Tatbestand
Die Beteiligten streiten in einem Überprüfungsverfahren darüber, ob der Kläger während einer medizinischen Rehabilitation
vom 14.3. bis 11.4.2019 Anspruch auf Übergangsgeld hat.
Der 1975 geborene Kläger ist Krankenpfleger und bei der Beklagten rentenversichert. Im Anschluss an eine Erwerbstätigkeit
bis zum 13.12.2018 befand er sich nach der Geburt einer Tochter vom 14.12.2018 bis 13.3.2019 in Elternzeit. In diesem Zeitraum
und wieder vom 14.5. bis 13.12.2019 bezog er Elterngeld (Bescheid des Kreises Herford vom 12.2.2019). In der Zeit vom 14.3.
bis 11.4.2019 absolvierte er zulasten der Beklagten eine ihm auf seinen Antrag (bereits vom 4.10.2018) bewilligte stationäre
medizinische Rehabilitation.
Mit Bescheid vom 25.4.2019 und Widerspruchsbescheid vom 24.7.2019 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Übergangsgeld ab.
Ein Anspruch auf diese Leistung setze gem. §
65 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) in Verbindung mit §
20 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) u.a. voraus, dass der Versicherte unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn er nicht arbeitsunfähig sei,
unmittelbar vor Beginn der Leistung Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld,
Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Mutterschaftsgeld bezogen habe. Elterngeld, wie dem Kläger bewilligt, falle nicht
unter die genannten Entgeltersatzleistungen. Die Aufzählung in §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI sei abschließend.
Der Kläger stellte am 31.8.2019 einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides. Die Beklagte habe die Rehabilitationsleistung
bewilligt und dementsprechend auch Übergangsgeld zu zahlen. Weder habe er während dieser Zeit Entgelt vom Arbeitgeber noch
Leistungen von der Krankenkasse bekommen. Vor Beginn der Rehabilitation sei er in Elternzeit und zuvor lange arbeitsunfähig
gewesen.
Mit Bescheid vom 17.9.2019 lehnte die Beklagte die Rücknahme ihres Bescheides vom 25.4.2019 ab. Die Überprüfung gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Ein
Anspruch auf Übergangsgeld während der bewilligten Leistung zur medizinischen Rehabilitation bestehe aus den bereits genannten
Gründen nicht.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 15.10.2019 Widerspruch. Beim Elterngeld handele es sich um eine Entgeltersatzleistung
i.S.v. §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI. Sollte die Aufzählung abschließend sein, bestehe in der Vorschrift eine Regelungslücke. Anderenfalls müssten die Bezieher
von Elterngeld für eine juristische Sekunde Arbeitslosengeld II beantragen, bevor sie sich in die Rehabilitation begeben könnten.
Dies sei weder praktikabel noch vom Gesetzgeber gewünscht. Er, der Kläger, habe alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten
ausgeschöpft, um eine nahtlose finanzielle Versorgung zu erhalten. Selbst wenn er Arbeitslosengeld II zur Wahrung der Form
beantragt hätte, was praktisch nicht möglich gewesen sei, so wäre das von der zuständigen Stelle gezahlte Arbeitslosengeld
II von dem Rentenversicherungsträger zu erstatten. Entsprechend müsse letzterer als richtiger Kostenschuldner angesehen werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2.7.2020, versandt am 30.7.2020, zurück.
Am 26.8.2020 hat der Kläger gegen den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids Klage beim Sozialgericht (SG) Detmold erhoben und sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Auch der Bezug von Elterngeld unmittelbar vor Antritt
der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme begründe - wie dies auch in der Kommentarliteratur bei Hauck/Noftz vertreten werde
- einen Anspruch auf Übergangsgeld. Da das Elterngeld dazu diene, den Einkommensverlust bei einer Betreuung der Kinder auszugleichen,
handele es sich um eine Entgeltersatzleistung, die wie die in §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI genannten Leistungen beurteilt werden müsse. Dafür spreche auch, dass andere Einkommensersatzleistungen auf das Elterngeld
angerechnet würden und hiermit eine Gleichschaltung erfolge. Es liege somit eine planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer
Interessenlage vor. Eine rechtliche Erklärung für die unterschiedliche Behandlung von Personen, die zuvor Mutterschaftsgeld
bezogen hätten gegenüber denjenigen mit Elterngeldbezug gebe es nicht. Würde man sich der Auffassung der Beklagten anschließen,
hätte er, der Kläger, das Elterngeld bis zum 12.3.2019 beantragen, am 13.3.2019 einen Tag arbeiten können und sodann einen
Anspruch auf Zahlung des Übergangsgeldes erworben. Der Verweis auf eine derartige Vorgehensweise erscheine weder zweckmäßig
noch werde er dem Sinn der entsprechenden Vorschriften gerecht.
Der Kläger hat beantragt,
1.
den Bescheid der Beklagten vom 17.9.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.7.2020 aufzuheben,
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihm einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihre Bescheide seien zutreffend und würden durch einen Beschluss der Arbeitsgruppe "Durchführung der Rehabilitation" beim
Verband der Rentenversicherungsträger (VDR) aus Januar 2004 sowie einen Vermerk des eigenen Grundsatzreferates vom 19.4.2016
bestätigt.
Das SG Detmold hat die Klage im Einverständnis der Beteiligten mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 26.3.2021 abgewiesen.
Ein Anspruch auf Übergangsgeld setze gemäß §
20 Abs.
1 SGB VI voraus, dass unmittelbar vor Beginn von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen
oder eine der im Gesetz genannten Sozialleistungen gezahlt worden sei. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger mit dem Bezug
von Elterngeld nicht. Zwar sei nicht unumstritten, wann der geforderte Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen dem Beginn der
nach krankenversicherungsrechtlichen Grundsätzen zu bestimmenden Arbeitsunfähigkeit oder - wenn keine Arbeitsunfähigkeit vorliege
- der Hauptleistung angenommen werden könne. Teilweise werde Nahtlosigkeit gefordert, wobei zur Vermeidung ungerechtfertigter
Härten nur Wochentage oder Feiertage bzw. pauschale Lücken von drei Tagen als unschädlich angesehen würden. Nach überwiegender
Auffassung genüge noch ein Abstand von einem Monat bzw. vier Wochen. Selbst wenn man dem weitesten Verständnis folge, liege
beim Kläger keine Nahtlosigkeit vor, weil zwischen der letzten Arbeitsunfähigkeit bzw. dem letztmaligen Bezug von Arbeitsentgelt
und dem Beginn der Reha-Maßnahme ein Abstand von mehreren Monaten gelegen habe. Soweit in der Literatur bei Hauck/Noftz vertreten
werde, dass der Bezug bestimmter, nicht in §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI genannter Sozialleistungen, wie etwa von Elterngeld, einen Überbrückungstatbestand zwischen dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld/Arbeitseinkommen
und dem Beginn der Maßnahme darstellen könne, folge die Kammer dem nicht. Der Gesetzgeber habe die zeitliche Unterbrechung
zwischen dem Ende der Erzielung von Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen und dem Beginn der Maßnahme durch den Bezug von Sozialleistungen
ausdrücklich in §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI geregelt. Für die vom Kläger befürwortete Analogie sei eine (offenkundige) Regelungslücke nicht erkennbar. Jeden, der an
einer Maßnahme zur Rehabilitation teilnehme, durch Übergangsgeld zu versorgen, entspreche offensichtlich nicht dem Konzept
des Gesetzgebers, denn sonst hätte dieser den Anspruch eben nicht an den Bezug der in §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI aufgezählten Leistungen geknüpft. Die Aufzählung beweise auch, dass nicht jedwede Sozialleistung zum Anspruch führe. Jedenfalls
könne das Elterngeld mit den ausdrücklich aufgezählten Sozialleistungen insoweit nicht verglichen werden, als bei diesen jeweils
die Erzielung von Erwerbseinkommen wegen der Lage des Arbeitsmarktes bzw. aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich bzw.
im Falle des Mutterschaftsgeldes untersagt sei. Demgegenüber stelle der Bezug von Elterngeld eine durch den Gesetzgeber eröffnete
Gestaltungsmöglichkeit dar, welche die Anspruchsberechtigten nutzen könnten oder nicht. Eine vergleichbare Interessenlage
als Voraussetzung einer Analogie sei daher nicht gegeben.
Gegen das ihm am 14.4.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.5.2021 Berufung eingelegt und sein bisheriges Vorbringen
unter Festhalten an einer analogen Gesetzesanwendung im Wesentlichen wiederholt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.3.2021 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 17.9.2019
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.7.2020 zu verurteilen, den Bescheid vom 25.4.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 24.7.2019 zurückzunehmen und ihm für den Zeitraum vom 14.3.2019 bis zum 11.4.2019 Übergangsgeld nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte, die sich durch das erstinstanzliche Urteil in ihrer Rechtsauffassung bestätigt sieht, beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte der
Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Detmold vom 26.3.2021 ist zulässig. Insbesondere überschreitet das von ihm
geltend gemachte Übergangsgeld, das die Beklagte mit 1.513,31 Euro berechnet hat, die gem. §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) erforderliche Berufungssumme von 750 Euro.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 17.9.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.7.2020 beschwert
den Kläger nicht im Sinne des §
54 Abs.
2 S. 1
SGG, da er nicht rechtswidrig ist. Die Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, ihren Bescheid vom 25.4.2019 zurückzunehmen und
dem Kläger während der stationären medizinischen Rehabilitation vom 14.3. bis 11.4.2019 Übergangsgeld zu zahlen.
Gem. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden
ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht
erhoben worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Bescheid vom 25.4.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.7.2019 ist
nicht unrichtig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Bewilligung von Übergangsgeld für den Zeitraum seiner medizinischen
Rehabilitation. Ein entsprechender Anspruch ergibt sich weder unmittelbar aus §
65 SGB IX i.V.m. §
20 Abs.
1 SGB VI (hierzu unter 1.) noch in analoger Anwendung dieser Vorschrift (hierzu unter 2.).
1. Anspruch auf Übergangsgeld haben gemäß §
65 Abs.
1 Nr.
3 SGB IX i.V.m. §
20 Abs.
1 SGB VI in der hier anwendbaren, vom 30.12.2016 bis 17.2.2021 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung
von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) Versicherte, die von einem Träger der Rentenversicherung u.a. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten (§
20 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI) und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistungen
a) Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt und im Bemessungszeitraum Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben
oder
b) Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld
II oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen
oder im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld II zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung
gezahlt worden sind (§
20 Abs.
1 Nr.
3 SGB VI).
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er gehört zwar zum Kreis der Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung
und hat von der Beklagten eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation i.S.v. §
20 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI erhalten. Jedoch fehlt es am Bezug einer der in §
20 Abs.
1 Nr.
3 SGB VI genannten Leistungen. Da der Kläger im Zeitraum vor der Rehabilitation nicht arbeitsunfähig war, sondern ausweislich der
Angaben seiner Arbeitgeberin sowie des Versicherungsverlaufs seiner Erwerbstätigkeit bis zum 13.12.2018 nachgegangen ist bzw.
sich anschließend in Elternzeit befunden hat, müsste er unmittelbar vor dem Antritt der Rehabilitationsmaßnahme entweder Arbeitsentgelt
oder Arbeitseinkommen erzielt (§
20 Abs.
1 Nr.
3a SGB VI) oder eine der in §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI aufgeführten Sozialleistungen bezogen haben. Dies war jedoch nicht der Fall.
Das ihm unstreitig vom 14.12.2018 bis 13.3.2019, also vor Beginn der Rehabilitation nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) gezahlte Elterngeld ist weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen i.S.v. §
20 Abs.
1 Nr.
3a SGB VI i.V.m. §§
14,
15 SGB VI. Auch fällt es nicht unter die in §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI aufgezählten anspruchsbegründenden Entgeltersatzleistungen. Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass der
Katalog der in §
20 Abs.
1 Nr.
3 SGB VI aufgeführten Leistungen abschließend ist (vgl. Jabben in: BeckOK-SozR §
20 SGB VI Rn. 8; Jüttner in: Hauck/Noftz,
SGB VI, §
20 Rn. 9 m.w.N.). Während der Gesetzgeber in anderen gesetzlichen Bestimmungen des Rehabilitationsrechts zur Klarstellung nicht
abschließender Aufzählungen das Wort "insbesondere" verwendet (vgl. z.B. §
42 Abs.
2, Abs.
3 SGB IX), fehlt eine solche Formulierung bei §
20 Abs.
1 Nr.
3 SGB VI. Auch in den Gesetzesmaterialien zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992) finden sich keine
Anhaltspunkte für eine lediglich beispielhafte Darstellung (vgl. BT-Drs. 11/4124 S. 157). Schließlich wäre - wie schon das
SG zu Recht hervorgehoben hat - die Niederlegung eines Katalogs vorausgehender Sozialleistungen in Gänze entbehrlich, wenn jedem
Versicherten bei Bewilligung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation zugleich auch ein Anspruch auf Übergangsgeld
hätte zustehen sollen.
Handelt es sich - wie dargelegt - bei §
20 Abs.
1 Nr.
3 SGB VI um eine abschließende Aufzählung, wird ein Anspruch auf Übergangsgeld nicht begründet, wenn der Versicherte vor der Rehabilitation
- wie hier - weder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen noch eine der (ausdrücklich) genannten Sozialleistungen bezogen hat
(vgl. BSG Urt. v. 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R - juris Rn. 27; Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, §
20 SGB VI Rn. 12 ff.; Steigner in: Reinhardt/Silber,
SGB VI, 5. Aufl. 2021, §
20 Rn. 6; Zabre in: Kreikebohm/Roßbach,
SGB VI, 6. Aufl. 2021, §
20 Rn. 5, 8).
Soweit im Schrifttum (nur isoliert) vertreten wird, dass der Erhalt von Elterngeld einen Überbrückungstatbestand zwischen
dem Ende des Bezugs von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen und dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme darstellen könne (vgl.
Jüttner in: Hauck/Noftz,
SGB VI, §
20 Rn. 28), findet diese Auffassung im Gesetz keine Grundlage.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers kann das Klagebegehren auch nicht mit Erfolg auf eine analoge Anwendung des §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI gestützt werden. Die Voraussetzungen einer Analogie, d.h. der Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestandes auf
einen ihm ähnlichen, allerdings ungeregelten Sachverhalt (vgl. BSG Urt. v. 23.7.2014 - B 12 P 1/12 R - juris Rn. 21; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 202) liegen, wie das SG zu Recht festgestellt hat, in mehrfacher Hinsicht nicht vor.
Die analoge Anwendung einer bestehenden gesetzlichen Vorschrift ist nur dann zulässig, wenn das Gesetz eine (unbewusste) planwidrige
- anfängliche oder nachträgliche - Gesetzeslücke enthält. Darüber hinaus muss der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher
Hinsicht soweit mit dem Tatbestand der bestehenden Norm vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber hätte
diesen wegen seiner Ähnlichkeit - bei gleicher Interessenabwägung - gleich behandeln wollen (vgl. BSG Urt. v. 23.7.2014 - B 12 P 1/12 R - juris Rn. 21; Urt. v. 14.12.2017 - B 8 SO 16/16 R - juris Rn. 21; Urt. v. - B 8 SO 1/13 R - juris Rn. 21 m.w.N.; Urt. v.
18.9.2012 - B 2 U 11/11 R - juris Rn. 24 m.w.N.). Grund für diese engen Grenzen der Analogie ist die verfassungsrechtliche Schranke des in Art.
20 Abs.
3 Grundgesetz (
GG) angeordneten Vorrangs des Gesetzes. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf der Richter diese nicht
aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die im Parlament so
nicht erreichbar war (vgl. BVerfG Beschl. v. 28.7.2010 - 1 BvR 2133/08 - juris Rn. 7; Beschl. v. 3.4.1990 - 1 BvR 1186/89 - juris Rn. 20 m.w.N.).
a) Vorliegend mangelt es bereits an einer erkennbaren Gesetzeslücke, die durch richterliche Rechtsfortbildung geschlossen
werden könnte. Anhaltspunkte dafür, dass das Gesetz den Kreis derjengen, die für den Bezug von Übergangsgeld leistungsberechtigt
sein sollen, nur unvollständig erfasst hätte, sind nicht erkennbar. Vielmehr sind die Leistungsvoraussetzungen in §
20 SGB VI detailliert - und wie dargelegt abschließend - geregelt.
aa) Zunächst ist nicht ersichtlich, dass die Aufnahme des Elterngeldes in den Katalog des §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI beabsichtigt war, dann jedoch auf Grund eines redaktionellen Versehens unterlassen worden ist. Hinweise auf ein solches Versehen
gehen weder aus den Gesetzesmaterialien hervor noch wird dieses in Rechtsprechung und Literatur diskutiert.
bb) Ebenso wenig finden sich Anhaltspunkte dafür, dass dem Gesetzgeber ein Regelungsbedarf zur Gewährung von Übergangsgeld
nach allen im Gesetz genannten Leistungen, auch z.B. dem weniger bekannten Versorgungskrankengeld nach §§ 16 ff. Bundesversorgungsgesetz, ersichtlich geworden ist, hingegen - allein - zum Elterngeld nicht.
Das Elterngeld ist eine bekannte und praxisrelevante Sozialleistung, die bereits seit dem 1.1.2007 auf der Grundlage des BEEG vom 5.12.2006 (BGBl. I S. 2748) gewährt werden kann. Dessen Regelungen sind in der Folgezeit vielfach diskutiert und überarbeitet worden, um verstärkte
Anreize für Eltern zu setzen, sich zu dem vom Gesetz privilegierten Familienmodell zu entscheiden (vgl. etwa zur Einführung
des Elterngeldes Plus: Dau jurisPR-SozR 12/2015 Anm. 1). Allein im Jahr 2020 haben nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes
1.861.158 Menschen in Deutschland Elterngeld in Anspruch genommen (https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Elterngeld/Tabellen/liste-leistungsbezuege-elterngeld-jahre.html).
Zeitgleich mit Inkrafttreten des BEEG zum 1.1.2007 ist auch §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI geändert worden, ohne dass das Elterngeld hier eingefügt worden wäre (vgl. Art. 5 Nr. 2b des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger
Beschäftigung vom 24.4.2006, BGBl. I S. 926, 931: Streichung des Winterausfallgeldes). Auch später hat §
20 SGB VI weiter im Fokus des Gesetzgebers gestanden. So sind Modifikationen im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl
I, 3234) und des Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention
und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz) vom 8.12.2016 (BGBl. I S. 2838) erfolgt. Durch das Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652) ist erneut konkret der Wortlaut des §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI zum 1.1.2024 geändert und das Versorgungskrankengeld durch das Krankengeld der Sozialen Entschädigung ersetzt worden. Hat
sich der Gesetzgeber aber vielfach sowohl mit der Vorschrift des §
20 SGB VI selbst als auch mit den Regelungen des Elterngeldes befasst, kann nicht - wie der Kläger dies meint - ohne weitere Anhaltspunkte
davon ausgegangen werden, dass die Berücksichtigung dieser Sozialleistung im Rahmen eines Anspruchs auf Übergangsgeld planwidrig
schlicht übersehen wurde.
Letzteres gilt um so mehr als die Fragestellung als solche nicht unbekannt war. So haben sich der VDR (vgl. Protokoll der
Arbeitsgruppe "Durchführung der Rehabilitation" - AGDR -, Sitzung 1/2004 am 28.1.2004 in Frankfurt am Main) und die DRV Bund
(vgl. "Gemeinsames Rundschreiben der Rentenversicherungsträger zum Übergangsgeld", Stand Dezember 2014, Gliederungspunkt 2.3
bzw. Stand Juli 2019, Gliederungspunkt 3.3) seit Jahren wiederholt dagegen ausgesprochen, Elternzeit bzw. den Bezug von Elterngeld
bei der Begründung eines Anspruchs auf Übergangsgeld zu berücksichtigen.
b) Eine analoge Anwendung von §
20 SGB VI zugunsten des Klägers kommt aber auch dann nicht in Betracht, wenn tatsächlich eine planwidrige Regelungslücke vorläge. Entgegen
seiner Auffassung ist der Bezug von Elterngeld vor Beginn der Rehabilitationsleistung nicht mit dem Bezug der in §
20 Abs.
1 SGB VI aufgeführten Entgeltersatzleistungen vergleichbar.
aa) Bereits die Zielrichtung des Übergangsgeldes erfordert es nicht, Versicherte, die während ihres Elterngeldbezuges eine
stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation antreten, in den Kreis der Anspruchsberechtigten einzubeziehen.
Der sozialpolitische Zweck des Übergangsgeldes liegt darin, den Entgelt- und Einkommensverlust auszugleichen, dem ein in der
gesetzlichen Rentenversicherung Versicherter durch die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen ausgesetzt ist ("Entgeltersatz-
bzw. Ausgleichsfunktion"; vgl. BSG Urt. v. 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R - juris R. 27 m.w.N.). Der Versicherte soll sich nicht aus finanziellen Gründen gezwungen sehen, von der Inanspruchnahme
der erforderlichen Rehabilitationsleistung Abstand zu nehmen (vgl. Hessisches LSG Urt. v. 22.3.2019 - L 2 R 213/16 - juris Rn. 65; Haack in: jurisPK-
SGB VI, §
20 Rn. 4 m.w.N.). Vielmehr sollen während der Rehabilitationsmaßnahme die Entgelt- und Einkommensverhältnisse aufrechterhalten
werden, die seinem bisherigen Lebensstandard zugrunde lagen ("Kontinuitätsauftrag"; vgl. BSG Urt. v. 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R - juris R. 27).
Der Kläger musste sich einem Einkommensverlust durch die Inanspruchnahme der stationären Rehabilitationsleistung jedoch überhaupt
nicht aussetzen. Nach § 1 Abs. 5 BEEG bleibt der Anspruch auf Elterngeld unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht
sofort aufgenommen werden kann oder wenn sie unterbrochen werden muss.
Eine Unterbrechung im Sinne des § 1 Abs. 5 BEEG liegt dann vor, wenn der Berechtigte "vorübergehend" nicht in der Lage ist, die Betreuung des Kindes wahrzunehmen (vgl. BT-Drs.
16/1889, 19; BSG Urt. v. 8.3.2018 - B 10 EG 7/16 R - juris Rn. 26). Wann eine Unterbrechung noch als vorübergehend angesehen werden kann, ist zwar im Einzelnen umstritten.
Eine Dauer von vier Wochen - wie hier - stellt jedoch nach einhelliger Auffassung eine nur vorübergehende Unterbrechung dar
und steht dem (weiteren) Elterngeldbezug nicht entgegen (vgl. Brose in: Brose/Weth/Volk,
Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 9. Aufl. 2020, § 1 BEEG Rn. 128 f.; Lenz in: Rancke, Mutterschutz - Elterngeld - Elternzeit - Betreuungsgeld, 5. Aufl. 2018, § 1 BEEG Rn. 20; Röhl in: BeckOK Arbeitsrecht, § 1 BEEG Rn. 34; von Koppenfels-Spieß in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 7. Aufl. 2021, § 1 BEEG Rn. 14; Wiegand in: Wiegand, BEEG § 1 Rn. 36).
Auch sind ein Krankenhausaufenthalt (vgl. z.B. BT-Drs. 16/1889, 19; Brose a.a.O. Rn. 127; von Koppenfels-Spies a.a.O. Rn.
15) oder eine Kurmaßnahme (vgl. z.B. Brose a.a.O.; von Koppenfels-Spies, a.a.O. Rn. 15; Voelzke jurisPR-SozR 1/2007 Anm. 4)
nach einhelliger Auffassung ein wichtiger Grund im Sinne der Vorschrift. Entsprechend ist die vom Kläger vom 14.3. bis 11.4.2019
absolvierte vierwöchige medizinische Rehabilitation von § 1 Abs. 5 BEEG erfasst und er hätte - wie zuvor - Elterngeld erhalten können. Ob er dieses in der Erwartung, ihm werde Übergangsgeld bewilligt,
tatsächlich im genannten Zeitraum nicht selbst in Anspruch genommen hat bzw. welche sonstigen anderen Gründe für die Unterbrechung
maßgeblich waren, hat der Kläger nicht mitgeteilt. Die Anfrage des Senats, ob Elterngeld für den Zeitraum vom 14.3 bis 11.4.2019
beantragt und wem dieses ggf. gezahlt worden sei, hat er unbeantwortet gelassen.
bb) Unabhängig davon, ob der Kläger auch während der Rehabilitationsleistung weiter hätte Elterngeld beziehen können, unterscheiden
sich die in §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI aufgeführten Sozialleistungen vom Elterngeld derart grundlegend, dass eine Gleichstellung der jeweiligen Leistungsbezieher
im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung nicht möglich ist. Hierauf hat bereits das SG zutreffend hingewiesen.
Während die in §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI aufgeführten Sozialleistungen Berechtigten zugutekommen sollen, denen eine Erzielung von Erwerbseinkommen wegen der Lage
des Arbeitsmarktes oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich bzw. im Falle des Mutterschaftsgeldes gesetzlich untersagt
ist, handelt es sich beim Elterngeld um eine Sozialleistung, die Müttern und Vätern mehr Freiheit gibt, ihre Berufstätigkeit
und das Familienleben miteinander in Einklang zu bringen. Durch die Partnermonate soll insbesondere Vätern die Möglichkeit
eröffnet werden, eine aktivere Rolle in der Familie zu übernehmen (vgl. BT-Drs. 16/1889, S. 1, 16). Anders als regelhaft in
den Situationen, die Entgeltersatzansprüche des §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI auslösen, beruht die Inanspruchnahme von Elternzeit und Elterngeld auf einem freien Willensentschluss, vom Gesetzgeber angebotene
Möglichkeiten zur familiären Lebensgestaltung zu nutzen. Welches Elternteil wann genau und aus welchen - privaten - Gründen
Elternzeit im Rahmen des BEEG in Anspruch nimmt, steht dabei allein in deren Disposition. Entsprechend wird der Kläger nicht - wie er meint - "darauf verwiesen",
vor einer Rehabilitationsmaßnahme einer Erwerbstätigkeit nachzugehen bzw. eine in § 20 Abs. 1 Nr. 3b genannte Sozialleistung,
sofern deren Voraussetzungen überhaupt vorliegen, zu beantragen, sondern stand ihm und seiner Ehefrau vielmehr ein Gestaltungsspielraum
mit unterschiedlichen Optionen zur Verfügung.
Soweit der Kläger eine Gleichschaltung schließlich daraus ableiten möchte, dass Einkommensersatzleistungen auf das Elterngeld
anzurechnen seien, ist dies ohne Relevanz. Anrechnungsvorschriften, die die Höhe einer Leistung bestimmen, vermögen es nicht,
die dargelegten Unterschiede in den Voraussetzungen der jeweiligen Leistung zu nivellieren.
Dass das Elterngeld nicht in den Katalog des §
20 Abs.
1 Nr.
3b SGB VI einbezogen ist, verletzt auch nicht Verfassungsrecht. Es liegt insbesondere kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz
(Art.
3 Abs.
1 GG) vor, der gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln und sowohl für ungleiche Belastungen
als auch für ungleiche Begünstigungen gilt (vgl. BVerfG Beschl. v. 18.5.2016 - 1 BvR 2217/11 - juris Rn. 19 m.w.N.). Wie bereits dargelegt, bestehen relevante Unterschiede zwischen dem Bezug der gesetzlich genannten
Entgeltersatzleistungen und dem Erhalt von Elterngeld. Darüber hinaus ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung
der sozialstaatlichen Ordnung insbesondere im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt
(st. Rspr., vgl. z.B. BVerfG Beschl. v. 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - juris Rn. 10; BSG Urt. v. 18.6.2020 - B 3 KR 14/18 R - juris Rn. 23 m.w.N.; Beschl. v. 13.8.2019 - B 10 EG 8/19 B - juris Rn. 9; Urt. v. 29.6.2017 - B 10 EG 4/16 R - juris Rn. 27; Senatsurt. v. 26.5.2021 - L 8 LW 13/19 - juris Rn. 63). Eine Kontrolle der gesetzlichen Regelungen und damit hier des §
20 SGB VI ist im Hinblick auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum nur zurückhaltend möglich. Die legislativen Entscheidungen
sind anzuerkennen, solange die diesen zugrundeliegenden Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Werteordnung
des
Grundgesetzes unvereinbar sind (vgl. BSG Urt. v. 18.6.2020 - B 3 KR 14/18 R - juris Rn. 23). Dass die gesetzlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Übergangsgeld zu verfassungswidrigen Ergebnissen
führen, ist - insbesondere vor dem Hintergrund der o.g. Unterschiede der Leistungen - nicht erkennbar. Ob der Gesetzgeber
(hier in §
20 SGB VI) die gerechteste und zweckmäßigste Lösung getroffen hat, unterliegt nicht der Prüfung durch die Gerichte (vgl. z.B. BVerfG
Beschl. v. 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - juris Rn. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§
183,
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.