI ähnlich - gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG die Daten festzustellen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung
erforderlich sind, und sie dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung mitzuteilen.
Zu diesen Daten gehören neben den Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem (§ 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 AAÜG) die in diesen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben (vgl. zu diesem Verfahren
im Einzelnen das Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 20. Dezember 2001, B 4 RA 6/01 R m.w.N., SozR 3-8570 § 8 Nr. 7), so dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen
solchen Verwaltungsakt besteht. Dies ist hier der Fall.
Das AAÜG ist auf den Kläger gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG anwendbar; er fällt in den persönlichen Geltungsbereich der Vorschriften dieses Gesetzes. Die Regelungen des AAÜG gelten für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet
erworben worden sind. Ansprüche hatte der Kläger noch nicht erworben, denn im Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssysteme,
am 30. Juni 1990, war er noch nicht versorgungsberechtigt. Er hatte jedoch eine Versorgungsanwartschaft. Solche Anwartschaften
hatten Personen, die am 30. Juni 1990 Inhaber einer Versorgungszusage waren oder eine solche früher gehabt hatten (vgl. §
1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG), für die sich dies aus einer einzelvertraglichen Regelung ergab, oder die nach den abstrakt-generellen Regelungen der Versorgungssysteme
am 30. Juni 1990 zwingend einzubeziehen waren, weil sie die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Versorgungszusage
erfüllten und diese auch nicht von einer Ermessensentscheidung einer dazu berufenen Stelle der DDR abhängig war (vgl. das
Urteil des BSG vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03 R, D-spezial 2004, Nr. 8 S. 8 [Kurzwiedergabe], Volltext in juris). Dass das AAÜG auch auf dem letztgenannten Personenkreis Zugehörige Anwendung findet, es also nicht allein darauf ankommt, ob zum 1. Juli
1990 in der DDR ein Versorgungsanspruch oder eine entsprechende Anwartschaft bestand, ergibt sich bereits daraus, dass als
Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem auch Zeiten vor Einführung eines Versorgungssystems gelten (§ 5 Abs. 2 AAÜG) und ein Verlust von Anwartschaften bei Ausscheiden vor dem Leistungsfall nach dem Willen des Bundesgesetzgebers unberücksichtigt
bleibt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Die Frage der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem ist in aller Regel entscheidend danach zu beantworten, ob eine tatsächlich
ausgeübte Beschäftigung ihrer Art nach zu denjenigen gehört, derentwegen entsprechend der nach objektiven Auslegungskriterien
des Bundesrechts zu verstehenden Versorgungsordnung und gegebenenfalls weiteren einschlägigen generellen und veröffentlichten
Erläuterungen hierzu zu irgendeinem Zeitpunkt ein Versorgungssystem errichtet war. Um das Ziel, eine sachgerechte und willkürfreie
Zuordnung der bundesrechtlichen Rechtsfolgen sicherzustellen, erreichen zu können, sollen - wie sowohl die teleologische als
auch die systematische Auslegung insbesondere der §§ 5 bis 8 AAÜG ergeben - nach dem Willen des Gesetzgebers alle auch nur potentiell Begünstigten, allerdings auch nur diese, in das besondere
Verfahren einbezogen werden. Ausgehend davon bedarf es zur Beantwortung der Frage nach der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem
des Rückgriffs auf diejenigen Gegebenheiten der DDR, an die das AAÜG anknüpft. Im Falle des § 5 Abs. 1 AAÜG sind dies die Texte der in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten und damit insoweit als bundesrechtlich relevante Fakten anerkannten Versorgungsordnungen, wobei diese gegebenenfalls
durch sonstige einschlägige und in Übereinstimmung hiermit ergangene abstrakt-generelle Vorgaben von zuständigen Stellen der
früheren DDR, zu denen insbesondere Durchführungsbestimmungen gehören, ergänzt werden. Dabei ist die Bedeutung der Texte ausschließlich
nach objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts, insbesondere unter Beachtung des Gleichheitssatzes (Artikel 3 Abs. 1
des Grundgesetzes [GG]) und unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Vorschrift des § 5 AAÜG zu bestimmen (vgl. dazu das Urteil des BSG vom 9. April 2002, B 4 RA 42/01 R, zitiert nach juris). Wie die Versorgungsordnungen und die Durchführungsbestimmungen durch Stellen der DDR ausgelegt und
angewandt wurden, muss insoweit ohne Belang sein, denn anderenfalls bestünde die Möglichkeit einer normativen Verfestigung
willkürlicher Vorgehensweisen (vgl. die Entscheidungen des BSG vom 24. März 1998, B 4 RA 27/97 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 3, und vom 30. Juni 1998, B 4 RA 11/98 R, SGb 1998, S. 526 f. [Kurzwiedergabe], Volltext in juris). Ob nämlich außerhalb des von den Texten der Versorgungsordnungen und der einschlägigen
Durchführungsbestimmungen vorgegebenen Rahmens liegende Umstände die Aussicht auf die Erteilung einer Versorgungszusage als
berechtigt erscheinen lassen konnten, lässt sich heute mangels einer gesicherten Beurteilungsgrundlage nicht willkürfrei entscheiden
(vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2001, B 4 RA 117/00 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 6).
Am 30. Juni 1990 gehörte der Kläger zur Gruppe derjenigen, die in das System der zusätzlichen Altersversorgung der Intelligenz
an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik
(aufgrund der Verordnung vom 12. Juli 1951 [GBl. S. 675], geändert durch Verordnung vom 13. Mai 1959 [GBl. I S. 521], im Folgenden
VO-AVIwiss) obligatorisch einzubeziehen waren. Zu dieser Personengruppe gehörten im wissenschaftlichen Bereich Angehörige
der wissenschaftlichen Intelligenz im Sinne des § 2 VO-AVIwiss, die an wissenschaftlichen Einrichtungen im Sinne des § 6 VO-AVIwiss
tätig waren.
Ab dem 1. Januar 1983 gehörte der Kläger zur wissenschaftlichen Intelligenz im Sinne des § 2 VO-AVIwiss, denn ab diesem Zeitpunkt
war er nicht mehr als wissenschaftlicher Mitarbeiter, sondern als wissenschaftlicher Experte, mithin als Wissenschaftler,
tätig.
Auch die weitere Voraussetzung, eine Tätigkeit an einer wissenschaftlichen Einrichtung im Sinne des § 6 VO-AVIwiss, ist hier
erfüllt. Nach dieser Vorschrift sind wissenschaftliche Einrichtungen im Sinne des § 1 VO-AVIwiss wissenschaftliche Akademien,
Universitäten und Hochschulen, Forschungsinstitute sowie wissenschaftliche Bibliotheken. Das ZFIV war ein Forschungsinstitut
im Sinne des § 6 VO-AVIwiss.
Dem heutigen allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend ist ein Forschungsinstitut eine Forschung betreibende Einrichtung, wobei
unter Forschung die planmäßige und zielgerichtete Suche nach neuen Erkenntnissen in einem bestimmten Wissensgebiet verstanden
wird (Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl., Mannheim 1988, Stichwort: "Forschung"). Bei der Auslegung des Begriffs "Forschungsinstitut"
im Sinne des § 6 VO-AVIwiss sind jedoch ebenso wie bei der Auslegung des Begriffs "Forschungsinstitut" im Sinne des § 1 Abs.
2 der zweiten Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 (GBl. S. 487) zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung
der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. S. 844, im
Folgenden VO-AVItech) als faktische Anknüpfungspunkte die jeweiligen Besonderheiten in der DDR zu beachten (vgl. das Urteil
des BSG vom 26. Oktober 2004, B 4 RA 40/04 R, SozR 4-8570 § 5 Nr. 6).
Forschung und Entwicklung wurden in der DDR verstanden als die Gesamtheit der Tätigkeiten zur Gewinnung neuer wissenschaftlich-technischer
Erkenntnisse sowie zur effektiven Nutzung dieser Erkenntnisse in der gesellschaftlichen Praxis, insbesondere in der Produktion
(Ökonomisches Lexikon, 3. Aufl., Berlin 1978, Stichwort: "Forschung und Entwicklung"). Abgesehen davon, dass der Begriff der
Forschung ideologisch bedingt einen Bezug zur gesellschaftlichen Wirklichkeit und vor allem zur Produktion umfasste, wurde
in der DDR, was allerdings in der Bundesrepublik wohl nicht anders war und ist, zwischen zwei Arten von Forschung unterschieden,
nämlich der Grundlagenforschung (in der DDR bis 1970 als "Erkundungsforschung" oder "gezielte Grundlagenforschung" bezeichnet)
einerseits und der angewandten Forschung andererseits. Unter Grundlagenforschung verstand man die wissenschaftliche Tätigkeit
zur Erweiterung und Vertiefung der fundamentalen Kenntnisse über Gesetzmäßigkeiten und Prozesse in der Natur und ihre Wechselbeziehungen
zur Gesellschaft sowie die Erforschung der Möglichkeiten für eine effektive Nutzung dieser Erkenntnisse in der gesellschaftlichen
Praxis, insbesondere der Produktion. Ergebnisse der auf die Umgestaltung der materiell-technischen Basis der gesellschaftlichen
Produktion gerichteten Grundlagenforschung waren neue Erkenntnisse über die Struktur, die Eigenschaften und die Erscheinungsformen
der Materie, neue Wirkprinzipien und andere Effekte einschließlich einer Beurteilung der Möglichkeiten zur Nutzung der gewonnenen
Ergebnisse für die Produktion (Ökonomisches Lexikon, 3. Aufl., Berlin 1978, Stichwort: "Forschungskategorien"). Angewandte
Forschung hingegen war die wissenschaftlich-technische Tätigkeit zur Erforschung neuer Arbeits- und Wirkprinzipien bzw. neuer
Kombinationen bekannter Arbeits- und Wirkprinzipien als wissenschaftliche Grundlage für neue und weiterentwickelte Erzeugnisse,
Verfahren, technologische Prozesse und Rezepturen sowie für Lösungen auf den Gebieten der Arbeitsorganisation, der Gesunderhaltung
der Menschen und des Umweltschutzes. Durch die angewandte Forschung wurde geklärt, in welcher Art und Weise die Ergebnisse
der Grundlagenforschung für die Produktion effektiv genutzt werden konnten. Dies schloss den Nachweis ein, dass die wissenschaftlich-technischen
Voraussetzungen sowie die Realisierungsbedingungen für die Entwicklung von Erzeugnissen, Technologien und Verfahren gegeben
waren. Beide Arten von Forschung umfassten je vier Arbeitsstufen, wobei die erste jeweils die Ausarbeitung der Aufgabenstellung
darstellte. Nach der Nomenklatur der DDR war die letzte Arbeitsstufe der Grundlagenforschung die heute als translationale
Forschung bezeichnete weiterführende oder orientierte Grundlagenforschung, das heißt die Schnittstelle zur angewandten Forschung,
an der die Ausarbeitung von Vorschlägen zur breiten Nutzung der Ergebnisse erfolgte. Die letzte Arbeitsstufe der angewandten
Forschung hingegen war die Vorbereitung zur Nutzung der Ergebnisse (vgl. auch dazu Ökonomisches Lexikon, 3. Aufl., Berlin
1978, Stichwort: "Forschungskategorien"). Während die Grundlagenforschung typischerweise an selbständigen staatlichen Einrichtungen
wie Hochschulen, Akademien und Instituten (vgl. etwa die Verordnung über die Aufgaben der Universitäten, wissenschaftlichen
Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen mit Hochschulcharakter vom 25. Februar 1970, GBl. II S. 189, und die Verordnung
über die Leitung, Planung und Finanzierung der Forschung an der Akademie der Wissenschaften und an Universitäten und Hochschulen
vom 23. August 1972, GBl. II S. 589) erfolgte, wurde die angewandte Forschung vorwiegend in den Wirtschaftseinheiten, das
heißt den Forschungsabteilungen und -instituten der volkseigenen Betriebe und Kombinate, durchgeführt (vgl. das Urteil des
BSG vom 26. Oktober 2004, B 4 RA 40/04 R, SozR 4-8570 § 5 Nr. 6, m.w.N.).
Dass es zwei Arten wissenschaftlicher Forschung gab, die sich in Inhalt, Ziel und Ort der Forschungsstätte unterschieden,
spiegelte sich in der DDR auch in den Versorgungsordnungen wider. Während für die an Forschungsinstituten im Sinne des § 6
VO-AVIwiss tätigen Wissenschaftler das Zusatzversorgungssystem der wissenschaftlichen Intelligenz vorgesehen war, gehörten
die an den Forschungsinstituten bzw. in den Forschungsabteilungen der volkseigenen Betriebe und Kombinate Tätigen dem von
dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz erfassten Personenkreis an (vgl. die Urteile des BSG vom 10. April
2002, B 4 RA 56/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 4, vom 31. Juli 2002, B 4 RA 62/01 R, zitiert nach juris, vom 31. März 2004, B 4 RA 31/03 R, zitiert nach juris, und vom 26. Oktober 2004, B 4 RA 40/04, SozR 4-8570 § 5 Nr. 6).
Unter Beachtung der dargestellten semantischen Besetzung des Begriffs der Grundlagenforschung in der DDR umfasste dieser
die am ZFIV stattfindende wissenschaftliche Tätigkeit. Die Aufgabe des Instituts war es, "den wissenschaftlichen Vorlauf für
die Leistungssteigerung des Gütertransports und der Personenbeförderung bei hoher volkswirtschaftlicher Effektivität in Übereinstimmung
mit den Erfordernissen des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus in der DDR zu sichern" (§ 3 Abs. 1 der
Anordnung über das Statut des ZFIV vom 10. März 1971, GBl. II S. 292, aufgehoben durch Anordnung vom 30. November 1979, GBl.
I S. 456) bzw. "durch wissenschaftlich-technische Ergebnisse zur Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts,
zur Erhöhung der ökonomischen und sozialen Wirksamkeit von Wissenschaft und Technik, zur Ausarbeitung der Bedingungen und
Maßnahmen für die Leistungs- und Effektivitätsentwicklung im Verkehrswesen beizutragen" (§ 2 Abs. 1 des Statuts des ZFIV vom
30. November 1979, offenbar nicht veröffentlicht). Das Institut sollte also die Basis für volkswirtschaftlich bedeutsame strukturpolitische
Entscheidungen in den Bereich der Logistik und der Infrastruktur liefern.
Das ZFIV war auch eine selbständige staatliche wissenschaftliche Einrichtung. Es war die unmittelbar dem Ministerium für Verkehrswesen
unterstellte zentrale Forschungs- und Entwicklungseinrichtung des Verkehrswesens der DDR. Das Institut war von den Weisungsstrukturen
her an das Ministerium angebunden, ohne in dessen zentrale Verwaltung unmittelbar als Dienststelle eingegliedert gewesen zu
sein; es war eine auf der Grundlage der für Forschungseinrichtungen geltenden Rechtsvorschriften arbeitende eigenständige
juristische Person (vgl. die Organisationsanweisungen des Ministers für Verkehrswesen vom 4. Januar 1971 und 28. September
1987 sowie § 2 der Anordnung über das Statut des ZFIV vom 10. März 1971, GBl. II S. 292, aufgehoben durch Anordnung vom 30.
November 1979, GBl. I S. 456, und § 1 der Statute vom 30. November 1979 und vom 30. November 1985). Die Auffassung der Beklagten,
das ZFIV könne keine wissenschaftliche Einrichtung im Sinne § 6 VO-AVIwiss gewesen sein, weil es dem Ministerium für Verkehrswesen
und nicht dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen unterstellt gewesen sei, vermag der Senat weder zu teilen noch nachzuvollziehen.
Dass dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen unterstellte wissenschaftliche Einrichtungen solche waren, die in den Anwendungsbereich
des § 6 VO-AVIwiss fielen, bedeutet nicht quasi im Umkehrschluss, dass alle nicht diesem Ministerium unterstellten Einrichtungen
keine wissenschaftlichen Einrichtungen waren oder sein konnten. Eine Grundlage für diese These nennt die Beklagte nicht; es
lässt sich auch keine finden. Es handelte sich bei dem Institut schließlich auch weder um einen volkseigenen Betrieb noch
um eine Einrichtung der Wirtschaft im weiteren Sinne. Vielmehr war das ZFIV eine staatliche Einrichtung ohne unmittelbaren
Bezug zu den Wirtschaftseinheiten und ohne unmittelbaren Bezug zu irgendeiner Produktion. Die Wirtschaftseinheiten waren weder
formale Auftraggeber noch waren die Forschungsaufgaben des ZFIV unmittelbar auf die Produktion in der Wirtschaft gerichtet.
(vgl. das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 7. November 2008, L 3 R 1069/07, zitiert nach juris).
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in §
193 SGG und trägt dem Verlauf und dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Obwohl der Kläger sein Begehren hinsichtlich des streitigen
Zeitraums im Laufe des Verfahrens reduziert hat, hält der Senat eine Quotelung nicht für angebracht, weil die Beklagte das
Verfahren maßgeblich veranlasst hat. Ihre Ausführungen lassen selbst in der Berufungsinstanz keine wirkliche Auseinandersetzung
mit der Thematik erkennen, obwohl der Kläger schon im Verwaltungsverfahren gut argumentiert und einschlägige höchstrichterliche
Rechtsprechung zitiert hat.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in §
160 Abs.
2 Nrn 1 und 2
SGG genannten Gründe vorliegt.