Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Aufhebung der Bewilligung und Erstattung von Arbeitslosengeld sowie der Beiträge
zur Kranken- und Pflegeversicherung im Zeitraum 13. Juni 2006 bis 9. Juli 2006 in Höhe von insgesamt 845,02 EUR.
Die 1959 geborene Klägerin war bis September 2005 als kaufmännische Sachbearbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit
1. September 2004 übte sie auch eine Nebentätigkeit bei der Firma C. als Mitarbeiterin im Ordnungsdienst auf der Basis einer
400,00 EUR Tätigkeit (monatlich) aus. In ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 12. Oktober 2005 gab sie diese Tätigkeit mit
sechs bis acht Stunden wöchentlich an. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2005 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab 1. Oktober
2005.
Ab 10. Juli 2006 stand die Klägerin wieder in einem Beschäftigungsverhältnis.
Aufgrund einer Überschneidungsmitteilung vom 28. Februar 2007 wurde bekannt, dass die Klägerin vom 13. Juni 2006 bis 15. Juni
2006 eine Tätigkeit bei der Firma D. ausgeübt hatte. Diese teilte in der Arbeitsbescheinigung vom 9. März 2007 mit, dass die
Klägerin bei ihr in diesem Zeitraum beschäftigt gewesen sei. Die durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit habe 22,6 Stunden/Woche
betragen.
Mit Bescheid vom 15. März 2007 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld auf und forderte für die Zeit vom 13.
Juni 2006 bis 9. Juli 2006 das gezahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 676,08 EUR zurück; ebenso die in diesem Zeitraum gezahlten
Beiträge zur Krankenversicherung (151,10 EUR) und zur Pflegeversicherung (17,84 EUR). Der Widerspruch vom 27. März 2007 wurde
mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2007 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 7. Juni 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und vorgetragen, bei der
Firma D. sei ihr eine Teilzeittätigkeit mit circa 20 Stunden pro Woche angeboten worden. Sie habe dann drei Tage zur Probe
gearbeitet. Es sei ihr dann mitgeteilt worden, dass für den Rest des Monats kein neuer Einsatz für sie anstehe und die Tätigkeit
in den kommenden Monaten auf Abruf erfolge.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass mit der Aufnahme dieser Beschäftigung, die die Klägerin der Beklagten nicht mitgeteilt
habe, die Arbeitslosigkeit erloschen sei.
Das Sozialgericht hat von der Firma D. den Arbeitsvertrag vom 19. Mai 2006 sowie die Abrechnung für den Monat Juni 2006 beigezogen
und mit Urteil vom 15. Juni 2009 die Bescheide der Beklagten aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Zwar
erlösche die Wirkung der Arbeitslosmeldung mit Aufnahme einer nicht geringfügigen Beschäftigung, wenn der Arbeitslose die
Beschäftigungsaufnahme nicht unverzüglich mitteile. Die Klägerin habe auch mehr als geringfügig gearbeitet. Diese zeitliche
Inanspruchnahme an drei Tagen habe jedoch der Erprobung gedient und nicht der Normalarbeitszeit entsprochen. Nach dem Arbeitsvertrag
sei die Klägerin als "flexible Teilzeitkraft auf Abruf und nach Vereinbarung Kassieren/Verkaufen" eingestellt worden. Der
Arbeitsvertrag enthalte keine Regelungen zu Lage und Dauer der Arbeitszeit. Es sei daher § 12 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) anzuwenden, wonach eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden als vereinbart gelte, wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit
nicht festgelegt sei. Damit schließe eine solche geringfügige Beschäftigung die Arbeitslosigkeit der Klägerin nicht aus. Die
dreitägige Erprobung mit 22,6 Stunden sei vor diesem Hintergrund als gelegentliche Abweichung von geringer Dauer und damit
als unerheblich anzusehen.
Gegen dieses der Beklagten am 8. Juli 2009 zugestellte Urteil hat sie am 28. Juli 2009 bei dem Hessischen Landessozialgericht
Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das Sozialgericht habe nicht die weitere Tätigkeit bei der Firma C. berücksichtigt.
Damit werde die gesetzliche 15-Stunden-Grenze erreicht, beziehungsweise überschritten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass die gesetzliche Grenze nur geringfügig überschritten
werde und daher unbeachtlich sei.
Der Senat hat von der Firma C. eine Auskunft vom 3. Februar 2011 eingeholt über die Tätigkeit der Klägerin in den Monaten
März 2006 bis Juli 2006.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten der
Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Nach §
118 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung -
SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für
Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben.
Nach §
119 Abs.
1 SGB III ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich
bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit
zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).
Nach Abs. 3 dieser Vorschrift schließt die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender
Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit)
weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten
mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet.
Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main setzten sich nicht mit der Tätigkeit
der Klägerin bei der Firma C. auseinander sondern heben lediglich auf die Tätigkeit bei der Firma D. ab. Bei der Frage, ob
eine geringfügige Beschäftigung vorliegt, sind jedoch beide Tätigkeiten zu berücksichtigen.
Nach den von der Beklagten und dem Senat eingeholten Auskünften der Firma C. hat die Klägerin im fraglichen Zeitraum (Woche
12. Juni 2006 bis 18. Juni 2006) dort tatsächlich 5,00 Stunden gearbeitet. Zusammen mit der Tätigkeit bei der Firma D. (22,6
Stunden) ergibt dies insgesamt eine Tätigkeit von 27,6 Stunden und damit weit über der gesetzlichen Grenze.
Ob der Argumentation des Sozialgerichts zu folgen ist, wonach für die Tätigkeit bei der Firma D. § 12 Abs. 1 TzBfG anzuwenden ist, kann offen bleiben, da die Beschäftigung bei der Firma D. aus anderen Gründen keine kurzzeitige Beschäftigung
darstellt und auch keine gelegentliche Überschreitung von geringer Dauer im Sinne von §
119 Abs.
3 S.1 letzter Halbsatz
SGB III.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es für die Beurteilung bei der Bestimmung der Arbeitszeit vorrangig
auf die getroffenen Vereinbarungen und eine vorausschauende Betrachtungsweise, die an die Verhältnisse zu Beginn der Beschäftigung
anknüpft, an (BSG, Urteil vom 29. Oktober 2008 - B 11 AL 44/07 R, Rdnr. 16). Die Klägerin hat mehrfach vorgetragen, dass sie zur Unterhaltung der Familie auf ein festes Einkommen angewiesen
sei. Sowohl bei dem Einstellungsgespräch mit der Firma D. als auch bei der Unterzeichnung des Vertrages sei ihr eine Tätigkeit
von 20 Stunden wöchentlich zugesichert worden. Tatsächlich hat die Klägerin dann auch zu Beginn der Tätigkeit in diesem Rahmen,
nämlich 22,6 Stunden wöchentlich, gearbeitet. Wenn die Vertragsparteien jedoch eine wöchentliche Arbeitszeit vereinbaren,
die von Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an die Grenze von §
119 Abs.
3 SGB III (weniger als 15 Stunden wöchentlich) überschreiten soll, handelt es sich um keine kurzzeitige Beschäftigung (BSG aaO.). Eine
solche Vereinbarung ist dann auch nicht mehr eine gelegentliche Überschreitung der gesetzlichen Grenze. Dies wäre sie nur
dann, wenn sie vorhersehbar war und sich innerhalb des Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht wiederholt. Im Rahmen
einer solchen Beschäftigung kann sich die Klägerin dann auch nicht darauf berufen, man habe eine Tätigkeit "auf Abruf" vereinbart.
Entscheidend ist, dass die Vereinbarung von vornherein auf eine Überschreitung der Zeitgrenze angelegt war (BSG, aaO.).
Nachdem die Tätigkeit der Klägerin nicht nur kurzzeitig gewesen ist und sie dies der Beklagten nicht unverzüglich mitgeteilt
hat, ist die Wirkung der ursprünglichen Arbeitslosmeldung erloschen (§
122 Abs.
2 Nr.
2 SGB III). Die Beschäftigungslosigkeit entfällt bereits mit dem ersten Tag, am 13. Juni 2006, an dem die maßgebliche Woche mit der
Überschreitung beginnt, also nicht erst mit der Überschreitung selbst (vgl. Mutschler u.a.,
SGB III, §
119 Rdnr. 56). Die Erlöschenswirkung der Aufnahme einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung endet dann erst mit der erneuten
persönlichen Vorsprache beziehungsweise im Falle der Klägerin mit dem Ende ihrer Arbeitslosigkeit am 9. Juli 2006 (Aufnahme
einer neuen Tätigkeit am 10. Juli 2006).
Die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X liegen vor. Die unterlassene Mitteilung ist jedenfalls als grob fahrlässig anzusehen. In ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld
hat die Klägerin u. a. mit ihrer Unterschrift bestätigt, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten zu haben. Dieses enthält
ausführliche Hinweise zu Nebeneinkommen. Im Übrigen war der Klägerin durch ihre Nebenbeschäftigung bei der Firma C. bekannt,
dass beim Bezug von Arbeitslosengeld hinsichtlich der Arbeitszeit Beschränkungen bestehen. Angesichts ihrer langjährigen Tätigkeit
als kaufmännische Sachbearbeiterin bestehen für den Senat keine Zweifel, dass dies der Klägerin auch bei Anlegung des nach
der Rechtsprechung erforderlichen subjektiven Maßstabes hätte klar sein müssen.
Die Jahresfrist von § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X ist eingehalten. Nach Kenntnis der Überschneidungsmitteilung vom 28. Februar 2007 hat die Beklagte mit Bescheid vom 15. März
2007 die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben und die Rückerstattung geltend gemacht. Die Erstattungspflicht für die
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ergibt sich aus §
335 Abs.
1 SGB III. Hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung sind von der Klägerin keine Einwendungen erhoben worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.