Tatbestand:
Im Streit ist ein Arzneimittelregress in Höhe von 1.608,10 EUR wegen unwirtschaftlicher Verordnung des Medikaments Forsteo
im Quartal II/2008.
Bei dem Arzneimittel Forsteo mit dem Wirkstoff Teriparatid handelt es sich um ein hormonell wirkendes Medikament zur Behandlung
besonderer Erscheinungsformen der Osteoporose, das die Knochenneubildung stimuliert, das erstmals am 10. Juni 2003 zugelassen
wurde und dessen Zulassungsumfang sich seither mehrfach geändert hat:
- Seit August 2007 wurde das Anwendungsgebiet, das sich bis dahin auf die Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen
Frauen mit einem hohen Frakturrisiko beschränkt hatte, auch auf Männer mit einem hohen Frakturrisiko erweitert. Zur Art und
Dauer der Anwendung hieß es in Abschnitt 4.2 Abs. 3 der damaligen Fachinformation: Die maximale Therapie-Dauer mit Forsteo
beträgt 18 Monate (siehe Abschnitt 4.4). In Abschnitt 4.4 wurde ausgeführt, dass sich bei Studien in Ratten eine erhöhte Inzidenz
von Osteosarkomen bei Langzeit-Anwendung von Teriparatid gezeigt habe. Bis zum Vorliegen weiterer Daten dürfe die empfohlene
Behandlungsdauer von 18 Monaten nicht überschritten werden.
- Im April 2008 wurde der Abschnitt 4.2 Abs. 3 um einen zweiten Satz erweitert, der wie folgt lautete: Diese 18-monatige Therapie
sollte im Laufe des Lebens beim gleichen Patienten nicht wiederholt werden.
- Im Jahr 2009 wurde die maximale Therapiedauer auf 24 Monate angehoben, was wesentlich auf eine 2009 veröffentlichte Studie
zurückging.
Aufgrund eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 21. November 2006 wurde folgender Therapiehinweis zu Teriparatid
in die Anlage 4 zur aufgrund von §
92 Abs.
1 Nr.
6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) erlassenen Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) aufgenommen (BAnz. 2007, Nr. 58 (S. 3121), veröffentlicht auch in DtschÄrztebl
2007, 104 (15)):
Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise
Teriparatid ist zur Behandlung der manifesten Osteoporose bei postmenopausalen Frauen nur ein Mittel der zweiten Wahl. Die
Verordnung bleibt lediglich definierten Ausnahmefällen vorbehalten. Hinsichtlich der Frakturrate hat Teriparatid gegenüber
anderen Osteoporosemitteln, insbesondere Biphosphonaten, keine nachgewiesene Überlegenheit ...
Teriparatid ist wegen der im Vergleich zu Bisphosphonaten bis zu 35-fach höheren Tagestherapiekosten in der Regel unwirtschaftlich.
Unter folgenden kumulativen Bedingungen ist eine Verordnung von Teriparatid möglich:
- nur bei manifester Osteoporose mit mindestens 2 neuen Frakturen in den letzten 18 Monaten
und
- kein ausreichendes Ansprechen auf eine direkte und adäquate Vorbehandlung über mindestens ein Jahr
oder
- nach Absetzen der Bisphosphonatbehandlung aufgrund von Unverträglichkeiten ...
Der Kläger ist Facharzt für Orthopädie/Rheumatologie und nimmt in H. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im streitgegenständlichen
Quartal verordnete er seiner am xxxxx 1934 geborenen, damals bei der Beigeladenen zu 1 krankenversicherten Patientin A.W.
einmal 3ml Forsteo Injektionslösung. Die Verordnung, die auch eingelöst wurde, hatte abzüglich des Apotheken- wie des Herstellerrabattes
- die Patientin war von der Zuzahlung befreit - einen Nettowert von 1.608,10 EUR. Für die Patientin waren folgende Diagnosen
gestellt worden: Wirbelkörperkompression, anderenorts nicht klassifiziert: nicht näher bezeichnete Lokalisation; Radikulopathie:
mehrere Lokalisationen in der Wirbelsäule; nicht näher bezeichnete Osteoporose mit pathologischer Fraktur: nicht näher bezeichnete
Lokalisation. Auf die im Prüfverfahren vorgelegten Diagnose- und Verordnungsblätter sowie die Verordnungsliste wird Bezug
genommen.
Die Beigeladene zu 1 beantragte am 23. Juni 2009 bei der Gemeinsamen Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in H., wegen
fehlender Leistungspflicht einen Verordnungsregress gegenüber dem Kläger festzusetzen. Gemäß den Empfehlungen in Anlage IV
der damaligen AMRL sei die Verordnung von Teriparatid lediglich definierten Ausnahmefällen vorbehalten. Sie sei nur unter
folgenden kumulativen Bedingungen möglich: manifeste Osteoporose mit mindestens zwei neuen Frakturen in den letzten 18 Monaten;
kein ausreichendes Ansprechen auf eine direkte und adäquate Vorbehandlung über mindestens ein Jahr; nach Absetzen der Bisphosphonatbehandlung
aufgrund von Unverträglichkeiten oder bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten gegen Raloxifen. Aus den Abrechnungsunterlagen
gehe nicht hervor, dass diese Voraussetzungen bei der Patientin erfüllt gewesen seien.
Im Rahmen der Anhörung führte der Kläger aus, seine Anamnese am 8. April 2008 habe ergeben, dass bei der Patientin seit ca.
zehn Jahren eine schwere Osteoporose bekannt sei. Seinerzeit sei es zu spontanen Frakturen der Brustwirbelknochen sieben und
zwölf gekommen. Die Patientin sei von einem Kollegen über Jahre mit Karil therapiert worden, das keine Besserung bewirkt habe.
Dann habe die Patientin über zwei Jahre von ihrem Hausarzt Fosamax erhalten. Etwa zwei Jahre nach Beendigung dieser Therapie
sei es am vierten Lendenwirbel erneut zu einer Spontanfraktur gekommen. Es habe sich eine massive Osteoporose an der Wirbelsäule
mit einem T-Score zwischen -4,3 und -5,3 gezeigt. Zudem hätten ausgeprägte Schmerzen bestanden. Er, der Kläger, habe daher
seit dem 5. Juni 2008 Forsteo verordnet. Wenige Wochen später hätten keine Schmerzen mehr bestanden. Bei einer Kontrolle der
Knochendichte am 17. Juli 2009 habe sich eine deutliche Besserung des T-Scores am Achsenskelett mit Werten zwischen -3,1 und
-4,1 gezeigt. Es treffe damit zu, dass es in den letzten 18 Monaten vor Verordnungsbeginn nicht zu mindestens zwei neuen Frakturen
gekommen sei. Zu berücksichtigen sei aber die besondere medizinische Begründung, die in diesem Einzelfall gemäß §
31 Abs.
1 Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) zur Verordnung berechtigt habe. Es müsse beachtet werden, dass die Osteoporose therapieresistent und progredient gewesen
sei; mit einem T-Score am Achsenskelett von bis zu -5,3 habe eine schwere Osteoporose mit sehr hoher Frakturgefährdung bestanden.
Schließlich hätten sehr starke Schmerzen bestanden, die auch Monate nach Auftreten der letzten Fraktur zum angemessenen Handeln
gezwungen hätten. Der nachgewiesene Erfolg bestätige die Richtigkeit der durchgeführten Therapie.
Die Gemeinsame Prüfungsstelle setzte mit Bescheid vom 30. Oktober 2009 einen Regress in Höhe des Nettowerts fest. Für die
Verordnung von Teriparatid seien nicht alle Voraussetzungen erfüllt: Es habe in den letzten 18 Monaten vor Behandlungsbeginn
nur eine neue Fraktur vorgelegen; das Vorliegen einer direkten und adäquaten Vorbehandlung über mindestens ein Jahr habe nicht
abschließend geklärt werden können, da die Verordnung von Fosamax in der Zeit vom 20. März 2006 bis zum 8. November 2008 nicht
dokumentiert sei.
Der Kläger rief gegen diese Entscheidung den beklagten Beschwerdeausschuss der Ärzte und Krankenkassen H. an. Diesem lagen
zusätzlich die Arztbriefe des Universitätskrankenhauses E., Prof. Dr. K., vom 13. Januar 1999, 29. März 2002 und 10. Oktober
2002 vor, auf die Bezug genommen wird.
Der Beklagte hörte den Kläger am 22. September 2010 an und entschied sodann im schriftlichen Verfahren. Mit Beschluss vom
2. März 2011 wies er den Widerspruch gegen den Bescheid der Gemeinsamen Prüfungsstelle zurück. Der Kläger habe die Empfehlungen
zur wirtschaftlichen Verordnungsweise von Teriparatid nicht vollständig beachtet. Wie er selbst einräume, seien in den letzten
18 Monaten vor Behandlungsbeginn keine zwei neuen Frakturen aufgetreten. Der Kläger habe zudem keinen Vertragsarzt genannt,
der die Vorbehandlung mit Fosamax durchgeführt habe. Indem der Kläger im Rahmen seiner Anhörung vorgetragen habe, er habe
sich auf die Aussage der Patientin verlassen, dass sie bis etwa zwei Jahre vor der erneuten Fraktur von ihrem Hausarzt Fosamax
erhalten habe, habe der Kläger selbst eingeräumt, keine eigenen Recherchen angestellt oder Befundberichte, Röntgenaufnahmen
oder Ähnliches angefordert zu haben. Es gebe auch sonst keinen Hinweis auf die Vorbehandlung mit Fosamax, insbesondere sei
das Mittel nicht auf der von der Beigeladenen zu 1 vorgelegten Verordnungsliste enthalten. Schließlich sei festzustellen,
dass der Kläger die Patientin am 5. Oktober 2006 und dann erst wieder am 8. April 2008 gesehen habe. Beim letzten Termin seien
zwei Röntgenaufnahmen abgerechnet worden. Am 6. Mai 2008 habe er dann eine degenerative Erkrankung der Wirbelsäule diagnostiziert
und/oder behandelt. Am 6. Mai 2008 sei Ibu 600 verordnet worden. Ohne weiteren Arzt-Patienten-Kontakt sei dann am 5. Juni
2008 das streitbefangene Rezept über Forsteo ausgestellt worden. Eine weitere Behandlung habe in diesem Quartal nicht stattgefunden.
Am 30. März 2011 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben und zur Begründung ergänzend ausgeführt, auch wenn
formal die Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise von Teriparatid nicht erfüllt gewesen seien, sei er zur Verordnung
von Forsteo berechtigt gewesen. Frau W. sei seit langem an Osteoporose erkrankt und erfolglos mit verschiedenen Osteoporose-Präparaten
vorbehandelt worden, unter anderem mit Bisphosphonaten. Hierzu hat er eine Bestätigung der Patientin vom 29. September 2009
vorgelegt, wonach sie vor ca. vier Jahren mit Fosamax behandelt worden, das Mittel aufgrund von Unverträglichkeiten aber nach
einigen Wochen wieder abgesetzt worden sei. Der Kläger hat weiter vorgetragen, es sei zu zahlreichen osteoporosebedingten
Frakturen gekommen, so dass letztlich keine andere Option verblieben sei, als die Versorgung mit Forsteo zu versuchen. Forsteo
sei anderen Bisphosphonaten überlegen. Insoweit hat sich der Kläger insbesondere auf die Studien von Saag et. al. (New England
Journal of Medicine, Vol. 357:2028-2039 (15. November 2007) und Arthritis & Rheumatism, Vol. 60:3346-3355 (November 2009)
bezogen. Dass in Fällen wie dem vorliegenden eine Osteoporosetherapie mit Forsteo durchgeführt werde, entspreche seit einiger
Zeit dem gesicherten Stand der medizinischen Erkenntnisse in seinem Fachgebiet. Eine andere Therapie sei bei der Patientin
nicht in Betracht kommen. Der Kläger hat schließlich vorgebracht, ihm sei in medizinisch begründeten Einzelfällen sogar die
Verordnung von Arzneimitteln gestattet gewesen, für die aufgrund einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA)
ein Verordnungsausschluss bestehe. Dann dürfe er erst recht von Therapiehinweisen des GBA abweichen, die wesentlich weniger
reglementierend seien. Der Kläger hat weiter einen Arztbrief des UKE, Prof. Dr. G., vom 15. Januar 1999 sowie ein Gutachten
von Prof. Dr. A. vorgelegt, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.
Der Beklagte hat an seiner Entscheidung festgehalten und ergänzt, bei einer hier gegebenen Off-label-Verordnung trage der
verordnende Vertragsarzt das Kostenrisiko, sofern er das Arzneimittel nicht auf Privatrezept verordne und es dem Versicherten
überlasse, von seiner Krankenkasse die Genehmigung zur Verordnung einzuholen.
Das Sozialgericht hat die Verwaltungsakte beigezogen und die betroffene Krankenkasse (zu 1) sowie die Kassenärztliche Vereinigung
H. (zu 2) beigeladen.
Die Beigeladene zu 1 hat sich den Ausführungen des Beklagten angeschlossen, die Beigeladene zu 2 hat sich nicht geäußert.
Anträge haben beide Beigeladenen nicht gestellt.
Auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2012 hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom selben Tag abgewiesen und zur
Begründung unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zunächst ausgeführt, dass Gegenstand der Klage allein der Beschluss des Beklagten vom 2. März 2011 sei. Die als Anfechtungs-
und Verpflichtungsklage zulässige Klage sei nicht begründet. Der Beklagte sei berechtigt gewesen, im Wege der Einzelfallprüfung
einen Regress gegenüber dem Kläger festzusetzen. Da auch die Höhe des festgesetzten Regresses rechtlich nicht zu beanstanden
sei beschwere der angegriffene Beschluss den Kläger nicht im Sinne des §
54 Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Der Beklagte könne die Regressfestsetzung stützen auf §
106 Abs.
2 SGB V in der Fassung vom 14. November 2003 (a.F.), der im streitbefangenen Quartal gegolten habe, in Verbindung mit § 17 Abs. 7
Satz 1 der von der Beigeladenen zu 2 und den Landesverbänden der Krankenkassen vereinbarten "Prüfungsvereinbarung über das
Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch den Prüfungs- und den Beschwerdeausschuss" vom 21. April 2005 in der Fassung
des 3. Nachtrags vom 13. April 2007 (Prüfungsvereinbarung).
Insbesondere sei der Beklagte grundsätzlich berechtigt, die Wirtschaftlichkeit einzelner Verordnungen zu prüfen. § 17 Abs.
1 Prüfungsvereinbarung berechtige die Prüfgremien auf Antrag unter anderem einer Krankenkasse zu einer solchen Einzelfallprüfung.
Die Vorschrift stehe auch mit den gesetzlichen Vorgaben in Einklang. Zwar nenne §
106 Abs.
2 Satz 1
SGB V a.F. die Einzelfallprüfung nicht. Doch berechtige §
106 Abs.
2 Satz 4 Halbsatz 1
SGB V a.F. die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen, gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die
im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten zu vereinbaren und ermächtige regelmäßig
auch zu Einzelfallprüfungen (Hinweis auf ständige Rechtsprechung des BSG).
Ebenso wenig sei es rechtlich zu beanstanden, dass der Beklagte sich im streitbefangenen Prüfverfahren für eine Einzelfallprüfung
entschieden habe. Sachgerecht sei diese Prüfmethode insbesondere dann, wenn wie hier das individuelle Vorgehen eines Arztes
in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots
überprüft werden solle (ebenfalls Hinweis auf ständige Rechtsprechung des BSG). Schließlich handele es sich um einen Fall des §
106 SGB V a.F. und nicht um einen Regress "wegen sonstigen Schadens" im Sinne des § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte. Denn hier stehe ein
Fehler der Verordnung selbst in Streit, wie dies bei Verstößen gegen die AMRL der Fall sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010 - B 6 KA 48/09 R, GesR 2011, 308, m.w.N.). Letztlich könne die Abgrenzung zu Regressfestsetzung "wegen sonstigen Schadens" an dieser Stelle
sogar dahin stehen, da das Verfahren nach § 17 Abs. 1 Prüfungsvereinbarung auch die Feststellung eines sonstigen Schadens
umfasse, wie sich aus § 17 Abs. 2 Prüfungsvereinbarung ergebe.
In formeller Hinsicht bestünden keine Bedenken gegen die Regressfestsetzung.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des §
106 Abs.
2 SGB V a.F. in Verbindung mit §
17 Abs.
7 Satz 1 Prüfungsvereinbarung lägen vor.
Insbesondere seien die streitbefangenen Verordnungen unwirtschaftlich gewesen.
Im streitbefangenen Quartal hätten die AMRL des damaligen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in der Fassung vom
31. August 1993, zuletzt geändert am 21. Februar 2008 gegolten. Nach Nr. 14 Satz 1 AMRL seien unter anderem die in Anlage
IV aufgeführten Therapiehinweise vom Vertragsarzt zu beachten. Dem begegneten keine rechtlichen Bedenken. Das Wirtschaftlichkeitsgebot,
das seinen gesetzlichen Niederschlag unter anderen in §
12 SGB V gefunden habe, beanspruche umfassende Geltung und verpflichte den Vertragsarzt unter jedem Aspekt zum wirtschaftlichen Handeln
(Hinweis auf ständige Rechtsprechung, aus jüngerer Zeit BSG, Urteil vom 21. März 2012 - B 6 KA 18/11 R, SGb 2013, 287). Die wirkstoffbezogenen Einzeltherapiehinweise des GBA konkretisierten für den Vertragsarzt die sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot
ergebende Verpflichtung in Bezug auf bestimmte pharmakologische Wirkstoffe, von gleichartig wirkenden Arzneimitteln das Günstigere
zu verordnen (Hinweis dazu, dass solche Therapiehinweise in §
92 Abs.
1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr.
6 SGB V eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage fänden, grundlegend BSG, Urteil vom 31. Mai 2006 - B 6 KA 13/05 R, BSGE 96, 261).
Mit dem Beschluss des GBA vom 21. November 2006 liege für das streitbefangene Quartal ein Therapiehinweis zu Teriparatid vor.
Danach sei dieser Wirkstoff zur Behandlung der manifesten Osteoporose bei postmenopausalen Frauen nur ein Mittel der zweiten
Wahl und wegen der im Vergleich zu Bisphosphonaten bis zu 35-fach höheren Tagestherapiekosten in der Regel unwirtschaftlich.
Die Verordnung bleibe lediglich definierten Ausnahmefällen vorbehalten und sei nur unter bestimmten kumulativen, im Beschluss
dargelegten Bedingungen wirtschaftlich. Diese seien in der Person von Frau W. nicht erfüllt gewesen, wie der Kläger selbst
eingeräumt habe; insbesondere sei es bei ihr in den letzten 18 Monaten vor der Verordnung nicht zu mindestens zwei neuen Frakturen
gekommen.
Der Kläger dringe nicht mit seinem Vorbringen durch, gleichwohl sei für seine Patientin die Verordnung von Forsteo medizinisch
begründet gewesen. Dabei brauche nicht entschieden zu werden, ob in diesem Einzelfall die Behandlung mit Teriparatid tatsächlich
die einzig verbliebene Therapiemöglichkeit dargestellt habe. Denn der Kläger könne sich nur dann auf eine ausnahmsweise Verordnung
im medizinisch begründeten Einzelfall berufen, wenn das für alle Vertragsärzte gültige Regelwerk eine solche Ausnahme vorsehe.
Die AMRL berechtigten den Vertragsarzt aber weder in Nr. 14 noch an anderer Stelle dazu, bei einer Verordnung zu Lasten der
gesetzlichen Krankenversicherung in medizinisch begründeten Einzelfällen ausnahmsweise von den Therapiehinweisen des GBA abzuweichen.
Eine Regelung, wie sie inzwischen § 17 Abs. 1 Satz 2 iVm § 16 Abs. 5 AMRL enthalte, sei im streitgegenständlichen Quartal
gerade nicht vorgesehen gewesen.
Auch die Heranziehung des Rechtsgedankens des §
31 Abs.
1 Satz 4
SGB V im Wege der Analogie würde zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis führen. Die Kammer könne daher dahin stehen lassen,
ob eine solche Erweiterung auf Verordnungen, die den Therapiehinweisen des GBA widersprächen, geboten wäre. Nach §
31 Abs.
1 Satz 4
SGB V könne der Vertragsarzt Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen seien, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen.
Die streitgegenständliche Verordnung sei indes keine vergleichbare Verordnung "mit Begründung". Weder habe der Kläger das
Verordnungsblatt mit einer zumindest stichwortartigen Begründung für die ausnahmsweise Verordnung von Forsteo versehen, noch
habe er der Verordnung eine Begründung in gesonderter Form beigefügt oder diese der Beigeladenen zu 1 auf andere Weise zeitnah
mit der Verordnung übermittelt. Erst mehr als ein Jahr nach Ausstellung der Verordnung habe er im Rahmen des Prüfverfahrens
vor der Gemeinsamen Prüfungsstelle die medizinischen Gründe dargelegt, die nach seiner fachlichen Einschätzung im Fall von
Frau W. eine Verordnung trotz entgegenstehender Therapiehinweise rechtfertigten. Eine Begründung, die §
31 Abs.
1 Satz 4
SGB V oder zumindest seinen Rechtsgedanken zur Anwendung bringe, müsse aber in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Verordnung
abgegeben und nach außen kundgetan werden (Hinweis auf Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Februar
2012 - L 9 KR 292/10, juris). Dafür spreche schon der Wortlaut der Norm, zu deren Tatbestandsvoraussetzungen nicht nur gehöre, dass ein medizinisch
begründeter Einzelfall vorliege, sondern eben auch, dass die Verordnung "mit Begründung" erfolge. In der Gesetzesbegründung
zu § 31 Abs. 1 Satz 4 heiße es hierzu ausdrücklich, "die medizinische Notwendigkeit ist vom Vertragsarzt zu begründen" (BT-Drucks.
15/1525, S. 28). Der Sinn und Zweck des §
31 Abs.
1 Satz 4
SGB V gebiete es, dass der Vertragsarzt die vorgeschriebene Begründung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Verordnung
abgeben müsse, wenn er sich auf diese Vorschrift stützen wolle, die erkennbar als Ausnahmevorschrift konzipiert sei ("ausnahmsweise",
"in medizinisch begründeten Einzelfällen"). Würde man hingegen jede spätere, insbesondere erst im Verfahren nach §
106 SGB V abgegebene Begründung genügen lassen, liefe das Tatbestandsmerkmal "mit Begründung" leer; der als Ausnahme gedachte Fall
des §
31 Abs.
1 Satz 4
SGB V unterschiede sich dann nicht mehr "von anderen Einzelverordnungsregressen, in denen typischerweise die Verordnungsfähigkeit
eines Arzneimittels erstmals im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung geklärt wird" (Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg,
a.a.O.).
Der Kläger könne nicht verlangen, zu seinen Gunsten noch weitergehende Ausnahmen für Verordnungen "ohne Begründung" anzuerkennen.
Das bestätige schließlich ein Blick auf die inzwischen geltende Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 16 Abs.
5 AMRL, wonach der behandelnde Arzt in medizinisch begründeten Einzelfällen ausnahmsweise zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen
Arzneimittel entgegen geltender Therapiehinweise verordnen könne, aber eben nur "mit Begründung".
Auch die weitere Tatbestandsvoraussetzung des §
106 Abs.
2 SGB V a.F. in Verbindung mit §
17 Abs.
7 Satz 1 Prüfungsvereinbarung sei erfüllt, da der Vorrang der Beratung
(§ 10 Abs. 1 Satz 2 Prüfungsvereinbarung) nicht eingreife. Dieser Vorrang gelte nicht bei der Beanstandung von Verordnungen,
deren Unzulässigkeit sich wie hier aus gesetzlichen oder vertraglichen Verordnungsausschlüssen ergäben (§ 10 Abs. 3, 3. Aufzählungszeichen
Prüfungsvereinbarung).
Auf ein Verschulden des Vertragsarztes komme es nicht an.
Ermessen sei dem Beklagten nicht eingeräumt. Er habe daher gemäß § 17 Abs. 7 Satz 1 Prüfungsvereinbarung einen Regress in
Höhe der tatsächlich entstandenen oder der geschätzten Kosten beschließen müssen. Bedenken gegen den Betrag von 1.608,10 EUR,
der den Nettokosten der streitbefangenen Verordnung entspreche, bestünden nicht.
Mit seiner am 18. September 2012 gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 12. September 2012 zugestellte Urteil eingelegten
Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus dem vorgerichtlichen sowie aus dem Klageverfahren und macht
geltend, dass das Sozialgericht den anzuwendenden Prüfungsmaßstab verkannt und insbesondere nicht beachtet habe, dass es vorliegend
nicht um einen Verstoß gegen einen Verordnungsausschluss, sondern um einen solchen gegen einen Therapiehinweis gehe. Ein Verstoß
gegen einen Therapiehinweis im Sinne einer Empfehlung sei nicht gleichzusetzen mit einem gesetzlichen Ausschluss oder einem
Ausschluss durch die AMRL oder einen so genannten Off-label-use. Die Verordnung entgegen einem Therapiehinweis sei nicht per
se ausgeschlossen, soweit eine solche Verordnung medizinisch begründet sei. Der Beklagte hätte wie bei jeder anderen Wirtschaftlichkeitsprüfung
im Einzelfall auch im Nachhinein prüfen müssen, ob eine wirtschaftlichere Behandlungsalternative bestanden hätte, was indes
nicht der Fall gewesen sei. Dann hätte er auch die Stellungnahme der Patientin würdigen müssen, die dargelegt habe, dass sie
die Alternativpräparate nicht vertragen habe. Zu Unrecht habe das Sozialgericht eine vorgelagerte Begründungspflicht angenommen
und dabei übersehen, dass die herangezogene Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg einen völlig anderen Zusammenhang betreffe,
nämlich die nachträgliche Kostenerstattung bei einem nach Anlage 1 der AMRL ausgeschlossenen Präparat.
Da die Rechtsnatur eines Therapiehinweises noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen und ungeklärt
sei, ob ein Vertragsarzt bei der Verordnung von Arzneimitteln tatsächlich durch einen Therapiehinweis des GBA ebenso eingeschränkt
sei wie durch einen gesetzlichen Ausschluss von Präparaten, begehre er hilfsweise, die Revision zuzulassen. Es sei zudem höchstrichterlich
nicht geklärt, ob die Begründung im Fall des Nichtbeachtens eines Therapiehinweises tatsächlich in unmittelbar zeitlichem
Zusammenhang mit der Verordnung abzugeben sei (wem gegenüber?). Ein Beschreiben des Rezeptes scheide aus, weil dieses nicht
in die elektronische Erfassung eingehe. Ein Anschreiben an die Kostenträger würde für den Verordner einen überflüssigen Aufwand
bedeuten, zumal dem Kostenträger die Krankheitssituation der Versicherten bekannt sei und er gegebenenfalls bei weiteren Klärungsbedarf
beim Verordner auch ohne Einleitung eines Prüfverfahrens Rückfrage nehmen könne. Den Kläger anzuhalten, die Verordnung auf
Privatrezept vorzunehmen, sei abwegig.
Sollte eine vorherige Information an den Kostenträger erforderlich sein, so wäre dieses in der konkreten Verhandlungssituation
nicht hilfreich, weil die Kostenträger nach den Vorgaben der Bundesmantelverträge Verordnungen nicht genehmigen dürften. Insoweit
würde eine diesbezügliche Verpflichtung an den Arzt leerlaufen. Deshalb bedürfe es hier einer höchstrichterlichen Grundsatzentscheidung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Juli 2012 sowie den Beschluss des Beklagten vom 2. März 2011 aufzuheben und den
Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über seinen - des Klägers - Widerspruch
gegen den Beschluss der Gemeinsamen Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in H. vom 30. Oktober 2009 zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts im Wesentlichen für richtig und nimmt hierauf Bezug. Lediglich soweit die analoge Anwendung
des §
92 Abs.
1 S. 2 Nr.
4 SGB V erwogen werde, erteilt der Beklagte diesem eine Absage. Hierbei handele es sich um eine spezielle Regelung für die ausnahmsweise
Verordnung von nach der AMRL von der Versorgung ausgeschlossenen Arzneimitteln, die in einem konkreten Fall ärztlich mit Begründung
verschrieben werden dürften. Da Forsteo ein zugelassenes Arzneimittel sei, komme diese Vorschrift überhaupt nicht in Betracht.
Der Kläger sei vielmehr auf den vom BSG aufgezeigten Lösungsweg der Verordnung des Medikaments auf Privatrezept zu verweisen, um der Krankenkasse eine Vorabprüfung
zu ermöglichen. Da alle maßgeblichen Rechtsfragen geklärt seien, sei die Revision nicht zuzulassen.
Die Beigeladene zu 1 sieht für sich keine Leistungspflicht für das streitbehaftete Arzneimittel. Die Beigeladene zu 2 hat
sich nicht geäußert. Beide Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Sitzungsniederschrift vom 3. Dezember 2014 sowie den
Inhalt der darin aufgeführten Akten und Unterlagen Bezug genommen.
Entgegen der Auffassung von Clemens (a.a.O. Rn. 371 ff.) ist das Sozialgericht auch zu Recht von der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage
ausgegangen. Die von Clemens in Konstellationen wie dieser für allein einschlägig gehaltene reine Anfechtungsklage vermag
angesichts der allgemein akzeptierten Konstruktion des BSG, wonach die Entscheidung des Beschwerdeausschusses diejenige der Prüfstelle ersetzt und alleiniger Gegenstand eines Klageverfahrens
ist, dem Kläger nicht zum gewünschten Klageerfolg zu verhelfen. Denn mit der isolierten Aufhebung des Beschlusses des Beklagten
wäre die Bescheidung des Widerspruchs des Klägers gegen den Beschluss der Prüfungsstelle wieder offen. Dieser muss wieder
aufleben, weil anderenfalls Widersprüche insbesondere gegen Ermessensentscheidungen oder durch Dritte gleichsam in der Luft
hingen.
Der Kläger übersieht bei seiner Argumentation, dass der hier einschlägige Therapiehinweis in Anlage 4 zur AMRL anders als
derjenige, der dem von ihm angeführten Urteil des BSG vom 31. Mai 2006 (B 6 KA 13/05 R, BSGE 96, 261) zu Grunde lag, keine bloße Empfehlung ausspricht, sondern faktisch einen regelhaften Verordnungsausschluss wegen Unwirtschaftlichkeit
angesichts der besonders hohen Kosten bedingt, der nach dessen abschließendem und an keiner Stelle offenem Wortlaut nur unter
bestimmten, zum Teil kumulativ, zum Teil alternativ erforderlichen Voraussetzungen nicht greift.
Die Voraussetzungen, nach denen der regelhafte Ausschluss nicht greift, sind vorliegend unstreitig nicht gegeben gewesen.
Die Patientin W. hatte in den letzten 18 Monaten vor Beginn der Forsteo-Therapie nicht mindestens zwei neue Frakturen erlitten,
was der Kläger auch noch einmal ausdrücklich im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2010 im Verfahren betreffend
das Quartal IV/2008 eingeräumt hat. Auch die kumulativ zu fordernde Voraussetzung, von denen vorliegend nur die Alternativen
unter dem ersten und zweiten Spiegelstrich infrage kommen, nämlich das nicht ausreichende Ansprechen auf eine direkte und
adäquate Vorbehandlung über mindestens ein Jahr oder das Absetzen der Bisphosphonatbehandlung aufgrund von Unverträglichkeiten,
ist vorliegend nicht nachgewiesen. Der Kläger hat sich allein auf die mündlichen Schilderungen der Patientin verlassen, wonach
eine derartige Medikamentengabe wegen Unverträglichkeit schnell wieder beendet worden sei. Dies reicht schon vor dem Hintergrund
nicht aus, dass entsprechende Verordnungen nach den der Beigeladenen zu 1 zugänglichen Informationen nicht nachgewiesen worden
sind.
Vor diesem Hintergrund ist die vom Sozialgericht zitierte Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg sehr wohl auch auf den vorliegenden
Sachverhalt übertragbar, so dass nachträgliche Angaben des Klägers zum Vorliegen der behaupteten ausnahmsweisen Verordnungsfähigkeit
von Forsteo im hiesigen konkreten Einzelfall bei der Beurteilung nicht zu berücksichtigen sind. Im Übrigen ist auch im Nachhinein
nicht nachgewiesen worden, dass die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Verordnungsfähigkeit vorgelegen haben. Es steht
vielmehr fest, dass dies jedenfalls nach dem Beurteilungsmaßstab des Therapiehinweises in Anlage 4 der AMRL nicht der Fall
gewesen ist.
In diesem - wie in den parallel verhandelten Sachverhalten L 5 KA 24 bis 26 sowie 28/12 - wird sehr deutlich, dass der Kläger
sehenden Auges in medizinisch nach dem damaligen Erkenntnisstand umstrittenen Einzelfällen Verordnungen auf Kassenrezept ausgestellt
hat, obwohl eine vorherige Überprüfung durch die jeweiligen Kostenträger in deren Interesse sowie in dem Interesse der behandelten
Patienten sinnvoll und angezeigt gewesen wäre. Da er diesen Weg bewusst nicht gegangen ist, erscheint der festgesetzte Regress
nicht nur rechtmäßig, sondern auch sachgerecht.