Tatbestand
Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eine höhere Altersrente unter weiterer Berücksichtigung eines erhöhten Zugangsfaktors von 1,55 für zusätzlich ermittelte
6,3828 Entgeltpunkte (EP).
Die Klägerin wurde am 23.12.1923 in Sosnowiec in Polen als polnische Staatsbürgerin geboren. In der Zeit vom 15.11.1939 bis
Mai 1945 war sie aufgrund ihrer jüdischen Abstammung durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen ihrer Freiheit beraubt
bzw. in ihrer Freiheit beeinträchtigt. Von Februar 1941 bis Mai 1943 legte sie im Ghetto Sosnowiec, das sich seinerzeit in
Oberschlesien und damit einem dem Deutschen Reich eingegliederten Gebiet befand, eine Beitragszeit zurück, die später von
der Beklagten als Ghettobeitragszeit im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen
in einem Ghetto (ZRBG) anerkannt wurde. Seit dem 28.7.1948 lebt sie in Israel und ist israelische Staatsangehörige. Sie ist
Verfolgte i.S.d. § 1 Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz
[BEG]).
Die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährte ihr mit Bescheid vom 26.2.1991 ab dem 1.4.1990 aufgrund
eines am 30.9.1984 eingetretenen Leistungsfalles vorgezogenes Altersruhegeld gemäß § 25 Abs. 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) alter Fassung (a.F.) unter Berücksichtigung der Zeit vom 1.1.1956 bis zum 31.12.1979 aufgrund nachgezahlter freiwilliger
Beiträge gemäß Art. 12 der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens vom 17.12.1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und dem Staat Israel über soziale Sicherung (DV-DISVA) vom 20.11.1978 und einesdurch Einzahlung im Jahr 1990 erworbenen Beitrags
der Höherversicherung mit einem Wert von 840,00 DM.
Mit Bescheid vom 14.2.2000 berechnete die damalige Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz das Altersruhegeld der Klägerin
mit Wirkung vom 1.4.1990 neu unter Berücksichtigung einer Beitragszeit von Februar 1941 bis Mai 1943 sowie von Ersatzzeiten
vom 15.11.1939 bis Januar 1941 und von Juni 1943 bis zum 31.5.1945. Dabei wandte sie die Vorschriften der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) an und nahm anschließend eine Umwertung nach §
307 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) vor, aus der sich 31,0256 persönliche EP (pEP) ergaben.
Mit Bescheid vom 30.1.2007 berücksichtigte die Beklagte zusätzlich die Zeit vom 1.6. bis 30.6.1945 als Ersatzzeit. Es ergaben
sich 31,3127 pEP. Den auf die Anerkennung weiterer Ersatzzeiten über den 30.6.1945 hinaus gerichteten Widerspruch wies die
Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid v. 21.8.2007). Die hiergegen erhobene Klage (Sozialgericht [SG] Düsseldorf, S 15 R 297/07) nahm die Klägerin zurück.
Auf Antrag der Klägerin, ihr Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten nach Maßgabe des ZRBG zu gewähren,
stellte die Beklagte die Rente der Klägerin unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Ersatzzeit vom 1.7.1945 bis zum 31.12.1949
neu fest (Bescheid v. 24.10.2012). Es ergaben sich 37,6955 pEP, auf welche die Beklagte den Zugangsfaktor (ZF) 1,0 anwandte.
In dem Bescheid heißt es auf Seite 1 unter anderem wörtlich wie folgt:
"[ ] Ihr bisheriges Altersruhegeld wird neu festgestellt. Die erhöhte Rente beginnt am 1.1.2005. [ ].
Gründe für die Neufeststellung Die Gewährung der Rente erfolgt aufgrund des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungszeiten
in dem Ghetto (ZRBG). Die Rente beginnt nach § 44 Abs. 4 SGB X am 1.1.2005 [ ]"
Auf Seite 2 des Bescheides wird unter anderem ausgeführt:
"Die vom 1.2.1941 bis 31.5.1943 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung in einem Ghetto wurden nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung
von Renten aus Beschäftigungszeiten in einem Ghetto (ZRBG) als "Ghetto-Beitragszeiten" anerkannt. Für diese Zeiten gelten
Beiträge als gezahlt."
Gegen den Bescheid vom 24.10.2012 erhob die Klägerin am 1.11.2012 Widerspruch. Die Neufeststellung müsse auf den 1.7.1997
zurückwirken. Auf die gegenüber dem Bescheid vom 30.1.2007 aufgrund des ZRBG hinzugetretenen 6,3828 EP sei ein erhöhter ZF
anzuwenden. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid v. 20.6.2013).
Dagegen hat die Klägerin am 23.7.2013 bei dem SG Düsseldorf Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat.
Im Laufe des Klageverfahrens hat die Beklagte die Rückwirkung ihrer Neufeststellung auf den 1.7.1997 gemäß § 3 ZRBG anerkannt
(Bescheid v. 20.10.2014).
Die Klägerin hat zur Begründung der Klage vorgetragen, auf die zusätzlich anerkannten 6,3828 EP sei der sich aus dem Zeitraum
von Vollendung des 65. Lebensjahres (möglicher Rentenbeginn am 1.5.1988) bis zum tatsächlichen Rentenbeginn am 1.7.1997 ergebende
erhöhte ZF von 1,55 anzuwenden. Das gelte auch angesichts des Umstandes, dass diese EP nur auf der zusätzlichen Anerkennung
von Ersatzzeiten beruhten. Auch nach den Arbeitsanweisungen der Deutschen Rentenversicherung zu § 3 ZRBG (Ziff. R 8.2.) komme
es nicht darauf an, wie viele EP tatsächlich auf die Ghetto-Beitragszeit entfielen. Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang
auf ein Urteil des 13. Senates des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 3.5.2005 (B 13 RJ 34/04 R) zu Bestandsrenten, wonach eine Ungleichbehandlung von im Wesentlichen gleichen Personengruppen zu einer verfassungsrechtlich
zu vermeidenden Ungleichbehandlung führe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.6.2013 und des
Bescheides vom 20.10.2014 zu verurteilen, die aufgrund der mit den Bescheiden vom 24.10.2012 und 20.10.2014 zusätzlich angerechneten
rentenrechtlichen Zeiten ermittelten Entgeltpunkten in Höhe von 6,3828 bei der Rentenberechnung mit dem Zugangsfaktor 1,5500
rentensteigernd zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, dass bereits durch den bindenden Bescheid vom 30.1.2007 die zuvor anerkannten Zeiten einer Ghetto-Beschäftigung
in Zeiten nach dem ZRBG umgewandelt worden seien. Bei der Neuberechnung durch den Bescheid vom 24.10.2012 seien keine zusätzlichen
EP, die im Zusammenhang mit der Anerkennung von ZRBG-Zeiten gestanden hätten, anerkannt worden. Daher sei auf diese EP der
erhöhte ZF nicht anzuwenden.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil v. 13.10.2015). Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das der Klägerin am 8.1.2016 zugestellte Urteil hat diese am 27.1.2016 Berufung eingelegt. Erstmals mit dem Bescheid
vom 24.10.2012 habe die Beklagte die Beitragszeiten in Sosnowiec als Ghetto-Beitragszeiten (§ 2 ZRBG) anerkannt. Folglich
beruhten die zusätzlich wegen der Anrechnung von Verfolgungsersatzzeiten in der Rente enthaltenen EP allein auf Ghetto-Beitragszeiten
und seien mit einem höheren ZF zu vervielfältigen. Noch im Widerspruchsbescheid vom 21.8.2007 habe die Beklagte dagegen die
Anerkennung weiterer Ersatzzeiten unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 8.9.2005 (B 13 RJ 20/02 R) abgelehnt, weil sie, die Klägerin, insoweit keinen verfolgungsbedingten Schaden in der gesetzlichen Rentenversicherung
erlitten habe. Eine Ungleichbehandlung verschiedener Verfolgtengruppen bei gleichem Verfolgungsschicksal sei zudem vor dem
Gleichheitsgrundsatz nicht zu rechtfertigen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.10.2015 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides
vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.6.2013 in der Fassung des Bescheides vom 20.10.2014 zu verurteilen,
der Klägerin höhere Altersrente ab dem 1.7.1997 unter weiterer Berücksichtigung eines erhöhten Zugangsfaktors von 1,5500 für
die zusätzlich ermittelten 6,3828 Entgeltpunkte zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Altersrente der Klägerin sei nach Inkrafttreten des ZRBG mehrfach
neu berechnet worden. Die mit Bescheid vom 24.10.2012 hinzugetretenen EP beruhten ausschließlich auf der Anerkennung von Ersatzzeiten.
Sie seien daher nicht mit einem gemäß § 3 Abs. 2 ZRBG zu ermittelnden höheren ZF zu multiplizieren. Die Anwendung dieser Norm
setze nämlich voraus, dass durch die (erstmalige) Anerkennung von mindestens einem Monat Ghetto-Beitragszeit nach dem ZRBG
Entgeltpunkte zusätzlich erzielt würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen
Akten und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen
sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Sie ist zulässig und insbesondere gemäß den §§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht erhoben worden (§§
151 Abs.
1, Abs.
3,
64 Abs.
1,
3,
63 SGG). Die vollständig abgefasste erstinstanzliche Entscheidung ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 8.1.2016 zugestellt
worden. Ihre Berufungsschrift ist bei dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen am 27.1.2016 eingegangen.
Die Berufung der Klägerin ist auch in der Sache erfolgreich. Die gegen den Bescheid vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 20.6.2013 in der Fassung des nach §
96 SGG Gegenstand gewordenen Bescheides vom 20.10.2014 zulässig erhobene Anfechtungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs.
1, 4 i.V.m. §
56 SGG; BSG, Urteil v. 19.4.2011, B 13 R 8/11 R, juris) ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf teilweise Rücknahme der überprüften Bescheide durch die Beklagte gemäß
§ 44 Abs. 1 SGB X und Gewährung einer höheren Altersrente ab dem 1.7.1997 unter Berücksichtigung eines erhöhten ZF von 1,55 für die zusätzlich
ermittelten 6,3828 EP nach § 44 SGB X i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 3 ZRBG.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, u.a. dann mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen,
soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist. Das ist
hier der Fall. Die Beklagte hat die aufgrund des Bescheides vom 24.10.2012 hinzugetretenen 6,3828 EP zu Unrecht lediglich
mit dem ZF 1,0 berücksichtigt.
Nach §
77 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 Buchst. b)
SGB VI ist der ZF für EP, die noch nicht Grundlage von pEP einer Rente waren, bei Renten wegen Alters, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze
trotz erfüllter Wartezeit nicht in Anspruch genommen werden, für jeden Kalendermonat um 0,005 höher als 1,0. Ergänzend hierzu
bestimmt § 3 Abs. 2 ZRBG, dass für die Ermittlung des ZF die Wartezeit als mit Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllt und
die Rente wegen Alters bis zum Rentenbeginn als nicht in Anspruch genommen gilt. Der Anwendungsbereich des ZRBG ist im Falle
der Klägerin eröffnet (1.). Das gilt auch eingedenk des Umstandes, dass die Klägerin sog. "Bestandsrentnerin" ist, d.h. bei
Inkrafttreten des ZRBG bereits eine Rente bezog, in der die nunmehr als Ghettobeitragszeiten anerkannten Beschäftigungszeiten
bereits berücksichtigt waren (2.). Der aufgrund der Anwendung des § 3 Abs. 2 ZRBG erhöhte ZF erfasst alle der Rente zugrundeliegenden
EP (3.). Die Bestandskraft des Bescheides vom 30.1.2007 steht der Anwendung des § 3 Abs. 2 ZRBG im vorliegenden Fall nicht
entgegen (4.). Das führt dazu, dass auf die gegenüber diesem Bescheid hinzu getretenen 6,3828 EP der ZF von 1,5550 anzuwenden
ist (5.), und zwar ab dem 1.7.1997 (6.).
1. Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 ZRBG gilt für Versicherte, die Ghettobeitragszeiten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG zurückgelegt
haben. Das ist bei der Klägerin, die in der Zeit von Februar 1941 bis März 1943 während ihres zwangsweisen Aufenthalts im
Ghetto Sosnowiec eine entgeltliche Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss ausgeübt hat, der Fall und ist dementsprechend
von der Beklagten anerkannt worden.
2. Der Anwendung von § 3 Abs. 2 ZRBG steht nicht entgegen, dass die Zeit von Februar 1941 bis März 1943 bereits von der LVA
Rheinprovinz mit Bescheid vom 14.2.2000 und damit vor Verkündung des ZRBG als Beitragszeit anerkannt worden ist. Zwar mag
der Gesetzgeber des ZRBG maßgeblich diejenigen Versicherten im Blick gehabt haben, die aufgrund des bestehenden Auslandsrentenrechts
zuvor von der Zahlbarmachung ihrer Rentenansprüche ausgeschlossen waren (vgl. BT-Drucks. 14/8583, S. 5). Indessen gibt es
keine Anhaltspunkte dafür, dass "Bestandsrentner" von den durch das ZRBG begründeten Ansprüchen und Vorteilen ausgenommen
werden sollten. Eine derartige Benachteiligung gegenüber den "Neurentnern" wäre auch mit Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) nicht vereinbar (vgl. BSG, Urteil v. 3.5.2005, B 13 RJ 3404 R, BSGE 94, 294 ff. zur eingeschränkten Anwendbarkeit des §
306 SGB VI bei Bestandsrenten). Bestätigt wird diese Sichtweise nicht zuletzt durch das Erste ZRBG-Änderungsgesetz, das mit Einfügung
von § 3 Abs. 4 und 5 ZRBG den Gedanken einer möglichst umfassenden materiellen Gleichstellung aller Verfolgten mit Ghettobeitragszeiten
nachdrücklich unterstrichen hat. Dementsprechend erläutern die Arbeitsanweisungen der Deutschen Rentenversicherung, dass für
Personen, deren Rente bereits vor dem 1.7.1997 begann und bei denen zusätzlich erstmalig Zeiten nach dem ZRBG berücksichtigt
werden können, der erhöhte ZF für die zusätzlichen EP ermittelt wird, die sich aufgrund der Neufestsetzung der Rente nach
dem ZRBG ab 1.7.1997 ergeben (Arbeitsanweisung zu § 3 ZRBG R.5, Stand Juli 2015 bzw. R.8, Stand März 2013).
3. Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 ZRBG und der aufgrund ihrer Anwendung erhöhte ZF erfasst alle der Rente zugrunde liegenden
EP, nicht nur die EP für ZRBG-Beitragszeiten (ebenso KomGRV, Stand September 2014, § 3 ZRBG Anm. 3). Damit ist der erhöhte
ZF auch auf die EP für die mit Bescheid vom 24.10.2012 zusätzlich anerkannten Ersatzzeiten anzuwenden. Auch dies folgt wiederum
unmittelbar daraus, dass § 3 Abs. 2 ZRBG nicht zwischen Ghettobeitrags- und sonstigen Rentenzeiten differenziert sowie aus
dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.
3 Abs.
1 GG: Bei einem "Neurentner" fände der erhöhte ZF ebenfalls auf alle EP für Ghettobeitragszeiten und zusätzlich anerkannte Ersatzzeiten
Anwendung. Dass bei der Klägerin der erhöhte ZF auf die EP für Ghettobeitragszeiten nicht anzuwenden ist, liegt nicht an §
3 Abs. 2 ZRBG, sondern beruht darauf, dass diese EP bereits zuvor Grundlage von pEP einer Rente waren (§
77 Abs.
2 Satz 1
SGB VI).
4. Zu Unrecht hält die Beklagte dem die Bestandskraft (§
77 SGG) des Bescheides vom 30.1.2007 entgegen. Insoweit kann offenbleiben, ob die Beklagte die erstmalig mit Bescheid vom 24.10.2012
zusätzlich anerkannten Ersatzzeiten bereits im Bescheid vom 30.1.2007 hätte rentensteigernd berücksichtigen müssen. Ebenso
kann dahinstehen, ob die Rechtsauffassung der Beklagten zutrifft, wonach § 3 Abs. 2 ZRBG nur bei der erstmaligen Anerkennung
von mindestens einem Monat Ghettobeitragszeit zum Tragen kommt. Schließlich kann unentschieden bleiben, ob die Beklagte die
Rente der Klägerin bereits im Bescheid vom 30.1.2007 unter Anwendung der Vorschriften des ZRBG hätte neu feststellen müssen.
Denn ausgehend vom insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont (§
133 Bürgerliches Gesetzbuch) der Klägerin ist diese Neufeststellung auf der Grundlage des ZRBG erstmals mit Bescheid vom 24.10.2012 erfolgt. Das ergibt
sich unzweifelhaft aus dem Wortlaut des Bescheides, demzufolge (erstmals) die vom 1.2.1941 bis 31.5.1943 zurückgelegten Zeiten
einer Beschäftigung in einem Ghetto als Ghettobeitragszeiten anerkannt wurden. Der Bescheid vom 30.1.2007 enthält eine solche
Regelung ebenso wenig wie eine Anerkennung der Ersatzzeiten vom 1.7.1945 bis zum 31.12.1949. Hieran muss die Beklagte sich
festhalten lassen, zumal sie sich selbst nachdrücklich auf die Bestandskraft dieses Bescheides beruft.
5. Daraus folgt, dass die weiteren auf den zusätzlichen Ersatzzeiten beruhenden 6,3828 EP nicht - wie die Beklagte dies mit
Bescheid vom 24.10.2012 mithin zu Unrecht getan hat - mit dem ZF 1,0, sondern mit dem ZF 1,5500 zu berücksichtigen waren.
Bei Anwendung des § 3 Abs. 2 ZRBG sind diejenigen EP mit dem erhöhten ZF zu berücksichtigen, die nicht bereits Gegenstand
einer am 30.6.1997 gezahlten Rente waren, sondern die sich nach Hinzutreten der Ghettobeitrags- und Ersatzzeiten und Neufeststellung
ergeben (ebenso: KomGRV, a.a.O., Anm. 3). Die mit dem erhöhten ZF zu berücksichtigen EP ergeben sich damit aus einer Differenz
der ab 1.7.1997 und der bis 30.6.1997 anerkannten EP. Letztere hat die Beklagte bestandskräftig mit Bescheid vom 30.1.2007
auf 31,3127 pEP festgestellt. Aufgrund der Neufeststellung der Rente nach dem ZRBG ergaben sich 37,6955 pEP. Die Differenz
beträgt mithin die mit der Klage geltend gemachten 6,3828 pEP. Diese sind mit dem ZF 1,5500 zu berücksichtigen, da die Klägerin
diese EP für 110 Monate nicht in Anspruch genommen hat (Zeitraum vom 1.5.1988 bis zum 30.6.1997; 110 Monate x 0,005 = 0,55).
6. Der Anspruch auf Gewährung und Auszahlung der Rente ab dem 1.7.1997 folgt aus § 3 Abs. 3 ZRBG.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§
183,
193 SGG.
Gründe gemäß §
160 Abs.
2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.