Tatbestand
Streitig ist die endgültige Festsetzung und Erstattung von Partnerschaftsbonusmonaten.
Die Klägerin und der Kläger sind Eheleute. Sie wurden am 00.06.2016 Eltern ihrer Tochter A. Die Klägerin arbeitete bis zum
30.09.2017 bei der Beigeladenen als Ingenieurin; seit dem 01.10.2017 ist sie bei der Stadt T versicherungspflichtig beschäftigt.
Ab dem 27.08.2016 übte die Klägerin bei der Beigeladenen eine Teilzeitbeschäftigung mit 18 Wochenstunden aus. Zum 01.09.2017
erhöhte sie ihre Arbeitszeit auf (monatlich) 30 Wochenstunden (Änderungsvertrag vom 12.07.2016). Der Kläger war (und ist)
als Informatiker bei der Stadt G beschäftigt. Auf beide ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
Am 10.08.2016 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Basiselterngeld vom ersten bis dritten Lebensmonat des Kindes, Elterngeld
Plus vom vierten bis 14. Lebensmonat sowie Partnerschaftsbonusmonate vom 15. bis 18. Lebensmonat. Der Beklagte bewilligte
daraufhin der Klägerin vorläufig Basiselterngeld im ersten und zweiten Lebensmonat in Höhe von 0,00 Euro, im dritten Lebensmonat
in Höhe von 423,45 Euro, Elterngeld-Plus vom vierten bis 14. Lebensmonat in Höhe von 444,05 Euro sowie weiteres Elterngeld-Plus
(Partnerschaftsbonus) vom 15. bis 18. Lebensmonat in Höhe von je 444,05 Euro (Bescheid vom 19.08.2016).
Der Kläger beantragte bei dem Beklagten neben der Bewilligung von Basiselterngeld und Elterngeld Plus ebenfalls Partnerschaftsbonusmonate
vom 15. bis 18. Lebensmonat des Kindes. Er teilte mit, vom 20.08.2017 bis 19.12.2017 eine Teilzeitbeschäftigung mit 26 Wochenstunden
im Monatsdurchschnitt auszuüben. Der Beklagte bewilligte vorläufig Basiselterngeld im ersten Lebensmonat in Höhe von 1.190,58
Euro, Elterngeld-Plus vom sechsten bis 14. Lebensmonat in Höhe von 317,36 Euro sowie weiteres Elterngeld-Plus (Partnerschaftsbonus)
vom 15 bis 18. Lebensmonat in Höhe von je 317,36 Euro (Bescheid vom 18.08.2016).
Im Rahmen der Ermittlungen für die endgültige Festsetzung des Elterngeldes bestätigte die Beigeladene in ihrer Eigenschaft
als (ehemalige) Arbeitgeberin der Klägerin dem Beklagten unter dem 19.02.2018, dass die Klägerin vom 20.08.2017 bis 31.08.2017
insgesamt 32,23 Stunden sowie vom 01.09.2017 bis 30.09.2017 insgesamt 109,52 Stunden gearbeitet habe. Zum 30.09.2017 sei sie
aus dem Dienst ausgeschieden.
Mit Bescheid vom 12.04.2018 setzte der Beklagte den Leistungsanspruch des Klägers endgültig fest und forderte von diesem das
Elterngeld für die Partnerschaftsbonusmonate zurück. Zur Begründung führte er aus, die Partnerschaftsbonusmonate stünden dem
Kläger nicht zu, da seine Ehefrau - die Klägerin - in der Zeit vom 20.08.2017 bis 19.09.2017 mit geleisteten 99,75 Arbeitsstunden
die Mindeststundenzahl von 110 Stunden nicht erreicht habe. Der Erstattungsbetrag belaufe sich auf 1.040,12 EUR.
Der Beklagte setzte auch den Leistungsanspruch der Klägerin endgültig fest und bewilligte Basiselterngeld im dritten Lebensmonat
in Höhe von 607,82 EUR und Elterngeld-Plus vom vierten bis 14. Lebensmonat in Höhe von 568,28 EUR. Die Partnerschaftsbonusmonate
stünden der Klägerin nicht zu, da sie in der Zeit vom 20.08.2017 bis 19.09.2017 die Mindeststundenzahl von 110 Stunden nicht
erreicht habe. Daraus resultiere ein Erstattungsanspruch in Höhe von 225,30 EUR (Bescheid vom 13.04.2018). Daraufhin meldete
sich die Klägerin beim Beklagten und teilte mit, dass sie mit der Beigeladenen als ihrer (ehemaligen) Arbeitgeberin gesprochen
habe. Diese stelle eine neue Bescheinigung "mit mehr Stunden" aus, wo "man alten Urlaub noch mit reinnehmen könnte" (Vermerk
des Beklagten vom 20.04.2018).
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin zudem geltend, im Sinne der Beigeladenen habe sie vor ihrem Wechsel zur Stadt T
in der Zeit vom 18.09.2017 bis 20.09.2017 noch verbleibende Überstunden abgebaut und an den restlichen Tagen verbleibenden
Urlaub genommen. Sie habe jetzt mit der Beigeladenen vereinbart, dass sie den Überstundenabbau gegen Urlaubstage austauschen
könne, da aus Sicht der Beigeladenen diesbezüglich formal kein Unterschied bestehe. Sie legte in diesem Zusammenhang eine
Bescheinigung der Beigeladenen vom 20.04.2018 vor, wonach sie vom 20.08.2017 bis 31.08.2017 insgesamt 32,23 Stunden, vom 01.09.2017
bis 19.09.17 insgesamt 79,52 Stunden sowie vom 20.09.2017 bis 30.09.2017 insgesamt 42 Stunden gearbeitet habe. Diesem Vortrag
entsprechend hatte die Beigeladene zuvor u.a. den 17.08. und 18.08.2017 - an diesen Tagen hatte die Klägerin zunächst Erholungsurlaub
genommen - in Freizeitausgleich und den 18.09. und 19.09.2017 - dort hatte die Klägerin Freizeitausgleich erhalten - in Erholungsurlaub
umgewandelt.
Der Kläger schloss sich mit seinem Widerspruch im Wesentlichen den Ausführungen der Klägerin an. Die Bezirksregierung Münster
wies die Widersprüche zurück. Die Klägerin habe im 15. Lebensmonat lediglich 99,75 Stunden gearbeitet. Die neue Bescheinigung
der Beigeladenen ändere daran nichts, denn sie sei rückwirkend ausgestellt (Widerspruchsbescheide vom 18.06.2018).
Am 17.07.2017 haben die Klägerin und der Kläger bei dem SG Dortmund Klage erhoben, die das SG Dortmund getrennt geführt hat
(S 27 EG 26/18 sowie S 27 EG 27/18). Sowohl die Klägerin zu 1 als auch der Kläger zu 2 haben den Streitgegenstand auf die endgültige Festsetzung des 15. bis
18. Lebensmonats sowie die daraus resultierende Erstattungsforderung beschränkt und ihre Ausführungen aus dem Widerspruchverfahren
wiederholt und vertieft.
Sie haben jeweils beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des endgültigen Festsetzungsbescheides vom 12.04.2018 bzw. vom 13.04.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 18.06.2018 zu verurteilen, Elterngeld in Form von Partnerschaftsbonusmonaten vom 15.-18. Lebensmonats des Kindes A zu
gewähren sowie die Erstattungsforderung aufzuheben.
Der Beklagte hat jeweils beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat im Wesentlichen erwidert: Es sei zweifelhaft, ob das Abfeiern von Überstunden als Ausübung einer Erwerbstätigkeit anerkannt
werden könne. Daher werde die nachträgliche Änderung der Stundenzahlen unter Austausch von Tagen, an denen die Klägerin Überstunden
abgebaut habe, nicht akzeptiert. Die in § 4 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BEEG geregelten Vorgaben würden unterlaufen, wenn verbleibende Überstunden aus einem anderen Zeitraum als den relevanten vier
Lebensmonaten berücksichtigt werden könnten. Andernfalls könnte sich ein Elterngeldberechtigter durch Überstundenabbau Partnerschaftsbonusmonate
"erschleichen", obwohl er sich mit den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden außerhalb des vorgegebenen Zeitkorridors bewege.
Der von der Klägerin vorgenommene nachträgliche Austausch von Freizeitausgleich und Erholungsurlaub stelle sich mithin als
rechtsmissbräuchlich dar.
Mit Urteilen vom 05.09.2019 hat das SG den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, Elterngeld in Form von Partnerschaftsbonusmonaten
vom 15. bis 18. Lebensmonat dem Grunde nach zu gewähren und die Erstattungsforderung aufgehoben. Das SG hat in dem die Klägerin betreffenden Urteil u.a. ausgeführt:
"(...) Die Klägerin ist durch die endgültige Festsetzung von Elterngeld vom 15. bis 18. Lebensmonat des Kindes sowie die aus
dieser resultierenden Erstattungsforderung mit dem Bescheid vom 13.04.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2018
beschwert im Sinne von §
54 Abs.
2 S. 1
SGG. Der Bescheid ist rechtswidrig.
Die Klägerin hat Anspruch auf die Gewährung von Partnerschaftsbonusmonaten vom 15. bis 18. Lebensmonat des Kindes.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf die Partnerschaftsbonusmonate ist § 4 Abs. 4 S. 3 BEEG. Danach hat jeder Elternteil Anspruch auf vier weitere Monatsbeiträge Elterngeld Plus (Partnerschaftsmonate), wenn beide
Elternteile in vier aufeinander folgenden Lebensmonaten gleichzeitig nicht weniger als 25 und nicht mehr als 30 Wochenstunden
im Durchschnitt des Monats erwerbstätig sind und die Voraussetzungen des § 1 erfüllen.
Vorliegend erfüllt die Klägerin diese Voraussetzungen. Denn durch den Austausch von Überstundenabbau zu Urlaub an zwei Tagen
im Zeitraum vom 20.08. bis 19.09.2017 hat sie die erforderliche Minimalstundenanzahl von 110 Stunden wöchentlich rückwirkend
nicht mehr unterschritten. Denn Urlaub ist Erwerbstätigkeit i.S.d. § 4 Abs. 4 S. 3 BEEG (BSG, Urteil vom 15.12.2015 - B 19 EG 3/14 R).
Nach Auffassung der Kammer ist ein nachträglicher Austausch von Überstundenabbau zu Urlaub auch nicht aufgrund eines seitens
des Beklagten angenommenen Rechtsmissbrauchs unbeachtlich. Die Figur des Rechtsmissbrauchs hat, wie z.B. auch bei der Verwirkung
einer Forderung, zur Folge, dass der Berechtigte das ihm formal zustehende Rechts nicht ausüben darf. Sie ist eine Ausprägung
des die gesamte Rechtsordnung beherrschenden, in §
242 BGB für das Verhalten des Schuldners im Rahmen zivilrechtliche Schuldverhältnisse geregelte Grundsatzes von Treu und Glauben
(BSG, Urteil vom 25.06.2009 - B 10 EG 3/08 R, Rn. 25). Nach der Rechtsprechung des BSG ist anerkannt, dass ein Recht auf eine Sozialleistung nicht geltend gemacht werden kann, wenn dies sozial unangemessen geschieht
und wenn es der rechtsethischen Funktion des Rechts widerspricht. Der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs orientiert sich
am Schutzbereich der Norm, wobei grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Berechtigte den ihm zustehenden Anspruch im
gesetzlichen Rahmen mit legalen Mitteln ausschöpfen kann (BSG, Urteil vom 25.06.2009 - B 10 EG 3/08 R, Rn. 27). Bei wortgetreuer Anwendung des § 4 Abs. 4 S. 2 BEEG sind der Klägerin die Partnerschaftsbonusmonate zu gewähren. Denn sie hat die erforderliche Stundenzahl an Erwerbstätigkeit
erbracht. Der Umstand, dass die Stundenzahl nur dadurch erreicht wird, dass sie Überstunden in Urlaub verwandelt hat und dies
ausschließlich mit Blick auf den Bezug von Elterngeld, hindert die Wirksamkeit dieser Vereinbarung nicht. Denn die bloße Optimierung
des Elterngeldanspruchs z.B. durch Ausübung steuerlicher Gestaltungsrechte ist nicht per se rechtsmissbräuchlich und z.B.
im Hinblick auf den Steuerklassenwechsel durch das BSG als rechtskonform angesehen worden (BSG, Urteil vom 25.06.2009 - B 10 EG 3/08 R). Aus Sicht des Kindes, welches durch die Eltern betreut und erzogen werden will, ist es auch irrelevant, ob die Eltern nun
aufgrund von Urlaub oder aufgrund von Überstundenabbau zu Hause sind. Denn die Klägerin hat tatsächlich an den zwei fraglichen
Tagen keine Arbeitsleistung erbracht. Der Gesetzesbegründung zur Einführung der Partnerschaftsbonusmonate ist zu entnehmen,
dass diese einen Anlass geben sollen, das gesetzlich vorgegebenen Zeitarrangement auszuprobieren und in die partnerschaftliche Aufgabenverteilung hineinzuwachsen (BT-Drs 18/2583). Gerade junge Familien mit kleinen Kindern bei denen beide Eltern erwerbstätig sind und denen das moderne
Arbeitsrecht die Möglichkeit von Gleitzeit, Überstundenabbau usw. ermöglicht werden mit allen ihnen zur Verfügung stehenden
Mitteln versuchen, Arbeit und Familie zu vereinbaren. Die Partnerschaftsbonusmonate fordern junge Familien geradezu dazu auf,
dies zu erproben. Der Sinn und Zweck der Norm wird durch ein nachträgliches Ändern von Überstundenabbau zu Urlaub auch nicht
unterlaufen, weshalb der Bezug von Elterngeld in den hier streitigen Monaten auch keineswegs unangemessen erscheint.
Mangels endgültiger Festsetzung auf Null entfällt der geltend gemachte Erstattungsanspruch des Beklagten, § 26 Abs. 1 BEEG i.V.m. § 328 Abs. 3
SGB I (...)."
In dem den Kläger betreffenden Urteil hat das SG auf das die Klägerin betreffende Urteil Bezug genommen.
Gegen die ihr am 08.10.2019 zugestellten Urteile hat der Beklagte am 06.11.2019 Berufung erhoben.
Der Beklagte hält daran fest, dass der Austausch von Überstundenabbau zu Urlaub rechtsmissbräuchlich sei. Den gegenteiligen
Ausführungen in dem angefochtenen Urteil sei nicht zu folgen. Soweit das SG darauf abstelle, dass die bloße Optimierung des Elterngeldanspruchs - z.B. durch Ausübung steuerlicher Gestaltungsrechte
- nicht per se rechtsmissbräuchlich und im Hinblick auf den Steuerklassenwechsel durch das BSG nicht als missbräuchlich qualifiziert worden sei, müsse berücksichtigt werden, dass sich der vom BSG entschiedene Sachverhalt auf einen vor Geburt durchgeführten Steuerklassenwechsel bezogen habe.
Der Senat hat beide Berufungsverfahren verbunden und die ehemalige Arbeitgeberin der Klägerin beigeladen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Urteile des SG Dortmund vom 05.09.2019 zu ändern und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin und der Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtenen Urteile.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Der erkennende Senat hat die Personalakten der Klägerin beigezogen und die Beteiligten in einem Erörterungstermin am 31.01.2020
persönlich angehört. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsätze
vom 03.05.2021, 04.05.2021 und 17.05.2021).
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte sowie der beigezogenen Personalakte.
Entscheidungsgründe
1. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten übereinstimmend damit einverstanden
erklärt haben (§
153 Abs.
1 i.V.m. §
124 Abs.
2 SGG).
2. Die Berufung ist auch im Hinblick auf das die Klägerin betreffende Urteil zulässig. Zwar beläuft sich die Festsetzungs-
und Erstattungsentscheidung gegenüber der Klägerin lediglich auf 225,30 EUR und erreicht somit nicht den für die Zulässigkeit
der Berufung vorgesehenen Wert von mehr als 750,00 EUR gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG. Nach §
5 ZPO wird jedoch bei mehreren mit der Klage geltend gemachten geldwerten Ansprüchen deren Wert zusammengerechnet, es sei denn,
die Ansprüche sind wirtschaftlich gesehen identisch, wie bei Aufhebung und Rückforderung derselben Leistung. Dies gilt auch
für den Fall der subjektiven Klagehäufung (Frehse, in: Jansen,
SGG, 4. Aufl. 2012, §
144 Rn. 8c; Werhahn, in: jurisPK-
SGG,
3 Aufl. 2017, §
144 Rn. 21, jeweils m.w.N.). Nach Maßgabe der hier aufgrund der Verbindung vorliegenden subjektiven Klagehäufung sind die die
Klägerin und den Kläger betreffenden Beschwerdewerte zu addieren, so dass sich die Beschwer letztendlich auf 1.265,42 EUR
beläuft.
3. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das SG hat den Beklagten sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zutreffend verurteilt, unter Abänderung der angefochtenen
Bescheide Elterngeld in Form von Partnerschaftsbonusmonaten vom 15. bis 18. Lebensmonat dem Grunde nach zu gewähren und die
gegenüber den Klägern erhobenen Erstattungsforderungen aufgehoben. Der Senat nimmt gemäß §
153 Abs.
2 SGG zunächst Bezug auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die er sich in vollem Umfang zu eigen macht.
a) Wie das SG bereits zutreffend dargelegt hat, bestimmt sich der Anspruch auf Zahlung von Partnerschaftsbonusmonaten nach § 4 Abs. 4 Satz 3 BEEG. Danach hat jeder Elternteil Anspruch auf vier weitere Monatsbeiträge Elterngeld Plus (Partnerschaftsbonus), wenn beide Elternteile
in vier aufeinander folgenden Lebensmonaten gleichzeitig nicht weniger als 25 und nicht mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt
des Monats erwerbstätig sind (Nr. 1) und die Voraussetzungen des § 1 erfüllen (Nr. 2).
b) Die vorbezeichnete Regelung setzt mit der Anknüpfung an 25 bzw. 30 Wochenstunden - unter Zugrundelegung einer Wochenarbeitszeit
von 40 Stunden - eine Erwerbstätigkeit in einem Rahmen von etwa 60 bis 75 Prozent voraus. Gefordert wird damit im Hinblick
auf die Betreuung des Kindes einerseits eine gegenüber einer Vollbeschäftigung spürbare Verringerung der Arbeitszeit, andererseits
eine Erwerbstätigkeit in einem größeren Umfang als nur einer halben Stelle, um die dauerhafte wirtschaftliche Absicherung
der Familie sicherzustellen (Wiegand, in: Wiegand, BEEG - Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 01/19, § 4 BEEG, Rn. 20). Es kommt allein auf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit im Monat an, wobei auf den Lebensmonat abzustellen
ist (SG Berlin, Urteil v. 22.01.2020 - S 2 EG 19/19 m.w.N.). Eltern wird hierdurch die Möglichkeit eingeräumt, das gesetzlich vorgegebene Zeitarrangement auszuprobieren und
in eine partnerschaftliche Aufgabenteilung hineinzuwachsen (Regierungsentwurf, BT-Drs. 18/2583, 29; ausführlich: Brose, in:
Brose/Weth/Volk,
Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 9. Aufl. 2020, § 4 BEEG, Rn. 28).
Für die monatsweise Berechnung ergeben sich unter Zugrundelegung von Ziff. 1.6.1 und Ziff. 4.4.3.2 der Richtlinien zum BEEG die folgenden Zeitkorridore:
Monat
|
Stundenminimum
|
Stundenmaximum
|
28 Tage
|
100
|
120
|
29 Tage
|
103
|
125
|
30 Tage
|
107
|
129
|
31 Tage
|
110
|
133
|
Nehmen Eltern den Partnerschaftsbonus in Anspruch, wird Elterngeld Plus für jeden Elternteil - wie hier durch die Bescheide
vom 18.08.2017 und 19.08.2017 - vorläufig für vier aufeinander folgende Monate bewilligt und gezahlt (§ 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BEEG). Die Voraussetzungen für den Partnerschaftsbonus sind von beiden Elternteilen zu erfüllen, die jeweils einen eigenständigen
Anspruch erwerben (vgl. Röhl, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 4 BEEG, Rn. 32 a.E.). Das Verhalten des einen Elternteils (z.B. wenn ein Elternteil mehr als 30 Wochenstunden im Monatsdurchschnitt
arbeitet) führt in der Regel dazu, dass der durch Elterngeldbescheid festgesetzte Anspruch auf Elterngeld-Plus für beide Elternteile
aufgehoben wird (Brose, in: Brose/Weth/Volk,
Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 9. Aufl. 2020, § 4 BEEG, Rn. 29). Sofern die Voraussetzungen nicht von beiden Elternteilen für die Dauer von vier Monaten eingehalten werden, werden
bereits ausgezahlte Partnerschaftsbonus-Beträge zurückgefordert, und zwar auch dann, wenn nur ein Elternteil die Voraussetzungen
nach§ 4 Abs. 4 Satz 3 nicht erfüllt. Da Elterngeld nur vorläufig bewilligt wird (§ 8 Abs. 3 Satz 1 BEEG) besteht grundsätzlich kein Vertrauensschutz, so dass die Voraussetzungen der §§ 44 ff. SGB X nicht zu prüfen sind (vgl. Regierungsentwurf, BT-Drs. 18/2583, 29; Röhl, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 4 BEEG, Rn. 32 a.E.).
aa) Die Kläger als Eltern ihres am 20.06.2017 geborenen Kindes erfüllen dem Grunde nach die allgemeinen Voraussetzungen für
den Bezug von Elterngeld und Partnerschaftsbonus (§ 4 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 BEEG).
bb) Die vom Kläger in dem hier streitigen Zeitraum vom 20.08.2017 bis 19.12.2017 geleisteten Arbeitsstunden hielten sich ausweislich
der vom Beklagten erfolgten Berechnungen in dem von § 4 Abs. 4 Satz 3 Satz Nr. 1 BEEG geforderten Korridor von nicht weniger als 25 und nicht mehr als 30 Wochenstunden im Monatsdurchschnitt. Dies ist im Übrigen
nicht streitig zwischen den Beteiligten.
cc) Auch die von der Klägerin in dem hier allein streitigen Zeitraum vom 20.08.2017 bis 19.09.2017 geleistete Erwerbstätigkeit
bewegte sich nach der Umwandlung von Erholungsurlaub in Freizeitausgleich (17.08.2017 und 18.08.2017) und von Freizeitausgleich
in Erholungsurlaub (18.09. und 19.09.2017) innerhalb des vorgegebenen Zeitkorridors, nachdem die Beigeladene als ehemalige
Arbeitgeberin diese Umwandung nachträglich auf Anregung der Klägerin vorgenommen hatte. Damit belief sich die Erwerbstätigkeit
der Klägerin nicht nur, wie vom Beklagten zunächst zugrunde gelegt, auf 99,75 Stunden, sondern auf 111,75 Stunden.
(1) Die nachträgliche Umwandlung von Erholungsurlaub in Freizeitausgleich (und umgekehrt) stellt sich aus Sicht des Senats
nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Anerkannt ist, dass z.B. Erholungsurlaub (vgl. BSG, Urteil v. 15.12.2015 - B 10 EG 3/14 R, juris Rn. 13 ff.) eine Erwerbstätigkeit i.S.d. genannten Vorgaben darstellt (vgl. auch Ziff. 1.1.1.3.2 der Richtlinien zum
BEEG) und somit nicht zu einer Reduzierung der geforderten Stundenzahlen führen kann (zur Zahlung von Entgeltersatzleistungen
wie Krankengeld vgl. aber SG Berlin, Urteil v. 22.01.2020 - S 2 EG 19/19, juris Rn. 33 ff.; Röhl, in: BeckOK Arbeitsrecht, § 4 BEEG, Rn. 32).
Ein Rechtsmissbrauch als Ausprägung des die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§
242 BGB) ist gegeben, wenn der Berechtigte kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt oder überwiegende schutzwürdige Interessen
der Gegenpartei entgegenstehen und die Rechtsausübung im Einzelfall zu einem grob unbilligen und mit der materiellen Gerechtigkeit
nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde (BSG, Urteil v. 25.06.2009 - B 10 EG 3/08 R, Rn. 26). Ein Recht auf eine Sozialleistung kann und darf nicht geltend gemacht werden, wenn sich dies als sozial unangemessen
darstellt und wenn es der rechtsethischen Funktion des Rechts widerspricht. Der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs orientiert
sich am Schutzbereich der Norm, wobei grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Berechtigte den ihm zustehenden Anspruch
im gesetzlichen Rahmen mit legalen Mitteln ausschöpfen kann (BSG, Urteil v. 25.06.2009 - B 10 EG 3/08 R, Rn. 27). Ein Missbrauchseinwand kommt demnach vor allem dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten
übersehen hat, die sich erst bei späterer Anwendung des Gesetzes offenbaren und die der Gesetzgeber nach seiner sonstigen
Zielsetzung mit Sicherheit unterbunden hätte (Röhl, jurisPR-SozR 23/2009, Anm. 5, S. 3).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Umstand, dass sowohl die Kläger als auch der Beklagte angenommen haben,
dass der u.a. am 18.09.2017 und 19.09.2017 in Anspruch genommene Freizeitausgleich aufgrund einer damit verbundenen Unterschreitung
der geforderten Stundenzahl anspruchsschädlich sei und die Klägerin daraufhin diese Tage im Einvernehmen mit der Beigeladenen
nachträglich in Erholungsurlaub umgewandelt hat, stellt sich aus Sicht des Senats nicht als Verhalten dar, das einen Missbrauchseinwand
rechtfertigen könnte. Zutreffend weist der Beklagte zwar darauf hin, dass die hier streitige Umwandlung erst vorgenommen wurde,
nachdem die Klägerin Kenntnis davon erlangt hatte, dass der Beklagte Freizeitausgleich nicht als Erwerbstätigkeit akzeptiert.
Dass die nachträgliche Umwandlung von Freizeitausgleich in Erholungsurlaub jedoch zu mit der materiellen Gerechtigkeit nicht
zu vereinbarenden Ergebnissen führt, sieht der Senat gerade unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks nicht. Wie bereits das
SG unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien zutreffend ausgeführt hat, wird Eltern durch die Inanspruchnahme des Partnerschaftsbonusses
die Möglichkeit eingeräumt, das gesetzlich vorgegebene Zeitarrangement auszuprobieren und in eine partnerschaftliche Aufgabenteilung
hineinzuwachsen (Regierungsentwurf, BT-Drs. 18/2583, 29). Dieser Zweck wird durch die streitige Umwandlung nicht konterkariert,
zumal bei nach wie vor bestehender Erwerbstätigkeit der Klägerin die vom Gesetz beabsichtigte wirtschaftliche Absicherung
der Familie zu jeder Zeit sichergestellt war und es sich bei der Umwandlung um ein auch nachträglich legitimes und im Arbeitsrecht
übliches Gestaltungsmittel handelt (vgl. Hinweis des Berichterstatters im Erörterungstermin vom 31.01.2020). Davon, dass der
Gesetzgeber - unter der Voraussetzung, dass man Freizeitausgleich tatsächlich als anspruchsschädlich qualifiziert - einer
nachträglichen Umwandlung von Freizeitausgleich in Erholungsurlaub entgegengetreten wäre, kann sich der Senat nicht überzeugen.
(2) Kein anderes Ergebnis ergibt sich, wenn man Konstellationen der vorliegenden Art unter dem Gesichtspunkt einer teleologischen
Reduktion (vgl. hierzu Röhl, jurisPR-SozR 23/2009, Anm. 5, S. 3 f.) betrachtet. Denn der skizzierte Gesetzeszweck gebietet
hier keineswegs, einen nachträglichen "Tausch" von Freizeitausgleich und Überstunden zu unterbinden, nachdem die Kläger das
in § 4 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BEEG vorgegebene Zeitarrangement testen konnten und vor allem der Familienunterhalt jederzeit sichergestellt war.
(3) Unabhängig davon ist zweifelhaft, ob Freizeitausgleich für geleistete Überstunden grundsätzlich dazu führen kann, nicht
mehr von dem durch § 4 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BEEG geforderten Umfang der Erwerbstätigkeit auszugehen. Im Ergebnis besteht auch bei Freizeitausgleich ein Anspruch auf das vertraglich
vereinbarte bzw. tarifvertraglich vorgesehene Entgelt. Selbst wenn es durch Freizeitausgleich zu "Unterstunden" käme, stünde
einem Anspruchsausschluss die vertraglich vereinbarte und entlohnte Arbeitszeit, nicht aber die tatsächlich (nicht) geleistete
Arbeit entgegen (vgl. auch Hinweise der Berichterstatter vom 30.01.2020 und 31.01.2020). Soweit der Beklagte mit Schriftsatz
vom 31.01.2020 die Auffassung vertreten hat, dass unter Zugrundelegung der Soll-Arbeitszeit der geforderte Stundenkorridor
lediglich im 16. Lebensmonat, also in der Zeit vom 20.09.2017 bis 19.10.2017 erreicht worden sei, folgt der Senat dem nicht.
Auszugehen ist hier von der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Diese belief sich vom 20.08.2017 bis 31.08.2017 auf wöchentlich
18 Stunden und sodann ab 01.09.2017 auf 30 Stunden (Änderungsvertrag zwischen der Beigeladenen und der Klägerin vom 12.07.2016
sowie Arbeitsvertrag zwischen der Stadt T und der Klägerin vom 07.06.2017). Für den hier streitigen Zeitraum vom 20.08.2017
bis 19.09.2017 ergibt sich daraus eine vereinbarte Arbeitszeit von 112,28 Stunden, so dass das Stundenminimum von 110 bei
Monaten mit 31 Tagen überschritten wird.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
5. Der erkennende Senat hat die Revision zugelassen, weil zu dieser grundsätzlichen Frage noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung
vorliegt (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).