Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers vom 5. Juli 2022 gegen den ihm am 1. Juni 2022 an seinem Wohnsitz in Polen zugestellten
Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Mai 2022 hat keinen Erfolg. Der Senat kann offenlassen, ob die Beschwerde
bereits wegen Fristversäumnisses unzulässig ist. Denn sie ist jedenfalls unbegründet.
Die Frist zur Einlegung der vorliegend nach §
172 Abs.
1 SGG statthaften Beschwerde beträgt gemäß §
173 SGG einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung. Umstritten ist, ob diese Frist auch im Falle der Bekanntgabe eines Beschlusses
im Ausland gilt (so Wahrendorf in beck-online, Hrsg. Roos/Wahrendorf/Müller, Stand: 1. Mai 2022, §
173 Rn. 6; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG 13. Auflage 2020, §
173 Rn. 5; Karl in jurisPK-
SGG Stand: 15. Juni 2022, §
173 Rn. 37, 39; a.A. Breitkreuz/Fichte/Böttiger Rn. 5; Böttiger in Fichte/Jüttner,
SGG, 3. Auflage 2020 Rn. 5; zur alten Gesetzesfassung LSG Niedersachsen, Beschluss vom 19. November 1990 – L 7 Ar 414/90 – juris).
Für eine analoge Anwendung des §
87 Abs.
1 Satz 2
SGG, wonach die Klagefrist drei Monaten bei Bekanntgabe des Verwaltungsakts bzw. Widerspruchsbescheides (vgl. Absatz 2) im Ausland
beträgt, ist indes kein Raum. Der Gesetzgeber des Sechsten Gesetzes zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 2144) hat zwar die Vorschrift des §
87 Abs.
1 SGG neu gefasst, indem er den Wortlaut des vormaligen Satzes 2 ausweislich der Gesetzesbegründung redaktionell insofern angepasst
hat, als fortan nur noch die Bekanntgabe statt auch die Zustellung im Ausland geregelt wurde (vgl. BT-Drs. 14/5943 S. 26).
Trotz Einfügung eines Satz 1 in §
173 SGG wurde diese Vorschrift dagegen weder im Zuge dieser Gesetzesänderung noch nachfolgend durch das Gesetz zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444), mit dem u.a. die Sätze 3 und 4 in §
87 Abs.
1 SGG eingefügt wurden, entsprechend geändert. Ein die analoge Anwendung des §
87 Abs.
1 Satz 2
SGG im Wege der Auslegung rechtfertigender Wille des Gesetzgebers, der in der Norm nur nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen
wäre und dem gegebenenfalls Rechnung getragen werden müsste, ist nicht erkennbar (vgl. BSG, Urteil vom Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 19/18 R – juris Rn. 25 f. zur Auslegung von §
8 Abs.
2 Nr.
2 a SGB VII sowie BSG, Urteil vom 6. Oktober 1977 – 9 RV 22/77 – juris Rn. 11 f. zur analogen Anwendung des §
87 Abs.
1 Satz 2 gemäß §
153 Abs.
1 SGG für die Berufungs- bzw. kraft der weiteren Verweisung des §
165 SGG für die Revisionsfrist). Eine Auslegung contra legem würde hiernach eine methodisch unzulässige richterliche Rechtsfindung
darstellen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 – 7 C 21/12 – juris Rn. 36).
Das Sozialgericht hat den Antragsteller mit der dem angefochtenen Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung über die Geltung
der Monatsfrist informiert. Diese lief nach Zustellung des Beschlusses am 1. Juni 2022 an den Antragsteller gemäß §
64 Abs.
1 und
2 SGG am 1. Juli 2022 ab. Da der Poststempel auf dem Briefumschlag seiner Beschwerdeschrift vom 30. Juni 2022 das Datum 1. Juli
2022 ausweist, konnte der Antragsteller nicht damit rechnen, dass seine Beschwerdeschrift vom 30. Juni 2022 noch am 1. Juli
2022, einem Freitag, unter der von ihm zutreffend angegebenen Adresse des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg eingehen
würde.
Offenbleiben kann, ob dem Antragsteller aus bisher nicht ersichtlichen, geschweige denn glaubhaft gemachten Gründen Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gemäß §
67 SGG zu gewähren sein könnte. Denn die Beschwerde ist jedenfalls in der Sache nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag
des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG zu Recht und mit zutreffenden Gründen, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen verweist, zurückgewiesen (vgl.
§
142 Abs.
2 Satz 3
SGG).
Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerde seinen Antrag dahingehend präzisiert hat, dass er Krankengeld für die Zeit
vom 12. Juli 2021 bis zum 21. Juni 2022 begehre, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass es für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung neben den vom Sozialgericht dargestellten Gründen auch am erforderlichen Anordnungsgrund im Sinne einer Eilbedürftigkeit
fehlt. Denn vorläufige Leistungen sind grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senats zu gewähren, weil die
erforderliche besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung regelmäßig nur für die Befriedigung eines gegenwärtigen
bis zukünftigen Bedarfs gegeben ist, nicht dagegen für die Vergangenheit (vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 22. Juni 2021 - L 9 KR 180/21 B ER - juris m.w.N. zum sog. „Gegenwärtigkeitsprinzip“).
Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerde ferner unter Vorlage einer Bescheinigung seines behandelnden Facharztes für
Orthopädie und Traumatologie G vom 28. Juni 2022 geltend macht, er sei vom 7. Dezember 2019 bis zum 9. Mai 2021 wegen "M65
rechte Hand" krankgeschrieben gewesen und anschließend vom 12. Juli 2021 bis zum 21. Juni 2022 wegen "M77 linker Fuß", ist
hiermit nach der in vorliegenden Verfahren erforderlichen summarischer Prüfung der erforderliche Anordnungsanspruch im Sinne
des materiellen Leistungsanspruchs ebenfalls weiterhin nicht glaubhaft gemacht. Ein Anspruch des in Deutschland auf der Grundlage
des Arbeitsvertrages vom 31. Mai 2021 seit dem 1. Juni 2021 als Kraftfahrer beschäftigten Antragstellers auf Weiterzahlung
von Krankengeld ergibt sich hieraus nicht.
Gemäß §
48 Abs.
1 Satz 1
SGB V wird Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung geleistet, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch
für läng-stens achtundsiebzig Wochen (546 Tage) innerhalb von je drei Jahren gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit.
Dies gilt auch im Hinblick auf den pauschalen Vortrag des Antragstellers, er habe am 12. Juli 2021 einen Motorradunfall erlitten,
bei dem sein Bein beschädigt worden sei. Denn gemäß §
48 Abs.
1 Satz 2
SGB V wird die Leistungsdauer auch dann nicht verlängert, wenn während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzutritt.
Zwar hat der behandelnde Arzt mit seiner Bescheinigung vom 28. Juni 2022 zugleich ausgeführt, die vorstehenden Erkrankungen
der rechten Hand einerseits und des linken Fußes andererseits seien weder dieselben noch ähnliche Erkrankungen, sondern hätten
eine andere Ätiologie. Dies kann aber dahinstehen. Denn wie zurecht vom Sozialgericht ausgeführt worden ist, war der Anspruch
des Antragstellers auf Zahlung von Krankengeld nach § 48 Abs. 1 Satz 1
SGG durch die entsprechende Zahlung in der Zeit vom 2. Dezember 2019 bis zum 9. Mai 2021 seitens der Antragsgegnerin vollständig
erfüllt worden. Für eine neu aufgetretene Erkrankung bestehen dagegen nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen keine nachvollziehbaren
Anhaltspunkte. Die bereits vorliegenden ärztlichen Befundunterlagen desselben Arztes sprechen dagegen. Denn der Arzt G hatte
ausweislich der im Verwaltungsverfahren der Antragsgegnerin vorgelegten und ins Deutsche übersetzten Befundunterlagen schon
am 27. Oktober 2020 zur Begründung der Arbeitsunfähigkeit angegeben, dieser leide unter Schmerzen und einer Schwellung des
Sprunggelenks links. In den Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hatte er darüber hinaus angegeben, es läge eine Schmerzlichkeit
der Achillessehne und des Seitenknöchels (17. November 2020), eine Schmerzlichkeit des Seitenknöchels links (am 9. Dezember
2020) und eine Verstärkung des Hinkens (am 22. Dezember 2020) vor. Jeweils hatte er ferner die Krankschreibungen für die Zeiträume
vom 28. Oktober 2020 mit dem Diagnoseschlüssel M65 begründet. Am 12. und 26. Juli 2021 hatte der Arzt dagegen auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
keinen Diagnoseschlüssel angegeben, sondern erst ab dem 18. August 2021 den Diagnoseschlüssel M77 (sonstige Enthesopathie)
handschriftlich ergänzt. Hierunter fällt indes auch der sogenannte Kalkaneussporn (M77.3), für dessen Vorliegen bereits innerhalb
des Laufs der früheren Blockfrist die Angaben im Befundbericht vom 12. Januar 2021 sprechen, wonach beim Antragsteller therapeutisch
der Schuh unter der Ferse auszupolstern sei. Bei dieser Sachlage ist ein Übersetzungsfehler auszuschließen. Anhaltspunkte
für ein äußeres Trauma oder einen Unfall ergeben sich nicht. Darauf, dass der Antragsteller jedenfalls im Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit
bis 14. Juli 2020 maßgeblich unter Hand- und Fingerproblemen litt, kommt es hiernach angesichts der schon im Oktober 2020
jedenfalls hinzugetretenen Erkrankung im Bereich des linken Fußes nicht an. Die nunmehr erfolgte Bescheinigung des Arztes,
wonach der Antragsteller bis zum 9. Mai 2021 wegen "M65 rechte Hand krankgeschrieben" gewesen sei, indes erst ab dem 12. Juli
2021 wegen einer Erkrankung des linken Fußes, ist nach Vorstehendem bereits im Ansatz nicht nachvollziehbar und plausibel,
sondern widerspricht den von ihm im Verwaltungsverfahren übersandten Befundunterlagen. Bei dieser Sachlage sah sich der Senat
im vorliegenden einstweiligen Anordnungsverfahren nicht gedrängt, weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen (vgl.
§
103 SGG).
Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten (§
193 SGG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).