Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1964 geborene Kläger hat keine abgeschlossene Ausbildung. Er arbeitete in diversen Berufen (als Maschinenbediener, Betriebsarbeiter
in der Kunststoffherstellung und zuletzt als Hausmeister 4 h/Tag), wobei er seit 1998 überwiegend arbeitslos mit Leistungsbezug
war. Er bezieht sei 2005 Arbeitslosengeld II. Für den Kläger ist ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt.
Bereits in den Jahren 2001 und 2011 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, welche von der
Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin jeweils abgelehnt wurde. Eine im Jahr 2011 erhobene Klage nahm der Kläger auf Anraten
des Gerichts zurück.
Am 9. Juli 2015 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Er halte sich wegen Hirnleistungsschwäche,
degenerativen Wirbelsäulenveränderungen bei deutlicher Fehlhaltung der Brust- und Lendenwirbelsäule, angeborener Hüftgelenksdysplasie
beidseits, Zustand nach Unterschenkelfraktur rechts, HWS-Problemen, Herzrhythmusstörungen, Schwindel und Kollapsneigung für
erwerbsgemindert. Die Beklagte holte Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. C. und des Neurologen und Psychiaters Dr. D. ein.
Zudem holte die Beklagte ein Gutachten des Sozialmediziners Dr. E. vom 30. November 2015 ein. Dr. E. kam bei den Diagnosen
Angststörung mit Einschränkung der psychischen Belastbarkeit,
Somatisierungsstörung mit Ausbildung und Verstärkung vielfacher Beschwerden,
chronisch-rückfällige Schmerzzustände des Nackens und des Schultergürtels,
Belastungsminderung und rückfällige Schmerzzustände der Rumpfwirbelsäule,
leichtgradige frühkindlich erworbene geistige Minderbegabung,
Minderbelastbarkeit und Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke bei angeborener Gelenkfehlstellung (Hüftgelenksdysplasie),
Übergewicht, BMI 35 und
arterieller Bluthochdruck, medikamentös behandelt
zu dem Ergebnis, dass sich Einschränkungen der psychischen Belastbarkeit ergäben, jedoch kein vollständig aufgehobenes Leistungsvermögen.
Aufgrund der beklagten Schwindelerscheinungen und Beschwerden am Bewegungsapparat, die im Rahmen der Untersuchung nicht objektiviert
hätten werden können, sollten nur noch ebenerdigen Tätigkeiten ohne Absturzgefahr abverlangt werden. Bei dem Kläger liege
eine leichtgradige geistige Minderbegabung vor, welche wohl durch eine frühkindliche Hirngewebeschädigung verursacht sei.
Daraus resultiere eine Einschränkung beim Rechnen und eine leichtgradige Einschränkung des Anpassungs- und Umstellungsvermögens;
bei entsprechender Anleitung an einem neuen leidensgerechten Arbeitsplatz könne sich der Kläger binnen vier bis sechs Wochen
eingewöhnen. Der Kläger könne ausreichend gut lesen und für den Alltag ausreichend schreiben. Es bestehe eine ausreichende
geistige und psychische Belastbarkeit für zumindest körperlich leichte Arbeit mit Funktionseinschränkungen. Besondere Anforderungen
an die geistige Belastbarkeit (Lesen, Schreiben, Rechnen) seien nicht abzuverlangen. Auch hinsichtlich der orthopädischen
Leiden seien körperlich leichte Arbeiten mit Funktionseinschränkungen möglich. Im Vergleich zu den Vorbegutachtungen in den
Jahren 2001 und 2011 seien die psychischen Beschwerden des Klägers in den Vordergrund getreten. Eine adäquate psychiatrische
oder psychotherapeutische Behandlung erfolge jedoch nicht.
Mit Bescheid vom 4. Januar 2016 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil der Kläger die medizinischen Voraussetzungen
für die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente nicht erfülle. Die medizinisch festgestellten Einschränkungen ließen eine
mindestens sechsstündige arbeitstägliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu.
Mit Schreiben vom 27. Januar 2016 legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass vor dem Hintergrund der
geistigen und seelischen Behinderung mittlerweile die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit nicht mehr vorhanden sei, um sich
innerhalb von drei Monaten in eine neue Beschäftigung einzuarbeiten. Dies zeige der bisherige berufliche Lebensweg mit der
Ausübung sehr einfacher Tätigkeiten und die langjährige Arbeitslosigkeit. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2016 wies
die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 9. August 2016 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass es
zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes gekommen sei. Seit dem Jahr 2015 leide er neben weiterbestehenden und
leistungseinschränkenden orthopädischen Erkrankungen verstärkt unter einer Schwindelsymptomatik. Die psychischen Beschwerden
seien in den Vordergrund getreten und hätten sich verstärkt. Das Gericht hat Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. C., des
Neurologen und Psychiaters Dr. D. und des Facharztes für Orthopädie Dr. F. eingeholt. Des Weiteren hat das Gericht Beweis
erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß §
106 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bei dem Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. Der Sachverständige hat sein Gutachten
vom 19. Februar 2018 auf die medizinischen Befunde, die in der Verwaltungsakte der Beklagten vorliegen, sowie auf die im Gerichtsverfahren
eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers gestützt, weil das Gutachten nach Aktenlage erstellt worden
ist, da sich der Kläger zur Wahrnehmung des Untersuchungstermins nicht im Stande gesehen hat. Der Sachverständige ist bei
den Diagnosen
leichtgradige frühkindliche Intelligenzminderung mit auch seelischen Symptomen,
Bluthochdruckleiden, medikamentös behandelt und
Adipositas
zu der Einschätzung gekommen, dass der Kläger noch sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter qualitativen
Einschränkungen tätig sein könne. Bei der Tätigkeit sollte die Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung bestehen. Es sollten
keine Tätigkeiten unter verschärftem Zeitdruck oder Akkordbedingungen und nicht in Nachtschicht als psychogener Stressor ausgeübt
werden. Dabei sollte es sich um geistig einfache Tätigkeiten handeln. Die therapeutischen Optionen des psychotherapeutischen
Fachgebietes seien nicht ausgeschöpft. Der Kläger sei in der Vergangenheit auch über einen längeren Zeitraum regelmäßig beruflich
tätig gewesen. Nach Aktenlage bestehe die erforderliche Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, um sich innerhalb von drei Monaten
in eine neue Berufstätigkeit einarbeiten zu können. Der Kläger könne sein Handeln einschätzen und entsprechend reagieren bzw.
modifizieren. Die Urteilskraft und die Kritik- und Einsichtsfähigkeit zur eigenen Person und zum sozialen Umfeld sei nicht
eingeschränkt. Die Denkfunktionen seien eingeschränkt, was bei der Art der beruflichen Tätigkeit zu berücksichtigen sei. Nach
Aktenlage lägen keine ausgeprägten Störungen der sozialen Kompetenzen und der Alltagskompetenzen vor. In Betracht kämen Berufsbilder
in den Bereichen des Verpackens leichter Industrie- und Handelserzeugnisse oder entsprechende Prüftätigkeiten. Es könnten
Montier-, Sortier-, Reinigungsarbeiten oder andere leichte Hilfsarbeiten wie das Zureichen, Abnehmen, Zusammensetzen oder
Kleben von Teilen, dem Aufnehmen von Produkten von einem Band oder einer Maschine oder die Bedienung von Hebeln oder Steuerungspulten
erbracht werden. Auch sei der Kläger gesundheitlich im Stande, von seiner Wohnung aus öffentliche Verkehrsmittel aufzusuchen
und zu benutzen. Gegebenenfalls müsste bei Aufnahme der beruflichen Tätigkeit ein Training erfolgen. Auch hinsichtlich der
Umstellung und Anpassungsfähigkeit sei gegebenenfalls noch eine externe Unterstützung notwendig.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 27. April 2018 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt,
dass der angegriffene Bescheid vom 4. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2016 rechtmäßig sei.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente. Er erfülle zwar die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung
des Gerichts jedoch fest, dass der Kläger nicht im rentenrechtlichen Sinn voll oder teilweise erwerbsgemindert sei. Der Sachverständige
Dr. G. beschreibe in seinem Gutachten ausführlich und verständlich die bei dem Kläger festgestellten Erkrankungen und ihre
Auswirkungen auf seine Erwerbsfähigkeit. Er erläutere gut nachvollziehbar, weshalb die qualitativen Einschränkungen im Leistungsbild
zu keiner quantitativen Einschränkung führten. Insgesamt deckten sich die Beschreibungen der Erkrankungen des Klägers mit
den Befundberichten der behandelnden Ärzte und das sozialmedizinische Fazit des Sachverständigen decke sich auch mit dem Ergebnis
der Ermittlungen der Beklagten. Soweit im Befundbericht des Dr. C. eine andere medizinische Schlussfolgerung gezogen werde,
sei darauf hinzuweisen, dass Dr. C. Facharzt für Allgemeinmedizin sei und für ihn fachfremde Gesundheitsstörungen in seine
Einschätzung miteingeflossen seien. Die eingeholten Befundberichte zeigten, dass eine Behandlung der gesundheitlichen Probleme
des Klägers insbesondere auf orthopädischen und psychotherapeutischen Fachgebiet bis jetzt nicht konstant und nicht ausreichend
durchgeführt worden sei. Die fehlende Behandlungsdichte spreche gegen den Nachweis einer rentenrelevanten Einschränkung des
Klägers.
Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigen am 13. Juni 2018 zugestellte Urteil am 12. Juli 2018 Berufung bei dem
Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Der Kläger behauptet weiterhin, dass die bei ihm vorliegenden Erkrankungen eine zumindest dreistündige Tätigkeit arbeitstäglich
unmöglich machten. Seine körperlichen Schmerzen und Beeinträchtigungen hätten sich erheblich verschlechtert und aus Sicht
des behandelnden Psychiaters sei eine Rückkehr auf den allgemeinen Arbeitsmarkt aus nervenärztlicher Sicht nicht mehr vorstellbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. April 2018 sowie den Bescheid vom 4. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 26. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung in gesetzlichem
Umfang ab dem 1. Juli 2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die erstinstanzliche Entscheidung und die bisherigen Ermittlungen.
Der Kläger hat Bescheinigungen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. vom 30. April 2017, 27. Juli 2018 und 27.
Oktober 2019 vorgelegt.
Der Senat hat Befundberichte bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. F. vom 11. September und 2. Oktober 2018 und des Allgemeinarztes
Dr. C. vom 15. September 2018 eingeholt.
Zudem hat der Senat von Amts wegen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
Dr. H. eingeholt. Dieser ist aufgrund ambulanter Untersuchung am 27. Februar 2019 in seinem Gutachten vom 4. März 2019 bei
den Diagnosen
Anpassungsstörung mit leichter depressiv-ängstlicher Reaktion,
leichte Intelligenzminderung ohne wesentliche Verhaltensstörung,
degeneratives Zervikalsyndrom ohne Wurzelreiz- oder –ausfallssymptome und
Adipositas
zu dem Ergebnis gekommen, dass qualitative Einschränkungen bestünden, insbesondere hinsichtlich der geistigen und psychischen
Belastbarkeit. Der Kläger sei aber in der Lage, Arbeiten im Einklang mit bestimmten Einschränkungen zumindest sechs Stunden
täglich zu verrichten. Der Kläger könne während der festgestellten Zeitdauer in qualitativer Hinsicht noch rückengerechte,
leichte Tätigkeiten verrichten. Der Kläger sei in der Lage, Arbeiten mit einfachen Ansprüchen an die geistige und psychische
Belastbarkeit, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sowie geistige Flexibilität zu verrichten, die idealerweise gut strukturiert
und überwacht sein sollten. Arbeiten im Schicht- oder Nachtdienst sowie unter Akkordbedingungen seien nicht möglich. Der Kläger
sei nicht in der Lage, körperlich schwerere Tätigkeiten mit Heben und Tragen schwerer Gegenstände sowie häufigen Überkopfarbeiten
zu verrichten. Zudem seien Arbeiten in Zwangshaltungen nicht leidensgerecht. Die dem (Rest-) Leistungsvermögen entsprechenden
Tätigkeiten könnten noch unter den in der Regel in den Betrieben üblichen Arbeitsbedingungen verrichtet werden. Weitere sogenannte
betriebsunübliche Einsatzbeschränkungen, z. B. zusätzliche betriebsunübliche Pausen, seien nicht vonnöten. Bei der Begutachtung
hätten sich an der Fähigkeit des Klägers, dass er sich an die Erfordernisse im Erwerbsleben anzupassen bzw. sich umzustellen
vermag, keine Zweifel ergeben, solange es sich um entsprechend adaptierte, intellektuell einfache Tätigkeiten handele. Hinsichtlich
des Weges zur Arbeitsstätte ergäben sich aus neurologisch-psychiatrischer Perspektive keine Einschränkungen der Wegefähigkeit.
Der Kläger sei in der Lage, mehr als 500 Meter viermal täglich in einer Zeit von jeweils weniger als zwanzig Minuten zurückzulegen.
Er sei auch in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und ein Kraftfahrzeug zu führen. Das festgestellte Leistungsvermögen
bestehe ab Antragstellung am 9. Juli 2015.
Der Kläger hat daraufhin ein „Plausibilitätsgutachten“ des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. J. vom
2. Mai 2019 vorgelegt, der zu dem Ergebnis gekommen ist, dass unter Berücksichtigung der Ausführungen des Dr. H. und der Berichte
des Dr. D. auch ein in zeitlicher Hinsicht eingeschränktes Leistungsvermögen bestehe, so dass der Kläger nur noch in der Lage
sei, leidensgerechte Tätigkeiten von drei bis unter sechs Stunden täglich zu verrichten.
Dr. H. ist wiederum in einer angerforderten ergänzenden Stellungnahme vom 3. September 2019 bei seiner Einschätzung des Leistungsvermögens
geblieben.
Zum weiteren Sach- und Streitstand wird im Übrigen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung (§§
143,
144 Abs.
1 SGG) des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§
151 Abs.
1 SGG).
Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. April 2018 war nicht aufzuheben, da der Bescheid vom 4. Januar 2016 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2016 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, §
54 Abs.1 Satz 2
SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Gemäß §
43 Abs.
1 und
2 Satz 1
SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung,
wenn sie
teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung
oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß
§
43 Abs.
2 Satz 3
SGB VI auch
Versicherte nach §
1 Satz 1 Nr. 2
SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen
Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des §
43 Abs.
3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig
sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der für den Nachweis der sog. Vorversicherungszeit im Sinne des §
43 Abs.
1 und
2 Satz 1 Nr.
2 SGB VI maßgebliche Fünf-Jahres-Zeitraum verlängert sich gemäß §
43 Abs.
4 und §
241 Abs.
1 SGB VI um die im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Aufschubzeiten (insbesondere Anrechnungs- und Ersatzzeiten). Gemäß §
43 Abs.
5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren dann nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines
Tatbestands eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit der Vorschrift des §
53 SGB VI zufolge (z. B. wegen eines Arbeitsunfalls) vorzeitig erfüllt ist. Nach der Sonderregelung des §
241 Abs.
2 Satz 1
SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit außerdem nicht erforderlich für Versicherte,
die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat
vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit den im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Anwartschaftserhaltungszeiten
(insbesondere Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Berücksichtigungszeiten oder Rentenbezugszeiten) belegt ist oder wenn
die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung
noch zulässig ist, bedarf es gemäß §
241 Abs.
2 Satz 2
SGB VI keiner Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten.
Die für eine Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche allgemeine Wartezeit im Sinne des §
43 Abs.
1 und
2 Nr.
3 SGB VI ist gemäß §
50 Abs.
1 SGB VI erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsminderung eine Versicherungszeit von fünf Jahren zurückgelegt ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, weil seine Erwerbsfähigkeit
nicht in rentenberechtigendem Ausmaß herabgemindert ist. Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen sind dem Kläger leichte
körperliche Arbeiten von sechs Stunden täglich mit qualitativen Einschränkungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes zumutbar. Zur Überzeugung des Senats ist der Eintritt eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung bei dem Kläger
nicht nachgewiesen.
Die Fähigkeit des Klägers, durch erlaubte Erwerbstätigkeit ein Arbeitsentgelt in nicht ganz unerheblichem Umfang zu erzielen
(Erwerbsfähigkeit), ist durch verschiedene Gesundheitsstörungen beeinträchtigt. Unter Berücksichtigung der festgestellten
Leiden auf orthopädischem und psychiatrischem Gebiet steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das quantitative Leistungsvermögen
des Klägers jedoch nicht gemindert ist. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens ergibt sich unter Berücksichtigung aller
Einzelumstände aus einer Gesamtschau der über den Gesundheitszustand des Klägers vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und
medizinischen Gutachten im Sinne einer Längsschnittbetrachtung. So stützt der Senat seine Auffassung zum Leistungsvermögen
des Klägers auf die fachpsychiatrische Begutachtung im Berufungsverfahren durch Dr. H., aber auch auf das im Klageverfahren
eingeholte Gutachten des Dr. G.
Der Sachverständige Dr. H. führte aus, dass der Kläger unter Schmerzen im Bereich beider Hüftgelenke, der Hals- und Nackenregion
mit Ausstrahlung in die oberen Extremitäten, Schulterschmerzen, Schwindel und Kopfschmerzen sowie situativ auftretenden Ängsten
und Unsicherheit beim Autofahren, Stimmungsschwankungen, Zukunfts- und Existenzsorgen und depressiven Verstimmungen leide.
Aktenkundig sei anlässlich einer neurologisch-psychiatrischen Vorstellung im Juli 1979 bei dem damals vierzehnjährigen Kläger
der Verdacht auf intellektuelle Minderbegabung geäußert worden. Von Seiten des behandelnden Nervenarztes, der den Kläger niedrigfrequent
betreue, werde diese im Zusammenhang mit einer Frühgeburt im siebten Monat in Verbindung gebracht und ein 1987 bestimmter
IQ von unter 90 erwähnt. Eine Untersuchung des Schädels habe, abgesehen von einer das altersentsprechende Maß überschreitenden
Atrophie mit Erweiterung vor allem der inneren Liquorräume, keine weiteren pathologischen Ergebnisse erbracht. Die MRT-Bilder
habe der Sachverständige einsehen können. Die in der MRT beschriebene Atrophie korrespondiere mit der in der hiesigen klinischen
Untersuchung imponierenden leichten Intelligenzminderung sowie den diesbezüglichen aktenkundigen Einschätzungen. Eine regelmäßige
psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung sei weder in den letzten Jahren noch aktuell durchgeführt worden, eine
antidepressiv-medikamentöse oder anxiolytische Behandlung finde nicht statt. Im aktuellen psychiatrischen Untersuchungsbefund
anlässlich der Begutachtung präsentiere sich ein freundlicher, offener und kooperativer, im klinischen Gesamteindruck einfach
strukturierter Kläger, der ohne Zeichen wesentlicher mnestischer oder konzentrativer Defizite über seinen Werdegang und seine
Beschwerden berichte. Die Stimmung sei situationsadäquat unauffällig, die affektive Modulationsfähigkeit nicht beeinträchtigt.
Es bestehe eine leichte Grübelneigung sowie ein auf die unsichere Zukunftsperspektive und die finanziellen Sorgen eingeengtes
Denken. Der Antrieb sei normal, psycho-motorisch sei der Kläger ruhig. Klinische Zeichen einer schwerergradigen Depressivität,
wie eine vitale Antriebs-, Freud- oder lnteressenreduktion, oder eine namhafte Störung der vegetativen Funktionen bzw. zirkadianen
Rhythmik seien nicht festzustellen. Beschrieben würden situative, eher diffus geschilderte Ängste, die nicht den Charakter
von Panikattacken oder spezifischen Ängsten hätten. Die geschilderten Beschwerden imponierten eher als Ausdruck einer Überforderung
bei intellektuell anspruchsvolleren Tätigkeiten, insbesondere mit erhöhten Ansprüchen an die Konzentrationsfähigkeit und psychische
Belastbarkeit. Aus psychiatrischer Sicht sei demnach die Diagnose einer Anpassungsstörung mit längerer leichter depressiv-ängstlicher
Reaktion im Kontext der schwierigen psychosozialen und finanziellen Verhältnisse sowie der körperlichen Grunderkrankungen
zu stellen. Die diagnostischen Kriterien einer eigenständigen Angst- oder Zwangserkrankung, einer Persönlichkeitsstörung oder
einer Störung aus dem psychotischen Formenkreis seien nicht erfüllt. Bei ausführlicher Exploration der Gestaltungsfähigkeit
des Alltages sei festzustellen, dass es dem Kläger, zumindest wenn es ihm gelinge, intellektuell anspruchsvollere Tätigkeiten
zu vermeiden, durchaus möglich sei, den Alltag seinen Bedürfnissen entsprechend zu gestalten. So sei er in der Lage, sich
um den Haushalt und die Versorgung der Mutter zu kümmern, auf kurzen Strecken ein Kraftfahrzeug zu führen und auch regelmäßig
in einem Ehrenamt tätig zu sein. An dieser Stelle sei auch zu erwähnen, dass es dem Kläger immerhin in der Vergangenheit gelungen
sei, über viele Jahre einer regelmäßigen, intellektuell einfachen Tätigkeit nachzugehen, beispielsweise über zehn Jahre in
einer Kleiderbügelfabrik und später als Hausmeistergehilfe. Es fänden sich keine Hinweise, die dafür sprächen, dass vergleichbare
Tätigkeiten nicht auch aktuell möglich wären, zumal es klinisch und aktenkundig keine Hinweise dafür gebe, dass sich eine
andere zerebrale Störung in der Zwischenzeit ereignet hätte, die eine Verschlechterung der intellektuellen Funktionen begründen
könnte. Angesichts des psychopathologischen Befundes, der Angaben zur Alltagsgestaltung und der Verhaltensbeobachtung sei
eine qualitative Aspekte überschreitende Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht festzustellen. Der Kläger sei nach wie vor als
in der Lage anzusehen, zumindest Arbeiten mit einfachen Ansprüchen an die geistige und psychische Belastbarkeit sechs Stunden
und mehr pro Tag zu verrichten. Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an die geistige und psychische Belastbarkeit, die Umstellungs-
und Anpassungsfähigkeit sollten vermieden werden, ebenso Arbeiten im Schicht- und Nachtdienst bzw. unter Akkordbedingungen.
Der neurologische Untersuchungsbefund sei abgesehen von der Adipositas mit einem BMI von 36,5 kg/m2 unauffällig. Die Untersuchung
der Hirnnerven, der Koordination, der Stand- und Gangversuche sowie der Sensibilität sei unauffällig, der Reflexstatus normal.
Unter Berücksichtigung der anamnestischen Angaben sowie der Vorbefunde sei auf neurologischem Fachgebiet die Diagnose eines
degenerativen Zervikalsyndroms ohne Wurzelreiz- oder -ausfallsymptome zu stellen, diesbezüglich bestünden lediglich qualitative
Leistungseinschränkungen dergestalt, dass körperlich schwere Tätigkeiten mit Heben und Tragen schwerer Gegenstände nicht mehr
möglich seien. Der Kläger sei nicht in der Lage, häufige Überkopfarbeiten zu verrichten. Zudem seien Arbeiten in Zwangshaltungen
nicht leidensgerecht. Die dem Restleistungsvermögen entsprechenden Tätigkeiten könnten aus ärztlicher Sicht noch unter den
in der Regel in den Betrieben üblichen Arbeitsbedingungen verrichtet werden. Weitere sogenannte betriebsunübliche Einsatzbeschränkungen,
z. B. zusätzliche betriebsunübliche Pausen, seien nicht vonnöten. Bei der Begutachtung hätten sich an der Fähigkeit des Klägers
keine Zweifel ergeben, dass er sich an die Erfordernisse im Erwerbsleben anzupassen bzw. sich umzustellen vermag. Hinsichtlich
des Weges zur Arbeitsstätte ergäben sich aus neurologisch-psychiatrischer Perspektive keine Einschränkungen der Wegefähigkeit.
Der Kläger sei in der Lage, mehr als 500 Meter viermal täglich in einer Zeit von jeweils weniger als zwanzig Minuten zurückzulegen.
Er sei auch in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und ein Kraftfahrzeug zu führen. Das festgestellte Leistungsvermögen
bestehe ab Antragstellung am 9. Juli 2015. Es fänden sich keine Hinweise, die dafür sprächen, dass sich seither wesentliche
Änderungen des Gesundheitszustands eingestellt hätten. Der Einschätzung des vorausgehenden nervenärztlichen Gutachtens des
Dr. G. vom Februar 2018 schließe er sich an, der Beurteilung des behandelnden Nervenarztes könne er nicht folgen, da eine
derart ausgeprägte überdauernde psychiatrische oder neurologische Störung nicht festzustellen sei.
Der Senat schließt sich dieser Bewertung des Sachverständigen Dr. H. aus eigener Überzeugung an, denn sie wird widerspruchsfrei
aus seiner Untersuchung des Klägers hergeleitet und begründet. Sie stimmt zudem mit den Vorgutachten des Dr. G. und des Dr.
E. überein.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Plausibilitätsgutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof.
Dr. J. vom 2. Mai 2019. Dieser führt aus, dass die Angaben des langjährig behandelnden Psychiaters Dr. D. nahelegen würden,
dass psychische Beschwerden (Depressivität, Ängste) bereits langjährig vorlägen, was vor dem Hintergrund der bestehenden leichten
Intelligenzminderung auch nachvollziehbar sei. Leichte Intelligenzminderungen gingen häufig mit langjährig, häufig lebenslang
bestehenden psychischen Beschwerden einher. Im speziellen Fall des Klägers sei es bei isolierter Betrachtung der einzelnen
psychischen Störungen (Intelligenzminderung, leichtere depressive beziehungsweise Angstsymptomatik) nachvollziehbar, dass
sich hieraus für den Sachverständigen Dr. H. keine quantitative Einschränkung der Erwerbsfähigkeit ergeben habe. Andererseits
wäre es aber im Falle des Klägers erforderlich gewesen, eine integrierte Betrachtung vorzunehmen. Konkret sei damit gemeint,
dass leichtere psychische Beschwerden (Depressivität, Ängste) durch eine intelligenzgeminderte Person in aller Regel bei zumutbarer
Willensanstrengung schlechter kompensierbar seien, als dies bei einer Person ohne eine entsprechende Intelligenzminderung
der Fall sei. Vor diesem Hintergrund erscheine auch die Einschätzung des langjährig behandelnden Nervenarztes Dr. D. plausibel,
dass im Falle des Klägers nicht zu erwarten sei, dass er zukünftig wieder dazu in der Lage sein werde, vollumfänglich einer
Erwerbstätigkeit nachzugehen. Plausibel sei diese Einschätzung auch vor dem Hintergrund der bisherigen Erwerbsbiografie. Entsprechend
erscheine es realistischer, von einem verminderten quantitativen Leistungsvermögen (drei bis sechs Stunden) auszugehen, wobei
bezüglich der von Dr. H. festgestellten qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit Übereinstimmung bestehe.
Der Senat vermag sich dieser Einschätzung nicht anzuschließen, da Prof. Dr. J. für seine sozialmedizinische Bewertung keine
plausible Begründung aufzeigt, die an konkrete leistungseinschränkende Defizite des Klägers anknüpft. Er geht vielmehr pauschal
davon aus, dass sich die bei dem Kläger bestehenden leichten psychischen Leiden wegen seiner Intelligenzminderung schwerwiegender
als erwartbar auswirken würden. Konkrete Anknüpfungstatsachen benennt er dafür aber nicht. Der Senat schließt sich daher den
Ausführungen des Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. September 2019 an. Er führt aus, dass Prof. Dr. J. zwar
die Anpassungsstörung als nicht hinreichend begründet ansehe, er jedoch nicht darlege, welche andere Diagnose aus dem unzweifelhaft
vorliegenden effektiven Diagnosespektrum er für angemessen erachten würde. Das Vorliegen einer leichten Depression widerspreche
seiner Ansicht nach nicht der Diagnose einer Anpassungsstörung, die durchaus mehrfach im Leben jeweils im Zusammenhang mit
belastenderen Lebensereignissen bzw. Situationen auftreten könne. Die Diagnose einer leichten Depressivität werde auch von
Prof. Dr. J. nicht in Frage gestellt. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. J. würde es sich allenfalls um eine Dysthymie handeln,
also eine chronische leichte depressive Störung, die ebenfalls nicht geeignet sei, eine qualitative Aspekte überschreitende
Minderung der Erwerbsfähigkeit zu begründen. Die von Prof. Dr. J. geforderte integrierende Betrachtung unter Einschluss der
leichten Intelligenzminderung des Klägers sei erfolgt und in die in seinem Gutachten formulierte sozialmedizinische Leistungsbeurteilung
eingemündet. Dies ergibt sich auch für den Senat nachvollziehbar aus dem Gutachten des Dr. H., der alle Leiden des Klägers
gewürdigt hat, nachdem er ihn – im Gegensatz zu Prof. Dr. J. – auch persönlich untersucht hatte.
Ein Nachweis des Eintritts des Leistungsfalles ergibt sich auch nicht aus dem übrigen Berichtswesen. Dr. C. beschreibt in
seinem Befundbericht vom 15. Januar 2017, dass der Kläger psychisch nicht so belastbar sei. Er reagiere leicht mit Ängsten
und Blutdrucksteigerung. Dr. C. schildert Funktionseinschränkungen im qualitativen Leistungsbild; der Kläger könne nicht schwer
heben und nicht fest greifen, längeres Stehen oder Sitzen schmerzten, es bestünden Konzentrationsstörungen. Dr. D. berichtet
in seinem Befundbericht vom 30. April 2017, dass die letzte Behandlung im September 2015 erfolgt sei. Therapeutische Maßnahmen
auf seinem Fachgebiet seien nicht erfolgt; mangels Kontakt könne er sich zu der Fähigkeit der Organisation der Lebensführung
nicht äußern. Der Orthopäde Dr. F. gibt in seinem Befundbericht vom Dezember 2016 an, dass bei Erstvorstellung des Klägers
im Februar 2015 leichte Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule bestanden hätten. Bei Wiedervorstellung am 22. April
2016 hätten keine HWS-Blockierungen vorgelegen, sondern lediglich leichte Verspannungen der halswirbelsäulenstabilisierenden
Muskulatur. Aufgrund der von ihm diagnostizierten Erkrankungen würden keine Funktionseinschränkungen vorliegen. Dr. D. gibt
sodann in seinem Bericht vom 27. Juli 2018 an, dass zwischenzeitlich Veränderungen in den Beschwerden dergestalt eingetreten
seien, dass sich die körperlichen Schmerzen und Beeinträchtigungen so erheblich verschlechtert hätten, dass eine Arbeit als
Fabrikarbeiter mit Heben von schweren Gewichten bis 25kg und ständigem Wechsel der Körperhaltung nicht mehr möglich sei. Eine
Schmerzdistanzierung sei dem Kläger aus physischen und psychischen Gründen nicht möglich. Er sei nicht lernfähig, konzentrationsschwach,
antriebsarm, depressiv verstimmt, bei Ein- und Durchschlafstörungen nicht ausreichend erholungsfähig und er sei vor allem
nicht in der Lage von seinen Beschwerden und Ängsten, besonders von den Zukunftsängsten und den Sorgen um die herzkranke Mutter,
Abstand zu nehmen. Eine Rückkehr auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sei aus nervenärztlicher Sicht nicht mehr vorstellbar. Der
Kläger sei ein behinderter Mensch, der einfach vorzeitig in den Ruhestand gehen müsse. In einem aktuellen Befundbericht des
Dr. F. aus dem Jahr 2018 werden erneut ein funktionelles HWS-Syndrom und eine mäßige Coxarthrose beidseits bestätigt. In dem
Befundbericht des Dr. C. vom 15. September 2018 wird mitgeteilt, dass die Blutdruckwerte bei Kontrollen und medikamentöser
Behandlung im oberen Normbereich lägen.
Auch aus den in diesen Berichten benannten weiteren Leiden ergibt sich kein in zeitlicher Hinsicht eingeschränktes Leistungsvermögen.
Soweit der Kläger an einem Bluthochdruck und geringgradigen orthopädischen Erkrankungen leidet, kommen diesen Leiden nur qualitative
Einschränkungen des Leistungsvermögens zu. Eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens vermögen die dokumentierten
internistischen und orthopädischen Leiden nicht zu begründen. Hinsichtlich der psychischen Leiden verbleibt es nach Ansicht
des Senats bei den Feststellungen der Gutachter Dr. H. und Dr. G. Die Stellungnahmen des Dr. D. sind nicht objektiv, sondern
schon aufgrund der Sprachwahl erkennbar subjektiv durch das langjährige Arzt-Patienten-Verhältnis geprägt. Sehr deutlich klingt
ein erhebliches Mitleid mit dem Kläger durch und es zeigt sich ein appellativer Charakter dergestalt, dass der Kläger vorzeitig
in Rente gehen können müsse. Tatsächlich wird dies aber vor allem damit begründet, dass sich der Kläger stets bodenständig
um Arbeit bemüht habe und nunmehr seit Jahren ehrenamtlich im Dorfverschönerungsverein mitarbeite und seine Mutter pflege.
Weshalb der Kläger aber eine leidensgerechte Tätigkeit nicht verrichten könnte, ergibt sich aus den Berichten nicht. Dr. D.
stellt auf die Erwerbsbiographie des Klägers und die fehlende Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ab, indes sind dies nicht
die rechtlich relevanten Maßstäbe für die Begründung einer Erwerbsminderung im rentenrechtlichen Sinn.
Für den Senat sind Anhaltspunkte dahingehend, dass die Gutachten der Sachverständigen Dr. H. und Dr. G. entscheidungserhebliche
schwere Mängel aufweisen, in sich widersprüchlich sind, von unzulässigen Voraussetzungen ausgehen oder Zweifel an der Sachkunde
oder Sachdienlichkeit des Gutachtens erwecken, nicht erkennbar. Darüber hinaus sind Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer,
in den vorliegenden Gutachten oder im sonstigen medizinischen Berichtswesen bislang nicht berücksichtigter Gesundheitsbeeinträchtigungen
mit ernsthaft ins Gewicht fallendem erwerbsmindernden Dauereinfluss, aufgrund derer eine andere Sicht der Dinge geboten erscheinen
könnte, nicht ersichtlich. Der Senat hält deshalb das Leistungsvermögen des Klägers mit den von medizinischer Seite insgesamt
getroffenen Feststellungen für ausreichend aufgeklärt und weitere Begutachtungen von Amts wegen für nicht geboten. Danach
steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich an
fünf Tagen in der Woche leichte Arbeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen zu verrichten.
In Anbetracht des ausgeführten Restleistungsvermögens kann der Kläger auch im Übrigen nicht damit gehört werden, dass seine
Resterwerbsfähigkeit im Arbeitsleben wegen der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr verwertbar ist. Denn
es gibt zur Überzeugung des Senats auf dem für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsmarkt noch eine nennenswerte Zahl von
Tätigkeiten, die er trotz seines eingeschränkten Leistungsvermögens ausüben kann. Unter Berücksichtigung des festgestellten
Leistungsvermögens liegen bei dem Kläger insbesondere auch keine ins Gewicht fallenden besonderen Umstände vor, welche die
Ausübung einer leichten körperlichen Tätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschweren. Insoweit bedarf es im Rahmen der - bezüglich
des hier streitigen Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung allein maßgeblichen - Frage nach dem Bestehen realer Erwerbsmöglichkeiten
auf dem allgemeinen Arbeitsfeld einer besonders eingehenden Prüfung lediglich dann, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
oder eine spezifische Leistungsbehinderung festgestellt ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83, SozR 2200 § 1246 Nr. 117 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82, SozR 2200 § 1246 Nr. 104) oder wenn der Rentenbewerber wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer
Versicherter heraus fällt (vgl. BSG, Urteile vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200 § 1246 Nr. 90; vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79, SozR 2200 § 1246 Nr. 75). Derart gravierende Einschränkungen liegen bei dem Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
nicht vor.
Ob im Übrigen die in Betracht kommenden Arbeitsplätze frei sind oder besetzt, ist für die Entscheidung unerheblich, denn die
Erwerbsfähigkeit eines Versicherten, der wie der Kläger noch zumindest sechs Stunden pro Arbeitstag einsatzfähig ist, hängt
nicht davon ab, ob das Vorhandensein von für ihn offenen Arbeitsplätzen für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten konkret
festgestellt werden kann oder nicht. Der im Sinne der sog. konkreten Betrachtungsweise auf die tatsächliche Verwertbarkeit
der Resterwerbsfähigkeit abstellende Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 10. Dezember 1976, GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75 u. GS 3/76, BSGE 43, 75-86) kann bei diesem Personenkreis grundsätzlich nicht herangezogen werden. Das hat der Gesetzgeber in §
43 Abs.
3 SGB VI nochmals ausdrücklich mit dem Hinweis darauf klargestellt, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer - ungeachtet der jeweiligen
Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig
sein kann. Ausnahmen können allenfalls dann in Betracht kommen, wenn ein Versicherter nach seinem Gesundheitszustand nicht
dazu in der Lage ist, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in den Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten,
oder wenn er außerstande ist, Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011, B 13 R 79/11 R). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Bei dem Kläger liegt weder eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit
vor noch besteht das Erfordernis von zusätzlichen betriebsunüblichen Pausen.
Für den Kläger ergibt sich im Übrigen kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach §
240 SGB VI.
Nach §
240 Abs.
1 SGB VI haben auch Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis
zum Erreichen der Regelaltersgrenze, die
vor dem 2. Januar 1961 geboren und
berufsunfähig
sind.
Der im Jahre 1964 geborene Kläger gehört bereits aufgrund seines Geburtsdatums nicht zum berechtigten Personenkreis nach §
240 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht erfüllt sind.