Vergütung von Rechtsanwälten im sozialgerichtlichen Verfahren; Anspruch auf Terminsgebühr nach vergleichsweiser Erledigung
des Rechtsstreits
Gründe:
I. Streitig ist die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung für den der Klägerin nach den Vorschriften
der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt.
Das Ausgangsverfahren mit dem Aktenzeichen S 7 SO 53/10 wurde auf der Grundlage schriftlicher Prozesserklärungen der Beteiligten
durch außergerichtlichen Vergleich erledigt und das Vergleichsergebnis in einem feststellenden Beschluss des Kammervorsitzenden
vom 24. September 2010 festgehalten.
Mit Kostennote vom 8. Oktober 2010 beantragte der Erinnerungsführer und Beschwerdegegner gemäß § 45 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) Gebühren und Auslagen in Höhe von 553,35 Euro festzusetzen, darunter auch eine Terminsgebühr (VV 3106) in Höhe von 200,00
Euro. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte insgesamt 315,35 Euro fest und begründete seine Festsetzung vom 19. Oktober
2010 damit, dass eine Rechtsgrundlage für die beantragte Terminsgebühr nicht ersichtlich sei. Weder habe ein Termin stattgefunden,
noch lägen die Voraussetzungen der Erläuterungen zu VV 3106 RVG vor. Die Diskrepanz zwischen der Abrechnung nach Wert- und Rahmengebühren sei bekannt; es sei jedoch Sache des Gesetzgebers,
dies zu ändern.
Auf die Erinnerung hiergegen hat das Sozialgericht Fulda die Vergütungsfestsetzung des Urkundsbeamten vom 19. Oktober 2010
abgeändert und die Gesamtvergütung des Beschwerdegegners für seine Tätigkeit in dem Ausgangsverfahren S 7 SO 53/10 unter Ansatz
der in dem Erinnerungsverfahren nur noch begehrten Terminsgebühr von 115,00 Euro auf insgesamt 452,20 Euro festgesetzt.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Erinnerungsführer habe an einer telefonischen Besprechung
zur Erledigung des Verfahrens teilgenommen, so dass ein Mitwirken im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG erfüllt sei. Diese Vorschrift solle gerade die Bemühungen eines Prozessbevollmächtigten um die Erledigung der Sache honorieren,
darüber hinaus eine unnötige Erörterung in einem Gerichtstermin allein im Gebühreninteresse vermeiden.
Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck dieser Vorbemerkung lasse es zwingend erscheinen, dass es sich um außergerichtliche
Bemühungen zwischen den Verfahrensbeteiligten handeln müsse.
Es sei kein Grund ersichtlich, warum in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Vorsitzende mit den Beteiligten telefonisch
in Kontakt getreten sei, um den Rechtsstreit zu einer einvernehmlichen Erledigung zu bringen, eine Terminsgebühr nicht anfallen
solle. Eine andere Betrachtung würde dazu führen, dass die Prozessbevollmächtigten zukünftig auf einen Termin bestünden. Dem
könne auch nicht entgegengehalten werden, dass ein Vorsitzender seinen Vergleichsvorschlag auch schriftlich unterbreiten könne,
wodurch auch keine Terminsgebühr ausgelöst werde. Denn auch dann werde der gebührenrechtlich versierte Anwalt den schriftlichen
Vergleichsvorschlag zunächst ablehnen und den Vergleich erst in einem späteren Gerichtstermin mit Blick auf die ihm dann zu
gewährende Terminsgebühr annehmen.
Gegen den am 11. März 2011 zugegangenen Beschluss richtet sich die am 17. März 2011 eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht
Fulda nicht abgeholfen hat.
Unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 20. April 2011 (Az.: L 2 SF 311/09 E) ist der Beschwerdeführer der Ansicht, dass eine telefonische Einigung zur Entstehung der Terminsgebühr nicht ausreiche.
Der Beschwerdeführer beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 8. März 2011 aufzuheben und die Erinnerung des Beschwerdegegners gegen die Kostenfestsetzung
des Urkundsbeamten des Sozialgerichts Fulda vom 19. Oktober 2010 zurückzuweisen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 8. März 2011 zurückzuweisen.
Der Beschwerdegegner bezieht sich auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verfahrensakte zum Rechtsstreit
S 7 SO 53/10 des Sozialgerichts Fulda (Ausgangsrechtsstreit) Bezug genommen.
II. Der Senat hat die Beschwerde durch seine Berufsrichter entschieden, nachdem die Berichterstatterin das Verfahren wegen
grundsätzlicher Bedeutung nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf den Senat übertragen hatte.
Die Beschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Sozialgericht statthaft (§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 6 RVG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 RVG).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Erinnerungsführer und Beschwerdegegner hat Anspruch auf Festsetzung einer Terminsgebühr
in Höhe von 115,00 Euro nach Ziffer 3106 VV RVG zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer nach Ziffer 7008 VV RVG. Der Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 8. März 2011 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht wurde dem Erinnerungsführer eine
Terminsgebühr zuerkannt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die dort genannten ausführlichen und zutreffenden
Gründe zunächst vollinhaltlich Bezug (§
142 Abs.
2 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz -
SGG -).
Ergänzend ist lediglich noch Folgendes zu bemerken: Vorliegend haben jeweils einzelne Telefongespräche zwischen dem Kammervorsitzenden
und dem Beklagtenvertreter sowie dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin stattgefunden, die Grundlage des zustande gekommenen
gerichtlichen Vergleiches - auch in dem Parallelverfahren S 7 SO 52/10 - gewesen sind. Bereits vom Wortlaut der Vorbemerkung
3 Abs. 3 VV RVG her hat der Erinnerungsführer und Beschwerdegegner damit an einer auf die Verfahrenserledigung gerichteten Besprechung mitgewirkt.
Eine Ausklammerung gerade derjenigen Fälle aus dem Anwendungsbereich der Ziffer 3106 VV RVG, in denen eine auf die Verfahrensbeendigung gerichtete Kommunikation zwischen dem Vorsitzenden und den Beteiligten stattfindet,
würde in der Tat zu dem prozessökonomisch wie auch gebührenrechtlich widersinnigen Ergebnis führen, dass ein gesonderter Gerichtstermin
alleinig zur Vergleichsprotokollierung von den Prozessbevollmächtigten verlangt werden würde und entsprechend auch stattfinden
müsste.
Bereits nach der Gesetzesbegründung zu dem in Rede stehenden Gebührentatbestand (BT Drs. 15/1971, S. 209) lag dies jedoch
gerade nicht im gesetzgeberischen Interesse.
Die Entscheidung steht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch nicht im Gegensatz zu dem Senatsbeschluss vom 20. April
2011 in der Streitsache L 2 SF 311/09 E. Der Senat hält daran fest, dass außergerichtliche Einigungsgespräche bestimmten qualitativen Anforderungen genügen müssen,
um die Terminsgebühr auszulösen. Konkret müssen sie an Umfang und Intensität einem Gerichtstermin gleichkommen. Dies ist zum
einen bei persönlichen Gesprächen zwischen dem prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt und dem anderen Verfahrensbeteiligten
der Fall. Eine bloße telefonische Kontaktaufnahme zwischen den Beteiligten genügt diesen Anforderungen umgekehrt regelmäßig
nicht. Anders zu urteilen ist jedoch ein qualifiziertes Telefonat zwischen dem Kammervorsitzenden und den Verfahrensbeteiligten,
das über die Erörterung der Sach- und Rechtslage hinaus auch konkrete Vergleichsvorschläge zum Inhalt hat. Ein solches Telefonat
ersetzt insoweit einen Gerichtstermin und kann - wie gerade der in Rede stehende Fall belegt - auf einfacherem und kostengünstigerem
Weg die umfassende Erledigung des Rechtstreits ermöglichen.
Die Beschwerde ist im Übrigen gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG). Die Entscheidung ist endgültig (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).