Vorläufige Versorgung mit einer extrakorporalen Lipidapherese-Therapie
Nichtausschöpfen einer medikamentösen Therapie
Gründe
I.
Die 1965 geborene, bei der Antragsgegnerin versicherte, Antragstellerin begehrt die vorläufige Versorgung mit einer extrakorporalen
Lipidapherese-Therapie.
Die Antragstellerin leidet unter anderem an familiärer Hypercholesterinämie, einer Lipoprotein(a) (=Lp[a])-Erhöhung, Xanthelasma
palpebrarum und arterieller Hypertonie. Eine Behandlung mit Statinen verträgt sie nicht. 2020 wurde eine Plaquelast in den
hirnversorgenden Gefäßen festgestellt.
Am 12. August 2020 beantragte der sie behandelnder Facharzt für innere Medizin und Nephrologie Dr. R bei der Kassenärztlichen
Vereinigung Brandenburg (KV) eine Lipid-Apherese für die Dauer eines Jahres. Es seien familiäre Fettstoffwechselstörungen
bei den Eltern sowie bei dem Bruder der Antragstellerin bekannt. Auch bei der Antragstellerin seien bereits frühzeitig deutlich
erhöhte Blutfettwerte festgestellt worden, aufgrund derer vor ca. 12 Jahren eine medikamentöse Therapie ohne Nachweis von
Gefäßveränderungen erfolgt sei. Nachdem sich die Statin-UnverträgIichkeit und im August 2020 erstmals Plaque in den hirnversorgenden
Gefäßen gezeigt hätten, habe die Antragstellerin eine medikamentöse Therapie mit Repatha® begonnen, einem PCSK9-lnhibitior
(Wirkstoff: Evolocumab). Trotz guter Verträglichkeit und prozentualer Absenkung des LDL-Cholesterins sei der Zielbereich der
Sekundärprävention (< 55mg/dl) nicht erreicht worden. Das LDL sei derzeit nicht mit weiteren Medikamenten zu behandeln. Aufgrund
der Arteriosklerose-Entstehung in den hirnversorgenden Gefäßen und der positiven Familienanamnese sei die Einleitung der Lipid-Apherese
für die noch junge Patientin notwendig, um eine weitere Progression der Arteriosklerose zu verhindern.
Die Apherese-Kommission der KV teilte Dr. R mit Schreiben vom 12. Oktober 2020 mit, derzeit liege bei einem geringen kardiovaskulären
objektiven Befund und guter Absenkung des LDL-Wertes durch die „PCSK9-Gabe“ keine Indikation für eine Apheresetherapie vor,
eine strikte Nikotinabstinenz werde empfohlen, da nach dem kardiologischen Gutachten noch ein Nikotinabusus bestehe.
Am 25. November 2020 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Potsdam (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Die Antragsgegnerin hat eine Übernahme der Kosten für eine LDL-Apherese nach Erhalt des Kommissions-Ergebnisses mit Bescheid
vom 01. Dezember 2020 abgelehnt. Hiergegen ist Widerspruch erhoben.
Die Antragstellerin hat vor dem SG vorgebracht, die Begründung der Ablehnung sei nicht nachvollziehbar. Nachweislich habe eine Absenkung des LDL-Cholesterins
in den Zielbereich auch unter Gabe von PCSK9-lnhibitoren nicht erreicht werden können. Der Lp(a)-Wert liege über dem Grenzwert
von 60mg/dl. Dies stelle ein selbständiger Risikofaktor für einen progredienten Krankheitsverlauf dar, der weder medikamentös
noch diätetisch beeinflusst werden könne. Einer LP(a)-Erhöhung könne ausschließlich durch die beantragte Apherese entgegengewirkt
werden. Auf Grund der Familienanamnese sowie der Carotis-Plaques sei die Antragstellerin einem extremen Risiko ausgesetzt,
den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens nicht zu überleben. Ihr sei es nicht zuzumuten, eine Apherese erst dann zu erhalten,
wenn sich bereits ein Schlaganfall ereignet habe.
Das SG hat den Vorgang der KV zu dem Antrag beigezogen und einen Befundbericht des behandelnden Arztes eingeholt (vom 22. März 2021)
Auf Veranlassung des SG hat ferner die Apherese-Kommission am 19. April 2021 eine weitere Stellungnahme abgegeben. Danach läge auch gegenwärtig (noch)
keine Indikation für die Einleitung einer Apheresebehandlung als „Ultima-ratio-Therapie" vor, da die medikamentösen Therapieoptionen
(Bempedoinsäure, Insclisiran) noch nicht ausgeschöpft seien. Dass der Zielwert für die Sekundärprävention damit eventuell
nicht erreichbar sei, könne kein Argument dafür sein, der Patientin die verfügbaren medikamentösen Therapieoptionen vorzuenthalten,
da bereits jetzt eine über 50%ige Absenkung des LDL dokumentiert und eine weitere Absenkung zu erwarten sei. Die beschriebene
Carotis-Plaque könne genauso gut auch die Folge des erst vor kurzem beendeten Nikotinkonsums sein, ebenso wie der noch nicht
ausreichend korrigierten LDL-Hypercholesterinämie oder des Bluthochdrucks. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei der Stellenwert
des Lp(a) als Progressionsfaktor der Arteriosklerose überhaupt nicht einschätzbar.
Das SG hat den Eilantrag mit Beschluss vom 30. April 2021 abgelehnt.
Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, ein Anordnungsanspruch folge weder aus §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 5,
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5, §
135 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) i. V. m. §
3 Abs.
1 der Anlage I der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen
Versorgung (Richtlinien Methoden vertragsärztliche Versorgung -MVV-RL) noch aus §
2 Abs.
1 a SGB V.
Zwar habe der G-BA die ambulante Durchführung der Apherese als extrakorporales Hämotherapieverfahren als anerkannte Behandlungsmethode
in die Richtlinie aufgenommen (vgl. Nr. 1 der Anlage I MVV-RL).
Allerdings stehe die für eine solche Therapie der in § 3 Abs. 1 Anlage 1 MVV-RL genannten Indikationen in der Regel hochwirksame
medikamentöse Standardtherapien zur Verfügung, so dass Apheresen nur in Ausnahmefällen als „Ultima-ratio" bei therapierefraktären
Verläufen eingesetzt werden sollten, § 1 Abs. 2 Anlage I MVV-RL.
Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor.
Die bei der Antragstellerin vorliegende genetisch bedingte Hypercholesterinanämie sei nicht homozygoter Ausprägung. Darüber
hinaus leide sie unter einer erheblichen Lp(a)-Erhöhung, die aber nicht unter die Indikation nach § 3 Abs. 2 Anlage I MVV-RL
falle, da es sich nicht um eine isolierte Lp(a)Erhöhung handele.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin läge für die Einleitung einer Apheresetherapie zudem keine Indikation vor, weil noch
medikamentöse Therapieoptionen möglich seien und somit kein therapierefraktärer Verlauf bestünde. Die von dem Behandler mit
Befundbericht vom 22. März 2021 übermittelten Laborwerte wiesen eine Absenkung des LDL-Cholesterins nach Einsatz des PCSK9-Hemmers
von teilweise mehr als 50 % aus. Im November 2019 -zu Beginn der Behandlung- habe der Wert noch bei 330 mg/dl, im Juli 2020
dann bei 150 ml/dl gelegen. In den darauffolgenden Monaten habe sich der Wert stetig verringert auf 116 mg/dl im November
2020. Zwar habe sich der Wert im Januar 2021 wieder auf 177mg/dl erhöht. Dies könne aber eine einmalige zwischenzeitliche
Erhöhung darstellen, die Werte und unter Fortsetzung der PCSK9-Gabe wieder abfallen, wie dies auch 2020 der Fall gewesen sei.
Zwar liege der Wert von 116 mg/dl außerhalb des Zielbereiches der Sekundärprävention. Eine weitere Senkung des LDL sei aber
durch das von der Apherese-Kommission zusätzlich vorgeschlagene Medikament der Bempedoinsäure möglich. Dr. R führe in seinem
Befundbericht vom 22. März 2021 aus, dass die Bempedoinsäure eine Absenkungsrate von weiteren ca. 30 % zusätzlich zur Evolocumab-Gabe
bewirke. Es sei nicht auszuschließen, dass mit der zusätzlichen Gabe von Bempedoinsäure eine Absenkung des LDL auch in den
angestrebten Zielbereich der Sekundärprävention (55mg/dl) erreicht werden könne.
Darüber hinaus käme auch das Arzneimittel Insclisiran, zwar nicht in Kombination zur bestehenden Therapie, jedoch als neue
medikamentöse Therapie in Betracht.
Auch aus §
2 Abs.
1a SGB V folge kein Anspruch. Zwar liege bei der Antragstellerin eine kardiovaskuläre Erkrankung vor. So habe sich im August 2020
erstmals Plaque an den gehirnversorgenden Gefäßen gezeigt. Nach den erhobenen Befunden liege auch eine diskrete Plaquelast
den Halsgefäßen vor. Die Antragstellerin habe aber nicht glaubhaft gemacht, dass diese Erkrankung einen solchen Schweregrad
erreicht habe, dass von unmittelbarer Lebensbedrohlichkeit gesprochen werden könne. Aus Sicht ihrer Behandler sei die Apherese
zur Minderung einer weiteren Progression der Arteriosklerose notwendig, nicht aber um ein unmittelbar drohendes lebensbeendendes
Ereignis zu verhindern.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 16. Mai 2021. Zur Begründung führt sie aus, das
Gesamtrisikoprofil der Antragstellerin sei vom SG nicht berücksichtigt worden. Die Antragstellerin leide an einer familiären Hypocholesterinanämie, es liege eine Lp(a)-Erhöhung
vor. Der Krankheitsverlauf sei progredient, da der Nachweis einer Plaquelast in den hirnversorgenden Gefäßen 2020 dokumentiert
sei. Das SG habe den Befundbericht des Behandlers Dr. R vom 22. März 2021 fehlinterpretiert. Es sei offenbar missverstanden worden, dass
die durch die KV angeratene Therapieoption (Bempedoinsäure und Insclisiran) nicht in Betracht komme, da beide Therapieansätze
„auf eine Blockierung der PCSK9-Inhibitoren setzten, aber nur über eine geringere Absenkrate (nur 30 %) verfügten. Dies bedeute
im Klartext, dass entweder die angeratene Therapieoption oder PCSK9-Inhibitoren zum Einsatz kommen könnten. Da jedoch durch
den bisherigen Einsatz eine Absenkungsrate des LDL-Cholesterins i. H. v. 50 % erreicht werde, sei es sinnentleert, die erfolgreiche
Therapie zugunsten der neu zugelassenen Medikamente zu verlassen. Bei der durch die KV angeratene Therapie handele es sich
um eine Alternative und nicht um eine kumulative Behandlung.
Das SG habe sich auch nicht damit auseinandergesetzt, dass die neuen Therapieoptionen erst seit Ende des Jahres 2020 mit Zulassung
der neuen Arzneimittel möglich geworden seien.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 30. April 2021 aufzuheben und der Antragstellerin die Kostenübernahme der regelmäßigen
extrakorporalen Lipid-Apherese-Therapie mit sofortiger Wirkung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des SG vom 30. April 2021 ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, eine einstweilige Anordnung zu erlassen.
Nach §
86b Abs.
2 S. 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung
des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (sog.
Sicherungsanordnung). Gemäß §
86b Abs.
2 S. 2
SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung
sind das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der Anordnungsanspruch bezieht sich
dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird. Die erforderliche Dringlichkeit
betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen
und glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 S. 4
SGG i. V. m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung). Entscheidungen dürfen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten
in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht
abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte
an den Erfolgsaussichten nur orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen
eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so hat es anhand einer Folgenabwägung
zu entscheiden. Je größer die Erfolgschancen in der Sache einzuschätzen sind, desto eher ist es einem Antragsteller nicht
zuzumuten, auf die Entscheidung in der Hauptsache verwiesen zu werden (ständige Rechtsprechung des Senats, z. B. Beschluss
vom 23. Oktober 2008 - L 1 B 346/08 KR ER; Beschluss vom 23. Dezember 2010 - L 1 KR 368/10 B ER -, juris Rdnr. 10, Beschluss vom 4. September 2019 - L 1 KR 238/19 B ER).
Nach diesen Grundsätzen konnte die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen werden.
Es fehlt jedenfalls derzeit an einem Anordnungsanspruch.
Versicherte haben nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu
verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Anspruch beschränkt sich nach §
12 SGB V auf solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten
Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Neue Behandlungsmethoden, die bisher als abrechnungsfähige ärztliche Leistungen
im einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) nicht enthalten sind, gehören nach §
135 SGB V nur dann in das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine positive
Empfehlung ausgesprochen hat. Auf Grund des Beschlusses des G-BA vom 24. März 2003 (BAnz. 2003 Nr. 123 S. 14486) können Apheresen
nach der MVV-RL (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung in der Fassung vom 17. Januar 2006, veröffentlicht im Bundesanzeiger
2006 Nr. 48 [S. 1523], in Kraft getreten am 1. April 2006, letzte Änderung vom 7. Dezember 2020 [BAnz AT 30.03.2021 B4], In
Kraft getreten am 31. März 2021) zwar als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu Lasten der Krankenkassen erbracht
werden. Dies betrifft nach Anlage 1 Nr. 1 § 3 Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung allerdings nur die Indikationen
schwere Hypercholesterinämie (§ 3 Abs. 1 der Anlage), isolierte Lp(a)-Erhöhung (§ 3 Abs. 2) sowie aktive rheumatoide Arthritis
(§ 3 Abs. 3).
Eine isolierte Lp(a)-Erhöhung oder eine aktive rheumatoide Arthritis liegen nicht vor.
§ 3 Abs. 1 Spiegelstrich der Anlage scheidet aus, weil dafür eine familiäre Hypercholesterinämie eine homozygote Ausprägung
aufweisen muss. Eine solche liegt nach den genetisch-medizinischen Befunden unstreitig nicht vor.
Es liegt derzeit auch keine schwere Hypercholesterinämie nach § 3 Abs. 1 Spiegelstrich 2 vor, bei der bei trotz einer über
zwölf Monate dokumentierten maximalen diätetischen und medikamentösen Therapie das LDL-Cholesterin nicht ausreichend gesenkt
werden konnte.
Die medikamentöse Therapie ist vielmehr noch nicht ausgeschöpft.
Dies hat bereits das SG dargelegt. Auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss wird verwiesen, §
142 Abs.
2 S. 3
SGG.
Das SG hat dabei die Darlegungen des Behandlers Dr. R in dessen Befundbericht vom 22. März 2021 nicht missverstanden. Dr. R geht
wie die Apherese-Kommission davon aus, dass sich mit der Einnahme von Bempedoinsäure zusätzlich zur Verabreichung eines PCSK9-Hemmers
eine weitere Absenkung der Blutfettwerte von ca. 30 % erzielen lasse. Er äußert lediglich, dass der weitere neue Wirkstoff
Insclisiran auch ein PCSK9-Hemmer sei und von daher nicht mit Evolocumab kombiniert werden könne. Dies lässt aber die Möglichkeit,
neben einem PCSDK9-Inhibitor auch mit Bempedoinsäure zu therapieren unberührt.
Dahingestellt kann bleiben, ob erst bei einem erfolglosen zusätzlichen Wechsel des PCSDK9-Hemmers von einer maximalen medikamentösen
Therapie ausgegangen werden kann, wovon die Apherese-Kommission auszugehen scheint, oder ob dies von vornherein nicht geboten
erscheint, wie dies Dr. R vertritt.
Da die entsprechenden Arzneimittel jedenfalls mittlerweile zugelassen und auf dem deutschen Markt erhältlich sind, ist es
für die rechtliche Bewertung unerheblich, dass diese Voraussetzung zum Zeitpunkt der (ersten) Ablehnung durch die Apherese-Kommission
noch nicht der Fall gewesen ist.
Ein Anspruch besteht auch nicht aus Verfassungsrecht bzw. §
2 Abs.
1a SGB V.
Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 folgt aus den Grundrechten aus Art
2 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art
2 Abs.
2 GG ein Anspruch auf Krankenversorgung in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, wenn für sie
eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und die vom Versicherten
gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens
auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht (BVerfG Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25, 49). Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese verfassungsrechtlichen Vorgaben in der Folge näher konkretisiert und dabei in die grundrechtsorientierte Auslegung
auch Erkrankungen einbezogen, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung wertungsmäßig vergleichbar
sind. Dem ist der Gesetzgeber mit der Kodifizierung des Anspruchs in §
2 Abs
1a SGB V gefolgt. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest
wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
nicht zur Verfügung steht, auch eine vom Qualitätsgebot (§
2 Abs
1 Satz 3
SGB V) abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive
Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (BSG, Urteil vom 19. März 2020 – B 1 KR 22/18 R –, Rdnr. 20 mit weiteren Nachweisen).
Mit Recht hat das SG hier dargestellt, dass aktuell auch nach der Auffassung des Behandlers ungeachtet des abstrakten Risikos von einer bereits
jetzt lebensbedrohlichen Erkrankung nicht ausgegangen werden kann.
Gleichzeitig ist damit auch ein Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es bedeutet für die Antragstellerin keine
unzumutbare Härte, bis zur Klärung im Hauptverfahren auf die begehrte Therapie verzichten zu müssen.
Aus demselben Grund führte auch eine reine Folgenabwägung zu keinem anderen Ergebnis.
Dahingestellt kann bleiben, dass einer Eilbedürftigkeit auch entgegensteht, dass die Antragstellerin zwar vorgetragen hat,
nicht über solche laufenden Einnahmen zu verfügen, dass mit damit die begehrte Behandlung vorerst selbst bezahlt werden könnte.
Sie hat aber nichts zu ihrer Vermögenssituation glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend §
193 SGG
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).