Vorläufige Leistungen nach dem AsylbLG
Laufendes Überprüfungsverfahren
Anwendbarkeit einer Befristungsregelung
Gründe
Die am 15. April 2021 erhobene Beschwerde des tschadischen Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom
13. März 2021 ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht das dort am 15. Januar 2021 eingegangene Begehren
abgelehnt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller für die Zeit ab dem 29.
Dezember 2020 volle Leistungen in Höhe der Bedarfssätze des §
3a Abs.
1 Nr.
1 und Abs.
2 Nr.
1 des
Asylbewerberleistungsgesetzes (
AsylbLG) zu gewähren. Dem Antragsteller geht es somit um monatliche Geldleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf (persönliche
Bedürfnisse des täglichen Lebens) in Höhe von 162,00 EUR (§
3a Abs.
1 Nr.
1 AsylbLG) und für den notwendigen Bedarf (Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern
des Haushalts) in Höhe von 202,00 EUR (§
3a Abs.
2 Nr.
1 AsylbLG), insgesamt also monatlich um 364,00 EUR.
Das Begehren ist so auszulegen, dass der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet werden soll, seinen
Bescheid vom 27. Oktober 2020 aufzuheben und dem Antragsteller die begehrten Leistungen ab dem 29. Oktober 2020 zu gewähren.
Denn mit dem Bescheid vom 27. Oktober 2020 wurde nach vorheriger schriftlicher Anhörung verfügt, dass der Antragsteller ab
dem 29. Oktober 2020 nur noch eingeschränkte Leistungen erhält, um den Zeitraum bis zu seiner Ausreise zu überbrücken. Gleichzeitig
wurde festgelegt, dass die Überbrückungsleistungen als Sachleistungen erbracht werden und dass sie lediglich Leistungen nach
§
1a Abs.
1 Satz 1
AsylbLG sowie nach §
4 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
2 AsylbLG umfassen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller habe gemäß §
1 Abs.
4 Satz 1
AsylbLG keinen Anspruch auf Leistungen nach dem
AsylbLG mehr, weil ihm bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, nämlich von Italien, internationaler Schutz
gewährt worden sei und dieser auch fortbestehe. Der Bescheid vom 27. Oktober 2020 ist bestandskräftig und damit gemäß §
77 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) bindend. Er wurde dem Antragsteller ausweislich des vorliegenden Empfangsbekenntnisses am 30. Oktober 2020 zugestellt, ohne
dass dieser hiergegen innerhalb der Monatsfrist aus §
84 Abs.
1 Satz 1
SGG Widerspruch einlegte. Der Bescheid vom 27. Oktober 2020 kann somit ausschließlich gemäß §
9 Abs.
4 Satz 1 Nr.
1 AsylbLG in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zurückgenommen werden. Den diesbezüglich mit einem Schreiben des Antragstellers vom 29. Dezember 2020 gestellten Überprüfungsantrag
hat der Antragsgegner mit einem Bescheid vom 2. Juni 2021 unter Beibehaltung seiner Rechtsauffassung abgelehnt.
Der Antragsteller hat entgegen §
86b Abs.
2 Satz 2 und Satz 4 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) in Verbindung mit §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) keinen Anordnungsanspruch mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft
gemacht.
Die Voraussetzung eines Anordnungsanspruches aus §
9 Abs.
4 Satz 1 Nr.
1 AsylbLG in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind nicht erfüllt. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, soweit sich im Einzelfall ergibt,
dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig
erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, mit Wirkung
für die Vergangenheit zurückzunehmen.
An einen im Rahmen eines laufenden Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind besonders strenge Anforderungen hinsichtlich der Glaubhaftmachung
des Anordnungsgrundes und des Anordnungsanspruches zu stellen. Soll ein bestandskräftiger Bescheid in einem solchen Verfahren
zurückgenommen werden, so ist es dem Antragsteller im Regelfall zuzumuten, die Entscheidung im Verwaltungsverfahren und erforderlichenfalls
in einem anschießenden gerichtlichen Hauptsachverfahren abzuwarten (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. April
2011, L 5 AS 342/10 B ER, Rn. 19; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Mai 2013, L 19 AS 638/13 B ER, Rn. 12; hier und nachfolgend zitiert nach JURIS). Zur Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes ist es in diesem Fall
erforderlich, dass massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse
dargelegt werden (Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 14. September 2011, L 10 AL 434/10 ER, Rn. 33). Darüber hinaus kann eine einstweilige Anordnung in derartigen Fällen nur ergehen, wenn die Rechtswidrigkeit
des bestandskräftigen Bescheids offensichtlich ist (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 8. November 2019, L 20 KR 479/19 B ER, Rn 32; Beschluss vom 11. September 2015, L 16 AS 510/15 B ER, Rn. 21; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. November 2013, L 9 KR 254/13 B ER, Rn. 4). Der Überprüfungsantrag muss somit offenkundige Erfolgsaussichten haben (Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss
vom 25. Februar 2020, L 8 AS 1422/19 B ER, Rn. 32; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 8. Oktober 2019, L 20 KR 479/19 B ER, Rn. 35).
Der Bescheid vom 27. Oktober 2020 ist nicht offensichtlich rechtswidrig. Er beruht auf §
9 Abs.
4 Satz 1 Nr.
1 AsylbLG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem
Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung
gegenüber dem vorangegangenen Änderungsbescheid vom 29. August 2019 ist hier dadurch eingetreten, dass der wiederholte Asylantrag
des Antragstellers mit einem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2. Oktober 2019 als unzulässig abgelehnt
wurde. Der Antragsteller unterliegt dem Leistungsausschluss nach §
1 Abs.
4 Satz 1
AsylbLG in der seit dem 21. August 2019 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom
15. August 2019 (BGBl. I S. 1294). Er hat gemäß §
1 Abs.
4 Satz 2
AsylbLG nur noch einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen.
Nach §
1 Abs.
4 Satz 1
AsylbLG haben vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder
von einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von §
1a Abs.
4 Satz 1
AsylbLG internationaler Schutz gewährt worden ist, keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz, wenn der internationale Schutz
fortbesteht.
Der Antragsteller ist vollziehbar ausreisepflichtig. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte mit dem Bescheid
vom 2. Oktober 2019 fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorliegen. Zudem forderte es den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen, und
verfügte, dass der Antragsteller nach Italien abgeschoben wird, falls er die Ausreisepflicht nicht einhalten sollte. Der Bescheid
vom 2. Oktober 2019 ist bestandskräftig, da der Antragsteller hiergegen keinen Widerspruch einlegte. Seinen Antrag auf Wiederaufgreifen
des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einem Bescheid vom 11. Mai 2021 abgelehnt. Daher ist weiterhin von der
vollziehbaren Ausreisepflicht des Antragstellers auszugehen. Dem Bescheid vom 2. Oktober 2019 kommt in dieser Hinsicht eine
Tatbestandswirkung zu (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 27. Februar 2019, B 7 AY 1/17 R, Rn. 26).
Soweit bezüglich der Regelung des §
1a Abs.
4 AsylbLG vertreten wird, dass auch ein pflichtwidriges Verhalten des Leistungsberechtigten vorliegen müsse (Bayerisches Landessozialgericht,
Beschluss vom 17. September 2018, L 8 AY 13/18 B ER, Rn. 28 ff.), und soweit dieser Gedanke auf §
1 Abs.
4 AsylbLG übertragbar ist (vgl. hierzu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 07/2021, §
1 AsylbLG, Rn. 180, 50f.), genügt der Bescheid vom 27. Oktober 2020 diesem Erfordernis. Ein pflichtwidriges Verhalten des Antragstellers
liegt darin, dass er der ihm bekannten Ausreisepflicht nicht nachgekommen ist (vgl. a. a. O., Rn. 35). Der Antragsteller kann
sich diesbezüglich nicht auf eine Unzumutbarkeit der Ausreise wegen der Begleiterscheinungen von COVID-19 in Italien berufen.
Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in dessen Bescheid
vom 11. Mai 2021.
Dem Antragsteller wurde zudem von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, nämlich von Italien, internationaler
Schutz gewährt, der auch fortbesteht. Der Antragsteller gab im Asylverfahren ausweislich der Niederschrift über die Anhörung
zur Zulässigkeit des Asylantrages vom 25. April 2019 an, er habe in Italien im Jahre 2008 einen dreijährigen Aufenthaltstitel
bekommen, der in den Jahren 2011 und 2018 um jeweils fünf Jahre verlängert worden sei. Der Antragsgegner durfte daher von
einem fortbestehenden internationalen Schutz des Antragstellers in Italien ausgehen. Für eine Aufhebung oder Änderung dieses
italienischen Aufenthaltstitels – etwa wegen der Ausreise des Antragstellers nach Deutschland – bestehen keine konkreten Anhaltspunkte.
Ein solcher Sachverhalt ist auch nicht von dem Antragsteller geltend gemacht worden.
Lagen somit die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses vor, waren dem Antragsteller grundsätzlich gemäß §
1 Abs.
4 Satz 2
AsylbLG bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von zwei Wochen, nur eingeschränkte Hilfen zu gewähren, um den Zeitraum
bis zur Ausreise zu überbrücken. Dementsprechend wurde von dem Antragsgegner auch gemäß §
1 Abs.
4 Satz 4 und Satz 5
AsylbLG zutreffend verfügt, dass die Überbrückungsleistungen die Leistungen nach §
1a Abs.
1 AsylbLG sowie nach §
4 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
2 AsylbLG umfassen und als Sachleistung erbracht werden. Dass die Überbrückungsleistungen im Hinblick auf COVID-19 und die Jahreszeit
gemäß §
1 Abs.
4 Satz 6 Halbsatz 2
AsylbLG über den Zeitraum von zwei Wochen hinaus unbefristet gewährt wurden, stellt für den Antragsteller keine Beschwer dar.
Der Bescheid vom 27. Oktober 2020 ist entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht mangels Befristung nach §
14 Abs.
1 AsylbLG offensichtlich rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift sind zwar die Anspruchseinschränkungen nach dem
AsylbLG auf sechs Monate zu befristen. Diese Regelung betrifft jedoch lediglich Anspruchseinschränkungen nach §
1a AsylbLG, die auf einer Pflichtverletzung des Leistungsberechtigten beruhen (vgl. §
14 Abs.
2 AsylbLG und BT-Drucksache 18/6185, S. 47 f.). Sie ist somit nicht auf den Anspruchsausschluss nach §
1 Abs.
4 Satz 1
AsylbLG und die damit einhergehenden Überbrückungsleistungen nach §
1 Abs.
4 Satz 2
AsylbLG anwendbar, die ohnehin schon kraft Gesetzes grundsätzlich befristet sind.
Dass der Antragsgegner seinen früheren Bewilligungsbescheid vom 26. April 2019 und den Änderungsbescheid vom 29. August 2019
nicht ausdrücklich aufgehoben hat, ist unschädlich. Denn der Bescheid vom 27. Oktober 2020 ist jedenfalls als konkludente
Aufhebung dieser Bescheide zu verstehen. Der Maßstab der Auslegung ist dabei der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten,
der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen
hat. Ausschlaggebend ist der objektive Sinngehalt der Erklärung nach dem objektivierten Empfängerverständnis. Zur Bestimmung
des objektiven Regelungsgehalts eines Verwaltungsakts kommt es darauf an, wie Adressaten und Drittbetroffene ihn nach Treu
und Glauben verstehen mussten oder durften, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen (Bundessozialgericht, Urteil vom
16. März 2021, B 2 U 7/19 R, Rn. 13; Urteil vom 25. Oktober 2017, B 14 AS 9/17 R, Rn. 22 ff.; Urteil vom 8. November 2007, B 9/9a V 1/06 R, Rn. 22; Urteil vom 14. August 1996, 13 RJ 9/95, Rn. 38). Nach diesen Maßgaben konnte der Bescheid vom 27. Oktober 2020 nur so verstanden werden, dass die früheren Bescheide
aufgehoben werden sollten. Das ergibt sich bereits daraus, dass es in den Verfügungssätzen des Bescheides ausdrücklich heißt,
dass der Antragsteller keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach dem
AsylbLG hat und dass ab dem 29. Oktober 2020 „nur noch eingeschränkte Leistungen gewährt“ werden, um den Zeitraum bis zur Ausreise
zu überbrücken. Damit wurde hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass den früheren Bescheiden mit Wirkung ab dem 29.
Oktober 2020 die Gültigkeit genommen werden sollte.
Die Regelungen des §
1 Abs.
4 AsylbLG sind auch nicht verfassungswidrig. Die hinsichtlich der Leistungshöhe vergleichbare Leistungseinschränkung nach §
1a Nr. 2
AsylbLG in der bis zum 28. Februar 2015 geltenden Fassung (a. F.) vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2505), wonach Leistungsberechtigte, bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen
werden konnten, Leistungen nach dem
AsylbLG nur erhielten, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten war, hat das Bundessozialgericht als verfassungsgemäß
angesehen, weil danach auch Leistungen zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums nach dem jeweiligen Einzelfall nicht
von vornherein ausgeschlossen waren (Urteil vom 12. Mai 2017, B 7 AY 1/16 R, Rn. 35). Das Bundesverfassungsgericht hat §
1a Nr. 2
AsylbLG a. F. in dieser Auslegung gleichfalls für grundgesetzkonform gehalten (Beschluss vom 12. Mai 2021, 1 BvR 2682/17, Rn. 19). Bei den hier streitigen Überbrückungsleistungen ist eine Deckung des soziokulturellen Existenzminimums nach dem
jeweiligen Einzelfall ebenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Das folgt aus §
1 Abs.
4 Satz 6 Halbsatz 1
AsylbLG, wonach den Leistungsberechtigten, soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, zur Überwindung einer besonderen
Härte andere Leistungen nach den §§
3,
4 und
6 AsylbLG gewährt werden. Den Regelungen des §
1 Abs.
4 AsylbLG steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, dass migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen
an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich
eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und
soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen können (Beschluss vom 12. Mai 2021, 1 BvR 2682/17, Rn. 17; Urteil vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10, Rn. 95). Solche migrationspolitischen Erwägungen liegen den Regelungen des §
1 Abs.
4 AsylbLG nicht zugrunde. Der Gesetzgeber hat vielmehr ausweislich der Gesetzesbegründung in nicht zu beanstandender Weise angenommen,
dass es sich bei dem betroffenen Personenkreis grundsätzlich um Ausländer handelt, bei denen typisierendend davon auszugehen
ist, dass sie erst vor sehr kurzer Zeit nach Deutschland eingereist sind, und dass daher die Annahme gerechtfertigt ist, dass
es für sie im Regelfall mit keinem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist, Deutschland kurzfristig wieder zu verlassen
und in das Land zurückzukehren, durch das ihnen internationaler Schutz gewährt worden ist, solange dieser Schutz fortbesteht
(BT-Drucksache 19/10047, S. 50 f.).
Dementsprechend war auch die Anwendung des §
1 Abs.
4 AsylbLG in dem Bescheid vom 27. Oktober 2020 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Antragsgegner hat in der Begründung
des Bescheides ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zur Überwindung besonderer Härten auch weitere Leistungen gewährt werden
und dass besonderen Umstände unverzüglich angezeigt werden müssen. Im Übrigen sind dem Antragsteller hier tatsächlich auch
schon solche weiteren Leistungen gewährt worden.
Dem Antragsteller ist gleichwohl für das Beschwerdeverfahren gemäß §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit den §§
114 ff.
ZPO antragsgemäß Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmungen unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin zu gewähren.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss kann gemäß §
177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.