Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger am 10.11.2016 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der am 00.00.1962 geborene und als Müllwerker beschäftigte Kläger bewegte am 10.11.2016 alleine einen ca 350 kg schweren,
auf Rollen befindlichen Müllcontainer. Dabei verspürte er plötzliche Schmerzen und ein Knacken im Bereich des Rückens. Er
arbeitete seine Schicht noch zu Ende und begab sich am Folgetag zur Erstbehandlung zu dem Durchgangsarzt, dem Chirurgen Dr.
C. Dieser nahm im Durchgangsarztbericht vom 14.11.2016 folgenden Befund auf: "LWS beidseits. Die Beweglichkeit zeigt sich
schmerzhaft eingeschränkt. Im Bereich beider Schultergelenke finden sich äußerlich unauffällige Verhältnisse. Die Beweglichkeit
zeigt sich endgradig schmerzhaft eingeschränkt. Akute Verletzungszeichen finden sich nicht". Er stellte die Erstdiagnosen
gemäß dem ICD-10Code M54.16 G (LWS-Syndrom), M75.0 G B (Schulterläsion), R53 G (Überlastungsbeschwerden). Gleichzeitig vermerkte
er, dass kein Arbeitsunfall bestehe.
Wegen anhaltender Beschwerden im Bereich der rechten Schulter ließ der Kläger am 23.03.2017 eine Magnetresonanztomographie
(MRT) der rechten Schulter durch die Radiologische Gemeinschaftspraxis N durchführen. Diese zeigte im Bereich der rechten
Schulter eine aktivierte AC-Gelenksarthrose und ein chronisches Impingement der Supraspinatussehne Grad II mit begleitender
Periarthritis. Es fanden sich keine Hinweise auf eine stattgehabte frühere Rotatorenverletzung oder knöcherne Verletzung.
Am 26.04.2017 stellte sich der Kläger im berufsgenossenschaftlichen Klinikum C1 in Bochum (Klinik Bochum) vor, wo aufgrund
der Diagnose "persistierende Schulterschmerzen rechts sowie links und Schmerzen im LWS-Bereich am 31.05.2017 eine MRT-Untersuchung
der linken Schulter und der LWS mit folgendem Ergebnis durchgeführt wurde: "Partialruptur der Supraspinatussehne links am
muskeltendinösen Übergang bei gleichzeitig vorliegender Ansatztendinopathie; Partialläsion der Supraspinatussehne ansatznah;
Partialläsion der langen Bizepssehne im intraartikulieren Verlauf; Blockwirbelbildung des LWK 2/3 mit ventralseitiger ossärer
Überbauung; Ostechondrose auf Höhe LWK 1/2, LWK 3/4 sowie LKW 4/5 mit leichtgradiger Einengung des Spinalkanals sowie leicht-
bis mittelgradiger Einengung der Neuroforamina beidseits; unkomplizierte Nierenzyste am lateralseitigen Oberpol rechts, kleine
Zyste der linksseitigen Niere am medialen Nierenunterpol." Auf neurologischem Gebiet konnte Prof. Dr. U am 13.06.2017 keinen
Hinweis auf eine unfallbedingte peripher- oder zentralneurogene Defizitsymptomatik von klinisch funktioneller Relevanz feststellen
(vgl Ambulanzbericht vom selben Tage).
Am 21.06.2017 schloss die Klinik Bochum unter der Diagnose "persistierende Schulterschmerzen beidseits sowie Schmerzen in
der LWS bei MRT-diagnostisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen, sowohl der LWS als auch der linken Schulter" das
Heilverfahren zu Lasten der Beklagten ab.
Mit Bescheid vom 14.08.2017 entschied die Beklagte daraufhin, das Ereignis vom 10.11.2016 nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen,
denn nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen fänden sich keinerlei Hinweise auf eine unfallursächliche Schädigung,
weder im Bereich der LWS noch im Schulterbereich.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2018 mit der gleichen
Begründung zurück.
Der Kläger hat am 24.09.2018 Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass seine Schulterschmerzen durch den Unfall verursacht worden seien. Am 10.11.2016
habe er, nachdem er bereits zwei ca 350 kg schwere Müllcontainer geschoben habe, einen weiteren Müllcontainer geschoben, als
er plötzlich einen Schmerz im Bereich der LWS sowie der beiden Schultern verspürt habe. Das Ereignis vom 10.11.2016 habe bereits
vorhandene degenerative Veränderungen im Bereich der Schultern massiv verstärkt und so zum Verletzungsbild beigetragen. Daher
sei es als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14.08.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.08.2018 abzuändern und festzustellen,
dass er am 10.11.2016 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Ausführungen im Verwaltung- und Widerspruchsverfahren wiederholt.
Das SG hat ein orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten von Dr. B eingeholt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 19.08.2019 zu
dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger ein verschleißbedingter Schaden beider Schultergelenke sowie ein verschleißbedingter
Schaden der LWS vorlägen. Diese Diagnosen ergäben sich ganz eindeutig aus den aktenkundigen MRT-Befunden und den dokumentierten
klinischen Untersuchungsbefunden. Die Veränderungen im Bereich der Rotatorenmanschette mit den im MRT nachgewiesenen Teilrissen
seien typisch für verschleißbedingte Veränderungen im Alter des Klägers. Das Ereignis vom 10.11.2016 sei ganz ohne vernünftigen
Zweifel als sogenannte Gelegenheitsursache zu bezeichnen. Auch bei anderen im täglichen Leben unvermeidbar vorkommenden Ereignissen,
wie zB Anheben einer Getränkekiste, Hochkommen aus der Hocke etc wäre es in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu einer entsprechenden
Symptomatik an den Schultern und der LWS gekommen. Ein unfallbedingter Schaden sei aufgrund des Ereignisses vom 10.11.2016
nicht eingetreten. Aus diesem Grunde ergebe sich auch keine unfallbedingte MdE.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 06.03.2020 als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, selbst bei der Bejahung eines Unfallereignisses
zu Gunsten des Klägers fehle es an der erforderlichen Kausalität für den geltend gemachten Gesundheitsschaden. Diesbezüglich
gelte die Theorie der wesentlichen Bedingung, wonach nur solche Ursachen als kausal und rechtserheblich angesehen würden,
die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hätten (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - juris). Dem Gutachten von Dr. B folgend hat das SG festgestellt, dass die Vorschädigung der Schultergelenke sowie der LWS des Klägers alleine die wesentliche Ursache für die
Beschwerden gewesen sei, weil diese auch jederzeit bei einer Alltagsbelastung zu annähernd dem gleichen Zeitpunkt hätten auftreten
können. Das Ereignis vom 10.11.2016 sei demnach als Gelegenheitsursache zum Symptomatischwerden eines vorbestehenden Verschleißleidens
der Rotatorenmanschette beider Schultergelenke anzusehen.
Gegen das ihm am 30.03.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.04.2020 Berufung eingelegt.
Er macht nochmals deutlich, dass er am 10.11.2016 nicht nur einen, sondern insgesamt drei Müllcontainer mit einem Gewicht
von je 350 kg bewegt habe. Diese habe er auch nicht geschoben, sondern gezogen, da anders ein Bewegen dieser schweren Container
gar nicht möglich sei. Beim Ziehen des dritten Conainers habe er deutlich ein Knacken im Bereich der rechten Schulter und
am Rücken vernehmen können. Er habe versucht, weiterzuarbeiten, habe jedoch massive Schmerzen gehabt. Das Ereignis sei kurz
vor dem Schluss der Arbeit um 17 Uhr gewesen. Zu Hause habe er Schmerzmittel eingenommen, doch die Schmerzen seien nicht besser
geworden, so dass er sich am nächsten Tag zum Arzt begeben habe. Es sei nicht üblich, solch schwere Container alleine zu bewegen.
Grundsätzlich würden sie mit zwei Personen bewegt. An diesem Tag sei jedoch kein anderer Kollege vor Ort gewesen, so dass
er es alleine habe tun müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.03.2020 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.08.2017
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2018 zu verurteilen, das Ereignis vom 10.11.2016 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und sieht in dem Berufungsvorbringen keine neuen Aspekte. Es ergebe sich
aus den Arztberichten und dem Sachverständigengutachten zwanglos, dass darin von einem "Ziehen" des Containers ausgegangen
worden sei. Auch sei es unerheblich, dass solche Container sonst grundsätzlich von zwei Personen bewegt würden.
Der Senat hat dem Kläger eine Frist zur Stellung eines Antrags nach §
109 SGG bis zum 23.10.2020 gewährt, die auf seine Bitte bis zum 10.12.2020 verlängert wurde, aber ungenutzt verstrichen ist. Am 24.02.2021
hat der Senat dem Kläger mitgeteilt, dass die Sache zur Sitzung vorgesehen ist. Die Ladung ist dem Klägerbevollmächtigten
am 14.07.2021 zugegangen. Auf den Terminverlegungsantrag des Klägerbevollmächtigten vom 05.08.2021 wegen einer möglichen Beeinträchtigung
des Wohlbefindens des Klägers aufgrund einer Covid-19-Schutzimpfung am Vortag des Verhandlungstermins hat der Senat das persönliche
Erscheinen des Klägers aufgehoben. Sodann hat der Klägerbevollmächtigte mit Fax vom 10.08.2021, 17:06 Uhr, den Chirurgen Dr.
C aus Marl als Gutachter nach §
109 SGG benannt und beantragt, den für den nächsten Morgen anberaumten Termin aufzuheben. Dieser Terminverlegungsantrag wurde noch
vor der mündlichen Verhandlung abgelehnt und den Prozessbevollmächtigten des Klägers entsprechend unterrichtet.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Ein erheblicher Grund für die schriftsätzlich beantragte Verlegung wurde nicht vorgetragen (§
202 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - i.V.m. §
227 Abs
1 Zivilprozessordnung). Ein solcher kann nur in einer tatsächlich vorliegenden Erkrankung mit Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Attestes
gesehen werden (vgl MKLS/B. Schmidt, 13. Aufl 2020,
SGG §
110 Rn 5 mwN), nicht aber bereits in der Möglichkeit der Beeinträchtigung im Wohlbefinden. Überdies hat der durch seinen Prozessbevollmächtigten
vertretende Kläger nicht geltend gemacht, persönlich an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen.
Auch auf den Verlegungsantrag vom 10.08.2021 hin bestand mangels Darlegung eines erheblichen Grundes kein Anlass für eine
Verlegung. Der Antrag nach §
109 SGG war deutlich zu spät und nach Überzeugung des Senats entweder in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen gestellt oder
aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden (§
109 Abs
2 SGG). Der Klägerbevollmächtigte hatte über 8 Monate Zeit, einen Arzt nach §
109 SGG zu benennen. Nach untätigem Verstreichenlassen dieses Zeitraums ist die Antragstellung am Vorabend des Verhandlungstermins
zu nicht mehr büroüblicher Uhrzeit nach Ansicht des Senats nur aus den genannten Gründen erklärlich.
Schließlich wurden weder der Verlegungsantrag noch der Antrag nach §
109 SGG in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat es mit Bescheid vom 14.08.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom
22.08.2018 zu Recht abgelehnt, das Ereignis vom 10.11.2016 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (ständige Rspr, vgl nur BSG, Urteil vom 06.05.2021 - B 2 U 15/19 R - juris, Rn. 11). Sie ist aber unbegründet, da es sich bei dem Ereignis vom 10.11.2016 nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt
hat.
Nach §
8 Abs
1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Dabei sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall eines Versicherten setzt danach
voraus, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls einen gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt (innerer
oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis
- geführt (Unfallkausalität) und einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich
verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität, stRspr, vgl zB BSG, Urteil vom 30.03.2017 - B 2 U 15/15 R - juris Rn 14).
Unstreitig ist der Kläger beim Bewegen des 350 kg schweren Müllcontainers am Nachmittag des 10.11.2016 einer versicherten
Tätigkeit gemäß §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII nachgegangen.
Ebenso handelte es sich - entgegen der Auffassung des SG - bei dem Bewegen des Containers um ein Unfallereignis iS eines zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden
Ereignisses. Denn für den Unfallbegriff ist nicht konstitutiv, dass ein besonderes, ungewöhnliches oder gar "extremes" Geschehen
vorliegt. Auch alltägliche Vorgänge können ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis sein (vgl BSG Urteile vom 29.11.2011 - B 2 U 23/10 R - juris Rn 15, vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - juris Rn 10). Es ist sogar ausreichend, dass sich durch bloße Wahrnehmung mit Sinneszellen (Riechen, Hören oä) der physiologische
Körperzustand ändert (BSG Urteil vom 06.05.2021 - B 2 U 15/19 R - juris, Rn 18).
Durch dieses Unfallereignis ist bei dem Kläger jedoch kein Gesundheitserstschaden entstanden.
Unter einem Gesundheitserstschaden sind alle regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustände zu verstehen,
die unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht sind, entsprechend
dem allgemeinen Krankheitsbegriff. Der Gesundheitserstschaden setzt keine Dauerschädigung oder Störungen von erheblichem Gewicht
oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus; Umfang und Dauer sind ebenfalls unerheblich. Minimale Regelwidrigkeiten
ohne Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind aber ebenso bedeutungslos wie bloße Schmerzen (LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 13.07.2017 - L 6 U 2225/16 - juris, Rn 65 und Urteil vom 17.03.2016 - L 6 U 4904/14 - juris, Rn 40 mwN).
Nach dem Bewegen des Müllcontainers verspürte der Kläger Schmerzen in Rücken und Schultern, die sich bei der späteren Untersuchung
bei dem Durchgangsarzt Dr. Brusis am 11.11.2016 noch als schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der LWS beidseits und endgradig
schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der Schultergelenke zeigten. Diese Schmerzen stellen jedoch noch keinen Gesundheitserstschaden
dar, sondern können allenfalls als erstes Zeichen eines im weiteren Verlauf objektivierbaren Gesundheitserstschadens gewertet
werden (vgl LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.01.2013 - L 6 U 2874/12 - juris, Rn 28).
Eine Gesundheitsschädigung liegt in den Diagnosen Partialruptur der Supraspinatussehne links am muskulotendinösen Übergang
bei gleichzeitig vorliegender Ansatztendinopathie, Partialläsion der Subscapularissehne ansatznah sowie der langen Biszepssehne
im intraartikulären Verlauf, Schultereckgelenkarthrose und chronisches Impingement der Supraspinatussehne Grad II mit begleitender
Periarthritis rechts sowie Blockwirbelbildung LWK 2/3, Osteochondrose LWK 1/ LWK 2, breitbasige Bandscheibenprotrusion L1/L2,
L3/L4 und L4/L5 mit leichtgradiger Einengung des Spinalkanales und der Neuroforamina beidseits. Keine dieser Gesundheitsschaden
ist jedoch kausal auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen (haftungsbegründende Kausalität).
Für die haftungsbegründende Kausalität muss zwischen dem Unfallereignis und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden ein Ursachenzusammenhang
nach der im Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris, Rn 13 ff). Danach geht es auf einer ersten Stufe der Kausalitätsprüfung um die Frage, ob ein Zusammenhang im naturwissenschaftlichen
Sinne vorliegt, dh ob ein Wirkungszusammenhang nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen Erfahrungswissens über
Kausalzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und dieser Einwirkung auf die Schultern und LWS des Klägers und den bestehenden
Schädigungen nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen Erfahrungswissens besteht (BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R - juris, Rn 60). In einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann durch Würdigung aller Wirkursachen die Unterscheidung zwischen
solchen Ursachen notwendig, die wesentlich sind, weil sie rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden können bzw.
denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, aaO, Rn 78). Beweisrechtlich ist zudem zu beachten, dass der möglicherweise aus mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang
positiv festgestellt sein muss und dass die Anknüpfungstatsachen der Kausalkette im Vollbeweis vorliegen müssen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris, Rn 20, Urteil vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - juris, Rn 24). Als Beweismaßstab für die ursächlichen Zusammenhänge gilt wie für alle Kausalitätsfeststellungen im Recht
der gesetzlichen Unfallversicherung auch hier der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit.
Diese ist gegeben, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Nicht genügend
ist die bloße Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, aaO, Rn 24).
Unter Anwendung dieser Grundsätze lassen sich die bei dem Kläger nachgewiesenen Diagnosen zur Überzeugung des Senats schon
auf der 1. Prüfungsstufe nicht kausal auf das Unfallereignis zurückführen. Denn das Bewegen des Müllcontainers - sei es durch
Ziehen oder durch Drücken - war nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt nicht geeignet, die Rotatorenmanschetten bzw die
Lendenwirbelsäule des Klägers zu verletzen, wie der Sachverständige Dr. B unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des
anerkannten medizinischen Erfahrungswissens eingehend und überzeugend dargelegt hat. Das Bewegen des Containers erfolgte durch
eine willentliche und geplante Anspannung der Muskulatur, die weder eine direkte noch eine indirekte Gewalteinwirkung auf
die Rotatorenmanschette oder die LWS darstellte. Dies stellt ganz ohne jeden vernünftigen Zweifel keinen geeigneten Mechanismus
dar, eine Rotatorenmanschette oder eine LWS zu verletzen, sei sie nun gesund oder bereits vorerkrankt, wie Dr. B betont.
Hinzu kommt, dass es sich bei den festgestellten Gesundheitsschäden um vorbestehende Verschleißleiden im Sinne eines altersabhängigen
Degenerationsprozesses handelt, die schon begrifflich nicht auf ein Unfallereignis zurückzuführen sind. Diese sind lediglich
anlässlich des Unfallereignisses symptomatisch geworden, hätten sich aber ebenso gut durch eine Vielzahl anderer alltagsüblicher
Belastungsmomente manifestieren können, wie zB Anheben einer Getränkekiste oder Hochkommen aus der Hocke, so dass auch insoweit
mangels Wesentlichkeit der Verursachung eine haltungsbedingte Kausalität ausscheidet. Verschleißveränderungen an der Rotatorenmanschette
treten insbesondere zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auf. Bei über 50-jährigen finden sich bei etwa 25 % aller bei Autopsien
untersuchten Schultern ausgedehnte trophische Veränderungen mit Rissbildungen. Der Kläger befand sich mit 54 Jahren genau
in diesem Lebensabschnitt. Zusammenhangstrennungen im Bereich der Rotatorenmanschette werden in diesem Lebensabschnitt zunehmend
zu einem Regelbefund, ohne dass zwangsläufig auch Beschwerden und Funktionseinbußen im Bereich der Schultergelenke hierdurch
entstehen würden. Ebenso handelt es sich bei den Schädigungen der Lendenwirbelsäule ausschließlich um verschleißbedingte bzw
anlagebedingte Veränderungen. Eine Blockwirbelbildung des LWK 2/3 ist entweder anlagebedingt oder im Rahmen eines starken
Verschleißprozesses aufgetreten, jedenfalls aber nicht unfallbedingt. Auch bei einer Osteochondrose (chronischer Bandscheibenaufbrauch)
handelt es sich eindeutig um einen Verschleiß. Ebenso stellt die breitbasige Bandscheibenvorwölbung (Protrusion) in Höhe des
LWK1/LWK 2, LWK3/LWK4 und LWK4/LWK5 mit leichtgradiger Einengung des Wirbelkanals und leicht- bis mittelgradiger Einengung
der Nervenaustrittslöcher beidseits ganz ohne Zweifel ein verschleißbedingtes Leiden dar. Dies ergibt sich eindeutig aus den
MRT-Befunden.
Der Senat stützt sich bei diesen Feststellung auf die überzeugenden und stimmig auf der Grundlage anerkannter wissenschaftlicher
Erkenntnisse begründeten Ausführungen des Sachverständigen Dr. B in dessen Gutachten vom 19.08.2019, die mit den bereits von
Prof. Dr. Schildhauer im Ambulanzbericht der Uniklinik Bochum vom 23.06.2017 geäußerten Annahmen übereinstimmen. Diese Bewertung
stimmt auch mit den Ergebnissen der MRT-Untersuchungen und denen sämtlicher behandelnder Ärzte des Klägers überein. Auch schon
Dr. Brusis, der erstbehandelnde Durchgangsarzt, sah keine Anhaltspunkte für eine Behandlung zu Lasten der Beklagten. Über
die gesamte Behandlung des Klägers sind in keiner der medizinischen Unterlagen die Schädigungen des Klägers in der LWS und
in den Schultern auf das Unfallereignis rechtlich wesentlich zurückgeführt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Anlass zur Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs
2 SGG besteht nicht.