Ermächtigung einer psychiatrischen Institutsambulanz
Begriff der Einrichtung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Ermächtigung einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA).
Die Klägerin ist Trägerin des I. Klinikums J. und des I. Klinikums K.. Das Klinikum J. ist seit 2012 mit 78 Planbetten in
der Fachabteilung Psychiatrie und Psychotherapie sowie mit 23 teilstationären Plätzen in einer psychiatrischen Tagesklinik
in den Niedersächsischen Krankenhausplan aufgenommen (Bescheid des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie,
Gesundheit und Integration vom 22. Dezember 2011). Das Klinikum K. wurde mit Bescheid des Niedersächsischen Ministeriums für
Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 23. Dezember 2015 mit Wirkung vom 1. Januar 2016 in den Niedersächsischen Krankenhausplan
aufgenommen, verfügt im Bereich Psychiatrie aber weder über entsprechende Planbetten noch über teilstationäre Behandlungsplätze.
Das I. Klinikum J. betreibt außerdem ein PIA und ist hierzu gemäß §
118 Abs
2 S 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) ermächtigt.
Am 1. Juli 2016 beantragte die Klägerin die Ermächtigung zum Betrieb einer PIA gemäß §
118 Abs
4 SGB V (Antragsschreiben vom 24. Juni 2016). Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, in der PIA würden Patienten mit dem
Ziel therapiert, stationäre Behandlungen zu vermeiden und zu verkürzen, wobei wichtigster Bestandteil der Versorgung die Behandlung
schwerstkranker „nicht wartezimmerfähiger“ Patienten, die Sicherstellung deren Behandlungskontinuität und die Vermeidung erneuter
Krankheitsepisoden und stationärer Aufenthalte sei. Im Landkreis J. bestehe ein Versorgungsbedarf für ca 7.000 Patienten,
wobei die PIA im I. Klinikum J. im Jahr 2015 4.500 Patienten behandelt habe. Dabei hätten Patienten aus dem Raum K. naturgemäß
einen deutlich schwereren Zugang zum Angebot der Klägerin, da sie aufgrund der Schwere der Krankheitsbilder eingeschränkt
mobil seien und den Weg in die L. Institutsambulanz nur bedingt antreten könnten.
Der Zulassungsausschuss J. befragte fünf in K. bzw in J. niedergelassene vertragsärztliche Psychiater bzw Kinder- und Jugendpsychiater,
ob sie die im Antrag aufgeführten Leistungen gegenwärtig bzw künftig erbrächten und ob sie insoweit freie Kapazitäten hätten.
Vier von ihnen teilten mit, sie hielten eine Verbesserung der psychiatrischen Versorgung für erforderlich.
Der Zulassungsausschuss J. lehnte den Antrag mit Beschluss vom 17. August 2016 ab. Da in der Anlage zum Feststellungsbescheid
vom 22. Dezember 2011 über die Aufnahme des I. Klinikums J. in den Krankenhausplan der geplante Standort in K. nicht als Standort
für eine PIA aufgeführt sei, handele es sich bei dem geplanten Standort nicht um eine Einrichtung des Krankenhauses iSd §
118 Abs
4 SGB V. Eine Ermächtigung für Außenstellen für PIA nach §
118 Abs
4 SGB V könne nur an Standorten erfolgen, die auch planungsrechtlich dem konkreten Krankenhaus zugeordnet seien.
Gegen den ihr am 29. September 2016 zugegangenen Beschluss legte die Klägerin am 31. Oktober 2016 Widerspruch ein, zu dessen
Begründung sie ua anführte, die Ausweisung einer Ermächtigungsambulanz sei nicht Bestandteil der Krankenhausplanung und könne
deshalb nicht in einem Feststellungsbescheid Erwähnung finden.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 22. Februar 2017 (abgesandt am 11. April 2017) zurück. Die Klägerin habe
keinen Anspruch auf Erteilung einer Ermächtigung für die Errichtung einer Außenstelle der PIA des I. Klinikums J. am Standort
des Krankenhauses in K.. Unter einer PIA seien psychiatrische Krankenhäuser nach §
118 Abs
1 und Allgemeinkrankenhäuser mit selbstständigen psychiatrischen Abteilungen nach §
118 Abs
2 SGB V zu verstehen. Bei Beachtung dieser vom Gesetzgeber verwendeten Begrifflichkeit müsse eine solche Außenstelle des Krankenhauses
- der PIA - bereits existieren. Das I. Klinikum J. betreibe am Standort des Krankenhauses in K. aber keine Außenstelle, wie
sich aus der Anlage zum Feststellungsbescheid entnehmen lasse. Die geplante Außenstelle einer PIA erfülle auch nicht die materiell-rechtlichen
Voraussetzungen des §
118 Abs
4 SGB V, weil es sich nicht um eine Krankenhauseinrichtung handele; denn die Klägerin beabsichtige nicht, stationäre bzw teilstationäre
Krankenhausbehandlung anzubieten. Aus dem Normziel der Stärkung der sektorübergreifenden Versorgungsmöglichkeiten folge, dass
die Einrichtungen in sämtlichen Alternativen des §
118 SGB V selbst den Krankenhausbegriff erfüllen müssten. Eine Einrichtung, die bestimmungsgemäß ausschließlich ambulante, aber keine
stationären Leistungen erbringe, sei kein Krankenhaus und könne deshalb auch keine Einrichtung iSv §
118 Abs
4 SGB V sein.
Mit ihrer am 4. Mai 2017 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat die Klägerin das Ziel verfolgt, den Beklagten unter Aufhebung seines Beschlusses zur Erteilung
der beantragten Ermächtigung zu verpflichten, hilfsweise ihn zur Neubescheidung zu verurteilen. Sie hat die Auffassung vertreten,
der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass der Begriff der PIA als Oberbegriff der Krankenhäuser nach §
118 Abs
1 und Abs
2 SGB V anzusehen sei. Eine PIA sei gerade kein psychiatrisches Krankenhaus, es seien vielmehr die Fachkrankenhäuser und Allgemeinkrankenhäuser,
die eine PIA betreiben könnten. Bei den PIAen iSv §
118 Abs
4 SGB V gehe es um Einrichtungen, die räumlich und organisatorisch vom Mutterhaus losgelöst seien, wie hier die beantragte PIA in
K. vom Standort des Mutterhauses in J. losgelöst sei. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zu §
118 Abs
4 SGB V. Wollte man dagegen verlangen, dass am Standort K. bereits eine Tagesklinik existiere, wäre die in §
118 Abs
4 SGB V geregelte Ermächtigung überflüssig. Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Ermächtigung der PIA am Standort K., weil -
mit einer Ausnahme - sämtliche vom Zulassungsausschuss befragten Ärzte die Ermächtigung der PIA am Standort K. befürwortet
hätten. Die ergebe sich im Übrigen aus den im Antrag der Klägerin enthaltenen Ausführungen zum Versorgungsbedarf und daraus,
dass mittlerweile im Landkreis J. für den Praxisort K. ein Sitz mit hälftigem Versorgungsauftrag für einen ärztlichen Psychotherapeuten
ausgeschrieben worden sei.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat an den Gründen seines Beschlusses vom 22. Februar 2017 festgehalten. Es sei
vom Gesetzgeber nicht gewollt, dass es den in §
118 Abs
1 und Abs
2 SGB V genannten Krankenhäusern ermöglicht werden solle, Außenstellen zu schaffen, in denen rein ambulant behandelt werde. Denn
dies widerspräche dem Normziel der Stärkung der sektorübergreifenden Versorgungsmöglichkeiten. Dies könne nur durch die Vereinheitlichung
der Kategorisierungen des
SGB V mit denjenigen des Krankenhausrechts erreicht werden.
Das SG hat den Beschluss vom 22. Februar 2017 mit Urteil vom 12. Februar 2020 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über den
Ermächtigungsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat es
die Klage abgewiesen. Nach den gesetzlichen Vorgaben habe der Beklagte die Erteilung einer Ermächtigung nicht davon abhängig
machen dürfen, ob die Klägerin am Standort K. bereits stationäre bzw teilstationäre Leistungen erbringe. Eine solche Auslegung
ließen Wortlaut, Gesetzessystematik, Sinn und Zweck der Vorschrift sowie die Entstehungsgeschichte der Regelung nicht zu.
Insbesondere könne der Formulierung „durch (…) Einrichtungen der Krankenhäuser“ nicht entnommen werden, dass die Ermächtigung
von krankenhausplanerischen Entscheidungen abhängig sein solle. Dem Antrag der Klägerin auf Erteilung der Ermächtigung habe
das Gericht dagegen nicht entsprechen können, weil der Beklagte keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob die beantragte
Ermächtigung zur Versorgung nach Maßgabe des §
118 Abs
2 SGB V notwendig sei.
Das Urteil ist der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) und der zu 2. beigeladenen Krankenkasse jeweils am
17. Februar 2020 zugestellt worden. Die Beigeladene zu 1. hat hiergegen am 26. Februar 2020, die Beigeladene zu 2. hat am
12. März 2020 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt.
Die Beigeladene zu 1. meint, dass - entgegen der Auffassung des SG - dem §
118 Abs
4 SGB V nicht zu entnehmen sei, dass künftig jeder beliebige Standort unabhängig von jeder Krankenhausplanung die Voraussetzungen
für eine in dieser Vorschrift vorgesehenen Ermächtigung erfüllen könne. Denn das Normziel liege in einer Stärkung der sektorübergreifenden
Versorgung. Der Gesetzgeber könne nicht gewollt haben, dass Außenstellen geschaffen werden können, in denen rein ambulant
behandelt werde.
Die Beigeladene zu 2. schließt sich den Ausführungen des Beklagten an. Im Übrigen hätten die Zulassungsgremien noch nicht
den in §
118 Abs
4 SGB V angesprochenen tatsächlichen Bedarf ermittelt, da der Zulassungsausschuss J. die falsche Klientel hinsichtlich eines bestehenden
Bedarfs befragt habe. Denn bei der Prüfung, ob die Versorgung anderweitig sichergestellt sei, komme es auf eine gleichwertige
Versorgung an, dh darauf, ob andere psychiatrische Krankenhäuser bzw Allgemeinkrankenhäuser mit selbstständigen fachärztlich
geleiteten psychiatrischen Abteilungen die Versorgung bereits in ausreichendem Maße gewährleisteten.
Die Beigeladenen zu 1. und zu 2. beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 12. Februar 2020 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Berufung der Beigeladenen zu 1. und zu 2. zurückzuweisen,
2. im Wege der Anschlussberufung: das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 12. Februar 2020 zu ändern und den Beklagten
zu verpflichten, ihr die Ermächtigung nach §
118 Abs
4 SGB V zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten am Standort M. 1, N. zu erteilen.
Das SG habe zwar zutreffend erkannt, dass die beantragte Ermächtigung nicht von einer krankenhausplanerisch bestehenden Berechtigung
am Standort K. abhängig sei. Rechtsfehlerhaft sei allerdings der vom Zulassungsausschuss bereits erhobene Bedarf im Rahmen
der Umfrage der niedergelassenen Psychiater und Psychotherapeuten nicht bewertet worden. Bis auf eine Ausnahme - einen für
die vorliegend umstrittene Ermächtigung nicht relevanten Kinder- und Jugendpsychiater - hätten sich alle Befragten für eine
Ermächtigung der PIA in K. ausgesprochen. Der Beklagte habe es unterlassen, die sich ihm aufdrängenden Ergebnisse aus der
Befragung einer gesonderten Bewertung zu unterziehen.
Die Beigeladenen zu 1. und 2. beantragen,
die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die übrigen Beteiligten stellen keinen Antrag.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, der erstinstanzlichen Entscheidung könne nicht gefolgt werden, wenn dort eine Abhängigkeit
der beantragten Ermächtigung von krankenhausplanerischen Entscheidungen verneint werde. Zur Bedarfslage habe sich der Beklagte
auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung nicht äußern müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte
und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beigeladenen zu 1. und die Anschlussberufung der Klägerin bleiben ohne Erfolg. Zu Recht hat das SG den Beschluss des Beklagten vom 22. Februar 2017 aufgehoben und diesen zur Neubescheidung verurteilt; insoweit war lediglich
klarzustellen, dass die Neubescheidung gemäß der Rechtsauffassung des Senats zu erfolgen hat. Eine Verurteilung des Beklagten
zur Erteilung der begehrten Ermächtigung konnte demgegenüber nicht erfolgen. Die Berufung der Beigeladenen zu 2. war schließlich
schon als unzulässig zu verwerfen.
A. Die Berufung der Beigeladenen zu 2. ist unzulässig.
Beigeladene können nur dann Rechtsmittel einlegen, wenn sie durch das angegriffene Urteil materiell beschwert sind (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 28. März 2019 - B 3 KR 2/18 R, SozR 4-2500 § 130b Nr 3; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, Rn 8 vor §
143 mwN).Denn die Rechtsmittelbefugnis eines Beigeladenen wirkt spiegelbildlich als Belastung des in der Vorinstanz obsiegenden Hauptbeteiligten
- hier: der Klägerin - und ist deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn aufgrund der Bindungswirkung des vorinstanzlichen Urteils
eigene (subjektive) Rechtspositionen des Beigeladenen auf dem Spiel stehen (Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Urteil vom 31. Januar 1969 - IV C 83.66, BVerwGE 31, 233 <234>; BSG, Urteil vom 24. März 2016 - B 12 KR 6/14 R, SozR 4-2500 § 5 Nr 27). Die materielle Beschwer eines Beigeladenen ist demgemäß zu bejahen, wenn es möglich ist, dass er aufgrund der Bindungswirkung
des angefochtenen Urteils unmittelbar in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt ist (BSG aaO; Keller aaO, mwN aus der Rspr). Eine solche konkrete und unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten muss nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30. November 1994 - 6 RKa 32/93, SozR 3-2500 § 119 Nr 1) auch von den Krankenkassen und ihren Verbänden geltend zu machen sein, die am vertragsärztlichen Zulassungsverfahren beteiligt
sind. Allein daraus, dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemäß §
96 Abs
4 SGB V den Berufungsausschuss gegen die Entscheidungen der Zulassungsausschüsse anrufen können, ergibt sich die im Rechtsmittelverfahren
außerdem vorauszusetzende materielle Beschwer noch nicht (BSG, Urteil vom 9. Juni 1999 - B 6 KA 76/97 R, SozR 3-5520 § 44 Nr 1) .
Dass die zu 2. beigeladene Krankenkasse - die in ihrem Zuständigkeitsbereich die Funktion eines Kassenverbandes ausübt - durch
die Entscheidung des SG unmittelbar in eigenen Rechten betroffen ist, ist jedoch nicht schlüssig dargelegt worden. Die streitbefangene Ermächtigung
in K. berührt die Rechtsposition der Beigeladenen zu 2. nicht über das gewöhnliche (mittelbare) Maß hinaus, das sich aus der
(Mit)trägerschaft der Krankenkassen bei der Bildung der Zulassungsgremien (§§
96,
97 SGB V) und aus der Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen der Krankenhäuser ergibt. Da vorliegend nur statusrechtliche,
nicht aber konkrete Vergütungsfragen betroffen sind, ist dabei auch nicht entscheidend, dass die Vergütung der ermächtigten
PIAen nicht - wie bei anderen ambulanten Behandlungen - aus der Gesamtvergütung erfolgt, sondern die ermächtigten Ambulanzen
gemäß §
120 Abs
2 S 1
SGB V direkt mit den Kassen abrechnen.
Die materielle Beschwer einer beigeladenen Krankenkasse ist vom BSG (Urteil vom 13. Mai 2015 - B 6 KA 18/14 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 51) beispielsweise für den Fall eines Arzneimittelregresses im Einzelfall bejaht worden, bei dem es um den Ausgleich eines Vermögensschadens
der Krankenkasse ging. Das BSG hat es aaO auch für möglich gehalten, dass Krankenkassen(verbände) schon wegen der in §
106 Abs
1 SGB V normierten Gesamtverantwortung von Krankenkassen und KÄVen für die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen
Versorgung durch Entscheidungen der Prüfgremien bzw der Gerichte beschwert sein können. Entsprechendes dürfte für die Prüfung
der Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch PIAen gelten, die gemäß §
113 Abs
4 SGB V den Krankenkassen obliegt. Eine vergleichbare Betroffenheit der Beigeladenen zu 2. liegt hier aber nicht vor, weil der Rechtsstreit
keine Wirtschaftlichkeitsprüfung betrifft. Eine dem §
106 Abs
1 S 1
SGB V vergleichbare Regelung über die gemeinsame Verantwortung für die Wirtschaftlichkeitsprüfung besteht im Zulassungsrecht nicht.
Wenn der Beklagte insoweit auf die BSG-Entscheidung vom 19. Juni 1996 - 6 RKa 26/95 (= SozR 3-2500 § 116 Nr 14) hinweist, übersieht er, dass dort nur die notwendige Beiladung der Krankenkassen in Zulassungsstreitigkeiten dargelegt worden
ist.
Die Berufung der Beigeladenen zu 2. könnte auch nicht in eine Anschlussberufung nach §
202 S 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) iVm §
524 Zivilprozessordnung (
ZPO) umgedeutet werden. Denn dies ist nur möglich, wenn die Beigeladene auf der Seite der Berufungsbeklagten steht (Keller aaO, § 143 Rn 5c) oder sich zumindest gegen die Berufung einer anderen Beigeladenen stellt, die ihr „materieller Gegenspieler“ ist (BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 - B 6 KA 29/02 R, SozR 4-2500 § 85 Nr 3). Dies ist jedoch nicht der Fall, weil die Beigeladene zu 2. auf der Seite der Beigeladenen zu 1. - der Berufungsführerin -
steht und sich deren Auffassung anschließt.
Die Berufung der Beigeladenen zu 2. war deshalb gemäß §
158 S 1
SGG als unzulässig zu verwerfen.
B. I. Die Berufung der Beigeladenen zu 1. ist demgegenüber zulässig. Die materielle Beschwer ist gegeben, weil die KÄVen
(ausnahmsweise) unabhängig vom Nachweis einer konkreten Beschwer im Einzelfall oder eines konkreten rechtlichen Interesses
befugt sind, die Entscheidungen der Zulassungs- und Berufungsausschüsse anzufechten. Dies folgt daraus, dass sie aufgrund
des Sicherstellungsauftrags gemäß §
75 Abs
1 SGB V die Mitverantwortung für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertrags(zahn)ärztlichen
Versorgung haben (BSG, Urteil vom 17. November 1999 - B 6 KA 15/99 R, SozR 3-5525 § 20 Nr 1; Urteil vom 13. Mai 2015 aaO) .
Schließlich ist auch die ausdrücklich als solche eingelegte Anschlussberufung der Klägerin statthaft und auch im Übrigen zulässig.
II. Die Berufung der Beigeladenen zu 1. und die Anschlussberufung der Klägerin sind jedoch unbegründet. Das erstinstanzliche
Gericht hat den Beschluss vom 22. Februar 2017 zu Recht aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung verurteilt, den darüberhinausgehenden
Hauptantrag der Klägerin auf Verpflichtung zur Erteilung der beantragten Ermächtigung aber abgewiesen. Bei der anstehenden
Neubescheidung wird der Beklagte allerdings die Rechtsauffassung des Senats zugrunde legen müssen.
1. Die am 4. Mai 2017 erhobene Klage ist im Hauptantrag als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs
1 S 1
SGG) und mit ihrem hilfsweise gestellten Antrag als Anfechtungs- und Bescheidungsklage gemäß §§
54 Abs
1,
131 Abs
3 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Klage ist jedoch nur insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und der Beklagte - entsprechend
dem von der Klägerin hilfsweise gestellten Antrag - zur Neubescheidung zu verurteilen war.
a) Rechtsgrundlage der begehrten Ermächtigung für die Außenstelle der PIA der Klägerin in K. ist §
118 Abs
4 iVm Abs
2 SGB V. Danach sind die in Abs 2 genannten Krankenhäuser - dh Allgemeinkrankenhäuser mit selbstständigen, fachärztlich geleiteten
psychiatrischen Abteilungen mit regionaler Versorgungsverpflichtung - auch dann zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen
Versorgung zu ermächtigen, wenn die Versorgung durch räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen der Krankenhäuser
erfolgt, soweit und solange die Ermächtigung notwendig ist, um eine Versorgung nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 sicherzustellen.
aa) Die Klägerin betreibt mit dem I. Klinikum J. ein Allgemeinkrankenhaus iSd §
118 Abs
2 S 1
SGB V. Die dort bestehende PIA ist zur psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung nach Maßgabe des §
118 Abs
2 S 2
SGB V von Gesetzes wegen ermächtigt.
bb) Die streitgegenständliche Ambulanz, die in K. betrieben werden soll, ist eine „Einrichtung“ iSv §
118 Abs
4 SGB V. Dabei ist unter einer Einrichtung - entsprechend den Grundvoraussetzungen dieses im
SGB V an verschiedenen Stellen erwähnten Begriffs - eine räumlich und sachlich abgrenzbare Einheit zu verstehen (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 - B 6 KA 25/14 R, SozR 4-5520 § 19 Nr 3, mwN).Die Einrichtung soll (unstreitig) auch der psychiatrischen Versorgung der Versicherten dienen, wie sie bisher schon in der
gemäß §
118 Abs
2 SGB V ermächtigten PIA des I. Klinikums in J. erfolgt.
cc) Die in K. vorgesehene PIA ist auch eine Einrichtung des von der Klägerin betriebenen Krankenhauses in J.. Dies ergibt
sich bereits aus den im Antragsschreiben vom 24. Juni 2016 dargestellten Konzept der Klägerin. Danach soll in K. eine Zweigstelle
der PIA des Krankenhauses J. errichtet werden, um die im Umkreis der Stadt K. lebenden Versicherten versorgen zu können, die
- soweit überhaupt eine PIA-Versorgung erfolgt ist - bisher in J. behandelt worden sind. Es geht demzufolge um die ambulante
Versorgung von Patienten, die im Fall stationärer Behandlungsbedürftigkeit im Krankenhaus J. aufgenommen werden. Wie die Klägerin
im Berufungsverfahren glaubhaft mitgeteilt hat, sollen die in K. vorgesehenen psychiatrischen Behandlungen außerdem durch
Personen erfolgen, die vom Krankenhaus J. gestellt werden und die dauerhaft und ortsgebunden in der Einrichtung in K. tätig
sein sollen. Damit erfüllt die Klägerin ihre Aufgabe sicherzustellen, dass die für die ambulante psychiatrische und psychotherapeutische
Behandlung erforderlichen Ärzte und nichtärztlichen Fachkräfte zur Verfügung stehen (§
118 Abs
1 S 3 iVm Abs
2 S 4
SGB V), durch den Einsatz entsprechenden Personals des Krankenhauses J.. Soweit der Beklagte demgegenüber Zweifel daran äußert,
dass die Klägerin tatsächlich über ausreichende personelle Ressourcen an entsprechenden psychiatrischen Krankenhausärzten
verfügt, sind diese im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Denn es obliegt grundsätzlich der Organisationshoheit der Klägerin,
für ausreichendes Personal zu sorgen.
Der bloße Umstand, dass die vorgesehene Ambulanz räumlich am Standort des I. Klinikums K. errichtet werden soll, führt angesichts
dessen nicht dazu, dass diese als Einrichtung des Krankenhauses K. anzusehen wäre. Insoweit ist die Situation nicht anders
zu beurteilen, als wenn die Klägerin eine vergleichbare Einrichtung des Klinikums J. außerhalb eines Krankenhauses in anderen
in K. freistehenden Räumlichkeiten (zB in einer Arztpraxis oder einem Ärztehaus) betreiben würde.
Dass die vorgesehene Einrichtung räumlich und organisatorisch nicht an das Krankenhaus J. angebunden werden soll, steht der
Ermächtigung nicht entgegen, weil die Ermächtigungsmöglichkeit nach §
118 Abs
4 SGB V gerade für diesen Fall besteht.
b) Die Ermächtigung setzt nicht voraus, dass K. nach dem Niedersächsischen Krankenhausplan als Standort einer psychiatrischen
Krankenhausabteilung ausgewiesen ist.
aa) Dem Wortlaut des §
118 Abs
4 SGB V lässt sich eine solche zusätzliche Voraussetzung nicht entnehmen.
bb) Sie lässt sich auch nicht aus der Gesetzesgeschichte des §
118 Abs
4 SGB V ableiten.
§
118 Abs
4 SGB V ist durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) vom 16. Juli 2015 (BGBl I 1211) mit Wirkung vom 23. Juli 2015 eingeführt worden. Ausgangspunkt hierfür war eine Entscheidung des BSG vom 21. Juni 1995 (6 RKa 49/94, SozR 3-2500 §
118 Nr 2) , nach der Außenstellen einer PIA nicht gemäß §
118 SGB V ermächtigt werden konnten, weil diese Vorschrift voraussetze, dass die Behandlung der Versicherten in der Ambulanz einer
Klinik durchgeführt wird. Damit sei eine organisatorische und räumliche Anbindung der Behandlungseinrichtung an die Klinik
erforderlich. Mit der Einführung des §
118 Abs
4 SGB V beabsichtigte der Gesetzgeber, angesichts der besonderen Bedeutung der psychiatrischen Versorgung insbesondere auch für Kinder
und Jugendliche die Voraussetzungen für die Erteilung einer Institutsermächtigung für Außenstellen von PIAen zu lockern und
eine - bedarfsabhängige - spezielle Ermächtigungsnorm zu schaffen, für die es nicht mehr auf eine räumliche und organisatorische
Anbindung der Außenstelle an die betreibende Klinik ankommt (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu §
118 SGB V, BT-Drucks 18/5123, S 133) .
Regelungsgegenstand des §
118 Abs
4 SGB V sollten damit allein Außenstellen ambulanter Behandlungseinrichtungen von Kliniken iSv §
118 Abs
1 und
2 SGB V sein (so auch: Köhler-Hohmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 4. Aufl, §
118 SGB V <Stand: 8. Juli 2020>, Rn 68; Gamperl in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: September 2020, §
118 SGB V Rn 10).Rein ambulante Behandlungen sind aber - wie der Beklagte selbst ausgeführt hat - nicht Gegenstand der Krankenhausplanung
iSv § 6 Abs 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), der nur stationäre und teilstationäre Krankenhausbehandlungen unterfallen, letztere in Tages- oder Nachtkliniken (vgl hierzu BSG, Urteil vom 28. Januar 2009 - B 6 KA 61/07 R, SozR 4-2500 § 118 Nr 1).Dass die Ermächtigung einer PIA-Außenstelle in Übereinstimmung mit der Krankenhausplanung am Standort der Außenstelle stehen
muss, ergibt sich aus der Regelungsabsicht des Gesetzgebers mithin nicht.
cc) Auch das Ergebnis der systematischen bzw teleologischen Auslegung des §
118 Abs
4 SGB V spricht nicht für die Auffassung der Beigeladenen zu 1. bzw des Beklagten.
§
118 Abs
4 SGB V sieht eine Ergänzung der Ermächtigungstatbestände in §
118 Abs
1 und Abs
2 SGB V vor. Nach §
118 Abs
1 SGB V sind psychiatrische Krankenhäuser vom Zulassungsausschuss zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung
der Versicherten - ohne Durchführung einer Bedarfsprüfung - zu ermächtigen. Hintergrund hierfür war, dass man nach den Ergebnissen
der Psychiatrie-Enquête 1975 davon ausging, dass bestimmte Gruppen psychisch Kranker und Behinderter, insbesondere solche
mit schweren Krankheitsbildern, oftmals nur unzureichend oder gar nicht ambulant versorgt werden, weil die Bereitschaft zum
Aufsuchen eines niedergelassenen Nervenarztes fehlt (Köhler-Hohmann aaO, Rn 23).Nach §
118 Abs
2 S 1
SGB V sind Allgemeinkrankenhäuser mit selbstständigen, fachärztlich geleiteten psychiatrischen Abteilungen mit regionaler Versorgungsverpflichtung
zur psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung der im Vertrag nach S 2 vereinbarten Gruppe von Kranken von Gesetzes
wegen ermächtigt. Auch diese mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2626) in der heutigen Konzeption eingeführte Vorschrift dient dem Zweck, bestimmte Gruppen schwer und chronisch psychisch Kranker,
die aufgrund ihrer Krankheit nicht adäquat von den niedergelassenen Ärzten behandelt werden können, angemessen zu versorgen.
Dabei war die Erweiterung der bedarfsunabhängigen Ermächtigung auf diese Krankenhäuser Folge der nach der Psychiatriereform
zunehmenden Bettenreduzierung und Verkleinerung der psychiatrischen Krankenhäuser mit gleichzeitig zunehmendem Aufbau von
psychiatrischen Abteilungen an wohnortnahen Allgemeinkrankenhäusern (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu §
118 SGB V, BT-Drs 14/1977, S 167) .
Damit hat der Gesetzgeber mit §
118 Abs
1 und
2 SGB V sektorübergreifende Versorgungsmöglichkeiten für psychisch Kranke geschaffen, die sich wegen der Schwere ihrer Erkrankung
im Einzelfall entweder in stationärer bzw teilstationärer oder in ambulanter Behandlung befinden können. Auch für den Fall
der ambulanten Versorgung wird durch die Ermächtigung der Krankenhäuser eine Behandlung durch Krankenhausärzte abgesichert,
die über besondere Kenntnisse und Erfahrungen bei der Therapie dieser Patienten verfügen. Aus der Systematik des
SGB V folgt dabei, dass nach §
118 SGB V nur Krankenhäuser ermächtigt werden können, die gemäß §
108 SGB V zur Teilnahme an der stationären Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen sind, dh Hochschulkliniken,
Plankrankenhäuser oder Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen abgeschlossen haben (Senatsurteil vom 27. November 2013 - L 3 KA 85/10, juris, und hierzu BSG, Beschluss vom 14. Mai 2014 - B 6 KA 1/14 B, juris; Köhler-Hohmann aaO, Rn 27) .
Hieraus lässt sich für die Ermächtigung der Außenstelle einer PIA nach §
118 Abs
4 SGB V zunächst aber nur ableiten, dass das Krankenhaus, das die Außenstelle betreibt, nach §
108 SGB V zugelassen sein muss. Dies ist für das I. Klinikum J. zu bejahen, weil es im Niedersächsischen Krankenhausplan mit 78 Planbetten
bzw 23 teilstationären Plätzen in der Fachrichtung Psychiatrie und Psychotherapie aufgeführt ist. Eine eigenständige planungsrechtliche
Rechtsposition am Standort der Außenstelle ist dagegen nicht erforderlich, weil dem oa Versorgungszweck des §
118 Abs
1 bzw 2
SGB V im Falle einer Außenstelle nach §
118 Abs
4 SGB V schon dadurch Genüge getan ist, dass dort die Behandlung durch Ärzte wahrgenommen wird, die bei einem zugelassenen Krankenhaus
(hier: im I. Klinikum J.) beschäftigt sind.
Dass es nicht auf die Krankenhausplanung am Standort der Außenstelle, sondern nur am Standort des betreibenden Krankenhauses
ankommen kann, ergibt sich zudem schon daraus, dass eine Außenstelle iSv §
118 Abs
4 SGB V - wie bereits dargelegt - nicht notwendig in den Räumlichkeiten eines anderen Krankenhauses betrieben werden muss. Die Einrichtung
einer PIA-Außenstelle ist vielmehr auch in anderen geeigneten Örtlichkeiten möglich, für die eine Krankenhausplanung von vornherein
nicht besteht.
Auch die Befürchtung, ohne Anbindung an die Krankenhausplanung am Standort der Außenstelle bestünde die Möglichkeit, dass
Krankenhäuser in unbeschränktem Umfang PIA-Außenstellen einrichten könnten, uU in weiter entfernten Regionen, ist unbegründet.
Denn räumlich unbegrenzten Filialgründungen steht schon entgegen, dass §
118 Abs
2 S 1
SGB V - und damit auch der hierauf bezogene Abs 4 - ausdrücklich auf Allgemeinkrankenhäuser mit selbstständigen, fachärztlich geleiteten
psychiatrischen Abteilungen „mit regionaler Versorgungsverpflichtung“ abstellt. Dieser Regelung würde es widersprechen, wenn
sich ein Krankenhaus iSv §
118 Abs
2 S 1
SGB V mithilfe von Außenstellen seiner PIA nach §
118 Abs
4 SGB V ein überregionales Versorgungsgebiet erschließen könnte.
c) Auch wenn nach alledem die Entscheidung des Beklagten rechtswidrig ist, die Ermächtigung der vorgesehenen Außenstelle in
K. schon aus planungsrechtlichen Gründen abzulehnen, ergibt sich hieraus nicht der von der Klägerin mit dem Hauptantrag ihrer
Klage geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der Ermächtigung.
Nach §
118 Abs
4 SGB V ist die Ermächtigung einer PIA-Außenstelle zu erteilen, soweit und solange die Ermächtigung notwendig ist, um eine Versorgung
nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 sicherzustellen. Anders als bei der Ermächtigung nach §
118 Abs
1 und Abs
2 SGB V knüpft das Gesetz die Ermächtigung von Außenstellen damit an eine Bedarfsprüfung und trägt so dem Umstand Rechnung, dass
die Bindung der Außenstellen an die zwingend zu ermächtigenden bzw ermächtigten Krankenhäuser räumlich-organisatorisch gelockert
ist und sie deshalb nur zu ermächtigen sind, soweit und solange eine Ermächtigung notwendig ist, um eine ausreichende ambulante
psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung sicherzustellen (BT-Drs 18/5123, S 133).Wie in anderen gesetzlich vorgesehenen Fällen, in denen die Zulassungsgremien einen Versorgungsbedarf prüfen müssen (vgl zB BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 21/08 R, SozR 4-2500 § 101 Nr 6; Urteil vom 27. Februar 1992 - 6 RKa 15/91, SozR 3-2500 § 116 Nr 2), kommt ihnen dabei ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Der Senat hat die Notwendigkeit
der geltend gemachten Ermächtigung deshalb nicht selbst zu untersuchen, sondern nur zu prüfen, ob der vom Beklagten getroffenen
Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Zulassungsinstanzen die
durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten haben und ob sie ihre Subsumtionserwägungen
so verdeutlicht und begründet haben, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar
und nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 6. Juni 1984 - 6 RKa 7/83, SozR 5520 § 29 Nr 5).Dies ist im vorliegenden Fall jedoch zu verneinen.
Der Beklagte hat - von seiner Interpretation des §
118 Abs
4 SGB V ausgehend konsequent - eine Bedarfsprüfung nicht durchgeführt. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann bei dieser Lage
auch nicht auf die Bedarfsprüfung des Zulassungsausschusses zurückgegriffen werden, weil dieser die nach §
118 Abs
4 SGB V maßgeblichen Beurteilungskriterien verkannt hat.
Wie sich aus der Verwaltungsakte ergibt, hat der Zulassungsausschuss fünf im Planungsbereich Landkreis J. zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassene Ärzte für Psychiatrie/Psychotherapie bzw für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie befragt,
ob sie die von der Klägerin für die Außenstelle in K. angebotenen Leistungen erbringen, ob sie diese ggf künftig erbringen
würden, wie lang insoweit die Wartezeiten sind und ob sie hierfür noch über freie Kapazitäten verfügen. Damit hat es der Zulassungsausschuss
aber unterlassen, gezielt den Versorgungsbedarf „nach Maßgabe der Absätze 1 und 2“ zu ermitteln, der durch eine Ermächtigung
nach §
118 Abs
4 SGB V sichergestellt werden soll. Eine solche Ermächtigung kann nach dem genannten Wortlaut und dem Zweck der Vorschrift nur erteilt
werden, wenn - unabhängig vom Behandlungsangebot der niedergelassenen Psychiater - die im jeweiligen Gebiet vorhandenen psychiatrischen
Krankenhäuser nach §
118 Abs
1 SGB V bzw die Allgemeinkrankenhäuser nach §
118 Abs
2 nicht in der Lage sind, die in §
118 Abs
1 S 2 und Abs
2 S 2
SGB V umschriebenen Behandlungen in ausreichendem Umfang zu erbringen (Sonnhoff in: Hauck/Noftz,
SGB V, Stand: Oktober 2020, §
118 Rn 22; Böhnke in: Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Aufl 2018, §
118 SGB V Rn 14d) .
Prüfungsgegenstand sind im vorliegenden Fall demnach die Erkrankungen, deren Behandlung Gegenstand der Ermächtigung nach
§
118 Abs
2 SGB V ist und die der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung
auf der Grundlage des §
118 Abs
2 S 2
SGB V (in ihrer zum 1. Juli 2010 in Kraft getretenen Vereinbarung zu psychiatrischen Institutionsambulanzen gemäß §
118 Abs
2 SGB V <DÄ 2010, 329 ff>) vereinbart haben. Die Klägerin hat die entsprechende schwer erkrankte Patientenklientel in ihrem Ermächtigungsantrag vom
24. Juni 2016 als „nicht wartezimmerfähig“ umschrieben; bereits hieraus ergibt sich, dass die Befragung niedergelassener Psychiater
etc danach, ob sie Leistungen für solche Patienten erbringen, wenig sachgerecht ist. Zu untersuchen ist sodann, ob die Behandlung
entsprechender Patienten bereits in ausreichender Weise durch die PIA des I. Klinikums J. - bzw uU durch andere bereits ermächtigte
psychiatrische Klinikambulanzen in der Region - sichergestellt ist oder ob die besondere räumliche Situation im Umfeld von
K. bzw die Auslastung der bereits ermächtigten Einrichtungen die geplante Außenstelle erforderlich machen (in diesem Sinne LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. November 2020 - L 5 KA 17/19) .
Im Einzelnen stellt sich dabei zunächst die Frage, ob die Angaben der Klägerin zur Zahl der behandlungsbedürftigen Patienten
im Raum K. objektivierbar oder zumindest nachvollziehbar sind. Weiterhin ist zu prüfen, ob die Anreise dieser Patienten nach
J. (oder ggf zu anderen im Nahbereich bestehenden PIAen) noch zumutbar oder unzumutbar ist, insbesondere unter Berücksichtigung
der Verkehrsstruktur und der Besonderheiten der zu behandelnden Erkrankungen. Hierzu hat der Beklagte eigene Prüfungen anzustellen,
ohne sich ausschließlich auf bloße Meinungsäußerungen der niedergelassenen Psychiater/Psychotherapeuten stützen zu können.
Diese können in diesem Zusammenhang allerdings begleitende Auskünfte darüber erteilen, wie sie die Versorgung der psychisch
schwer Erkrankten mit PIA-Behandlungen im Landkreis J. beurteilen, insbesondere ob ihnen lange Wartezeiten bei den PIAen oder
sonstige Fälle insuffizienter Behandlungen bekannt sind.
Nach alledem hat der Beklagte eine erneute Entscheidung über den Ermächtigungsantrag der Klägerin zu treffen und dabei eine
Bedarfsprüfung nach Maßgabe der unter c) angeführten Gesichtspunkte durchzuführen.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), nicht zuletzt wegen des beim BSG bereits anhängigen Revisionsverfahrens B 6 KA 3/21 R.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus der Anwendung von §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm §§ 47 Abs 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Da die im Fall einer Ermächtigung zu erwartenden Einnahmen im vorliegenden Fall nicht bestimmbar sind, nimmt der Senat
dabei nach stRspr (Urteil vom 27. November 2013 - L 3 KA 85/10; Urteil vom 4. November 2015 - L 3 KA 88/11) im Wege der Schätzung pro voraussichtlichem Ermächtigungsjahr einen Betrag von 20.000 Euro an. Wie in anderen bedarfsabhängigen
Ermächtigungen geht er dabei von einem Zeitraum von zwei Jahren aus (Beschluss vom 22. Januar 2008 - L 3 KA 47/07 ER ).