Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit in der gesetzlichen Krankenversicherung
Keine Kostenübernahme für ein Kompetenzgutachten für genetische Erkrankungen
Tatbestand
Am 13. September 2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für ein Kompetenzgutachten für genetische
Erkrankungen.
Mit Schreiben vom 21. September 2018 lehnte die Beklagte die Übernahme der "Kosten für ein Kompetenzgutachten" ab. Die begehrte
Leistung sei nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung.
Am 25. September 2018 hat der Kläger bei dem Sozialgericht (SG) Köln "Untätigkeitsklage" erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er hat ausgeführt, durch Rückstände
von Industriepflanzengiften lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt zu sein. Um die Ursache bestehender chronischer Erkrankungen
und Gendefekte abzuklären, sei erforderlich, ein Gutachten einzuholen. Der Klageschrift fügte der Kläger als Anlage u.a. das
Schreiben der Beklagten vom 21. September 2018 bei.
Nach Erhebung der Klage erhob der Kläger Widerspruch gegen das Schreiben der Beklagten vom 21. September 2018, den die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2018 zurückwies. Ein Anspruch auf Kostenerstattung eines privat veranlassten medizinischen
Gutachtens, das zudem hinsichtlich seiner Durchführung sowie seines Inhalts und Zweckes in keiner Weise konkretisiert und
spezifiziert sei, bestehe nicht. Auf den weiteren Inhalt des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen. Gegen den Bescheid
vom 21. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2018 hat der Kläger am 26. November 2018
ebenfalls Klage zum SG Köln erhoben (Az. S 17 KR 3537/18).
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist dem mit der Klage geltend gemachten Anspruch entgegengetreten. Ein Anspruch auf ein Kompetenzgutachten für genetische
Erkrankungen sei von dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfasst.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. Juli 2019 abgewiesen. Das SG hat zur Begründung ausgeführt: Die Kammer gehe nach Auslegung des Vorbringens des Klägers davon aus, dass sich dieser gegen
den Bescheid vom 21. September 2018 in der Fassung des im anhängigen Klageverfahren ergangenen Widerspruchsbescheids vom 21.
November 2018 wende. Dass der Kläger in der Sache einen Anspruch auf eine gutachterliche Untersuchung auf Kosten der Beklagten
durchzusetzen versuche, werde sowohl durch den Inhalt der Klageschrift als auch durch die Übersendung des Schreibens der Beklagten
vom 21. September 2018 gestützt. Einen dahingehenden Anspruch habe die Beklagte zutreffend abgelehnt. Eine Kostenübernahme
für ein Gutachten über den Gesundheitszustand eines Versicherten sei gesetzlich nicht vorgesehen. Soweit der Kläger daneben
die Bescheidung "sämtlicher Anträge seit 2002" begehre, sei die Klage unzulässig, da ein dahingehendes Begehren bereits Gegenstand
eines weiteren vor dem SG anhängigen und unter dem Az. S 17 KR 284/18 geführten Verfahrens sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
Gegen den ihm am 4. Juli 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit bei dem Landessozialgericht (LSG) am 8. Juli
2019 eingegangenem Schreiben "Beschwerde mit Berufung" eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren
beantragt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 2. Juli 2019 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
21. September 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2018 zu verurteilen, ihm ein Kompetenzgutachten
für genetische Krankheiten zu gewähren, hilfsweise die ihm insoweit entstehenden Kosten zu erstatten und darüber hinaus die
Beklagte zu verpflichten, "sämtliche Anträge seit 2002" zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid. Das SG habe einen Anspruch auf Kostenübernahme für ein Kompetenzgutachten für genetische Erkrankungen zutreffend verneint.
Mit Beschluss vom 9. März 2020 hat der Senat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt.
Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
Nach Anhörung der Beteiligten (Anhörungsmitteilung vom 16. März 2020) hat der Senat mit Beschluss vom 4. Mai 2020 den Rechtsstreit
dem Berichterstatter zur gemeinsamen Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen (§
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Wegen des weiteren Inhalts des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
I. Über die Berufung des Klägers kann der Senat gemäß §
153 Abs.
5 SGG in der Besetzung mit dem Berichterstatter und zwei ehrenamtlichen Richtern entscheiden. Es liegt ein Fall des §
105 Abs.
2 Satz 1
SGG vor, weil das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat. Der Senat hat die Übertragung - nach vorheriger Anhörung des Klägers - nach pflichtgemäßem
Ermessen beschlossen. Es handelt sich um ein tatsächlich und rechtlich einfach gelagertes Verfahren, das keine Fragen aufwirft,
die einer Mitwirkung der vollen Richterbank des Senats (vgl. §
33 Abs.
1 Satz 1
SGG) bedürfen (zu diesem Ermessenskriterium u.a. Frehse in: Jansen,
SGG, 4. Auflage, 2012, §
153 Rn. 49; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage, 2020, §
153 Rn. 25a).
II. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Köln vom 2. Juli 2019 ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche
Zulassung statthaft (§§
143,
144 SGG) und fristgerecht (§
151 Abs.
1, §
64 Abs.
1, Abs.
2, §
63 SGG) eingelegt worden.
III. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Der Kläger kann eine Aufhebung des Bescheides vom 21. September 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.
November 2018 und die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Kompetenzgutachtens für genetische Krankheiten nicht
beanspruchen <hierzu a)>. Entsprechendes gilt für die hilfsweise begehrte Erstattung insoweit entstandener Kosten <hierzu
b)>.
a) Gemäß §
11 Abs.
1 Nr.
5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§
27 bis
52 SGB V). Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V besteht ein Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Die Krankenbehandlung umfasst u.a. ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische
Behandlung (§
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V). Wie die Beklagte in dem angefochtenen Verwaltungsakt und das SG zutreffend dargestellt haben, ist die Gewährung eines Gutachtens über den Gesundheitszustand des Klägers von dieser Anspruchsgrundlage
nicht erfasst.
b) Der Kläger kann auch die hilfsweise begehrte Erstattung der Kosten für ein solches Gutachten nicht beanspruchen. Die (sekundärrechtliche)
Erstattung von Kosten durch eine Krankenkasse kommt nach §
13 Abs.
1 SGB V als Ausnahme vom Sachleistungsprinzip nur in Betracht, soweit eine solche Kostenerstattung ausdrücklich vorgesehen ist. Diese
Voraussetzungen sind - ungeachtet des Umstandes, dass tatsächlich dem Kläger entstandene Kosten nicht nachgewiesen wurden
- im vorliegenden Fall nicht gegeben.
aa) Konnte eine Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht
abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse
in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V). Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden nach §
15 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) erstattet (§
13 Abs.
3 Satz 2
SGB V). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da die Beklagte - wie vorstehend dargelegt - die begehrte und nicht im Sinne
des §
13 Abs.
3 Satz 1 Fall 1
SGB V "unaufschiebbare" Versorgung rechtmäßig abgelehnt hat.
bb) Die Voraussetzungen des §
13 Abs.
3a Satz 7
SGB V (Art. 2 Nr. 1 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten <PatRVerbG> vom 20. Februar 2013, BGBl I 277, m.W.v. 26.
Februar 2013) sind ebenfalls nicht erfüllt. Nach §
13 Abs.
3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang
oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen
nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält,
hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu informieren (Satz 2). Kann die Beklagte Fristen
u.a. nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich
mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt
(Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Beklagte
zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).
Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage sind schon deshalb nicht erfüllt, weil die begehrte Versorgung mit einem "Kompetenzgutachten
für genetische Erkrankungen" offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt (zu
dieser Einschränkung der Reichweite der Genehmigungsfiktion vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 27. August 2019 - B 1 KR 9/19 R - m.w.N.). Dieses musste dem Kläger bewusst sein, weil durch diverse verwaltungsbehördliche und sozialgerichtliche Entscheidung
bereits festgestellt wurde, dass das begehrte Gutachten vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfasst
ist.
2. Soweit der Kläger mit dem vorliegenden Verfahren darüber hinaus die Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung "sämtlicher
Anträge seit 2002" begehrt, ist die Klage bereits unzulässig (§
202 SGG i.V.m. §
17 Abs.
1 Satz 2
Gerichtsverfassungsgesetz). Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das von dem Kläger verfolgte Bescheidungsbegehren hinsichtlich "sämtlicher Anträge
seit 2002" von dem seinerzeit bei dem SG Köln unter dem Az. S 17 KR 284/18 erfasst war, das nunmehr vor dem Senat unter dem Az. L 11 KR 540/19 anhängig ist. Mit diesem Verfahren macht der Kläger gegenüber der Beklagten einen Bescheidungsanspruch für "alle Anträge
aus 2002 u.s.w. bis heute, (...)" geltend.
Gründe im Sinne des §
160 Abs.
2 SGG zur Zulassung der Revision sind nicht gegeben.