Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt mit der Beschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein inzwischen abgeschlossenes
Verfahren vor dem Sozialgericht.
Der Antragsteller ist im Verfahren vor dem Sozialgericht von einer Rentenberaterin vertreten worden, die sich auf ihre uneingeschränkte
Zulassung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz für das Sozialrecht berufen hat. Die Bevollmächtigte des Antragstellers hat
am 4. Mai 2009 Klage erhoben (Az.: S 20 AS 2143/09) und um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht (Az.: S 20 AS 2185/09 ER). Ferner hat sie "vorsorglich [ ...] PKH-Antrag ohne Ratenzahlung gestellt." Das Sozialgericht hat die Antragstellerbevollmächtigte
mit Beschluss vom 15. Mai 2009 gemäß §
73 Abs.
3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zurückgewiesen, weil sie nicht die zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erforderliche Erlaubnis
besitze. Das daraufhin vom Antragsteller angebrachte Ablehnungsgesuch gegen die Kammervorsitzende hat das Sächsische Landessozialgericht
mit Beschluss vom 4. August 2009 (Az.: L 4 SF 41/09 AB, L 4 SF 42/09 AB) zurückgewiesen.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 19. August 2009 abgelehnt. Der Antrag
sei abzulehnen gewesen, weil die Antragstellerbevollmächtigte als Prozessbevollmächtigte zurückgewiesen worden sei. Außerdem
könnten nur Rechtsanwälte im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet werden. Schließlich liege kein vollständiger Antrag vor.
Denn der Antrag sei nur vorsorglich und ohne Beifügung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
gestellt worden.
Der Antragsteller hat hiergegen am 31. August 2009 Beschwerde eingelegt. Dem Sozialgericht sei bekannt, dass die Beklagte
nach Einschaltung des Gerichtes bereits partiell wieder ihre Leistungen angewiesen habe, er also trotz der geringen Übergangsgeldleistungen
und nicht voll gedeckten Kosten der Berufsförderungsmaßnahme weiterhin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch -
Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) beziehe. Ferner wendet er sich gegen die Zurückweisung seiner Bevollmächtigten.
Die Beschwerdegegnerin, die Staatskasse, hat ausgeführt, dass in dem abgeschlossenen Verfahren vor dem Sozialgericht kein
Rechtsanwalt mandatiert worden sei. Damit seien keine im Rahmen der Prozesskostenhilfe erstattungsfähigen Auslagen und Gebühren
entstanden, sodass eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe dem Grunde nach nicht in Betracht komme. Rechtsbeistände und Prozessagenten
seien nur beizuordnen, wenn sie nach § 209 der Bundesrechtsanwaltsordnung in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommen worden seien. Außerdem sei in einem abgeschlossenen Verfahren keine Bewilligung von
Prozesskostenhilfe mehr möglich, da kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehe. Schließlich liege keine Erklärung über die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers vor, sodass der Prozesskostenhilfeantrag nicht vollständig sei.
Mit Beschluss vom 26. August 2009 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes
abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde (Az.: L 3 AS 604/09 B ER) hat der Antragsteller am 15. Dezember 2009 für bewendet erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Beschwerdeverfahrens, des Beschwerdeverfahrens
Az: L 3 AS 604/09 B ER und des Antragsverfahrens Az.: S 20 AS 2185/09 ER Bezug genommen.
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Sie ist nicht gemäß §
172 Abs.
3 Nr.
2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ausgeschlossen.
Eine Beschwerde ist gemäß §
172 Abs.
3 Nr.
2 SGG gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen
Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Zwar hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch damit begründet, dass der Antragsteller
nicht die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
117 Abs.
2 Satz 1 der
Zivilprozessordnung [ZPO]) dem Antrag beigefügt habe. Der Fall, dass der Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt worden ist, weil überhaupt keine
solche Erklärung abgegeben worden ist, fällt ebenso unter die Beschwerdeausschlussregelung des §
172 Abs.
3 Nr.
2 SGG wie der Fall, dass der Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt worden ist, weil nach Auffassung des Sozialgerichtes der nach §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
117 Abs.
2 Satz 1, Abs.
3 und
4 ZPO i. V. m. der Prozesskostenhilfevordruckverordnung (PKHVV) vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3001) in der Fassung des Art. 36 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022) erforderliche Vordruck nicht vorgelegt worden ist (vgl. zu letzterem: SächsLSG, Beschluss vom 6. August 2009 - L 3 AS 375/09 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 4, m. w. N.).
Das Sozialgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag jedoch auch noch aus zwei anderen Gründen abgelehnt. Diese beiden anderen
Ablehnungsgründe betreffen aber nicht die Frage, ob dem Antragsteller gemäß §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
119 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, sondern die grundsätzlich nachrangige Frage, ob im Falle eines Anspruches auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe zusätzlich noch nach Maßgabe von §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
121 Abs.
2 ZPO eine Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes besteht.
Selbst wenn das Sozialgericht, worauf der Aufbau der Beschlussbegründung hindeutet, die Auffassung vertreten haben sollte,
dass bei einem Verfahrenbeteiligten, der zu den kostenfreien Beteiligten im Sinne des §
183 SGG zählt, das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag fehlt, solange er keinen beiordnungsfähigen
Bevollmächtigten benennt, würde dieser Rechtsstandpunkt eine Sachurteilsvoraussetzung betreffen und nicht die materielle Bewilligungsvoraussetzung
der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers.
Alle drei Ablehnungsgründe stellen sowohl nach ihrer Abfolge als auch nach dem Wortlaut der Beschlussbegründung eigenständige
Begründungen für die Entscheidung dar. Keiner der drei Ablehnungsgründe ist nur in Form einer Hilfserwägung formuliert. Wenn
aber ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus mehreren eigenständigen, die Entscheidung jeweils allein tragenden
Gründen abgelehnt wird, und nicht alle Ablehnungsgründe die Bedürftigkeit des Antragstellers betrifft, hat das Gericht nicht
im Sinne von §
172 Abs.
3 Nr.
2 SGG "ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint".
Für eine erweiternde Auslegung von §
172 Abs.
3 Nr.
2 SGG ist bereits auf Grund von dessen eindeutigem Wortlaut ("ausschließlich") kein Raum. Aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs.
16/7716 S. 22) ergibt sich zudem nicht, dass dem Gesetzgeber der Fall einer alternativen, nicht nur das Tatbestandsmerkmal
der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse betreffenden Ablehnungsbegründung vor Augen stand. Vor dem Hintergrund
des verfassungsrechtlichen Gebotes der Rechtsmittelklarheit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 [416] = JURIS-Dokument Rdnr. 69) muss es dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben, die Regelung über den Beschwerdeausschluss
auch auf diese Fallvariante auszudehnen, sofern er dies im Hinblick auf eine Verfahrenskonzentration und eine Entlastung der
Rechtsmittelgerichte als zweckmäßig erachtet.
2. Über die Beschwerde kann auch noch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens, hier des Verfahrens zur Gewährung vorläufigen
gerichtlichen Rechtsschutzes, entschieden werden (vgl. zur Zulässigkeit einer rückwirkenden Beschwerdeentscheidung nach rechtskräftigem
Abschluss des vorausgegangenen Hauptsacheverfahrens: SächsLSG, Beschlüsse vom 11. Februar 2008 - L 3 B 31/08 AS-PKH - und vom 20. Oktober 2008 - L 3 B 318/08 AS/PKH -; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], §
73a Rdnr. 12c; vgl. auch LSG Niedersachesen, Beschluss vom 15. Mai 1995 - L 8 S (Vs) 52/95 - Breithaupt 1995, 735). Denn die
Frage, ob der Antragsteller alles Erforderliche getan hat, um vor Wegfall der Rechtshängigkeit des Hauptsacheverfahrens eine
Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zu erwirken, und die Frage, ob der Bevollmächtigte beigeordnet werden konnte
mit der Folge, dass der Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Auslagen und Gebühren gemäß §§ 45 ff. des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) entstehen konnte, betrifft nicht die Zulässigkeit der Beschwerde, sondern deren Begründetheit.
3. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Denn der von der Antragstellerbevollmächtigten gestellte Antrag auf Prozesskostenhilfe war zu keinem Zeitpunkt entscheidungsreif.
Dem Antrag waren nämlich weder der nach den bereits oben bezeichneten Vorschriften erforderliche Vordruck der Erklärung über
die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin noch sonstige Unterlagen beigefügt, die eine Prüfung
der prozesskostenhilferechtlichen Bedürftigkeit des Antragstellers ermöglicht hätten. Zur Abgabe einer Erklärung über die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind aber auch Empfänger von Arbeitslosengeld II verpflichtet (vgl. SächsLSG,
Beschluss vom 20. November 2009 - L 3 B 261/08 AS-PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 19, m. w. N.).
Auf die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisses konnte auch nicht deshalb verzichtet werden, weil
das Sozialgericht, wie der Antragsteller meint, seine Bedürftigkeit daraus habe erkennen könne, dass ihm Grundsicherungsleistungen
nach den SGB II gewährt worden sind. Das Bundessozialgericht hat in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hingewiesen, dass
die Verwendung des Vordrucks das Gericht in die Lage versetzen soll, sich auf Grund der gemachten Angaben und vorgelegten
Belege eine ausreichende Gewissheit über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf,
Vermögen, Einkommen und Lasten, Bestehen oder Nichtbestehen einer Rechtsschutzversicherung) zu verschaffen. Dazu bedarf es
aber Erklärungen, welche in dem Vordruck gefordert werden, einschließlich der Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit
der gemachten Angaben (vgl. BSG, Beschluss vom 21. Mai 2007 - B 2 U 131/07 B - JURIS-Dokument Rdnr. 3, m. w. N.). Das Bundessozialgericht hat deshalb weder die Vorlage einer Ablichtung eines im Insolvenzverfahren
aufgestellten Vermögensverzeichnisses sowie weiterer Belege (vgl. BSG, aaO.) noch die Vorlage eines Bescheides über die Bewilligung
von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (vgl. BSG, Beschluss vom 17. August 2007 - B 1 KR 6/07 BH
- JURIS-Dokument Rdnr. 3, m. w. N.) ausreichen lassen. Zudem bedingt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht notwendigerweise
einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe. So sind beispielsweise die Regelungen in §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
115 Abs.
3 ZPO i. V. m. §
90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) einerseits und in § 12 SGB II andererseits über das einzusetzende
Vermögen nicht deckungsgleich.
Da der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits wegen der Unvollständigkeit des Antrages nicht entscheidungsreif
war, kann dahingestellt bleiben, ob die Bevollmächtigte des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Beiordnung und damit
für einen Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Auslagen und Gebühren erfüllt hat.
4. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (§
183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§
202 SGG i. V. m. §
127 Abs.
4 ZPO).
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).