Anspruch auf Versorgung mit einer Finger-Handprothese aus Silikon als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung im
Wege des unmittelbaren Behinderungsausgleichs
Erforderlichkeit eines vollständigen Ausfalls der Greiffunktion
Tatbestand
Im Streit steht die Versorgung der Klägerin mit einer Finger-Handprothese.
Die 1987 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin leidet seit Geburt an einer Dysmelie in Form einer
Syndaktylie der linken Hand. Aufgrund nachfolgender operativer Maßnahmen mit (Teil-) Amputationen der betroffenen Finger (zuletzt
im Universitätsklinikum Frankfurt am Main im Februar 2013) besteht bei ihr ein Teilhandverlust mit komplett fehlendem Mittelfinger
und ca. zur Hälfte vorhandenem Daumen, Zeige- und Ringfinger. Bezüglich der hierdurch bedingten „Funktionsstörung der Finger
(links)“ wurde vom Versorgungsamt Frankfurt am Main mit Bescheid vom 14. Juni 2013 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.
Die Klägerin ist Rechtshänderin. Sie war zunächst im Hausarztzentrum E-Stadt und ist mittlerweile in einer gynäkologischen
Praxis als Arzthelferin beschäftigt.
Am 19. Februar 2013 wurde der Klägerin von Dr. D. (Hausarztzentrum E-Stadt) eine individuelle Finger-Handprothese links aus
Silikon nach Abdruck verordnet. Am 5. April 2013 übersandte das Sanitätshaus F. GmbH der Beklagten diese Verordnung sowie
einen Kostenvoranschlag i.H.v. 17.609,13 € auf der Basis eines Angebots des Herstellers G. für die Versorgung der Klägerin
mit einer Teilhandprothese. Auf Veranlassung der Beklagte erfolgte eine Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung
(MDK). Dieser kam in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 30. April 2013 zu dem Ergebnis, dass anhand der vorliegenden
Unterlagen die medizinische Notwendigkeit der Versorgung nicht nachvollzogen werden könne. Es sei davon auszugehen, dass die
Klägerin seit ihrer Geburt an diese Fehlbildung gut adaptiert sei. Das primäre Ziel der Versorgung sei die möglichst naturgetreue
und ästhetische Nachbildung im Bereich der linken Hand. Durch das Hilfsmittel würde keine verloren gegangene oder eingeschränkte
Funktion ausgeglichen oder kompensiert. Ein sicheres Greifen, Zupacken oder Festhalten von Gegenständen oder eine verbesserte
Feinmotorik sei nicht möglich. Im Vordergrund stehe vielmehr der optische, kosmetische Ausgleich. Daraufhin lehnte die Beklagte
die Kostenübernahme mit Bescheid vom 7. Mai 2013 ab. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und legte Stellungnahmen des
behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H., des Sanitätshauses F. und ihres Hausarztes sowie einen
Arztbrief der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Universitätsklinikums Frankfurt am Main vor. Auf
Veranlassung der Beklagten nahm hierzu der MDK Hessen durch den Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. J. am 24. Juli 2013
Stellung. Danach handele es sich bei der vom Leistungserbringer angebotenen Epithese vom Typ Natural des Herstellers G. um
eine individuell angefertigte Epithese aus Silikon, die in einem sehr aufwändigen Verfahren hergestellt werde. Das primäre
Ziel einer solchen Versorgung sei die möglichst naturgetreue und ästhetische Nachbildung von Teilen der linken Hand. Eine
Funktionsverbesserung in Form eines verbesserten Greifens sei hierdurch nicht zu erwarten, da die fehlende Sensibilität der
Epithese eher als störend empfunden werde. Auch komme es hierdurch regelhaft zu einem Fallenlassen von Gegenständen wegen
der fehlenden Feinmotorik. Die Prothese selbst führe kein selbstständiges Greifen durch, auch lassen sie keine Beweglichkeit
in den Gelenken zu. Für die bei der Klägerin beschriebenen psychiatrischen Leiden komme primär eine psychiatrische Behandlung
in Betracht. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis des Gutachtens wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid
vom 8. November 2013 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 11. Dezember 2013 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens nach Untersuchung der Klägerin durch den Arzt für Chirurgie,
Unfallchirurgie und Orthopädie Prof. Dr. I. vom 28. Juni 2015. Darin ist dieser zu dem Ergebnis gelangt, dass die bei der
Klägerin bestehenden Einschränkungen der Greiffunktionen aufgrund des Teilhandverlustes durch eine aus hochelastischem Silikon
gefertigte Teilhandprothese zumindest teilweise wiederhergestellt werden könnten. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 90 ff.
Gerichtsakte Bezug genommen. Weiterhin hat das Sozialgericht Befundberichte von Prof. Dr. K. (Universitätsklinikum Frankfurt
am Main) vom 24. November 2017 sowie von Dr. D. vom 12. Dezember 2017 eingeholt.
Mit Urteil vom 8. Dezember 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der von der Klägerin geltend gemachte Versorgungsanspruch
ergebe sich weder als Leistung zur medizinischen Rehabilitation aus §
33 Fünftes Sozialgesetzbuch (
SGB V) bzw. §§
42 Abs.
2 Nr.
6,
47 Neuntes Sozialgesetzbuch (
SGB IX), noch aus §§
9 ff.
Sechstes Sozialgesetzbuch (
SGB VI) oder §§
112 ff.
Drittes Sozialgesetzbuch (
SGB III) i.V.m. §
49 Abs.
8 Nr.
4 SGB IX im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben. Die begehrte Teilhandprothese diene weder der Verhinderung noch dem Ausgleich einer
Behinderung. Sie werde von der Klägerin geltend gemacht, um die fehlenden Fingerglieder zu ersetzen. Hierzu sei diese jedoch
geeignet. Dies ergebe sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. I. und des MDK in den vorliegenden Gutachten
sowie den öffentlich online zur Prothese zur Verfügung gestellten Informationen des Herstellers G. Prof. Dr. I. habe nach
einer umfassenden Untersuchung und Begutachten nachvollziehbar dargelegt, dass die begehrte Silikon-Teilhandprothese ausschließlich
die fehlenden Handteile als solche ersetze, ohne dass sich hierdurch mangels Gelenken ein weiterer Funktionsgewinn ergebe.
Dies werde durch die Angaben von G. auf der Website bestätigt: Es handele sich um eine naturgetreue Nachbildung der fehlenden
Hand. Der Klägerin sei es jedoch durch diese Prothese weder möglich, einen Drei-Punkt-Griff (z.B. zum Halten eines Stiftes),
einen Schlüsselgriff (zum Aufschließen mittels eines Schlüssels), den Kugelgriff, den Klammergriff/Affengriff (Schließen der
Zeige- bis kleinen Finger zum Handballen ohne Beteiligung des Daumens), Faustgriff oder Fingerkuppengriff ausüben. Die Prothese
sei vollständig unbeweglich. Soweit der Sachverständige gegenteiliges ausführe, sei dies nicht nachvollziehbar. Das Silikon
der Prothese werde bei dem begehrten Hilfsmittel einmalig in eine (der intakten Hand spiegelbildlich entsprechende) Form gebracht,
in welcher eine Veränderung nicht mehr möglich sei. Die Prothese besitze gerade keine (feststellbaren) Gelenke, sondern sei
nach den Herstellerangaben teilweise in Vollsilikon, teilweise hohl gefertigt. Auch werde durch die Prothese die Trage- und
Greiffunktion der linken Hand nicht verbessert. Soweit der Sachverständige hierbei die Einklemmmöglichkeiten von leichten
Gegenständen heranziehe, bedinge dies keinen Vorteil. Möglich sei nur das Einklemmen zwischen Daumen und Zeigerfinger unter
Ausnutzung der Elastizität des verwendeten Silikons. Hierbei handele es sich jedoch um einen auf einen äußerst kleinen Anwendungsbereich
begrenzten Vorteil. Alltägliche Gebrauchsgegenstände, wie Besteck, Stifte, Zahnbürsten, Schlüssel oder auch ein Mobiltelefon
könnten auf diese Art und Weise nicht eingeklemmt werden, da der Zwischenraum zwischen Daumen und Zeigefinger hierfür zu groß
sei. Größeren Gegenstände, wie volle Gläser und Tassen oder Bücher, seien hingegen weit überwiegend zu schwer, als dass die
elastische Prothese diese halten könne. Auch sei es durch die Prothese nicht möglich, die Gegenstände derart einzuklemmen,
dass ein Verrutschen verhindert werde, was insbesondere gegen den Gebrauchsvorteil spreche, ein Lenkrad halten zu können.
Darüber hinaus bedinge die durch den Sachverständigen genannten Einklemmmöglichkeiten eine stete (kurzzeitige) Überdehnung
des Silikons an der Nachbildung des Daumens und des Zeigefingers, wofür die Prothese ausweislich der Angaben des Herstellers
nicht vorgesehen sei. Es handele sich bei diesem Prothesenangebot ausschließlich um ein Ersatzstück fehlender Körperteile
ohne weiteren Funktionsgewinn. Auch die Verbesserung an Tastaturen, Maus oder berührungsempfindlichen Bildschirmen sei nicht
nachvollziehbar.
Das Urteil ist am 17. Dezember 2020 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden. Die Berufung der Klägerin
ist am 23. Dezember 2020 am Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Die Klägerin ist der Ansicht, das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass bei ihr noch jeweils der bewegliche Stumpf
des Daumens, des Zeigefingers sowie des Ringfingers vorhanden sei, so dass durch die Verlängerung der Finger mittels der begehrten
Teilprothese wesentliche funktionelle Vorteile im Alltag zu erwarten seien. Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts
sei aufgrund der Beweglichkeit der rudimentär vorhandenen Gliedmaßen eine eigenständige Kraftausübung möglich und nicht nur
das vom Sozialgericht beschriebene Einklemmen. Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts werde auf der Webseite des Herstellers
auch ausführlich über die möglichen funktionellen Auswirkungen auf die Greif-Möglichkeiten der betreffenden Hand informiert.
Zudem werde mit der atmungsaktiven Silikonprothese auch Hautreizungen der vorhandenen Finger-Stümpfe entgegengewirkt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Dezember 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2013 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit einer Finger-Handprothese
aus Silikon zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich durch die Ausführung des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil bestätigt.
Der Senat hat die Klägerin um Mitteilung gebeten, inwieweit von ihr seit 2015 Behandlungsmaßnahmen mit Relevanz für die streitgegenständliche
Hilfsmittel-Versorgung durchgeführt worden sind und von den insoweit benannten Ärzten Befundberichte und Behandlungsunterlagen
bezüglich Erkrankungen der Klägerin an der linken Hand für den Zeitraum ab 2015 angefordert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands, der Gegenstand der Entscheidung des Senats war, wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist auch in der Sache begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch
auf Versorgung mit einer Finger-Handprothese aus Silikon entsprechend der ärztlichen Verordnung vom 19. Februar 2013.
Der Anspruch der Klägerin wurde von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 8. November 2013 zu Unrecht abgelehnt, so dass diese, ebenso wie das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8.
Dezember 2020, keinen Bestand haben konnten.
Rechtsgrundlage für den Versorgungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten ist hierbei §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V, wonach Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln haben,
die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen
oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens
anzusehen oder nach §
34 Abs.
4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit
das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet;
darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß §
12 Abs.
1 SGB V nicht bewilligen. Diese Anspruchsgrundlagen sowie deren konkrete Ausgestaltung durch die hierzu ergangene obergerichtliche
Rechtsprechung wurden vom Sozialgericht zutreffend dargelegt und von den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt, so dass
insoweit auf die Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen werden kann.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts steht es zur Überzeugung des Senats nach Auswertung der vorliegenden Gutachten des
MDK, des gerichtlich angehörten Sachverständigen Prof. Dr. I. sowie der Ausführungen der behandelnden Ärzte des Klägers fest,
dass die von der Klägerin beantragte und ärztlich verordnete Versorgung mit einer Finger-Handprothese aus Silikon im Wege
des unmittelbaren Behinderungsausgleichs geeignet ist, die Wiederherstellung bzw. Verbesserung der beeinträchtigten Körperfunktion
zu bewirken. Weiterhin ergeben sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seitens der Beklagten und des Sozialgerichts keine
Anhaltspunkte, dass die beeinträchtigten Handfunktionen anderweitig in einer dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechenden Weise
ausgeglichen werden könnten.
Von dem Sachverständigen Prof. Dr. I. sowie den behandelnden Ärzten der Klägerin wurde zutreffend ausgeführt, dass die Funktionsfähigkeit
der linken Hand der Klägerin durch die erfolgten Finger-Amputationen ganz erheblich herabgesetzt ist und die begehrte Prothese
geeignet ist, diese Funktionsausfälle zumindest teilweise auszugleichen. In dem Gutachten von Prof. Dr. I. wird für den Senat
nachvollziehbar dargelegt, dass bei der Klägerin aufgrund des Teilhandverlustes die Unmöglichkeit einer normalen Greiffunktion
mit der linken Hand besteht, da ein Faustschluss und ein Haltegriff auf Grund der verkürzten und fehlenden Finger nicht möglich
sind. Auch könnten der Kraftgriff sowie der Fein-, Spitz- und Schlüsselgriff mit der linken Hand nicht durchgeführt werden.
Zum Ausgleich dieser Behinderungen seien neben aufwändigen operativen Verfahren (z.B. durch Transplantation einer Großzehe
an die linke Hand) nur der Ersatz der Handfunktion mittels einer partiellen oder kompletten Teilhandprothese möglich. Neben
einer ästhetischen Verbesserung könne hierdurch eine passive funktionelle Verbesserung der Greiffunktionen der fehlgebildeten
Hand herbeigeführt werden. Diesbezüglich komme es zu einer Verbesserung des Widerhaltes beim Greifen, indem der Kraftgriff
und der Präzisionsgriff zwar nicht aktiv, jedoch durch eine Verbesserung des Gegenhaltes vor allem passiv durch die Teilhandprothese
verbessert werden könne. Durch die Elastizität des Silikons sei das Greifen größerer Gegenstände möglich, soweit diese nicht
allzu schwer seien. Auch der Pinzetten- und Zangengriff sowie der Dreipunktegriff und der Schlüsselgriff könnten mittels der
Hilfestellung durch die intakte rechte Hand, mit der aus hochelastischem Silikon gefertigten Teilhandprothese zumindest näherungsweise
simuliert werden. Weiterhin sei damit zu rechnen, dass die angestrebte Verbesserung für die Arbeiten an Computertastaturen,
mit Computer-Mouse, Trackball und berührungsempfindlichen Bildschirmen durch die Teilhand-Prothesenversorgung erheblich verbessert
werde. Auch sollte das Halten von Handys und Telefonen mit der Teilhandprothese möglich sein, so dass ein Schreiben mit der
rechten Hand bzw. ein Eintippen von Daten an der Computertastatur erleichtert werde. Darüber hinaus sei davon auszugehen,
dass für das Halten des Lenkrades beim Autofahren die rechte Hand für die Betätigung von Armaturenbrettknöpfen freigeben könne,
ohne dass es hier durch fehlende Steuerbarkeit des Lenkrads mit der linken Hand zu einer gefährlichen Verkehrssituation komme.
Schließlich sei auch das Gegenhalten bei den Arbeiten in der Küche (Schälen von Obst und Gemüse) durch die Versorgung mit
der Teilhandprothese sicher gewährleistet und stelle hierdurch eine einem gesunden Menschen möglichst weitgehend entsprechende
Greif-, Halte- und Führungsfunktion der linken Hand dar.
Diese Einschätzung wird insbesondere durch Prof. Dr. K. vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main bestätigt, wonach die Silikon-Finger-Hand-Prothese
bei einem Teilverlust der Finger im alltäglichen Bewegen wichtige Funktionen ersetzen könne und die Greifmöglichkeiten der
betroffenen Hand erweitere. Die Fertigung aus Silikon impliziere eine individuelle Anpassung, um insbesondere auf empfindliche
Stellen Rücksicht zu nehmen und damit Anpassungsstörungen zu beseitigen. Dies spiegele sich in einer optimalen Greiffunktion
wider.
Das Ergebnis des Gutachtens von Prof. Dr. I. steht auch mit den Ausführungen der vom Senat im Rahmen der mündlichen Verhandlung
am 23. September 2021 persönlich angehörten Klägerin und der von ihr hierbei demonstrierten Beweglichkeit der Fingergrundgelenke
in allen Fingern der linken Hand in Einklang. Für den Senat bestehen nach der Inaugenscheinnahme der Beweglichkeit der noch
verbliebenen Fingerglieder abweichend von der Auffassung des Sozialgerichts keine Zweifel, dass die mit der beantragten Prothesenversorgung
herbeizuführende Verlängerung der Finger bzw. des Daumens zu der von Prof. Dr. I. beschriebenen erheblichen Verbesserung der
wesentlichen Greiffunktion der Hand führen wird.
Die zu einem anderen Ergebnis kommenden Gutachten des MDK vom 30. April 2013 und 24. Juli 2013 vermögen demgegenüber nicht
zu überzeugen. Beide Gutachten sind lediglich nach Aktenlage, ohne körperliche Untersuchung der Klägerin erstellt worden,
wobei in dem Gutachten vom 30. April 2013 im Wesentlichen die vorliegenden Fotografien der betroffenen Hand der Klägerin ausgewertet
wurden. In dem Gutachten vom 24. Juli 2013 wurden darüber hinaus lediglich noch die von der Klägerin mit dem Widerspruch vorgelegten
Atteste Ihrer behandelnden Ärzte ausgewertet. Weitere Befundberichte mit dezidierten Einzelheiten zu den funktionalen Verhältnissen
im Bereich der linken Hand der Klägerin wurden vom MDK hingegen nicht beigezogen. Bereits aus diesem Grund ist dem Gutachten
des MDK ein geringerer Beweiswert als dem Gutachten von Prof. Dr. I. sowie den im erstinstanzlichen Verfahren vom Sozialgericht
eingeholten Auskünften der behandelnden Ärzte der Klägerin beizumessen. Soweit in den Gutachten des MDK davon ausgegangen
wird, dass die Klägerin aufgrund der seit Geburt an bestehenden Fehlbildung als gut adaptiert anzusehen sei, verkennt der
MDK offensichtlich, dass die (Teil-) Amputationen der Finger bzw. des Daumens erst später erfolgt sind und die letzte Operation
am linken Ringfinger erst im Januar 2013 durchgeführt worden ist. Soweit vom MDK – und mit ähnlicher Begründung auch seitens
des Sozialgerichts -die Ansicht vertreten wird, dass durch die Versorgung mit der beantragten Prothese keine Funktionsverbesserung
im Hinblick auf das Greifen zu erwarten sei, da die fehlende Sensibilität der Prothese als störend empfunden werde und diese
eine Beweglichkeit im Gelenk nicht zulasse, steht dies mit der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. I. sowie der behandelnden
Ärztin in Widerspruch und lässt sich auch nicht mit den Angaben des Herstellers zur Funktionsfähigkeit der Prothese in Einklang
bringen. Aufgrund der erhaltenen Beweglichkeit der noch vorhandenen Daumen- bzw. Finger-Stümpfe im handnahen Gelenk bewirkt
deren Verlängerung durch die Prothese ein Gegenhalten und Umschließen von Gegenständen und damit eine weitgehende Angleichung
an die Greiffähigkeit einer gesunden Hand. In den Gutachten des MDK wird schließlich nicht dargelegt, inwiefern die Behinderung
der Klägerin in anderer Weise mit gegebenenfalls wirtschaftlicheren Hilfsmitteln ausgeglichen werden könnte. Da sich hierzu
auch aus den Ausführungen von Prof. Dr. I. sowie den behandelnden Ärzten keine Anhaltspunkte ergeben, vermag der Senat in
der beantragten Versorgung auch keinen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu erkennen.
Die Fallkonstellation des vorliegenden Verfahrens ist mit der des Verfahrens nicht vergleichbar, so dass weder das zu diesem
Aktenzeichen ergangene Urteil des Senats vom 24. Januar 2014 noch die nachfolgende Entscheidung des Bundessozialgerichts vom
30. September 2015 (B 3 KR 14/14 R) hierauf übertragbar sind. In dem betreffenden Verfahren ging es um die Versorgung der Klägerin mit einer Silikon-Fingerprothese
aufgrund des Verlustes des Endgliedes des Zeigefingers der rechten Hand. Diesbezüglich sind sowohl der Senat als auch das
Bundessozialgericht in den vorgenannten Entscheidungen davon ausgegangen, dass das Fehlen des Endgliedes des Zeigefingers
an einer Hand eine allenfalls ganz geringe Funktionsbeeinträchtigung der Greif- und Haltefunktion der Hand zur Folge hat und
nach dem Versorgungsrecht nicht mit einem relevanten Grad der Behinderung zu bewerten ist. In dem von der Beklagten mehrfach
zitierten Verfahren scheiterte der Versorgungsanspruch folglich bereits daran, dass keine relevante Behinderung vorlag, die
eines Ausgleichs durch die beantragte Prothese bedurft hätte. Die Situation der Klägerin im vorliegenden Verfahren kann hiermit
nicht gleichgestellt werden, da bei dieser an der linken Hand lediglich ein Finger vollständig funktionsfähig erhalten ist.
Dies führt im Ergebnis zu einem vollständigen Ausfall der Greiffunktion der linken Hand und wurde bei der Klägerin seitens
des Versorgungsamtes auch zu Recht mit einem Grad der Behinderung von 50 und folglich der Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft
bewertet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.