Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zur Frage der Bestimmung des Begriffs der Erstausstattung
nach dem SGB II
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in einem Klageverfahren, das auf die Gewährung
einer Beihilfe für einen Schülerschreibtisch, Schreibtischstuhl und Regal gerichtet ist.
Die am 00.00.2014 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihren Eltern und ihrem am 00.00.2018 geborenen Bruder in einer 3,5-Zimmer-Mietwohnung
in H. Die Bedarfsgemeinschaft bezieht - aufstockend zum Erwerbseinkommen der Eltern und Kindergeld - Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Den für die Klägerin, die derzeit die 1. Schulklasse besucht, gesondert gestellten Antrag auf Gewährung einer Beihilfe für
einen Schülerschreibtisch, Schülerschreibtischstuhl und ein Regal vom 25.08.2020 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 25.08.2020
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2020 ab.
Hiergegen hat die Klägerin am 02.11.2020 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. In einem Erörterungstermin vom
23.02.2021 hat die Mutter der Klägerin das Klagebegehren mit rund 200 € beziffert und Lichtbilder sowie einen handschriftlich
gefertigten Grundriss der Wohnung vorgelegt, auf die verwiesen wird. Die Mutter der Klägerin hat eine darlehensweise Übernahme
der Kosten abgelehnt. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 09.03.2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es sei zumutbar und sozialadäquat,
dass die Klägerin ihre Schularbeiten am Wohnzimmer- oder Esstisch erledigt. Dies sei angesichts des Grundrisses der Wohnung
und der vorgelegten Lichtbilder auch möglich. Ein Regal sei bereits vorhanden. Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen.
Gegen das ihr am 15.03.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.04.2021 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung
eingelegt. Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Insbesondere sei die Frage, ob mit Schuleintritt ein eigener Arbeitsbereich
in Gestalt eines Schreibtisches, Schreibtischstuhles und Regals zur Aufbewahrung von Schulmaterialen erforderlich ist, angesichts
divergierender instanzgerichtlicher Urteile klärungsbedürftig.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde (§
145 SGG) ist statthaft und zulässig. Die Berufung ist zulassungsbedürftig. Gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG bedarf die Berufung der ausdrücklichen Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-
oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt und keine wiederkehrenden
oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG). Dies ist vorliegend der Fall, da die Klägerin das Begehren mit 200 € beziffert hat und im Beschwerdeverfahren Leistungen
unter 300 € begehrt werden.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach §
144 Abs.
2 SGG ist eine Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung
des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung iSd §
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG hat eine Rechtssache, wenn sie eine bisher ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt,
um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Klärungsbedürftigkeit). Ein Individualinteresse
genügt nicht. Die Rechtsfrage darf sich nicht unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lassen oder bereits
von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden sein. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Frage,
unter welchen Voraussetzungen eine Erstausstattung für Wohnung im Sinne von § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II in Betracht kommt, ist höchstrichterlich geklärt. Um eine Erstausstattung für Wohnung handelt es sich, wenn ein Bedarf für
die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt
ist. Der Anspruch ist insoweit bedarfsbezogen zu verstehen (BSG Urteil vom 23.05.2013 - B 4 AS 79/12 R = SozR 4-4200 § 24 Nr. 5, Rn. 14 zur Vorgängervorschrift des § 23 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung). Wird ein Gegenstand begehrt, bei dem es um eine Erstausstattung geht, so ist
er vom Grundsicherungsträger nur dann zu finanzieren, wenn es sich um einen dem Grunde nach zum Wohnen und zur Haushaltsführung
angemessenen Gegenstand iSd Grundsicherungsrechts handelt. Leistungen nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II sind für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an
den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen. Nicht nur die Unterkunft muss nach Lage, Ausstattung
und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen und keinen gehobenen Standard aufweisen. Dies gilt vielmehr
auch für die Ausstattung der Wohnung mit Einrichtungsgegenständen und Haushaltsgeräten. Von daher wird von dem Begriff "Wohnen"
iSd § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II nur die Befriedigung von grundlegenden Bedürfnissen umfasst (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 23 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung BSG Urteil vom 23.05.2013 a.a.O. Rn. 16 - 17). Die höchstrichterliche Bestimmung des Begriffs der Erstausstattung einerseits
sowie die Ausführungen zur Beschränkung des Anspruchs auf solche Gegenstände zur Befriedigung grundlegender Bedürfnisse andererseits
kann ohne weiteres auch der Prüfung von im Zusammenhang mit dem Schulbesuch denkbaren Erstausstattungsbedarfe zugrundegelegt
werden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin stellen sich hinsichtlich des von ihr geltend gemachten Erstausstattungsbedarfs mithin
keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Streitentscheidend sind vielmehr die vom Sozialgericht ermittelten
und eingehend gewürdigten Umstände des konkreten Einzelfalles. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die von der Klägerin
zitierte Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 15.02.2012 (S 174 AS 28285/11) einen Anspruch auf einen eigenen Schülerschreibtisch lediglich für den Fall bejaht hat, dass "in der Wohnung kein anderer
Platz zur Verfügung steht" (vgl. in diesem Zusammenhang auch (SG Aachen Urteil vom 09.01.2007 - S 11 AS 96/06). Dass im Einzelfall (seltene) Konstellationen denkbar sind, in denen ausnahmsweise ein eigener Schreibtisch/Schreibtischstuhl
für (Grund-) Schüler benötigt wird, begründet keine grundsätzliche Bedeutung der vorliegenden Rechtssache.
Auch der Berufungszulassungsgrund des §
144 Abs.
2 Nr.
2 SGG (Divergenz) liegt nicht vor. Eine Divergenz liegt nur vor, wenn ein Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung einen
tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts,
des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat. Eine Abweichung
ist nicht schon dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts nicht den Kriterien entspricht, die diese Gerichte
aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn es diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
Eine evtl. Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall begründet keine Divergenz (vgl. BSG Beschluss vom 05.10.2010 - B 8 SO 61/10 B mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen zum insoweit gleichlautenden §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 11.07.2019 - L 7 AS 689/19 NZB). Bei der Frage, ob eine Abweichung von einer Entscheidung des Landessozialgerichts zu bejahen ist, beschränkt sich die
Prüfung auf das zuständige Berufungsgericht (Breitkreuz/Schreiber, in: Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl., §
144 Rn. 35). Das Sozialgericht hat keinen abweichenden Rechtssatz in diesem Sinne aufgestellt.
Ebenso wenig liegt der Zulassungsgrund des §
144 Abs.
2 Nr.
3 SGG vor. Es liegt kein Verfahrensmangel vor, auf dem das Urteil beruhen könnte. Dies macht die Klägerin im Übrigen nicht geltend.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Mangels Erfolgsaussicht war auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen (§
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
114 Abs.
1 Satz 1
ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).