Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens (RLV) in der Gestalt einer Ausnahme von der Abstaffelung des Fallwertes für das Quartal IV/09.
Die Klägerin ist seit 1996 als Fachärztin für Gefäßchirurgie zugelassen und arbeitet ausschließlich gefäßchirurgisch. Sie
versorgt ihre Patienten nicht nur konservativ, sondern ist auch belegärztlich operativ tätig.
Ursprünglich betrieb die Klägerin, zusammen mit einem weiteren Facharzt für Chirurgie/Gefäßchirurgie, eine Gemeinschaftspraxis.
Seit dem 1. April 2007 nimmt sie mit Einzel-Praxissitz in A-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Sie beantragte bei der Beklagten für die Quartale II/05 bis I/07 eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens. Der Praxis sei
das Regelleistungsvolumen für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie zuzuerkennen. Der Schwerpunkt
ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit liege in der Diagnostik und Therapie der arteriellen, venösen und lymphatischen Erkrankungen.
Ein wesentlicher Bestandteil der Diagnostik sei die Durchführung der Duplexsonographie. Aufgrund ihrer besonderen Praxisausrichtung
sei ihre Tätigkeit mit der Fachgruppe der Chirurgen, in die sie eingeordnet sei, nicht vergleichbar.
Nachdem die Beklagte diesen Antrag abgelehnt und auch den gegen den ablehnenden Bescheid gerichteten Widerspruch zurückgewiesen
hatte, erhob die Gemeinschaftspraxis Klage vor dem Sozialgericht Marburg gegen diese Bescheide. Das Sozialgericht wies die
Klage ab (Urteil vom 30. Januar 2008, Az. S 12 KA 83/07), das Landessozialgericht gab der gegen das erstinstanzliche Urteil gerichteten Berufung statt und verpflichtete die Beklagte
zur Neubescheidung (Urteil vom 17. März 2010, Az. L 4 KA 25/08 R). Das Bundessozialgericht wies die Revision der Gemeinschaftspraxis durch Urteil vom 29. Juni 2011 (Az. B 6 KA 17/10 R) mit der Maßgabe zurück, dass die Beklagte bei ihrer Neubescheidung die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten
habe.
Mit Bescheid vom 2. September 2009 wies die Beklagte der Klägerin für das Quartal IV/09 ein Regelleistungsvolumen in Höhe
von 24.952,49 € zu. Dabei ordnete sie die Klägerin der Fachgruppe der Chirurgen zu. Bei der Berechnung des Regelleistungsvolumens
legte sie eine Fallzahl von 1.291 und einen Fallwert von 23,61 € zugrunde (Fallwertabstaffelung: 0,7870; Altersstrukturquote:
1,0402).
Mit Schreiben vom 16. September 2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Zuweisung des RLV für das Quartal IV/09 und trug vor, dass sie ausschließlich gefäßchirurgisch tätig und deshalb nicht mit der Fachgruppe der
Allgemeinchirurgen vergleichbar sei. Das RLV der Fachgruppe der Chirurgen sei für die medizinisch notwendige Diagnostik und Therapie bzw. für die zu behandelnden arteriellen,
venösen und lymphatischen Erkrankungen, insbesondere auch für die im Rahmen der Diagnostik von arteriellen Verschlusskrankheiten
durchgeführten Duplexsonographien, nicht ausreichend. Aus den Frequenzstatistiken ließe sich anhand der Leistungen nach GO Nr. 33061 EBM 2009 (Duplexsonographie der Extremitäten versorgenden Gefäße), GO Nr. 33072 EBM 2009 (Duplexsonographie der Extremitäten versorgenden Gefäße) und GO Nr. 33075 EBM 2009 (Zuschlag Farbduplexuntersuchung) erkennen, dass der Schwerpunkt der Praxis bei den gefäßchirurgischen
Leistungen liege. Sie übernehme im XX-Gebiet nahezu die gesamte gefäßchirurgische Versorgung. Mit ihr seien nur noch zwei
weitere Gefäßchirurgen in A-Stadt niedergelassen, jedoch mit einem teilweise sehr weit abweichenden Leistungsspektrum tätig.
Mit Bescheid vom 30. April 2010 gewährte die Beklagte der Klägerin einen erhöhten Fallwert von 54,83 € für das streitgegenständliche
Quartal, wobei sie insbesondere die im Vergleich zur Arztgruppe ungewöhnlich hohe Zahl der durchgeführten Duplexsonographien
berücksichtigte. Den darüber hinaus gehende Antrag auf Aussetzung der Fallwertabstaffelung lehnte sie ab.
Hiergegen erhob die Klägerin am 31. Mai 2010 Widerspruch, den sie auf die Ablehnung des Antrages zur Aussetzung der Fallwertabstaffelung
begrenzte. Aufgrund des anerkannten Praxisschwerpunktes versorge sie überdurchschnittlich viele Patienten. Im Quartal IV/09
habe es sich um 1.291 Fälle gehandelt. Sie sei aufgrund der anerkannten Praxisbesonderheit auf dem Gebiet der Gefäßchirurgie
nahezu ausschließlich auf Überweisung tätig. Die Spezialisierung der Praxis auf ein bestimmtes Leistungsspektrum bedeute auch,
dass sie eine überdurchschnittliche Anzahl von Versicherten versorgen müsse, da das Angebot in anderen Praxen nicht vorhanden
sei. Dieses spezifische Leistungsangebot könne durch die Abbildung in der Fachgruppe der Chirurgen nicht leistungsangemessen
abgebildet werden. Aufgrund des anerkannten Praxisschwerpunktes sei die Notwendigkeit der weiteren Sicherstellung des besonderen
Versorgungsauftrages gegeben und dementsprechend von einer Abstaffelung der Fallzahlen abzusehen.
Gegen den das Honorar für das Quartal IV/09 betreffenden Honorarbescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Das Widerspruchsverfahren
ruht derzeit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2012 wies die Beklagte den Widerspruch vom 31. Mai 2010 zurück. Der Spezialisierung
der Praxis sei bereits durch die durchgeführte Erhöhung des Fallwertes Rechnung getragen und eine Nachvergütung in Höhe von
26.300,59 € gewährt worden. Die für das Quartal IV/09 zugrunde zulegenden Fallzahlen hätten bei der Fachgruppe der Chirurgen
533 betragen. Bis zur Grenze von 800 Fällen habe die Klägerin den Fallwert zu 100 % erhalten. Für die bis zur Grenze von 170
% überschreitenden 107 Fälle sei der Fallwert nur noch zu 75 % und für die bis zur Grenze von 200 % überschreitenden 159 Fälle
nur noch zu 50 % anerkannt worden. Die darüber hinausgehenden 225 Fälle seien dann nur noch zu 25 % anzuerkennen gewesen.
Die Fallwertabstaffelung für das Quartal habe sich wie folgt nach Fallwertkorrektur ausgewirkt:
- 800 Fälle x 54,83 € = 43.864,00 €
- 107 Fälle x 41,12 € = 4.399,84 €
- 159 Fälle x 27,42 € = 4.359,78 €
- 225 Fälle x 13,71 € = 3.084,75 €
Um den Berechnungsfaktor der Fallwertabstaffelung zu ermitteln, müsse man die oben errechneten €4Beträge addieren. Die Summe
werde dann wiederum dividiert durch das Ergebnis der Multiplikation der regelleistungsvolumenrelevanten Fallzahl mit dem Fallwert
der Arztgruppe. Diese Vorgehensweise führe zu folgendem Ergebnis:
- 43.864,00 € + 4.399,84 € + 4.359,78 € + 3.084,75 € = 55.708,37 €
- 1.291 Fälle x 54,83 € = 70.785,53 €
- 55.708,37 € / 70.785,53 € = 0,7870
Die Berechnungen der Fallwertabstaffelungen seien ordnungsgemäß erfolgt und nicht zu beanstanden. Der Bescheid zu dem Antrag
auf Änderung des RLV für das Quartal IV/09 sei rechtmäßig und auf Grundlage der Beschlüsse des Bewertungsausschusses erfolgt.
In Umsetzung der positiven Entscheidungen in den Antragsverfahren stelle sich das RLV für das Quartal IV/09 wie folgt dar:
|
Arztbezogenes
|
Arztbezogenes
|
Abweichung
|
|
RLV- Obergrenze-
|
RLV - angefordert -
|
(Über-/Unterschreitung)
|
IV/09
|
57.946,71 €
|
72.180,95 €
|
+ 14.234,14 €
|
Von dem für das Quartal IV/09 angeforderte Honorar in Höhe von 72.180,85 € könnten 57.946,71 € vollständig vergütet werden.
In diesem Zusammenhang sei anzumerken, dass die honorarvertragliche Regelung nicht etwa zu einem Ausschluss der restlichen
Forderung führe, sondern diese mit einer abgestaffelten Quote vergütet werde. Gegen diese Vorgehensweise bestünden keine Bedenken.
Insgesamt seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesamthonoraranspruch nicht ordnungsgemäß ermittelt worden
sei.
Die Klägerin hat am 15. März 2012 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben und vorgetragen, sie werde nahezu ausschließlich
auf Überweisung durch Fachkollegen wie auch Kollegen anderer Fachgebiete tätig. Aufgrund ihres speziellen Leistungsspektrums
sowie der oft akut behandlungsbedürftigen Patienten würden ihr auch sehr viele Überweisungen im Rahmen von Notfällen zugewiesen,
deren Behandlung sie nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschieben könne. Die Notfallbehandlung bedürfe wie bei einer sofortigen
Diagnostik in aller Regel auch einer sofortigen therapeutischen Intervention. Es handele sich hierbei um arterielle Gefäßverschlüsse
an den Extremitäten, auch Carotisstenosen sowie akute Behandlungsbedürftigkeit bei Aneurysma. Auch diese Notfälle würden ihr
von anderen Fachkollegen zugewiesen, sodass die Patientenzahl nicht steuerbar sei. Bereits im Rahmen des Verfahrens Az. B 6 KA 17/10 R (Urteil vom 29. Juni 2011) habe das Bundessozialgericht in ihrem Fall dieses spezielle Leistungsspektrum und eine Praxisbesonderheit
anerkannt. Bei fehlender Aussetzung der Fallwertabstaffelung werde der zusätzlich zuerkannte Fallwert indirekt wieder reduziert
und damit die Anerkennung der Praxisbesonderheit wieder neutralisiert. Soweit die Beklagte auf die Vorgaben des Bewertungsausschusses
sowie ergänzende Beschlüsse des Vorstandes zu Ausnahmen von der Fallwertabstaffelung verweise, sei festzustellen, dass diese
Vorgaben nicht abschließend aufgezählt seien, sondern durchaus Raum für Einzelfallentscheidungen ließen.
Mit Urteil vom 30. Oktober 2013, der Beklagten zugestellt am 19. November 2013, hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten
vom 30. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die
Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Kammer habe in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten
verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handele, §
12 Abs.
3 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die zulässige Klage sei auch begründet. Der angefochtene Bescheid zum Antrag auf Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens
für das Quartal IV/09 vom 30. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 15. Februar 2012 sei
rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Neubescheidung über ihren Antrag
auf Sonderregelung zum RLV für das Quartal IV/09 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Nach § 87b Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch, Gesetzliche Krankenversicherung i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs
in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) mit Geltung ab 1. April 2007, BGBl. I S. 378 (im Folgenden:
SGB V) würden abweichend von §
85 die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1. Januar 2009 von der Kassenärztlichen Vereinigung auf der Grundlage der regional
geltenden Euro4Gebührenordnung nach §
87a Abs.
2 vergütet. Nach §
87b Abs.
2 SGB V seien zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene
Regelleistungsvolumina festzulegen (Satz 1). Ein Regelleistungsvolumen nach Satz 1 sei die von einem Arzt oder der Arztpraxis
in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro4Gebührenordnung
gemäß § 87a Abs. 2 enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten sei (Satz 2). Abweichend
von Absatz 1 Satz 1 sei die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten;
bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten könne hiervon abgewichen werden (Satz 3).
Bei der Bestimmung des Zeitraums, für den ein Regelleistungsvolumen festgelegt werde, sei insbesondere sicherzustellen, dass
eine kontinuierliche Versorgung der Versicherten gewährleistet sei (Satz 4). Nach §
87b Abs.
3 SGB V seien die Werte für die Regelleistungsvolumina nach Absatz 2 morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und
nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen; bei der
Differenzierung der Arztgruppen sei die nach § 87 Abs. 2a zugrunde zu legende Definition der Arztgruppen zu berücksichtigen
(Satz 1). Bei der Bestimmung des Regelleistungsvolumens nach Absatz 2 seien darüber hinaus insbesondere
1. die Summe der für einen Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 87a Abs. 3 insgesamt vereinbarten morbiditätsbedingten
Gesamtvergütungen,
2. zu erwartende Zahlungen im Rahmen der überbezirklichen Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 75 Abs. 7
und 7a,
3. zu erwartende Zahlungen für die nach Absatz 2 Satz 3 abgestaffelt zu vergütenden und für die nach Absatz 2 Satz 6 und 7
außerhalb der Regelleistungsvolumina zu vergütenden Leistungsmengen,
4. Zahl und Tätigkeitsumfang der der jeweiligen Arztgruppe angehörenden Ärzte
zu berücksichtigen (Satz 2). Soweit dazu Veranlassung bestehe, seien auch Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen (Satz 3).
Die Morbidität nach Satz 1 sei mit Hilfe der Morbiditätskriterien Alter und Geschlecht zu bestimmen (Satz 6). Als Tätigkeitsumfang
nach Satz 2 gelte der Umfang des Versorgungsauftrags, mit dem die der jeweiligen Arztgruppe angehörenden Vertragsärzte zur
Versorgung zugelassen seien, und der Umfang des Versorgungsauftrags, der für die angestellten Ärzte der jeweiligen Arztgruppe
vom Zulassungsausschuss genehmigt worden sei (Satz 6). Fehlschätzungen bei der Bestimmung des voraussichtlichen Umfangs der
Leistungsmengen nach Satz 2 Nr. 3 seien zu berichtigen; die Vergütungsvereinbarungen nach §
87a Abs.
3 blieben unberührt (Satz 7). Nach §
87b Abs.
4 SGB V bestimme der Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina
nach den Absätzen 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen
Daten (Satz 1). Er bestimme darüber hinaus ebenfalls erstmalig bis zum 31. August 2008 Vorgaben zur Umsetzung von Absatz 2
Satz 3, 6 und 7 sowie Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach Absatz 3 Satz 5 (Satz 2). Die Kassenärztliche Vereinigung,
die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen stellten gemeinsam erstmalig bis zum 15. November 2008 und danach
jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres gemäß den Vorgaben des Bewertungsausschusses nach den Sätzen 1 und 2 unter
Verwendung der erforderlichen regionalen Daten die für die Zuweisung der Regelleistungsvolumina nach Absatz 5 konkret anzuwendende
Berechnungsformel fest (Satz 3). Nach §
87b Abs.
5 SGB V obliege die Zuweisung der Regelleistungsvolumina an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen,
die außerhalb der Regelleistungsvolumina vergütet würden, sowie der jeweils geltenden regionalen Preise der Kassenärztlichen
Vereinigung; die Zuweisung erfolge erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn
der Geltungsdauer des Regelleistungsvolumens (Satz 1). § 85 Abs. 4 Satz 9 gelte (Satz 2). Ausgehend von diesen gesetzlichen
Vorgaben habe der Erweiterte Bewertungsausschuss in seiner 7. Sitzung am 27. und 28. August 2008 unter Teil F einen Beschluss
gemäß §
87b Abs.
4 Satz 1
SGB V zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina nach §
87b Abs.
2 und
3 SGB V gefasst (DÄBl. 2008 <Heft 38>, A41988, zitiert nach www.kbv.de/8157.html, im Folgenden: EB7F). Nach Nr. 1.2 EB7F würden die
Regelleistungsvolumina nach Maßgabe von 2. und 3. für das jeweilige Abrechnungsquartal ermittelt (Nr. 1.2.1 EB7F). Die Regelleistungsvolumen
würden nach Maßgabe von 2. und 3. je Arzt ermittelt (Nr. 1.2.2 Abs. 1 EB7F). Für Vertragsärzte, die außer in ihrer Arztpraxis
auch in einer oder mehreren Teilberufsausübungsgemeinschaften tätig seien, werde ein gesamtes Regelleistungsvolumen für die
vom jeweiligen Vertragsarzt in der Arztpraxis und in der(n) Teilberufsausübungsgemeinschaft(en) erbrachten Leistungen ermittelt
(Nr. 1.2.2 Abs. 2 EB7F). Nach Nr. 2.1 Satz 1 EB7F kämen Regelleistungsvolumen für Ärzte der in Anlage 1 genannten Arztgruppen
zur Anwendung. Dabei sehe der Beschluss vor, dass die Partner der Gesamtverträge Modifikationen (z. B. Differenzierungen oder
Zusammenfassungen) von relevanten Arztgruppen vereinbaren könnten (Nr. 2 Anlage 1 EB7F). Die Fachrichtung der Klägerin werde
in dieser Anlage nicht genannt.
Die Höhe des Regelleistungsvolumens eines Arztes ergebe sich für die in Anlage 1 benannten Arztgruppen aus der Multiplikation
des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen KV- bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwertes (FW-AG) gemäß Anlage 2 und der Fallzahl
des Arztes im Vorjahresquartal (Nr. 3.2.1 Satz 2 EB7F sowie Nr. 5 Anlage 2 EB7F). Im Beschluss werde festgestellt, dass das
Kriterium Geschlecht sich nicht zur Abbildung der Morbidität eigne, da das abgerechnete Volumen durch dieses Kriterium nicht
signifikant beeinflusst werde (Nr. 3.2.2 Satz 1 EB7F). Zur Berücksichtigung des Morbiditätskriteriums Alter sei das RLV gemäß 3.2.1 unter Berücksichtigung der Versicherten nach Altersklassen gemäß Anlage 2 zu ermitteln (Nr. 3.2.2 Satz 2 EB7F).
Die Berechnung des arztgruppenspezifischen Fallwertes gemäß 3.2.1 erfolge zunächst - Schritt 1 - durch Ermittlung der arztgruppenspezifischen
Anzahl der kurativ-ambulanten Arztfälle gemäß 2.3 des Vorjahresquartals (Nr. 4 Abs. 1 Anlage 2 EB7F). Der arztgruppenspezifische
Fallwert - Schritt 2 - sei der Quotient aus dem arztgruppenspezifischen Anteil am RLV4Vergütungsvolumen eines Versorgungsbereichs
(vgl. Nr. 3 Anlage 2 EB7F) und eben der arztgruppenspezifischen Anzahl der kurativ-ambulanten Arztfälle gemäß 2.3 des Vorjahresquartals
(Nr. 4 Abs. 2 Anlage 2 EB7F).
Die Praxisbesonderheiten würden zwischen den Partnern der Gesamtverträge geregelt. Praxisbesonderheiten ergäben sich aus einem
besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung, wenn zusätzlich
eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens
30% vorliege. Über das Verfahren der Umsetzung einigten sich die Partner der Gesamtverträge. Der Bewertungsausschuss habe
die Auswirkungen seiner Vorgaben hinsichtlich der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten zu überprüfen und die Vorgaben
mit Wirkung zum 1. Januar 2010 ggf. anpassen (Nr. 3.6 Satz 1 bis 3 EB7F). Das ermittelte Regelleistungsvolumen je Arzt sei
gegebenenfalls entsprechend den nach 3.6 festgestellten Praxisbesonderheiten anzupassen (Nr. 5 Abs. 3 Anlage 2 EB7F).
Der Erweiterte Bewertungsausschuss habe in seiner 9. Sitzung am 15. Januar 2009, mit Geltung ab 1. Januar 2009 in Teil A,
zur Umsetzung und Weiterentwicklung der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach §
87b Abs.
2 und
3 SGB V (DÄBl. 2009 <Heft 7>, A-308; im Folgenden EB9A) eine "Konvergenzphase für die Vereinheitlichung der Umsetzung der arzt- und
praxisbezogenen Regelleistungsvolumen" beschlossen. Zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und zur Sicherung
der flächendeckenden Versorgung seien die im Teil F seines Beschlusses vom 27./28. August 2008 beschlossenen Regelungen, insbesondere
zu den Praxisbesonderheiten (Ziffer 3.6), deren Umsetzung zunächst den Partnern der Gesamtverträge überlassen worden sei,
zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten (Ziffer 3.7) - bei einem Honorarverlust von mehr als 15 % war dies in
das Ermessen der KV gestellt worden - und zur Modifikation von relevanten Arztgruppen (Anlage 1) anzuwenden (vgl. Nr. 1 Satz
1 EB9A). Diese Regelungen habe der Erweiterte Bewertungsausschuss kurz darauf in seiner 10. Sitzung am 27. Februar 2009, zur
Änderung des Beschlusses Teil A vom 15. Januar 2009 in Teil A "Konvergenzphase für die Steuerung der Auswirkungen der Umsetzung
des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung, insbesondere Teil F,
Beschluss zur Berechnung und zur Anpassung der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach §
87b Abs.
2 und
3 SGB V" (DÄBl. 2009 <Heft 12>, A-574, im Folgenden: EB10A), neu gefasst. Er habe für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2010
(vgl. Ziff. 5 EB10A) - wobei er sich zur Beobachtung und evtl. notwendigen Anpassung selbst verpflichtet habe (vgl. Nrn. 6
und 7 EB10A) - die Autonomie der Gesamtvertragspartner erweitert (vgl. Nr. 1 EB10A), die er lediglich an Vorgaben zur Vergütung
der Psychotherapeutenvergütung und die Trennung zur haus- und fachärztlichen Versorgung (Teil F, Anl. 2, Nr. 1) gebunden habe
(vgl. Nr. 3 EB10A). Den Vorrang der eigenen Regelungen in Nr. 1 Satz 1 u. 2 EB9A habe er zugunsten der Vertragsautonomie ab
dem 1. April 2009 - sofern in einer Region die Regelleistungsvolumina im 1. Quartal 2008 unter Vorbehalt zugewiesen worden
seien, könne die regionale Sonderregelung auch rückwirkend zum 1. Januar 2009 vereinbart werden (Nr. 1 Fußnote 2 EB10A) -,
weiterhin befristet bis Ende 2010 und mit der Vorgabe, das Konvergenzverfahren mit dem Ziel einer schrittweisen Anpassung
der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina an die
sich aus der Beschlussfassung des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung ergebenden
Vorgaben auszugestalten, aufgehoben (vgl. Nr. 1 und 2 EB10A). Nach Nr. 4 EB10A (insofern textgleich mit der vorherigen Regelung
nach Nr. 3 EB9A) könnten die Partner der Gesamtverträge aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung abweichend
vom Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009, Beschluss
Teil F, 3.6 zur Vorgabe eines Grenzwertes zur Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe in Höhe von
mindestens 30 % im Einzelfall eine Praxisbesonderheit feststellen, obwohl die so vorgegebene Überschreitung nicht vorliege.
In Umsetzung seines Ankündigungsbeschlusses aus der 175. Sitzung am 27. Februar 2009 (DÄ 2009 <Heft 12>, A-576) habe der Bewertungsausschuss
mit Beschluss in seiner 180. Sitzung am 20. April 2009 zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Regelungen zur Neuordnung der
vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009, Teil A "Änderung des Beschlusses zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und
praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach §
87b Abs.
2 und
3 SGB V" (DÄ 2009 <Heft 19>, A-942, im Folgenden: B180A) mit Wirkung zum 1. Juli 2009 - sofern in einer Region die Regelleistungsvolumina
im 2. Quartal unter Vorbehalt zugewiesen worden seien, können die nachfolgend angekündigten Maßnahmen in dem betroffenen KV4Bezirk
auf Beschluss der Partner der Gesamtverträge bereits mit Wirkung zum 1. April 2009 in Kraft gesetzt werden; in diesem Fall
seien die Berechnungen und Anpassungen von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen auf die Abrechnungen des II., III.
und IV. Quartals 2008 aufzusetzen (Fußnote 1 B180A) - Anpassungen der im EB7F getroffenen Regelungen vorgenommen, die für
vorliegenden Rechtsfall aber ohne Auswirkungen seien.
Auf der Grundlage dieser Regelungen im
SGB V und des Bewertungsausschusses bzw. Erweiterten Bewertungsausschusses hätten die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die
Verbände der Primärkassen sowie die Ersatzkassen einen Honorarvertrag vom 13. Dezember 2008 für die Zeit ab 1. Januar 2009
geschlossen (im Folgenden: HVV). In Abschnitt II HVV werde auf der Grundlage des EB7F, B164B und EB8II (Beschluss des Erweiterten
Bewertungsausschusses gemäß §
87 Abs.
4 SGB V in seiner 8. Sitzung am 23. Oktober 2008 zur Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs <EBM> sowie zur Neuordnung der
vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009, Teil A, DÄBl. 2008 <Heft 4>, A 2602) weitgehend wortgleich die Regelungen des EB7F
mit den Änderungen durch den B164B übernommen. Nr. 3.4 HVV ergänze Nr. 3.4 EB7F "Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung"
durch weitere Ausnahmemöglichkeiten. Über die Regelungen in Nr. 3.4 EB7F hinaus könne auf Beschluss des Vorstandes der Kassenärztlichen
Vereinigung Hessen in begründeten Ausnahmefällen (Urlaub, Krankheit etc.) anstelle des entsprechenden Vergleichsquartals des
Vorjahres ein anderes Quartal als Referenzquartal zugrunde gelegt werden (Nr. 3.4 Satz 3 HVV). Der Vorstand der Kassenärztlichen
Vereinigung Hessen könne außerdem im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen
und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen (Nr. 3.4 Satz 4 HVV). Die
weitere Regelung, dass dies insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer
besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergäben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten
resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30% vorliege (Nr. 3.4 Satz 5
HVV), greife die Regelung in Nr. 3.6 Satz 2 EB7F auf.
Soweit Nr. 3.4 Satz 5 HVV i.V.m. Nr. 3.4 Satz 4 HVV den Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen im Einzelfall zur
Entscheidung über eine Ausnahmeregelung ermächtige, sei dies nicht zu beanstanden. Der Vorstand einer Kassenärztlichen Vereinigung
könne zu konkretisierenden Regelungen und Einzelfallentscheidungen, insbesondere zur Beurteilung der Voraussetzungen für eine
ausnahmsweise Freistellung von Obergrenzen, ermächtigt werden (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 - B 6 KA 17/10 R - juris Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 - B 6 KA 20/10 R - juris Rdnr. 14, jeweils m.w.N.). Die Beklagte habe das Vorliegen einer Praxisbesonderheit bereits bejaht und damit dem
besonderen Versorgungs- und Sicherstellungsauftrag der Klägerin Rechnung getragen, indem sie eine entsprechende Fallwerterhöhung
zugestanden habe.
Darüber hinaus habe sie jedoch im Rahmen der Gewährung einer Sonderregelung nach Nr. 3.4 Satz 5 HVV eine Ausnahme von der
Fallwertabstaffelung gewähren müssen. Das Gericht folge dem Vortrag der Klägerin zwar nicht insoweit, als es davon ausgehe,
dass die gewährte Fallwerterhöhung durch die Abstaffelung wieder neutralisiert werde. Dies sei nicht annähernd der Fall. Die
Klägerin werde von der Beklagten jedoch im Rahmen der gewährten Sonderregelung nicht ihrer Praxisbesonderheit entsprechend
beurteilt. Die Klägerin sei nach der Anlage 1 zum HVV der Fachgruppe der Fachärzte für Chirurgie, für Kinderchirurgie, für
Plastische Chirurgie, für Herzchirurgie, für Neurochirurgie zugeordnet. Diese Zuordnung sei nicht auf den ersten Blick zwingend,
da die Facharztbezeichnung der Klägerin, Fachärztin für Gefäßchirurgie, in der Anlage nicht explizit erwähnt werde. Allerdings
erlaube die Zulassung der Klägerin keine anderweitige Eingruppierung. Sie sei insbesondere nicht als Fachärztin für Innere
Medizin zugelassen. Nach der Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen vom 15. August 2005 (HÄBl. Sonderheft
10/2005, S. 1473), zuletzt geändert am 12. Juni 2013 (HÄBl. 7/2013, S. 576), zitiert nach http://www.laekh.de/upload/Aerzte/Weiterbildung/WBO_2005_10.pdf
(im Folgenden: HWBO), umfasse das Gebiet Chirurgie die Vorbeugung, Erkennung, konservative und operative Behandlung, Nachsorge
und Rehabilitation von chirurgischen Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen sowie angeborenen und erworbenen Formveränderungen
und Fehlbildungen der Gefäße, der inneren Organe einschließlich des Herzens, der Stütz- und Bewegungsorgane und der onkologischen
Wiederherstellungs- und Transplantationschirurgie. Ziel der Weiterbildung im Gebiet Chirurgie sei die Erlangung von acht verschiedenen
Facharztkompetenzen nach Ableistung der vorgeschriebenen Weiterbildungszeiten und Weiterbildungsinhalte, die auf der Basisweiterbildung
(gemeinsame Inhalte der Facharztweiterbildungen) aufbauten. Als Facharztkompetenz könnten erworben werden der Facharzt für
Allgemeine Chirurgie, Gefäßchirurgie, Herzchirurgie, Kinderchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Plastische und Ästhetische
Chirurgie, Thoraxchirurgie sowie Viszeralchirurgie (Abschn. B.7 HWBO). Die insoweit fachkundig besetzte Kammer sei zu der
Überzeugung gelangt, dass das Tätigkeitsgebiet der Klägerin nicht mit den Tätigkeitsbereichen der sonstigen, nach Anlage 1
zum HVV in die Arztgruppe der Klägerin eingruppierten Fachärzte vergleichbar sei. Vielmehr lege das Tätigkeitsspektrum eine
Eingruppierung der Klägerin bei den Fachärzten für Innere Medizin mit (Versorgungs-)Schwerpunkt Angiologie und invasiver Tätigkeit
nahe. Eine entsprechende Eingruppierung scheitere jedoch an den berufsrechtlichen Vorgaben, insbesondere der Zulassung der
Klägerin. Allein aus der Tatsache, dass die Klägerin keine Zulassung als Fachärztin für Innere Medizin habe, jedoch im Wesentlichen
diese Tätigkeiten ausführe, folge die Notwendigkeit einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen, und dies nicht nur beschränkt
auf den Fallwert, sondern auch in Bezug auf die Abstaffelung des Fallwertes. Die Abstaffelung knüpfe nach Nr. 3.2.1 S. 3 HVV
an die Fallzahl der Arztgruppe an. Insofern werde die Klägerin mit der Fallzahl der chirurgischen Arztgruppe beurteilt. Dies
trage der Praxisbesonderheit der Klägerin nicht hinreichend Rechnung. Vielmehr liege es nahe, die Klägerin auch hinsichtlich
der für die Fallwertabstaffelung maßgeblichen Fallzahl mit der Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit (Versorgungs4)Schwerpunkt
Angiologie und invasiver Tätigkeit zu vergleichen und zumindest insoweit eine Ausnahme von der Abstaffelung zu gewähren.
Die Beklagte hat am 16. Dezember 2013 Berufung eingelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht, die erstinstanzliche Entscheidung sei rechtwidrig. Das Sozialgericht habe verkannt, dass die
Klägerin aufgrund ihrer Zulassung als Fachärztin für Chirurgie zwingend der Fachgruppe der Chirurgen zuzuordnen sei. Diese
Zuordnung habe das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 29. Juni 2011 auch nicht beanstandet. Sie sei bei der Gruppenbildung
den Vorgaben des Beschwerdeausschusses gefolgt. Ihr Vorstand habe von der in Nr. 3.4 Satz - HVV vorgesehenen Ermächtigung
dahingehend Gebrauch gemacht, dass durch Vorstandsbeschluss die Prüfkriterien für die Erlangung einer Sonderregelung festgelegt
wurden und dass bei Vorliegen von Praxisbesonderheiten eine entsprechende Fallwerterhöhung zu gewähren sei. Die Spezialisierung
der Klägerin sei als Praxisbesonderheit anerkannt und dadurch berücksichtigt worden, dass man ihr eine praxisindividuelle
Fallwerterhöhung zugestanden habe (Fallwert insgesamt: 54,83 €). Dies sei ausreichend. Eine zusätzliche Ausnahme von der Fallwertabstaffelung
müsse nicht gewährt werden. Im Übrigen liege der Fallwert der Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit (Versorgungs4)Schwerpunkt
Angiologie und invasiver Tätigkeit nur bei 50,33 €, also niedriger als der der Klägerin zuerkannte praxisindividuelle Fallwert.
Gewähre man ihr zusätzlich eine Ausnahme von der Fallwertabstaffelung, werde sie doppelt privilegiert. Dies zeige auch eine
Vergleichsberechnung. Ordne man die Klägerin in die Fachgruppe der Fachärzte für Innere Medizin ein und berechne das ihr zustehende
Regelleistungsvolumen nach den Vorgaben für diese Gruppe, ergebe sich bei ihr nur ein um 717,69 € höherer Betrag (nämlich
58.665,37 €) als bei dem Regelleistungsvolumen, welches ihr für das streitige Quartal bereits zugestanden worden sei (57.947,68
€). Insoweit sei auch zu bedenken, dass eine Neuberechnung des klägerischen Honorars nach Einordnung in diese Fachgruppe -
wodurch es zu ganz geringfügigen Änderungen bei der Honorarhöhe kommen könne - bedeuten würde, dass das Honorar für die gesamte
Fachgruppe neu berechnet werden müsse. Eine solche nachträgliche Berechnung der gesamten Fachgruppe sei verwaltungstechnisch
kaum möglich; der damit verbundene Aufwand stehe in keinem angemessenen Verhältnis zu einer eventuellen geringfügigen Veränderung
des durch diese Methode ermittelten Regelleistungsvolumens.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Ansicht, die erstinstanzliche Entscheidung sei rechtmäßig. Die Regelung der Nr. 3.4 Satz 5 HVV i.V.m.
Nr. 3.4 ermächtige den Vorstand der Beklagten im Einzelfall zur Entscheidung über eine Ausnahmeregelung. Eine solche hätte
hier in Form einer - zusätzlichen - Ausnahme von der Fallwertabstaffelung ergehen müssen. Sie sei nicht ihrer Praxisbesonderheit
entsprechend beurteilt worden. Die Zuordnung zu der Fachgruppe der Fachärzte für Chirurgie sei nicht zwingend, da die Facharztbezeichnung
der Klägerin "Fachärztin für Gefäßchirurgie" in der Anlage nicht ausdrücklich erwähnt werde. Ihr tatsächliches Tätigkeitsgebiet
sei aufgrund ihres ganz besonderen Leistungsspektrums nicht mit den Tätigkeitsbereichen der sonstigen, nach Anlage 1 zum HVV
in der Arztgruppe der Chirurgen eingruppierten Fachärzte vergleichbar. Es passe vielmehr zur Fachgruppe der Fachärzte für
Innere Medizin mit Versorgungsschwerpunkt Angiologie und invasiver Tätigkeit. Mit ihrem anerkannten Schwerpunkt stelle sie
die Versorgung der gesetzlich krankenversicherten Patienten im gesamten XX-Gebiet sicher. Das Bundessozialgericht habe sich
in der Entscheidung vom 29. Juni 2011 nicht konkret zur Frage der Zulässigkeit ihrer Eingruppierung geäußert. Sie sei nicht
nur hinsichtlich des Fallwertes, sondern auch hinsichtlich der Fallzahl mit der Fachgruppe der Allgemeinchirurgen nicht vergleichbar.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behördenvorgänge.
Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Der Berufung war stattzugeben, denn sie ist sowohl zulässig als auch begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts war aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des
Bescheides vom 30. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 und Verpflichtung der Beklagten,
ihren Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig
und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist, wie das Sozialgericht bereits ausführlich dargelegt hat, Ziffer 3.4 Satz
4 und 5 des HVV 2009. Nach Satz 4 dieser Bestimmung kann der Vorstand der Beklagten im Hinblick auf die Sicherstellung der
ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten
Fällen Sonderregelungen beschließen. Gemäß Satz 5 gilt dies insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen
Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich
eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens
30 % vorliegt.
Die Beklagte geht zu Recht davon aus, dass bei der Klägerin Praxisbesonderheiten, die eine Sonderregelung im Sinne von Ziffer
3.4 Satz 4, 5 des HVV erfordern, vorliegen. Diese Praxisbesonderheiten hat sie durch die Fallwerterhöhung jedoch in rechtlich
nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt.
Darüber, in welchem Umfang eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens vorzunehmen ist, hat die Kassenärztliche Vereinigung nach
pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, wie sich schon aus der Formulierung der Ziffer 3.4. Satz 4 ("kann") ergibt (s. nur
BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 - B 6 KA 17/10 R - juris Rn. 26). Das ihr zustehende Ermessen hat die Beklagte fehlerfrei ausgeübt. Die bei der Klägerin bestehenden Praxisbesonderheiten
ergeben sich aus ihrem Tätigkeitsgebiet der Gefäßchirurgie. Dadurch unterscheidet sich ihr Leistungsspektrum deutlich von
dem "ihrer" Facharztgruppe, den Chirurgen. Die Beklagte hat dem Rechnung getragen, indem sie den Fallwert der Klägerin für
das streitige Quartal von ursprünglich 23,61 Euro auf 54,83 Euro erhöht, also mehr als verdoppelt, hat. Damit war der für
die Klägerin in I/2009 maßgebliche Fallwert auch höher als der Fallwert der Gruppe der Fachärzte für Innere Medizin, Schwerpunkt
Angiologie und invasive Tätigkeit, der nur 50,33 Euro in diesem Quartal betrug. Diese Abänderung des Fallwertes hat bei der
Klägerin zu einer ganz erheblichen Erhöhung des Regelleistungsvolumens geführt, nämlich von ursprünglich 24.952,49 Euro auf
57.947,68 Euro, wie die Vergleichsberechnung der Beklagten (Bl. 153 der Gerichtsakte), zeigt.
Gründe dafür, dass die Beklagte anstelle von oder zusätzlich zu der Fallwerterhöhung noch auf die Abstaffelung der Fallzahl
hätte verzichten müssen, sind nicht erkennbar. Im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens darf die Beklagte wählen, auf welche
Weise sie bestehende Praxisbesonderheiten bei der Honorarverteilung berücksichtigt, d.h. ob sie ganz oder teilweise von der
Abstaffelung absieht oder den Fallwert entsprechend steigert. Sie kann auch beide Maßnahmen nebeneinander anwenden. Entscheidet
sie sich - wie hier - für die Fallwerterhöhung, ist das Festhalten an der Abstaffelung nur dann ermessensfehlerhaft, wenn
das sich hierdurch errechnende Regelleistungsvolumen die vorhandenen Besonderheiten der Praxis nicht hinreichend abbildet.
Davon ist vorliegend aber nicht auszugehen.
Wie die Klägerin und das erstinstanzliche Gericht nimmt auch der Senat an, dass das klägerische Tätigkeitsspektrum in dem
streitgegenständlichen Quartal mit dem der Gruppe der Fachärzte für Innere Medizin, Schwerpunkt Angiologie und invasive Tätigkeit,
vergleichbar war. Daraus folgt, dass die Klägerin auch beim Regelleistungsvolumen wie diese Gruppe zu behandeln ist. Geboten,
aber auch ausreichend ist damit eine Sonderregelung, aufgrund der der Klägerin letztlich ein Regelleistungsvolumen in gleicher
Höhe, wie es die Ärzte der Fachgruppe im Quartal I/09 erhalten haben, zugewiesen wird. Die Sonderregelung muss dabei keine
völlige Gleichstellung erreichen; bleibt es bei einer geringfügigen Unterschreitung, ist dies unbedenklich. Diesen Anforderungen
hat die Beklagte genügt, denn wie sich aus ihrer Vergleichsberechnung, Bl. 153 der Gerichtsakte, ergibt, lag das Regelleistungsvolumen
der Gruppe der Fachärzte für Innere Medizin, Schwerpunkt Angiologie und invasive Tätigkeit bei 58.665,37 Euro und war damit
nur in geringem Umfang - nämlich um ca. 717,00 Euro - höher als das Regelleistungsvolumen der Klägerin nach Anwendung der
Sonderregelung. Würde man trotz der nahezu identischen Regelleistungsvolumina bei der Klägerin noch zusätzlich von der Abstaffelung
absehen, würde man sie hierdurch besser stellen als die Ärzte dieser vergleichbaren Facharztgruppe. Dafür gibt es keinen Grund.
Nur klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass jedes Quartal grundsätzlich für sich zu beurteilen ist. Ob die Sonderregelungen,
die die Beklagten der Klägerin in den Folgequartalen (bei denen die Höhe des Regelleistungsvolumens ebenfalls zwischen den
Beteiligten streitig ist) zuerkannt hat, den rechtlichen Anforderungen genügt, muss daher jeweils quartalsbezogen entschieden
werden.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.