Sozialversicherungsbeitragspflicht von Kurierfahrern
Eingliederung in einen Betrieb und Weisungsabhängigkeit
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom März 2010 bis Mai 2011 sowie
die Festsetzung von Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 8.172,80 Euro wegen einer Tätigkeit der beiden Beigeladenen zu
4) und 5) für den Kläger.
Der Kläger betrieb als Einzelunternehmer ein als selbständiges Gewerbe der "Frachtvermittlung" in der Zeit vom 10. Dezember
2007 bis zum 15. Oktober 2012 angemeldetes Unternehmen (bei der Bundesagentur für Arbeit ist eine Stilllegung erst für den
am 7. Oktober 2013 gespeichert). Für das Jahr 2010 erzielte der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 14.270 Euro,
für 2011 erfolgte eine Mitteilung über Umsatzsteuer in Höhe von 3.163,40 Euro. Der Kläger hat ab dem 1. August 2012 einen
neuen Gewerbebetrieb mit der Tätigkeit "Servicefahrer, gewerblicher Güterverkehr "F-R T H GbR" (GbR mit Herrn D) angemeldet.
Der Kläger hatte mit F, einem Kurierdienst-Unternehmen, das national und weltweit Kurierdienste erbringt, einen sog. Unternehmervertrag
geschlossen. F beauftragt nach eigener Darstellung selbständige Transportunternehmern, die über ein eigenes Kraftfahrzeug
verfügen, mit Kurierdiensten. Dazu wirbt das Unternehmen auch mit einer "Unterstützung beim Start in die Selbständigkeit"
sowie "Hilfe bei der Fahrzeugbeschaffung" (https://www.flexpress-kurierdienst.de/jobs-kurierfahrer/). Der Kläger erhielt auf
der Grundlage seines Unternehmervertrags von F eine sog. "Fahrernummer" (konkret Nr. 2266). Er war damit berechtigt, einzelne
Fahraufträge, die F auf der Firmenplattform angeboten hat, zu übernehmen und unter der Fahrernummer gegenüber F abzurechnen.
F rechnete seinerseits in sog. monatlichen Fahrergutschriften dem Kläger gegenüber einerseits die Summe der Einzelvergütungen
für die einzelnen Fahrten (beginnend ab 5,00 Euro pro Fahrt) ab. Es brachte dabei seinerseits sog. eigene Leistungen in Rechnung
und setzte diese von der Fahrervergütung ab, so für Funkmiete, Tankkosten, eine prozentuale Provision, Verwaltung, eine Bearbeitungsgebühr
sowie vereinzelt einen Schadensposten (z.B. für einen Transportschaden), in manchen Monaten auch eine Fahrzeugmiete für einen
Peugeot sowie in 12/2011 eine "Schlussrate" für das KfZ Renault B-. Die Fahrergutschriften wiesen so jeweils als Saldo eine
Vergütung für den Kläger aus.
Die Beigeladenen zu 4) und 5) absolvierten zwischen März 2010 und April 2011 verschiedene Kurierfahrten für Kunden der Firma
F unter der Fahrernummer des Klägers und stellten diesem hierfür - teilweise monatlich - Rechnungen aus. Schriftliche Verträge
für die Aufträge und Fahrten schloss der Kläger mit den Beigeladenen zu 4) und 5) nicht ab. Der Firma F gegenüber stellten
die Beigeladenen zu 4) und 5) keine Abrechnungen für die durchgeführten Fahrten aus, demgemäß erhielten sie auch keine Fahrergutschriften.
Der Beigeladene zu 5) hatte ab dem 21. Oktober 2010 ein selbständiges Gewerbe "Kurierdienst" angemeldet. Er gab gegenüber
der Beklagten zu den Umständen der Fahrten für den Kläger an: Er sei selbstständiger Kurierfahrer gewesen. Er sei in dem Zeitraum
für keinen anderen Auftraggeber tätig gewesen und in einem vorherigen Zeitraum auch nicht. Er habe keine eigenen Geschäfts-
und Betriebsräume und kein häusliches Arbeitszimmer unterhalten und keine Mitarbeiter beschäftigt. Er habe die Aufträge persönlich
ausgeführt. Er habe zum Teil einen Transporter sowie den Kraftstoff ("Diesel") vom Kläger kostenlos zur Verfügung gestellt
bekommen. Auf einigen Fahrten habe er kostenlos in einem Wohnwagen, den die Firma des Klägers gestellt habe, übernachtet.
Er habe keinen eigenen Kundenstamm und die Preise nicht selbst gestalten können, er habe die Dienstleistungen im Namen und
auf Rechnung des Klägers erbracht. Die Vergütung sei pauschal pro Auftrag erfolgt. Die Aufträge habe er vom Kläger, nicht
von F erhalten (so die Antwort unter der E-Mail Anschrift seiner Mutter s-b@t-online.de im Widerspruchsverfahren).
Der Beigeladene zu 4) teilte im Verwaltungsverfahren mit, er sei in der streitigen Zeit bereits nicht mehr als selbständiger
Kurierfahrer tätig gewesen. Er übersandte insgesamt vier Rechnungen, in denen er unter der Firma "S.K. T" für "Di Kurierfahrten"
monatlich einen Nettobetrag und Mehrwertsteuer der Firma des Klägers gegenüber in Rechnung stellte. Die Beigeladenen zu 4)
und 5) rechneten die Fahrleistungen gegenüber dem Kläger wie folgt ab:
Beigeladener zu 4):
Rechnung-Nr.
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Monat
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Entgelt (Euro)
|
Bl.
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3101/R01
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18.-31.März 2010
|
985,- netto (1.172,25)
|
26 VA
|
0604/R01
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April 2010
|
900,- netto (1.071)
|
26 R VA
|
2205/R01
|
Mai 2010
|
1.000,-netto (1.190)
|
27 VA
|
1606/R01
|
Juni 2010
|
1.000,-netto (1.190)
|
27 R VA
|
Beigeladener zu 5):
Rechnung-Nr.
|
Monat
|
Entgelt (Euro)
|
Bl.
|
1810/R01
|
Oktober 2010
|
900,-
|
10 VA
|
2510/R01
|
Oktober 2010
|
500,-
|
10 R VA
|
0811/R01
|
Nov. 2010
|
300,-
|
11VA
|
2211/R01
|
Nov. 2010
|
400,-
|
11 R VA
|
2911/R01
|
Nov. 2010
|
650,-
|
12 VA
|
0912/R01
|
Nov. 2010
|
625,-
|
12 R VA
|
2012/R01
|
Nov. 2010
|
500,-
|
13 VA
|
3012/R01
|
Nov. 2010
|
795,-
|
13 R VA
|
R0062010
|
Dez. 2010
|
625,
|
21 VA
|
R0072010
|
Dez. 2010
|
500,
|
21 VA
|
R0062010
|
Dez. 2010
|
625,-
|
78 VA
|
01/R01
|
Januar 2011
|
1.200,-
|
14 VA
|
02/R01
|
Februar 2011
|
1.200,-
|
14 R VA
|
02/R01
|
Februar 2011
|
600
|
76 VA
|
03/R01
|
März 2011
|
1.200,-
|
15 VA
|
04/R01
|
April 2011
|
1.200,-
|
15 R VA
|
R01
|
Mai 2011
|
400,-
|
19
|
R01
|
Mai 2011
|
780,-
|
19
|
Der Kläger verbuchte die Zahlungen an die Beigeladenen zu 4) und 5) als Fremdleistungen. Konkret buchte er für den Beigeladenen
zu 4) in der streitigen Zeit (März 2010 bis Juni 2010) Fremdleistungen in Höhe von 3.585,09 Euro und für den Beigeladenen
zu 5) im Zeitraum vom 18. Oktober 2010 bis zum 30. Dezember 2010 4.730 Euro, für Februar 2011 bis zum 2. Mai 2011 4.800 Euro.
Im Ergebnis einer Betriebsprüfung bei dem Kläger setzte die Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 20. Januar
2015 für den Zeitraum 1. März 2010 bis zum 31. Juli 2011 eine Nachforderung in Höhe von 8.172,80 Euro fest. Darin enthalten
waren Säumniszuschläge in Höhe von 2.577,50 Euro. Zur Begründung führte sie aus: Der Beigeladene zu 4) sei in der Zeit vom
1. März 2010 bis zum 30. Juni 2010, der Beigeladene zu 5) in der Zeit vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. Mai 2011 im Rahmen eines
abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für den Kläger tätig gewesen. Es bestehe Versicherungspflicht in allen Zweigen der
Sozialversicherung sowie die Pflicht zur Tragung von Umlagebeiträgen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und die Insolvenzgeldumlage. Die Beklagte legte zur Beitragsnachberechnung die unter dem Konto "Fremdleistungen" gebuchten
Zahlungen zugrunde.
Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er geltend machte, dass die Beigeladenen zu 4) und 5) keinerlei Weisungen hinsichtlich
Ort, Zeit und der Abfolge der aufzusuchenden Kunden erhalten hätten. Darüber hinaus sei der Beigeladene zu 5) nur als Kurierfahrer
für die Firma F tätig gewesen. Er habe über die Disposition dieser Firma verschiedene Aufträge erhalten, welche letztlich
nur über den Kläger abgerechnet worden seien. Der Beigeladene zu 5) sei zum damaligen Zeitpunkt am Beginn seiner selbständigen
Tätigkeit gewesen. Außerdem habe ihm der Kläger für die Fahrten kein Fahrzeug zur Verfügung gestellt, vielmehr habe er das
Fahrzeug über die Firma F zur Verfügung gestellt erhalten. Hinsichtlich des Beigeladenen zu 4) verhalte es sich ähnlich. Auch
dieser hätte ein entsprechendes Gewerbe angemeldet und sei nicht mit dem Fahrzeug des Klägers gefahren.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2015 zurück. Der Kläger hat dagegen Klage zum Sozialgericht
Cottbus erhoben. Die Fahrten seien für die Firma F erfolgt und lediglich in Zuordnung zum Kläger abgerechnet worden. Die Beigeladenen
zu 4) und 5) hätten lediglich vermittelt durch den Kläger von der Firma F Fahraufträge erhalten. Der Beigeladene zu 5) habe
selbst über die Firma F ein Fahrzeug angemietet bzw. von dieser zur Verfügung gestellt erhalten. Es sei ihm jederzeit möglich
gewesen, einen Dritten mit der Fahrt zu beauftragen.
Mit Urteil vom 4. Juli 2017 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat
es ausgeführt, die Feststellung der Beklagten begegne nach der "Hörung" der Beigeladenen zu 4) und 5) sowie des Klägers erheblichen
Bedenken. Der Kläger sei nicht selber als Selbstständiger tätig. Er sei vielmehr abhängig Beschäftigter der Firma T, daher
könne er nicht Arbeitgeber der Beigeladenen zu 4) und 5) sein.
Gegen das ihr am 4. August 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. August 2017 Berufung eingelegt. Der Beigeladene
zu 5) habe Kurierdienstfahrten mit einem Sprinter des Klägers bzw. dessen Firma absolviert und für diese Fahrten Rechnungen
an den Kläger geschrieben. Seine Weisungsgebundenheit ergebe sich daraus, dass der Kläger ihm die aufzusuchenden Kunden vorgegeben
habe. Er sei an konkrete Arbeitszeiten durch den Kläger nur deshalb nicht gebunden gewesen, weil diese letztlich durch die
Kunden bestimmt worden seien. Er habe keine eigenen Geschäfts- oder Betriebsräume unterhalten und keine entsprechenden Kosten
in der Gewinnermittlung ausgewiesen. Aus der Gewinnermittlung ergebe sich, dass der überwiegende Teil der Fahrzeugkosten,
nämlich der Treibstoff, durch den Kläger ersetzt worden sei. Darüber hinaus gehe aus den Unterlagen hervor, dass der Beigeladene
zu 5) im Bedarfsfall Übernachtungsmöglichkeiten durch den Kläger zur Verfügung gestellt bekommen habe. Die Kurierfahrten seien
ausschließlich im Namen und auf Rechnung der Firma des Klägers erbracht worden. Der Beigeladene zu 5) habe für die Fahrten
kein eigenes Kapital einsetzen müssen, es habe kein Unternehmerrisiko bestanden. Er sei in der streitigen Zeit ausschließlich
für den Kläger bzw. dessen Firma tätig gewesen. Außerdem habe er kein eigenes Personal beschäftigt. Für den Beigeladenen zu
4) gelte im Prinzip nichts anderes.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 4. Juli 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 4) und 5) hätten gemeinsam mit ihm im Auftrage der Firma F für diese Transportarbeiten erbracht und hätten
sich dazu im Raum B am Sitz dieser Firma aufgehalten. Während der Beigeladene zu 4) ein Fahrzeug genutzt habe, welches er
sich von einem Bekannten geliehen habe, habe der Beigeladene zu 5) ein Fahrzeug von der Firma F gemietet und die Kosten hierfür
seien mit dem von ihm erarbeiteten Geld verrechnet worden. Alle drei hätten etwa die gleiche Stellung gehabt, auf Zuruf bzw.
Vermittlung des Dispatchers der Firma F sei man Touren gefahren. Der Kläger habe lediglich die Beigeladenen zu 4) und 5) in
diese Firma hineingebracht, die sodann selbst die einzelnen Touren mit der Firma ausgehandelt hätten.
Der Kläger und der Beigeladene zu 5) tragen im Berufungsverfahren des weiteren übereinstimmend vor:
Die Beigeladenen zu 4) und 5) seien jeweils unter der Abrechnungsnummer, die der Kläger von F erhalten habe, gefahren. F habe
auf einer (Internet-) Plattform jeweils einen Auftrag eingestellt und dafür einen entsprechenden Kurierfahrer gesucht. Die
Beigeladenen zu 4) und 5) hätten dann die Aufträge übernommen. Teilweise sei die Auftragszuteilung aber auch gegenüber dem
Beigeladenen zu 5) per Telefon von der Firma F erfolgt. Sie hätten damit Transportaufträge erfüllt, die die Firma F ihrerseits
gegenüber Kunden übernommen hätte. Die Beigeladenen zu 4) und 5) hätten Waren direkt von Kunden abgeholt und zu Kunden gebracht.
Sie führten dazu eine Auftragsbestätigung mit sich, die vom jeweiligen Kunden gegenzuzeichnen gewesen sei. Die Auftragsbestätigung
habe die Beigeladenen zu 4) und 5) nicht (als Auftragnehmer) ausgewiesen, allerdings sei eine sog. Tournummer vermerkt, die
die Firma F zugewiesen habe. Diese Tournummer sei auf der Abrechnung erschienen, welche der Kläger mit der Firma F durchgeführt
habe. Diese Tournummer sei zwar ohne Abrechnungsnummer vergeben worden, sie hätte aber den jeweiligen Fahrer ausgewiesen.
Da die Beigeladenen zu 4) und 5) (noch) keine Abrechnungsnummer bei Fl gehabt hätten, hätten sie ihre Rechnungen an den Kläger
gestellt und dieser habe dann seinerseits mit F abgerechnet. Er allein habe mit der Firma F einen "Unternehmervertrag" geschlossen.
Der Kläger habe die ihm von F ausgestellten Gutschriften mit den Tournummern verglichen. Ausgehend von diesen hätten dann
die Beigeladenen zu 4) und 5) ihrerseits die Rechnungen gegenüber dem Kläger ausgestellt. Der Kläger habe den Beigeladenen
zu 4) und 5) keine Bearbeitungsgebühr für die von ihm gegenüber F vorgenommene Abrechnung erhoben. Das Transportfahrzeug hätte
der Beigeladene zu 5) von einem Bekannten oder von F erhalten, auch den Treibstoff habe er selbst getankt. Er habe dazu eine
Tankkarte von F erhalten. Auch der Beigeladene zu 4) habe das entsprechende Kraftfahrzeug von F erhalten. Es habe außerdem
zeitweise die Möglichkeit bestanden, in der Zentrale von F in H in einem dort aufgestellten Wohnwagen kostenlos zu übernachten.
Alle drei Beteiligten seien als Mitarbeiter der Firma F anzusehen. Der Beigeladene zu 5) teilt mit, die Angaben unter der
e-mail-Adresse seiner Mutter im Verwaltungsverfahren (vom 22. Juni 2015) habe er nicht geschrieben.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge. Der Beigeladene zu 4) hat sich (trotz Aufforderung des Senates) im Berufungsverfahren
überhaupt nicht zur Sache geäußert. Der Senat hat am 27. August 2019 und am 16. September 2019 jeweils einen Termin zur Erörterung
durchgeführt. Im Anschluss hat der Kläger die Gewerbeanmeldung sowie den Bescheid über die Einkommenssteuer sowie den Umsatzsteuerbescheid
für 2010 eingereicht. Der Senat hat die Fahrergutschriften für den Kläger von F für 2010/2011 sowie eine Gewerbeauskunft des
Ordnungsamtes/Gewerbeamtes Schenkenländchen beigezogen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs
der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der geheimen Beratung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
I. Der Senat hat über die Berufung im Wege der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung entschieden, weil die Beteiligten zu
diesem Verfahren ihr Einverständnis erklärt haben (§
153 Abs.
1 i.V.m. §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Bescheid über die Betriebsprüfung
und die darin erfolgte Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen auf die Klage des Klägers aufgehoben.
Die kombinierte Anfechtungs- und (echte) Leistungsklage des Klägers (§
54 Abs.
1 i.V.m. §
54 Abs.
5 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 18. August 2015 ist rechtmäßig. Denn die Beigeladenen zu 4) und 5) waren jeweils in ihrer für den Kläger verrichteten
Tätigkeit sozialversicherungspflichtig in allen vier Zweigen der Sozialversicherung. Der Beigeladene zu 4) war von März 2010
bis Juni 2010 und der Beigeladene zu 5) war von Oktober 2010 bis Mai 2011 bei dem Kläger als Arbeitgeber beschäftigt.
1. Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch/Sozialgesetzbuch (
SGB IV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710) für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung
bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag
ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz
1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß §
28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe
in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide
gegenüber den Arbeitgebern.
Diese Befugnis der Beklagten schließt die Rechtsmacht ein, einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu erlassen und damit rechtsgestaltend
im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch/Sozialgesetzbuch (SGB X) in die Rechtssphäre des Arbeitnehmers/Auftragnehmers (hier der Beigeladenen zu 4) und 5) als Drittbetroffene einzugreifen
(zur Befugnis, den an den Arbeitgeber gerichteten Bescheid gegenüber dem Drittbetroffenen bekanntzugeben, BSG, Urteil vom 5. Dezember 2017 - B 12 KR 11/15 R - juris Rn. 25).
2. Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen
Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach §
253 Fünftes Buch/Sozialgesetzbuch (
SGB V), §
174 Abs.
1 Sechstes Buch/Sozialgesetzbuch (
SGB VI) sowie §
60 Abs.
1 Satz 2 Elftes Buch/Sozialgesetzbuch (
SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r
SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §
1 Abs.
1 Satz 2
SGB IV, §
348 Abs.
2 SGB III auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach §
28e Abs.
1 Satz 1
SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach §
28d Satz 1
SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden
sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach
der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung
für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§
28d Satz 2
SGB IV).
3. Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V, in der Rentenversicherung nach §
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB III und in der Pflegeversicherung nach §
20 Abs.
1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr.
1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers.
a) Die Beigeladenen zu 4) und 5) waren bei dem Kläger in der streitigen Zeit gegen Entgelt beschäftigt (§
7 Abs.
1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), welcher der Senat folgt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist.
Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist
und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber
ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte,
die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets
das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den Vereinbarungen und tatsächlichen Verhältnissen, zu denen
die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung
erlauben (BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 KR 21/07 R, Rn. 15 - Transportfahrer). Ausgehend davon weist das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 4) und
5) nur vereinzelt Elemente einer selbständigen Tätigkeit auf, insgesamt überwiegen jedoch die Merkmale, die jeweils für ein
abhängiges Beschäftigungsverhältnis i.S. des §
7 SGB IV streiten.
Ausgangspunkt ist das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen
worden ist. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus
gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor,
soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich
ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört
daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen
Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert
wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R). Dem Willen der Parteien kommt allerdings nur indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen
Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen
für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R -, BSGE 120, 99-113, Rn. 26).
Gemessen daran haben die Beigeladenen zu 4) und 5) in der streitigen Zeit allein auf der Grundlage jeweils einer mündlichen
Vereinbarung mit dem Kläger einzelne Kurier- und Transportfahrten für ihn unternommen. Sie hatten dagegen keinerlei Verträge
mit F abgeschlossen. Der Kläger fungierte insoweit nicht lediglich als Vermittler zwischen den beiden Beigeladenen und F.
Die Beigeladenen zu 4) und 5) haben vielmehr Aufträge übernommen und ausgeführt, für die der Kläger im Verhältnis zu F als
Auftragnehmer verantwortlich war. Allein er haftete gegenüber F für die ordnungsgemäße Durchführung der Fahrten und Transportdienstleistungen.
Die Beigeladenen zu 4) und 5) setzte er dabei als Erfüllungsgehilfen und nicht als (selbständige) Sub-Unternehmer ein.
aa) Für die alleinige Unternehmerschaft des Klägers im Verhältnis zu F sprechen bereits die Umstände der Leistungserbringung
und die ersten Angaben des Beigeladenen zu 5) gegenüber der Beklagten. So hat nur der Kläger allein einen Unternehmervertrag
mit F geschlossen und eine "Fahrernummer" zugeteilt erhalten hatte, über die er mit F die Fahrten abrechnen konnte. Die Beigeladenen
zu 4) und 5) haben hingegen keinen Unternehmervertrag geschlossen und keine eigene Fahrernummer erhalten. Sie haben die Fahrten
unter der Fahrernummer des Klägers, damit nach außen für ihn erbracht. Das ergibt sich einerseits aus der Auskunft von F,
wonach mit den Beigeladenen zu 4) und 5) keine Verträge bestanden haben und keine Fahrernummer vergeben worden seien. Das
zeigen auch die Fahrergutschriften, adressiert an den Kläger. Diese weisen für den gesamten Zeitraum nur eine einzelne Fahrernummer
auf, unter der die unzähligen, den Abrechnungen zu entnehmenden teilweise als Kleinst-Aufträge (zu 5,00 Euro) abgerechneten
Einzelfahrten aufgelistet sind. Die beiden Beigeladenen zu 4) und 5) werden an keiner Stelle in den Abrechnungen genannt,
weder mit eigener Fahrernummer noch unter speziellen Tour- oder Abrechnungsnummern. Ihre entgegengesetzten Angaben im Erörterungstermin
vor dem Senat sind dadurch widerlegt. Die Beigeladenen zu 4) und 5) haben vielmehr ihrerseits allein dem Kläger gegenüber
Rechnungen erstellt. Unbeachtlich ist, ob diese in ihrer Höhe von der Abrechnung von F abhingen, wie sie der Kläger erhalten
hat oder pauschal eine Vergütung erfolgte, wie im Verwaltungsverfahren vom Beigeladenen zu 5) vorgetragen wurde. Der Kläger
hat in Übereinstimmung mit dem Beigeladenen zu 5) im Termin zur Erörterung angegeben, dass er anhand der Abrechnungen von
F ermittelt hat, welche der ihm von F vergüteten Touren jeweils die Beigeladenen zu 4) und 5) gefahren sind. Erst anhand dieser
Touren und der von F übermittelten Begleitdaten (Einzelvergütung) hätten dann die Beigeladenen zu 4) und 5) ihrerseits ihre
Rechnungen gegenüber dem Kläger erstellt. Allein eine solche interne Aufteilung der vom Kläger erzielten Vergütung ist - so
sie tatsächlich erfolgte - nicht geeignet ein Rechtsverhältnis der Beigeladenen zu 4) und 5) zu F zu begründen. Ohne Bedeutung
ist auch, ob die Beigeladenen zu 4) und 5) - wenigstens teilweise -von F gestellte Fahrzeuge und auch die Tankkarten dieser
Firma für ihre Fahrten genutzt haben. Die Angaben zu den von den Beigeladenen zu 4) und 5) eingesetzten Fahrzeugen sind auch
insoweit widersprüchlich. Aus den umfangreichen Abrechnungen von F gegenüber dem Kläger lässt sich aber ersehen, dass der
Kläger zwischenzeitlich zwei Fahrzeuge zur Verfügung hatte, von denen er das eine von F gemietet hatte und das andere von
diesem Unternehmen vorfinanziert erhielt. Dies ergibt sich aus der Fahrzeugmiete für einen "Peugeot" neben der "Schlussrate"
für ein Fahrzeug "Renault", welche im Dezember 2011 auf der Fahrergutschrift für den Kläger erscheint. Die gleichzeitige Unterhaltung
von mehreren Fahrzeugen durch den Kläger spricht dafür, dass er auch anderen Personen die Fahrzeuge überlassen hat. Der Umstand,
dass die Beigeladenen zu 4) und 5) ihrerseits keine Verträge mit F hatten, zumindest der Beigeladene zu 5) aber behauptet,
mit einem F-Fahrzeug gefahren zu sein und Aufträge von dieser Firma erledigte, legt nahe, dass der Kläger diese Fahrzeuge
gerade den Beigeladenen zu 4) und 5) überlassen hat. Für die Nutzung der F-Tankkarten gilt nichts Anderes. Grundlage dafür,
dass auch die Beigeladenen zu 4) und 5) diese während der Fahrten zur Betankung der Fahrzeuge einsetzten, war allein der Unternehmervertrag
des Klägers. Dies wird durch die Tankkosten bestätigt, die in den Fahrergutschriften (regelmäßig im Umfang von ca. 2.000,00
Euro monatlich) allein ihm gegenüber berechnet wurden.
Der Beigeladene zu 5) hat im Verwaltungsverfahren zudem angegeben, er habe die Leistung im Namen und auf Rechnung des Klägers
erbracht und er habe nur den Kläger als Auftraggeber gehabt (Bl. 17 Verwaltungsakte). Die Firma F erwähnt er an keiner Stelle.
Auf Nachfrage im Widerspruchsverfahren bekräftigte er, die Aufträge nicht von der Firma F, sondern von dem Kläger erhalten
zu haben (Bl. 75 Verwaltungsakte). Der Senat hält diese Angaben für glaubhaft, denn sie erfolgten seinerzeit noch unverstellt
und nicht interessensgeleitet. Soweit sie auch in einer ergänzenden e-mail-Nachricht unter der e-mail-Adresse der Mutter des
Beigeladenen zu 5) erfolgten und dieser sich davon im Erörterungstermin vor dem Senat zu distanzieren versuchte, besteht kein
Zweifel, dass sie auch insoweit vom Beigeladenen zu 5) stammen. Dieser hat die e-mail-Nachricht mit seinem Namen gekennzeichnet.
Die Nachricht antwortet schließlich auf eine schriftliche Anfrage, welche die Beklagte im laufenden Widerspruchsverfahren
an den Beigeladenen zu 5) gerichtet hatte und an deren Ende sie ihm die Möglichkeit eröffnete, auch per E-Mail an eine angegebene
Mailadresse zu antworten. Die Antwort kann also nur von jemand versandt worden sein, der auch das zugehörige, an den Beigeladenen
zu 5) übermittelte Anschreiben erhalten hat. Selbst wenn sie also nicht direkt von dem Beigeladenen getätigt wurden, erfolgten
sie doch zumindest in seinem Auftrag oder mutmaßlich mit seinem Einverständnis an die Beklagte.
bb) Der Kläger war kein bloßer Vermittler der Aufträge, sondern selbst ihr Auftraggeber. Soweit die Beigeladenen zu 4) und
5) ihre Aufträge nicht allein von dem Kläger, sondern direkt über die Internetplattform von F oder auch vom Dispatcher von
F telefonisch erhalten haben, spricht das nicht dagegen. Wird eine vermeintlich selbstständige Tätigkeit im Rahmen weiterer
Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und Dritten erbracht, sind zur Beurteilung, ob und zu wem dadurch ein Beschäftigungsverhältnis
begründet wird, auch diese weiteren Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 12/17 R -, Rn. 33). Maßgebend ist im Fall des Klägers, wozu er sich gegenüber Dritten verpflichtete. Verpflichtet war er zur Überzeugung
des Senates zur Erbringung der Dienstleistung. Zwar liegt der im Rechtsverhältnis Kläger - F geschlossene Unternehmervertrag
nicht vor; weder der Kläger noch F konnten ihn übersenden. Die Umstände der Leistungserbringung und die Fahrergutschriften
legen aber nahe, dass der Kläger nicht nur die Vermittlung von (selbständigen) Fahrern schuldete, sondern den einzelnen Kurierdienst
selbst. Es kann dabei offen bleiben, ob seine Dienstverpflichtung im Verhältnis zu F oder zu den einzelnen Kunden bestand.
Im letzteren Fall wäre F nur ein Vermittler von Aufträgen über seine Plattform und nicht selbst Auftraggeber der Fahrten.
Es spricht vor allem bei Berücksichtigung der Angaben des Klägers und Beigeladenen zu 5) und der Fahrergutschriften mehr dafür,
dass F selbst die Transportaufträge annahm und seinen Kunden gegenüber für deren Erfüllung auch einzustehen hatte. Gemäß der
Ausführungen des Klägers/Beigeladenem zu 5) im Termin zur Erörterung haben diese die Aufträge jeweils von F erhalten, dagegen
nicht von den Absendern oder Empfängern der Transportgüter. Auf den Auftragszetteln stand jeweils eine von F vergebene Tournummer.
Dies wird bestätigt durch die dem Senat vorliegenden Fahrergutschriften. Diese lassen erkennen, dass es sich bei den einzelnen
Fahrten um Aufträge für "Fahrer" handelt. Sie weisen zwar auch (teilweise) eine "Vermittlungsprovision" zugunsten von F aus.
Das spricht dafür, dass F selbst sich möglicherweise nur als Vermittler der Aufträge sieht. Allerdings hat der Kläger selbst
auf Nachfrage erklärt, dass das Risiko, dass die Auftraggeber der Fahrten die ihnen in Rechnung gestellten Rechnungsbeträge
nicht beglichen, somit das Risiko eines Zahlungsausfalls, für seinen Vergütungsanspruch gegenüber F keine Rolle spielte. Das
wäre für einen bloßen Vermittler ungewöhnlich und lässt darauf schließen, dass F nicht nur die Zahlungsabwicklung für den
Kläger übernommen hat. Entscheidend ist für das Verhältnis Kläger - Beigeladene zu 4) und 5) aber, dass der Kläger mit Übernahme
einer "Fahrernummer" nicht nur das Recht erwarb, ausgelobte Aufträge auf der Plattform von F anzunehmen. Der Abschluss des
Unternehmervertrags stellte insoweit einen Rahmenvertrag dar, mit welchem die Bedingungen für eine Vielzahl von Einzelaufträgen
zwischen ihm und F festgelegt wurden. Mit der Übernahme eines Einzelauftrags schuldete er dann aber den Erfolg der Leistung,
nämlich die Kurierfahrt, hingegen nicht die bloße Vermittlung von (anderen) Fahrern (dazu BSG, aaO, Rn. 33). Die Beigeladenen zu 4) und 5) waren daher, wenn sie solche Einzelaufträge übernahmen und mit Wissen von F
unter der Fahrernummer des Klägers abrechneten, seine Erfüllungsgehilfen. Es liegen - entgegen der vollkommen unbegründeten
Auffassung des Sozialgerichts - keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seinerseits Beschäftigter von F war
und bereits deshalb zumindest für die Aufträge, die die Beigeladenen zu 4) und 5) erfüllten, kein Arbeitgeber für diese sein
konnte. Das Protokoll des Sozialgericht enthält dazu keine einzige Aussage des Klägers oder der Beigeladenen zu 4) und 5).
Die Urteilsgründe haben lediglich den Charakter einer unsubstantiierten Behauptung. Gegen die Beschäftigteneigenschaft des
Klägers im Verhältnis zu F spricht die Abrechnung der einzelnen Aufträge mit der Berücksichtigung nicht unerheblicher fixer
Kosten des Klägers für Fahrzeugmiete, Treibstoff, etc., woraus sich für ihn ein Unternehmerrisiko speisen könnte.
cc) Die Beigeladenen zu 4) und 5) waren weisungsabhängig und in die betriebliche Ordnung des Klägers, damit eines fremden
und nicht ihres eigenen Unternehmens eingegliedert. Abzustellen ist dabei auf die Situation nach Übernahme eines einzelnen
Auftrags, denn die Beigeladenen zu 4) und 5) konnten einzelne Aufträge ablehnen. Sie haben mit dem Kläger eine Rahmenvereinbarung
mündlich getroffen, wonach sie sich grundsätzlich bereit erklärt haben, Fahrten von F für den Kläger unter dessen Fahrernummer
zu unternehmen (zum Rahmenvertrag, s.o.). Offen war nur die Anzahl, der Zeitpunkt und die näheren Umstände (d.h., welche Aufträge
übernommen und welche Güter von wo nach wo und wann gefahren werden sollten). Diese Umstände waren noch von einer weiteren
mündlichen Einzel-Vereinbarung oder einer Auftragsvergabe von F abhängig. Anknüpfungspunkt für die Eingliederung und Weisungsabhängigkeit
ist in einem solchen Fall das einzelne angenommene Auftragsverhältnis, hier der einzelne Arbeits- bzw. Transporteinsatz (dazu
grundlegend: BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R -, BSGE 120, 99-113, Rn. 28). Ausgehend davon hatten die Beigeladenen zu 4) und 5) nach Übernahme eines einzelnen Transportauftrags keine
nennenswerten Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume. Ihre Fahrten standen nach Ort und Zeit fest. So waren ihnen der Weg
und die Zeit für die Transporte vorgegeben, wenngleich sie berechtigt waren, anlässlich eines bestimmten Routenverlaufs noch
weitere Aufträge, zu übernehmen, deren Destinationen auf ihrer Route oder günstig dazu lagen. In einer solchen Konstellation
ist davon auszugehen, dass die Beigeladenen zu 4) und 5) in das Unternehmen des Klägers auch in dem Maße eingegliedert waren,
in dem sie Weisungen von F erhielten. Es liegt insoweit ein Fall vor, in dem der Kläger sein Weisungsrecht an F delegiert
hatte.
dd) Selbst wenn in Betracht gezogen wird, dass im Bereich der Transportwirtschaft selbständige Subunternehmer üblich sind
und eine Solo-Selbständigkeit grundsätzlich möglich ist, so waren die Beigeladenen zu 4) und 5) deshalb keine Selbständigen,
weil sie jedenfalls kein (nennenswertes) Unternehmerrisiko trugen. Maßgeblich für ein solches ist, ob eigenes Kapital oder
die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder
persönlichen Mittel also ungewiss ist (Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl., §
7 Abs.
1 SGB IV (Stand: 08.04.2019), Rn. 94). Das war bei beiden Beigeladenen zu 4) und 5) nicht der Fall. Sie setzten außer ihrer Arbeitskraft
keinerlei Wagniskapital ein. Sie hatten keine Betriebsmittel anzuschaffen, unterhielten keine Betriebsräume und keine Arbeitszimmer;
Sie übernachteten teilweise kostenlos in den Räumlichkeiten von F. Sie hatten für die Fahrten keine Kraftfahrzeuge zu unterhalten;
soweit der Beigeladene zu 4) auch mit dem eigenen KfZ gefahren ist, ist jedenfalls nicht nachgewiesen, dass er dieses speziell
für die Transportaufträge des Klägers anschaffte oder unterhielt. Sie hatten zudem für die einzelnen Fahrten nicht einmal
die Tankkosten selbst zu tragen, sondern tankten mit der Tankkarte von F, ohne dass ihnen diese Kosten in Rechnung gestellt
wurden. Die Abrechnung der Tankkarte durch F erfolgte vielmehr laut den Fahrergutschriften allein gegenüber dem Kläger pro
Monat. Auch wurden die in den Fahrergutschriften aufgelisteten Kosten für die Kraftfahrzeuge allein dem Kläger in Rechnung
gestellt. Dass der Kläger seinerseits diese Kosten den Beigeladenen zu 4) und 5) in Rechnung stellte, ist nicht ersichtlich.
Aus deren Abrechnungen ihm gegenüber ergibt sich diesbezüglich kein Abzugsposten. Auch stellte der Kläger ihnen keinerlei
Bearbeitungsgebühr für seinen Arbeitsaufwand hinsichtlich der Ermittlung der einzelnen Tourdaten in Rechnung. Die Beigeladenen
zu 4) und 5) haben ausweislich ihrer Rechnungen und nach den Angaben im Erörterungstermin vor dem Senat ihre Vergütung anhand
der Anzahl der von ihnen absolvierten Touren erhalten. Sie haben somit ihre Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt,
sondern jeweils für die geleisteten Fahrten eine Vergütung erhalten. Dass diese sich ihrerseits aus der Fahrergutschrift ableitete,
die F gegenüber dem Kläger abrechnete, begründet kein Unternehmerrisiko. Aus den Angaben des Klägers und des Beigeladenen
zu 5) im Termin zur Erörterung entnimmt der Senat, dass der Beigeladene zu 5) bei Antritt jeder Fahrt jeweils wusste, welchen
"Wert" eine Fahrt hatte, d.h. zu welchem Preis sie ausgelobt war und welche Vergütung F (an den Kläger) für sie zahlen würde.
So war ihm z.B. bewusst, dass er teilweise auch 5-Euro-Aufträge übernommen hat. Ein Wagniskapital besteht aber selbst in dem
Fall nicht, in dem bei Übernahme des Auftrags noch nicht ermittelbar war, welche konkrete Vergütung sich für den Fahrer tatsächlich
aus ihm ergeben würde. Für den Senat blieb insoweit zwar offen, ob und wie sich der Vergütungsanspruch für die Beigeladenen
zu 4) und 5) aus der Fahrergutschrift jeweils ermittelte. Der Beigeladene zu 5) und der Kläger haben dazu erläutert, dass
anhand einer "Tournummer", konkret wohl der Auftragsnummer, die beiden Fahrer ihre Abrechnungen fertigten. Sie haben aber
nicht offengelegt, ob und wie die dem Kläger von F in Rechnung gestellten Gegenleistungen wie z.B. die Tankkosten, die Provision,
die Fahrzeugmiete bei der Höhe ihrer Vergütung Berücksichtigung gefunden haben. Die Beigeladenen zu 4) und 5) unterlagen jedenfalls
aber nicht dem Risiko, für eine Fahrt gar keine Vergütung zu erhalten. Dies beruhte u.a. auch darauf, dass der Kläger nach
eigenen Angaben kein Insolvenzrisiko der Auftragskunden trug. Von seinem Anspruch wurden ausweislich der Fahrergutschriften
lediglich vereinzelt Kosten für Schadensereignisse von F abgezogen. Es ist nicht belegt, ob diese von den Beigeladenen zu
4) und 5) verursacht wurden und der Kläger sie ihnen in Rechnung gestellt hat.
ee) Die Beigeladenen zu 4) und 5) traten nicht werbend am Markt auf. Der Beigeladene zu 5) hat (im Verwaltungsverfahren) erklärt,
er sei in der fraglichen Zeit nur für den Kläger gefahren und hatte keine weiteren Auftraggeber.
ff) Dem Willen der Beteiligten kommt angesichts der oben dargelegten Merkmale nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Dabei
war dieser darauf ausgerichtet, die Beigeladenen zu 4) und 5) als Selbständige zu beauftragen. Dafür spricht, dass diese ein
selbständiges Gewerbe anmeldeten und an den Kläger unter ihrer Firma monatliche Rechnungen entweder für den Monat (Beigeladener
zu 4) oder einzelne Fahrten (Beigeladener zu 5) auswiesen. Dafür spricht auch, dass der Beigeladene zu 4) in seinen Rechnungen
Mehrwertsteuer berechnete (Bl. 26 ff. VA). Hingegen kann das für den Beigeladenen zu 5) aus den von ihm vorgelegten Betriebseinnahmen
für 2010 und 2011 nur bedingt entnommen werden. Zwar deklarierte er (gegenüber dem Finanzamt) Einnahmen aus selbständiger
Tätigkeit. Die in der Gewinnermittlung 2011 in den einzelnen Monaten benannten Beträge aus den Rechnungen ("R01, R02") stimmen
aber nicht mit den von ihm an den Kläger übersandten Rechnungen überein, sondern sind niedriger. So hat er z.B. für Februar
2011 dem Kläger gegenüber einen Betrag in Höhe von 1.200 Euro in Rechnung gestellt, in der steuerrechtlich relevanten Gewinnermittlung
aber nur einen Rechnungsbetrag von insgesamt 800 Euro für diesen Monat aufgelistet.
b) Die abhängige Beschäftigung führte zur Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 4) und 5) in allen vier Zweigen der Sozialversicherung.
Die Beklagte hat die Beiträge anhand der vom Kläger abgerechneten Fremdleistungen ermittelt. Soweit der Beigeladene zu 5)
ausweislich der eingereichten Rechnungen höhere Beträge gegenüber dem Kläger abgerechnet hat (ca. 13.000 Euro), würden sich
daraus zwar auch höhere Beiträge ergeben. Der Kläger wird aber durch den angefochtenen Bescheid insoweit rechtswidrig begünstigt
und nicht belastet. Der Kläger schuldete als Arbeitgeber die Beiträge und hat diese bis zum Erlass des Bescheides für die
Beigeladenen zu 4) und 5) nicht entrichtet, so dass die Beklagte ihn zur Zahlung auffordern durfte (§ 28p Abs. 1 Satz 4
SGB IV).
c) Die Säumniszuschläge beruhen auf §
24 SGB IV. Wird eine Beitragsforderung - wie hier - durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist nach §
24 Abs.
2 SGB IV in der seit 1. Januar 2001 unveränderten Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl I 1983) ein
darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet
keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Ausnahmeregelung setzt voraus, dass (a) der Beitragsschuldner keine Kenntnis
von seiner Zahlungspflicht hat, (b) die Unkenntnis nicht verschuldet ist, (c) ihm auch Kenntnis oder Verschulden einer anderen
Person nicht zurechenbar ist und (d) die unverschuldete Unkenntnis ununterbrochen bis zur Festsetzung der Säumniszuschläge
durch Bescheid bestanden hat (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 - B 12 R 15/18 R -, BSGE 127, 125-132, Rn. 11). Im Fall des Klägers sprechen die Umstände dafür, dass er eine Beitrags- und Zahlungspflicht zumindest für möglich
hielt und deshalb nicht unverschuldet keine Zahlungen geleistet hat. §
24 Abs.
2 SGB IV bildet zusammen mit §
14 Abs.
2 und §
25 Abs.
1 S 2
SGB IV einen einheitlichen Regelungskomplex mit der Folge eines einheitlichen Haftungsmaßstabs. Unter Berücksichtigung des bei der
Festsetzung von Säumniszuschlägen zu beachtenden verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips kann der Zweck der Säumniszuschläge,
die rechtzeitige Zahlung der Beiträge durchzusetzen, rechtmäßig nur erreicht werden, wenn der betroffene Arbeitgeber seine
Zahlungspflicht zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (BSG, aaO, Rn. 17). Allein die unterbliebene Einleitung eines (fakultativen) Statusfeststellungsverfahrens nach §
7a SGB IV oder fehlende Herbeiführung einer Entscheidung der Einzugsstelle nach §
28h SGB IV schließt die unverschuldete Unkenntnis nicht aus (BSG, aaO, Rn. 18). §
24 Abs.
2 SGB IV sieht eine Exkulpation des Zahlungspflichtigen vor, "soweit" er eine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht glaubhaft
macht. Hat der Schuldner Kenntnis von der Zahlungspflicht oder nimmt er diese billigend in Kauf, liegt keine unverschuldete
Unkenntnis vor (BSG, aaO, Rn. 22). Das BSG führt dazu aus:
"Es kann aber im Rahmen bedingten Vorsatzes vorwerfbar sein, wenn ein Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs-
und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit darauf verzichtet, die Entscheidung einer fachkundigen Stelle herbeizuführen.
Allerdings darf nicht das gesamte Risiko der Einordnung komplexer sozialversicherungsrechtlicher Wertungsfragen den Arbeitgebern
überantwortet werden, so dass sich Schematisierungen verbieten." (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 - B 12 R 15/18 R -, BSGE 127, 125-132, Rn. 24)
Ausgehend davon hat der Kläger selbst keine Umstände vorgetragen, die eine unverschuldete Unkenntnis begründen könnten. Auch
ist in seinem Fall zu berücksichtigen, dass er trotz des Zeitraums, in dem er die Beigeladenen zu 4) und 5) regelmäßig und
fortlaufend beauftragte, offenkundig keine Entscheidung einer fachkundigen Stelle herbeigeführt hat. Dies hätte für ihn umso
mehr nahegelegen, als diese unter seiner Fahrernummer und mit Fahrzeugen fuhren, deren Unterhaltung der Kläger leistete, so
dass die Abgrenzung zur (Aus-)Hilfstätigkeit, die eine abhängige Beschäftigung darstellt, nahelag. Die Kostenentscheidung
beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.