Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit einer durch Verwaltungsakt erlassenen Eingliederungsvereinbarung streitig.
Der am 00.00.1961 geborene Kläger sowie seine Ehefrau beziehen seit 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vom Rechtsvorgänger des Beklagten
(im Folgende einheitlich: Beklagter).
Bei einem Gesprächstermin am 05.01.2011 beabsichtigte der Beklagte, mit dem Kläger eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen.
Die zuständige Sachbearbeiterin hielt in einem Vermerk vom selben Tag fest, der Kläger habe sich geweigert, die ihm vorgeschlagene
Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben.
Der Beklagte setzte am 07.02.2011 eine Eingliederungsvereinbarung durch Bescheid fest. Als Ziele sah der Bescheid die Unterstützung
bei der Integration in Arbeit vor. Unterstützungsleistungen des Beklagten waren in Form der Einschaltung der Fallmanagerin
und der Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen und geeigneten Stellenangeboten vorgesehen. Die Eigenbemühungen des Klägers
wurden im Bescheid u.a. wie folgt beschrieben:
"Jede Tätigkeit, zu der der Kläger körperlich, geistig und seelisch in der Lage ist, ist zumutbar. Dabei sind Eigenbemühungen
ein wesentlicher Bestandteil. Festlegung der Eigenbemühungen wie folgt: Anzahl der monatlich zu unternehmenden Eigenbemühungen:
3 Die Bewerbungsaktivitäten können schriftlich, telefonisch oder persönlich erfolgen sowohl für geringfügige Beschäftigungen
als auch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen in Voll- und/oder Teilzeit. Stellenakquise ist möglich über das Internet
(www.arbeitsagentur.de), über Stelleninserate in der Tagespresse und Initiativbewerbungen. Berufsfelder: Gartenbau, Verpacker,
Helfer Straßenbau. ( ) Die Eigenbemühungen haben regelmäßig/kontinuierlich zu erfolgen, d.h. ein Abarbeiten der Anzahl der
EB an einem Tag (sog. punktuelle Aktivitäten) sind keine ernsthaften Bemühungen und werden somit nicht anerkannt. Der Nachweis
der Eigenbemühungen erfolgt persönlich beim nächsten Termin bei der Fallmanagerin."
Die Regelungen sollten ausweislich des Bescheides für die Zeit vom 07.02.2011 bis 04.07.2011 gelten. Für den Fall des Ausscheidens
aus der Hilfebedürftigkeit sollte die Eingliederungsvereinbarung ihre Wirksamkeit verlieren.
Am 11.02.2011 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 07.02.2011 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2011
zurückgewiesen wurde.
Am 31.03.2011 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Klage erhoben.
Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, das SGB II sei in großen Teilen, wenn nicht sogar insgesamt, verfassungswidrig und
dürfe in seiner jetzigen Form nicht angewendet werden. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass das SGB II eindeutig
gegen Grundrechte verstoße und zu überarbeiten sei. Das SGB II sei eindeutig ungültig und könne nicht weiter angewendet werden.
Der Zwang zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung verstoße gegen die durch Art.
2 des Grundgesetzes (
GG) geschützte Vertragsfreiheit. Weiterhin ergäben sich daraus erhebliche Nachteile hinsichtlich der Verwendung der Regelleistungen,
die dem Eigentumsschutz nach Art.
14 GG unterfielen, seiner Freizügigkeit nach Art.
11 GG und der freien Berufswahl nach Art.
12 GG. Ferner verstoße der Bescheid vom 07.02.2011 gegen Art.
1 GG, da mit Sanktionen gedroht werde und gegen Art.
19 GG. Zudem erfülle das Verhalten des Beklagten den Tatbestand der Nötigung.
Am 15.04.2011 hat der Kläger einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, den das Sozialgericht mit Beschluss vom
19.05.2011 abgelehnt hat (S 10 AS 312/11 ER). Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landessozialgericht mit Beschluss vom 11.07.2011 zurückgewiesen (L 6 AS 991/11 B ER). Die vom Kläger daraufhin beim Bundessozialgericht eingelegte Beschwerde hat dieses mit Beschluss vom 01.08.2011 als
unzulässig verworfen (B 14 AS 70/11 S).
Am 07.07.2011 hat der Beklagte für die Zeit vom 07.07.2011 bis 06.01.2012 eine weitere Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt
erlassen und den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2011 zurückgewiesen. Die Rechtmäßigkeit
dieses Verwaltungsaktes ist Gegenstand des Verfahrens S 5 AS 875/11 vor dem Sozialgericht Münster.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 07.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2011 aufzuheben sowie in Zukunft nicht mehr
mit Eingliederungsvereinbarungen konfrontiert zu werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er seine im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren geäußerte Rechtsansichten wiederholt und vertieft.
Mit Urteil vom 24.10.2011, dem Kläger ausweislich Postzustellungsurkunde zugestellt am 29.10.2011, hat das Sozialgericht die
Klage abgewiesen. Es hat dabei im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte sei gemäß § 15 SGB II zum Erlass der Eingliederungsvereinbarung
befugt gewesen. Die vom Kläger gerügten Grundrechtsverletzungen lägen nicht vor. Es sei schon der Schutzbereich der Grundrechte
des Klägers nicht tangiert. Selbst wenn man einen Eingriff annehmen wolle, so wäre dieser gerechtfertigt. Für das Begehren
in Zukunft nicht weiter mit Eingliederungsvereinbarungen behelligt zu werden, sei ein Feststellungsinteresse nicht gegeben.
Am 04.11.2011 hat der Kläger beim Sozialgericht Berufung eingelegt. Er sieht sich durch das Urteil in seinen Rechten verletzt
und beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 24.10.2011 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 07.02.2011 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2011 aufzuheben sowie festzustellen, dass der Zwang zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung
gegen das
Grundgesetz verstößt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Feststellungsklage abzuweisen.
Er verweist darauf, dass die nunmehr mit der Berufung vorgebrachten Einwendungen des Klägers allesamt bereits Gegenstand des
Verfahrens S 10 AS 312/11 ER und L 6 AS 991/11 B ER gewesen seien. Die Rechtauffassung des Klägers sei unzutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, die Verfahrensakte
S 10 AS 312/11 ER sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist zum einen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 07.02.2011 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 24.03.2011, in dem der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Kläger durch Verwaltungsakt
nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ersetzt hat (A). Zum anderen begehrt der Kläger die Feststellung, dass der Zwang zum Abschluss
einer Eingliederungsvereinbarung gegen das
Grundgesetz verstößt (B).
A.
Die Berufung ist zulässig.
Das beklagte Jobcenter ist insbesondere gemäß §
70 Nr. 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beteiligtenfähig (vgl. BSG Urteil v. 18.01.2011 - B 4 AS 99/10 R = NJW 2011, 2538 = juris Rn. 11).
Die Berufung ist aber unbegründet.
Die vom Kläger vor dem Sozialgericht erhobene Klage war zunächst als Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Allerdings sollten die im Verwaltungsakt getroffenen Regelungen lediglich für die Zeit vom 07.02.2011 bis zum 04.07.2011 gelten.
Es handelte sich somit um einen zeitlich befristeten Verwaltungsakt im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Mit Eintritt des im Bescheid genannten Endzeitpunktes - mithin mit Ablauf des 04.07.2011 - verlor der Bescheid seine unmittelbaren
Rechtswirkungen (vgl. dazu Engelmann, in: von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 7. Aufl. 2010, § 32 Rn. 13). Da mit der Eingliederungsvereinbarung keine Sanktionsfolgen verbunden oder für die Zukunft erkennbar waren und nunmehr
auch nicht mehr in Betracht kommen, ist das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage ab diesem Zeitpunkt entfallen.
Der verfolgte prozessuale Anspruch des Klägers hat sich - nach Klageerhebung und vor Erlass des Urteils - "anders erledigt"
im Sinne des §
131 Abs.
1 Satz 3
SGG (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 12.09.2011 - L 19 AS 38/10 = juris Rn. 25).
Die Umstellung der Anfechtungsklage auf eine sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage kommt nicht in Betracht, da diese mangels
hierfür erforderlichen besonderen Feststellungsinteresses unzulässig ist.
Nach §
131 Abs.
1 Satz 3
SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes
Interesse an dieser Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse, das erledigte ursprüngliche Verfahren mit dem veränderten
Ziel einer Feststellung der Rechtswidrigkeit fortzusetzen, kann nach der Rechtsprechung (Urteil des Senats vom 12.09.2011
- L 19 AS 38/10 = juris Rn. 25; vgl. auch Urteil des Senats vom 06.07.2009 - L 19 AS 11/09 = juris -; Keller in Meyer-Ladewig Keller Leitherer, a.a.O., § 131 Rn 7 c ff. m.w.N.) in Betracht kommen bei Wiederholungsgefahr,
Rehabilitationsinteresse und Präjudiziabilität des Verfahrens für einen anderen Rechtsstreit.
Ein Rehabilitationsinteresse des Klägers ist weder ersichtlich noch wird ein solches von ihm substantiiert vorgetragen (siehe
zur Substantiierungspflicht: BSG Urteil vom 28.08.2007 - B 7/7a AL 16/06 R = juris Rn. 12 m.w.N.). Insbesondere wird es nicht
durch die Behauptung des Klägers, das SGB II allgemein und die Regelungen über den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung
durch Verwaltungsakt im Besonderen seien verfassungswidrig, begründet. Das Bundesverfassungsgericht ist in zahlreichen Nichtannahmebeschlüssen
von der grundsätzlichen Vereinbarkeit der Normen des SGB II mit dem
Grundgesetz ausgegangen. Insoweit bestehen weder allgemein (vgl. bspw. BVerfG Nichtannahmebeschluss v. 07.11.2007 - 1 BvR 1840/07 = SGb 2008, 409 = juris; Nichtannahmebeschluss v. 07.07.2010 - 1 BvR 2556/09 = NJW 2010, 2866 = juris; Nichtannahmebeschluss v. 16.03.2011 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 = SGb 2011, 702 = juris) noch im Hinblick auf die konkrete Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit
(vgl. BVerfG Nichtannahmebeschluss v. 30.10.2009 - 1 BvR 2395/09 = NJW 2010, 1871 = juris).
Auch eine Präjudiziabilität der Feststellung einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist nicht gegeben. Verfahren,
in deren Rahmen Präjudiziabilität bestehen könnte (vgl. dazu bspw. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131
Rn. 10 a), werden vom Kläger nicht angegeben und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.
Schließlich liegt auch keine Wiederholungsgefahr vor. Die Annahme einer solchen Gefahr setzt die konkret absehbare Möglichkeit
voraus, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung oder Maßnahme zu Lasten des Klägers zu erwarten
ist. Es muss die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr bestehen, dass sich unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen
und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Sachverhalt wiederholt oder dass trotz veränderter Verhältnisse zumindest eine
auf gleichartigen Erwägungen beruhende Entscheidung zu erwarten ist, weil die Behörde eine entsprechende Absicht zu erkennen
gegeben hat (vgl. Urteil des Senats vom 06.07.2009 m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig Keller Leitherer, a.a.O., Rn 10 b, 10c).
Zwar hat der Beklagte im Anschluss an den hier streitgegenständlichen Bescheid am 07.07.2011 eine weitere Eingliederungsvereinbarung
durch Verwaltungsakt erlassen. Diese ist aber vom Kläger bereits mit Widerspruch vom 09.07.2011 angefochten worden. Im Hinblick
hierauf ist ein besonderes Feststellungsinteresse betreffend den hier streitgegenständlichen Bescheid nicht gegeben.
Die Umstellung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage kam daher nicht in Betracht. Die Klage ist unzulässig geworden, weswegen
die Berufung keinen Erfolg haben konnte.
B.
Soweit der Kläger beantragt hat festzustellen, dass der Zwang zur Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung gegen das Grundgesetzt
verstößt, ist diese Klage ebenfalls abzuweisen. Sie ist unzulässig.
Prozessual handelt es sich bei dieser Klage um eine Feststellungsklage im Sinne des §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG. Zulässigkeitsvoraussetzung für eine solche Klage ist, dass der Kläger seine Rechte nicht mit der Gestaltungs- oder Leistungsklage
verfolgen kann (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rn. 3). Soweit der Kläger die Auffassung vertritt,
der Zwang zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung verstoße gegen das
Grundgesetz, so kann er dies im konkreten Fall jeweils durch Anfechtungsklage geltend machen, wie dies hinsichtlich der Eingliederungsvereinbarung
durch Verwaltungsakt für den Zeitraum vom 07.07.20011 bis zum 06.01.2012 (Bescheid vom 07.07.2011, Widerspruchsbescheid vom
09.08.2011) geschehen ist. Ein darüber hinausgehendes Rechtsschutzinteresse an der abstrakten Feststellung der Verfassungswidrigkeit
der Normen des SGB II im Allgemeinen und der Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II im Besonderen, besteht nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Anlass, die Revision nach §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen, besteht nicht.