Kein Anspruch auf Zurverfügungstellung der elektronischen Version einer Verwaltungsakte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an den Ausschluss isoliert gegen behördliche Verfahrenshandlungen gerichteter Rechtsbehelfe
Gründe
Die Beschwerde vom 06.04.2021 gegen den am 26.03.2021 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 22.03.2021, mit
dem das Sozialgericht den sinngemäßen Antrag des Antragstellers (§
123 SGG), im Wege einer einstweiligen Anordnung seinen im Verfahren S 79 U 884/18 gestellten Anträgen zu entsprechen, d.h. die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die
ihn betreffende Verwaltungsakte betreffend die Anerkennung und Folgen eines Arbeitsunfalls vom 04.03.2010 (betrieblich veranlasste
Impfung mit anschließendem Guillain-Barré-Syndrom) mit dem Aktenzeichen 15 S 11 2010 012489 ab Seite 4658 in Kopie sowie vollständig
in einer auf CD-ROM gespeicherten elektronischen Version kostenlos zur Verfügung zu stellen, abgelehnt hat, ist zulässig,
aber unbegründet.
I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß §
172 Abs.
1 SGG statthaft und gemäß §
173 Abs.
1 SGG fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerde ist auch nicht gemäß §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG ausgeschlossen.
Nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der
Zulassung bedürfte. Nach §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder
Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung
wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Die Berufung in der Hauptsache, die hier im Übrigen unter dem Aktenzeichen S 79 U 884/18 bereits anhängig ist, bedürfte nicht nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG der Zulassung, weil die Beteiligten nicht um Leistungen im Sinne dieser Vorschrift streiten. Zwar kommt es nicht darauf an,
ob es sich bei den begehrten Leistungen um Sozialleistungen im Sinne von §
11 SGB I handelt (BSG, Urt. v. 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R -, juris Rn. 11; Wehrhahn, in: jurisPK-
SGG, §
144 Rn. 13 m.w.N.). Nicht zu den behördlichen Handlungen, auf die ein Leistungsanspruch im Sinne des §
144 Abs
1 Satz 1 Nr.
1 SGG bestehen könnte, gehören jedoch Handlungen, die den Sozialleistungsträgern durch das Verwaltungsverfahrensrecht auferlegt
sind, das dafür sorgt, dass über die sozialrechtlichen Leistungen in einem rechtsstaatlichen Verfahren entschieden wird. Zu
diesen behördlichen Verfahrenshandlungen gehört auch die vom Antragsteller begehrte Übersendung von kostenlosen Kopien der
über ihn geführten Verwaltungsakte. Bezüglich eines solchen Verwaltungshandelns besteht kein Grund, die Instanzenbeschränkung
des §
144 SGG zum Nachteil eines Betroffenen eng so auszulegen, dass sich diese auch auf einen Streit um ein grundlegendes Bürgerrecht
gegenüber der Verwaltung erstreckt. Denn in einem ordnungsgemäßen sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren soll die Behörde
so handeln, dass über die sozialrechtliche Leistung in einem rechtsstaatlichen Verfahren entschieden wird. Maßnahmen, die
es dem Betroffenen ermöglichen, sein Recht auf Gehör sachgemäß zur Geltung zu bringen, sind daher grundsätzlich nicht von
der Berufungseinschränkung erfasst (so BSG, Urt. v. 14.12.1988 - 9/43b RV 55/86 -, juris Rn. 13; Urt. v. 28.06.1991 - 2 RU 24/90 -, juris Rn. 15; Bayerisches LSG, Beschl. v. 20.10.2011 - L 7 AS 142/11 NZB -, juris Rn. 8 f.; Karl, in: Zeihe/Hauck,
SGG, §
144 Anm. 7a gg)).
II. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
1. Die vom Antragsteller primär begehrte Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung des Verfahrens an das
Sozialgerichts Dortmund wegen angeblicher Verfahrensfehler des Sozialgerichts scheidet aus, weil es insoweit an einer Rechtsgrundlage
fehlt.
Es kann dahinstehen, ob das Sozialgericht verfahrensfehlerhaft gehandelt hat, weil der Kammervorsitzende ein mit "Beschluss"
überschriebenes, aber ohne volles Rubrum und vollständige Rechtsmittelbelehrung versehenes Schriftstück unterschrieben hat
oder ob wegen der in §
142 Abs.
1 SGG für ohne mündliche Verhandlung ergangene Beschlüsse fehlenden Verweisung auf §
136 SGG anders als bei Urteilen (siehe hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl. 2020, §
134 Rn. 2b m.w.N.) die Unterschrift unter einen Beschluss ohne Rubrum und Rechtsmittelbelehrung zulässig ist. Ebenso wenig braucht
entschieden zu werden, ob das Sozialgericht den Anspruch des Antragstellers auf Gewährleistung rechtlichen Gehörs (§
62 SGG, Art.
103 Abs.
1 GG) dadurch verletzt hat, dass es bereits am 22.03.2021 über den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes entschieden
hat, obwohl dem Antragsteller das im Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen S 79 U 116/21 ER unter dem 09.03.2021 verfasste richterliche Schreiben, mit dem der zuständige Kammervorsitzende den Antrag des Antragstellers
auf Gewährung von Fristverlängerung zur Begründung seines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz vom 07.03.2021 abgelehnt
und eine Frist von einer Woche zur Erledigung der Anforderungen aus der richterlichen Verfügung vom 26.02.2021 für ausreichend
gehalten hat, erst am 17.03.2021 vom Sozialgericht an den Antragsteller versandt wurde und diesem erst am 19.03.2021 zugegangen
ist, wie der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung vorträgt, und ob der angefochtene Beschluss, der tragend darauf
abstellt, dass der Antragsteller bis zur Beschlussfassung am 22.03.2021 nicht reagiert hat, auf einer möglichen Verletzung
rechtlichen Gehörs beruht.
In jedem Fall könnte ein etwaiger Verfahrensfehler des Sozialgerichts nicht in entsprechender Anwendung von §
159 SGG, der allein als Rechtsgrundlage für das primäre Begehren des Antragstellers in Betracht kommt, nicht zur Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Sozialgericht führen. Insoweit kann dahinstehen, ob die für das Berufungsverfahren
geltende Vorschrift des §
159 SGG überhaupt in Beschwerdeverfahren in einstweiligen Rechtsschutzverfahren entsprechende Anwendung findet (dafür z.B. Keller,
in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl. 2020, §
159 Rn. 1a m.w.N.; dagegen wohl Sommer, in: Roos/Wahrendorf,
SGG, §
159 Rn. 5). Jedenfalls liegen die Voraussetzungen der bei Verfahrensfehlern des Sozialgerichts einschlägigen Vorschrift des §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung nur dann aufheben und die Sache
an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn aufgrund des Verfahrensfehlers des Sozialgerichts eine umfangreiche und aufwendige
Beweisaufnahme notwendig ist. Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall, da, wie der Antragsteller selbst auch erkennt,
im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein über Rechtsfragen zu entscheiden sind. Darüber hinaus steht die
Entscheidung nach §
159 SGG im Ermessen des Landessozialgerichts. In einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist eine Zurückverweisung in der Regel wegen
der vorausgesetzten Eilbedürftigkeit nicht sachdienlich (Keller, a.a.O.). Auch hier ist dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers
am ehesten dadurch gedient, dass das Beschwerdegericht selbst über die vom Antragsteller aufgeworfenen Rechtsfragen entscheidet.
Vor allem wird eine etwaige Gehörsverletzung des Sozialgerichts dadurch im Beschwerdeverfahren geheilt, dass der Senat den
nach Beschlussfassung durch das Sozialgericht am 24.03.2021 dort eingegangenen Schriftsatz des Antragstellers vom 20.03.2021
sowie die Beschwerdebegründung vom 16.04.2021 und 27.04.2021 zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung erwogen hat
(siehe zur Heilung von Gehörsverletzungen im Rechtsmittelverfahren Keller, a.a.O., §
62 Rn. 11e; Senger, in: jurisPK-
SGG, §
62 Rn. 42).
Dahinstehen kann auch, ob die dem Antragsteller zugestellte Ausfertigung des Beschlusses (vgl. §
142 Abs.
3 SGG) fehlerhaft oder sogar unwirksam ist, weil der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Beschluss um das Rubrum ergänzt und
damit möglicherweise keine wortgetreue Abschrift erstellt hat (vgl. zu diesem Erfordernis Keller, a.a.O., § 137 Rn. 2). Eine
unwirksame Ausfertigung hätte lediglich zur Folge, dass die Rechtsmittelfrist nicht liefe (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 3). Hierauf
kommt es jedoch nicht an, weil der Antragsteller die Beschwerdefrist nach §
173 SGG eingehalten hat.
2. Das Sozialgericht hat den Erlass der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnung im Ergebnis auch zu Recht abgelehnt.
a) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem vom Antragsteller sinngemäß begehrten Inhalt, die Antragsgegnerin
zu verpflichten, ihm die ihn betreffende Verwaltungsakte mit dem Aktenzeichen 15 S 11 2010 012489 ab Seite 4658 in Kopie sowie
vollständig in einer auf CD-ROM gespeicherten elektronischen Version kostenlos zur Verfügung zu stellen, ist allerdings -
ebenso wie die Klage in der Hauptsache - bereits gemäß §
56a Satz 1
SGG unzulässig.
Nach §
56a Satz 1
SGG können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen
Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Diese Regelung führt zum Ausschluss und damit zur Unzulässigkeit eines isoliert gegen
eine behördliche Verfahrenshandlung oder die Ablehnung ihrer Vornahme gerichteten Rechtsbehelfs und gilt auch in Verfahren
des einstweiligen Rechtsschutzes (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl. 2020, §
56a Rn. 3; Scholz, in: Roos/Wahrendorf,
SGG, §
56a Rn. 9; Axer, in: jurisPK-
SGG, §
56a Rn. 19). Zu den Verfahrenshandlungen, die danach nicht selbständig angegriffen werden können, gehört auch die Verweigerung
oder Beschränkung von Akteneinsicht, namentlich auch die Verweigerung der Übersendung von kostenlosen Kopien der Verwaltungsakte,
sei es auf Papier oder elektronisch auf Datenträger gespeichert, wenn ein noch laufendes oder bei Gericht anhängiges Verwaltungsverfahren
betroffen ist (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.1988 - 9/43b RV 55/86 -, juris Rn. 18 ff.; Urt. v. 28.06.1991 - 2 RU 24/90 -, juris Rn. 19; Urt. v. 10.12.1992 - 11 RAr 71/91 -, juris Rn. 13; Hessisches LSG, Beschl. v. 07.11.2014 - L 6 AS 722/14 B ER -, juris Rn. 26 m.w.N.; kritisch hierzu Siefert, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 25 Rn. 47 ff.). So liegt der Fall auch hier, weil über Folgen und etwaige unfallversicherungsrechtliche Ansprüche wegen des
von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannten Ereignisses vom 04.03.2010, mit denen sich die streitgegenständliche Verwaltungsakte
Az.: 15 S 11 2010 012489 befasst, unter den Aktenzeichen S 79 U 911/16 (Heilbehandlung) und S 79 U 275/17 (Verletztenrente) jedenfalls zwei Klageverfahren beim Sozialgericht Dortmund anhängig sind.
Zwar ist eine Ausnahme von diesen Grundsätzen zu machen und damit eine selbständige gerichtliche Kontrolle der Entscheidung
zur Akteneinsicht zulässig, wenn diese zur Wahrung der Grundrechte oder des rechtlichen Gehörs sofort erfolgen muss, weil
andernfalls das Recht auf effektiven Rechtsschutz nicht gewahrt werden könnte (vgl. BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des Ersten
Senats v. 24.10.1990 - 1 BvR 1028/90 -, juris Rn. 24 ff.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht vor.
Ausweislich der Begründung des vom Senat beigezogenen Widerspruchsbescheids vom 15.11.2018 sowie des dort in Bezug genommenen
Schreibens der Antragsgegnerin vom 09.07.2018 und der Angaben der Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren S 79 U 884/18, denen der Antragsteller insoweit nicht widersprochen hat und von deren Richtigkeit sich der Senat durch Einsichtnahme in
die im Verfahren L 15 U 176/21 B ER übersandte Verwaltungsakte überzeugt hat, umfasst der Inhalt der streitgegenständlichen Verwaltungsakte - neben Schriftwechseln
aus einem für die Führung sozialgerichtlicher Verfahren nicht relevanten datenschutzrechtlichen Beschwerdeverfahren des Klägers
bei der Bundesdatenschutzbeauftragten - ab Seite 4658 ausschließlich solche Schriftstücke und Vorgänge, die Gegenstand der
diversen beim Sozialgericht Dortmund anhängigen Klageverfahren sind. Es ist davon auszugehen, dass diese dem Antragsteller
im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Sozialgericht bereits zugänglich gemacht bzw. zugeschickt worden sind,
sodass der Antragsteller damit faktisch den Inhalt der Verwaltungsakte auch ab Seite 4658 bereits kennen dürfte. Darüber hinaus
steht dem Antragsteller für die Dauer der sozialgerichtlichen Verfahren S 79 U 911/16 und S 79 U 275/17 das Akteneinsichtsrecht aus §
120 SGG zu. In diesen Klageverfahren hat das Sozialgericht die streitgegenständliche Verwaltungsakte beigezogen, so dass sich das
Akteneinsichtsrecht nach §
120 SGG auch auf diese Verwaltungsakte erstreckt (vgl. hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl. 2020, §
120 Rn. 3). Nach §
120 Abs.
1 Satz 2
SGG kann sich der Antragsteller auf seine Kosten auch Ausdrucke oder Abschriften von der beigezogenen Verwaltungsakte erteilen
lassen. Dass er nicht in der Lage ist, diese Kosten aufzubringen, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Vielmehr geht der
Antragsteller bereits ausweislich seines im Hauptsacheverfahren S 79 U 884/18 eingereichten Schriftsatzes vom 15.07.2019 selbst davon aus, dass die mit der Erfüllung seines Begehrens verursachten Kosten
nur geringfügig sind. Soweit der Antragsteller schließlich meinen sollte, dass ihm in den genannten gerichtlichen Verfahren
der Inhalt der Verwaltungsakte unvollständig zugänglich gemacht worden sei, kann er dies dem Sozialgericht gegenüber in diesem
Verfahren geltend machen. Das Sozialgericht muss dann, wenn es seine Entscheidung auf den entsprechenden Inhalt der Verwaltungsakte
stützen möchte, zur Gewährleistung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens dafür sorgen, dass der Antragsteller sämtliche
fehlenden Schriftstücke zur Verfügung gestellt bekommt. Ebenso muss das Sozialgericht, wenn der Antragsteller glaubhaft den
Inhalt von Schriftsätzen der Antragsgegnerin nicht nachvollziehen kann, weil diese auf bestimmte, dem Antragsteller nicht
bekannte Seitenzahlen in der Verwaltungsakte verweisen, aus Gründen richterlicher Fürsorge die Antragsgegnerin um Klarstellung
ihres Vorbringens bitten oder selbst für eine entsprechende Klarstellung sorgen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich
und ist vom Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht worden, dass das Sozialgericht diesem Anliegen des Antragstellers nicht
nachkommen und dessen Verfahrensrechte missachten wird.
Die Anwendung von §
56a Satz 1
SGG scheidet auch nicht deshalb aus, weil der Antragsteller sein Begehren auch auf datenschutzrechtliche Vorschriften stützt.
Unabhängig davon, ob die vom Antragsteller als Anspruchsgrundlage genannte Vorschrift des Art 15 Abs. 3 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) inhaltlich sein Begehren stützt (siehe dazu unten) und ob über datenschutzrechtliche Ansprüche eine gesonderte Verwaltungsentscheidung
durch Verwaltungsakt ergehen muss (vgl. zu einem Auskunftsbegehren nach Art 15 Abs. 1 DSGVO LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 24.03.2021 - L 12 AS 2102/19 -, juris Rn. 57 ff.), verfolgt der Antragsteller nach seinem gesamten Vorbringen im vorliegenden Verfahren wie auch im Hauptsachverfahren
S 79 U 884/18 allein das Ziel, durch die begehrte kostenlose Zurverfügungstellung der Kopie der streitgegenständlichen Verwaltungsakte
in Papierform sowie in einer auf Datenträger gespeicherten Version seine verfahrensrechtlichen Rechte u.a. in den Verfahren
S 79 U 911/16 und S 79 U 275/17 zu sichern und die seiner Auffassung nach bestehenden Ansprüche auf Heilbehandlung und Verletztenrente effektiver verfolgen
zu können. Um die Wahrung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geht es ihm offensichlich nicht, zumal ihm auch
bekannt ist, über welche seiner personenbezogenen Daten die Antragsgegnerin verfügt. §
56a Satz 1
SGG ist dementsprechend nach seinem Sinn und Zweck einschlägig.
Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens wie auch des Hauptsacheverfahrens S 79 U 884/18 ist auch keine Entscheidung nach § 9 Abs. 1 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes, die gemäß § 9 Abs. 4 IFG gesondert
anfechtbar wäre. Im Bescheid vom 25.10.2018 und im Widerspruchsbescheid vom 15.11.2018 hat sich die Antragsgegnerin allein
mit einem Anspruch des Antragstellers als Verfahrensbeteiligten aus § 25 SGB X befasst. Auf das IFG ist sie nicht eingegangen. Im Übrigen wäre gegen eine Entscheidung nach § 9 Abs. 1 IFG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet (BSG, Beschl. v. Beschl. v. 04.04.2012 - B 12 SF 1/10 R -, juris Rn. 14 ff.).
Schließlich ist auch die in §
56a Satz 2
SGG ausdrücklich geregelte Ausnahme (vollstreckbare behördliche Verfahrenshandlungen oder behördliche Verfahrenshandlungen gegen
einen Nichtbeteiligten) offensichtlich nicht einschlägig.
b) Darüber hinaus ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch unbegründet.
Nach §
86b Abs.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin
vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile
nötig erscheint (Satz 2). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des
materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die
Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch
und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§
86 Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung -
ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund,
wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten
das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese
Möglichkeit spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B -, juris Rn. 6).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
aa) Der Antragsteller hat bereits einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
(1) Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 25 Abs. 5 Satz 2 SGB X, wonach, soweit die Akteneinsicht in eine elektronische Akte zu gestatten ist, die Behörde Akteneinsicht gewähren kann, indem
sie Unterlagen ganz oder teilweise ausdruckt, elektronische Dokumente auf einem Bildschirm wiedergibt, elektronische Dokumente
zur Verfügung stellt oder den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akte gestattet.
Abgesehen davon, dass sich aus dieser Vorschrift nicht zwingend ein Anspruch auf kostenlose Überlassung einer Kopie oder einer
auf Datenträger gespeicherten Version einer Verwaltungsakte ergibt, weil die Behörde nach § 25 Abs. 5 Satz 3 SGB X im Rahmen ihres Ermessens Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen kann, ist bereits der Anwendungsbereich
dieser Vorschrift nicht eröffnet.
§ 25 SGB X regelt ausschließlich die Gewährung von Akteneinsicht während eines Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 8 SGB X. Dieses findet seinen Abschluss grundsätzlich mit Erlass eines Verwaltungsaktes oder eines öffentlich-rechtlichen Vertrages.
Wird gegen einen erlassenen Verwaltungsakt Widerspruch eingelegt, gilt für die Dauer des Widerspruchsverfahrens, wie sich
im Umkehrschluss aus §
84a SGG ergibt, § 25 SGB X entsprechend. Wird nach erfolglosem Widerspruch allerdings Klage erhoben, endet der Anwendungsbereich von § 25 SGB X, weil nunmehr §
120 SGG eingreift, der das Akteneinsichtsrecht für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens abschließend und gegenüber § 25 SGB X speziell regelt (zum Ganzen Siefert, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 25 Rn. 26; Franz, in: jurisPK-SGB X, § 25 Rn. 16, 20; offengelassen BSG, Urt. v. 28.06.1991 - 2 RU 24/90 -, juris Rn. 16).
Nach diesen Grundsätzen scheidet § 25 Abs. 5 Satz 2 SGB X als Anspruchsgrundlage schon deshalb aus, weil über verschiedene mögliche Folgen und Ansprüche aus dem Ereignis vom 04.03.2010,
mit denen sich die streitgegenständliche Verwaltungsakte Az.: 15 S 11 2010 012489 befasst, wie bereits ausgeführt, Klageverfahren
beim Sozialgericht Dortmund anhängig sind. In diesen Klageverfahren hat das Sozialgericht die streitgegenständliche Verwaltungsakte
beigezogen. Das gegenüber § 25 SGB X vorrangige Akteneinsichtsrecht nach §
120 SGG erstreckt sich dementsprechend, wie bereits ausgeführt, auch auf diese Verwaltungsakte. Dass parallel zu diesem Klageverfahren
noch weitere Verwaltungsverfahren wegen der Folgen des Ereignisses vom 04.03.2010, z.B. aufgrund eines Überprüfungsantrags
nach § 44 SGB X, bei der Antragsgegnerin anhängig sind, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
Auch unabhängig von den vorstehenden Überlegungen scheidet ein Anspruch des Antragstellers aus § 25 Abs. 5 Satz 2 SGB X, dem im Wege einer einstweiligen Anordnung entsprochen werden könnte, aus, weil die Vorschrift der Antragsgegnerin Ermessen
einräumt und eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vorliegt (vgl. zum Erlass einer einstweiligen Anordnung bei im Ermessen
der Behörde stehenden Leistungen nur bei Vorliegen einer Ermessensreduzierung auf Null LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v.
06.06.2018 - L 9 AL 92/18 B ER -, juris Rn. 1; Burkiczak, in: jurisPK-
SGG, §
86b Rn. 332 m.w.N.). Es ist nicht ersichtlich, dass jede andere Entscheidung als die vom Antragsteller begehrte kostenlose Zurverfügungstellung
einer Kopie der streitgegenständlichen Verwaltungsakte ab Seite 4658 oder einer auf Datenträger gespeicherten vollständigen
Version der Verwaltungsakte ermessensfehlerhaft wäre. Wie bereits ausgeführt, umfasst der Inhalt der streitgegenständlichen
Verwaltungsakte ab Seite 4658 - neben Schriftwechseln aus einem für die Führung sozialgerichtlicher Verfahren nicht relevanten
datenschutzrechtlichen Beschwerdeverfahren des Klägers bei der Bundesdatenschutzbeauftragten - ausschließlich solche Schriftstücke
und Vorgänge, die Gegenstand der beim Sozialgericht Dortmund anhängigen Klageverfahrens sind. Diese sollten dem Antragsteller
im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Sozialgericht bereits zugänglich gemacht bzw. zugeschickt worden sein,
sodass der Antragsteller damit faktisch den Inhalt der Verwaltungsakte bereits kennen dürfte. Von daher existieren durchaus
Umstände, die die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Ermessens zu Recht dazu veranlassen könnten, das Begehren des Antragstellers
auf kostenlose Zurverfügungstellung einer Kopie der streitgegenständlichen Verwaltungsakte ab Seite 4658 oder einer auf Datenträger
gespeicherten vollständigen Version der Verwaltungsakte abzulehnen, weil dem Antragsteller hierdurch keine wesentlichen Nachteile
bei seiner Rechtsverfolgung drohen.
Im Übrigen vermag der Senat auch in der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2018, die wesentlich darauf abstellt,
dass der Antragsteller Akteneinsicht nach §
120 SGG beim Sozialgericht nehmen kann, keine Ermessensfehler zu erkennen.
(2) Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 8 EGovG. § 8 EGovG selbst schafft kein eigenständiges Akteneinsichtsrecht,
sondern setzt dieses voraus. Die Regelung hat lediglich klarstellende Bedeutung (Siefert, a.a.O., Rn. 43; Müller ZFSH/SGb
2019, 73, 81). Im Übrigen geht die Vorschrift inhaltlich nicht über § 25 Abs. 5 Satz 2 SGB X hinaus, sodass auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden kann.
(3) Ebenso wenig kommt Art. 15 Abs. 3 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) als Anspruchsgrundlage in Betracht.
Nach dieser Vorschrift stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung
sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes
Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so sind die
Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.
Unabhängig davon, ob sich aus dieser Vorschrift, ggf. i.V.m. Art. 12 Abs. 5 oder Art. 20 DSGVO, der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf kostenlose Bereitstellung von Kopien oder von auf einer CD-ROM gespeicherten
Daten ergibt, bezieht sich diese Vorschrift, wie sich aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO ergibt, ausschließlich auf personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Darum geht es dem Antragsteller jedoch nicht, denn ihm sind sämtliche Informationen, die sich auf ihn beziehen und die Gegenstand
der Verarbeitung der Antragsgegnerin im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO sind, bereits bekannt. Ziel seines Begehrens ist ausweislich seines Vorbringens im Schriftsatz vom 20.03.2021 vielmehr, die
genaue Struktur und die Seitenzahlen der streitgegenständlichen Verwaltungsakte zu erfahren, damit er etwaige Bezugnahmen
der Antragsgegnerin auf einzelne Seiten der Verwaltungsakte in den anhängigen Klageverfahren nachvollziehen kann. Darüber
hinaus möchte er sich über verwaltungsinterne Vorgänge, wie z.B. eine Abhilfeprüfung vom 02.12.2020, informieren. Die Ansprüche
aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO erstrecken sich jedoch nicht auf rein interne Verwaltungsvorgänge, rechtliche Bewertungen und Analysen, sondern sollen sicherstellen,
dass die Betroffenen den Umfang und Inhalt der gespeicherten personenbezogenen Daten beurteilen können. Sie dienen allein
dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und nicht wie die aus § 25 SGB X und §
120 SGG folgenden Akteneinsichtsrechte dazu, rechtliches Gehör oder "Waffengleichheit" in einem gerichtlichen Verfahren zu gewährleisten.
Art. 15 DSGVO begründet dementsprechend keinen Anspruch der betroffenen Person auf Kopien aller sie betreffenden Schriftstücke, Dateien
oder Akten selbst, sondern lediglich auf eine aggregierte Auskunft bzw. zusammenfassende Übersicht über in Schriftstücken
oder Dateien enthaltene bzw. gespeicherte oder verarbeitete aussagekräftige einzelne konkrete personenbezogene Daten der betroffenen
Person bzw. eine Kopie dieser Daten (LG Köln, Urt. v. 18.03.2019 - 25 O 25/18 -, juris Rn. 19; Klinger, jurisPR-ITR 14/2019 Anm. 5 m.w.N.).
(4) Schließlich scheidet auch § 1 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) als Grundlage der vom Antragsteller geltend gemachten
Ansprüche aus. Abgesehen davon, dass es hier an der nach § 9 Abs. 1 bis 3 IFG erforderlichen Verwaltungsentscheidung durch
einen auf Ansprüche aus dem IFG bezogenen Verwaltungsakt, der gemäß § 9 Abs. 4 IFG vor den Verwaltungsgerichten angefochten
werden kann, fehlt, wird der Anspruch aus § 1 Abs. 1 IFG gemäß §
1 Abs.
3 IFG durch das prozessrechtliche Akteneinsichtsrecht aus §
120 SGG verdrängt (zum Vorrang prozessrechtliche Akteneinsichtsrechte gegenüber dem Anspruch nach §
1 IFG siehe Longrée/Maiwurm, MDR 2015, 805, 806). Wie bereits ausgeführt, erstreckt sich dieses Akteneinsichtsrecht auch auf die in den Verfahren S 79 U 911/16 und S 79 U 275/17 beigezogene Verwaltungsakte mit dem Aktenzeichen 15 S 11 2010 012489.
bb) Darüber hinaus hat der Antragsteller auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es ist weder ersichtlich noch vom
Antragsteller glaubhaft gemacht, dass und warum ihm durch das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache S 79 U 884/18 schwere Nachteile drohen sollen, so dass ihm das Abwarten dieser Entscheidung unzumutbar wäre. Dass der Antragsteller der
Meinung ist, das Sozialgericht hätte schon längst über die Klage in der Hauptsache entscheiden können, vermag eine für den
Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche besondere Eilbedürftigkeit nicht zu begründen. Insoweit steht dem Antragsteller
das Verfahren nach §
202 Satz 2
SGG i.V.m. §
198 ff.
GVG offen, von dem er durch das Erheben einer Verzögerungsrüge nach §
198 Abs.
3 GVG bereits Gebrauch gemacht hat. Das Verfahren nach §
86b Abs.
2 SGG dient nicht dazu, ungeduldigen Klägerinnen und Klägern möglichst rasch zu ihrem vermeintlichen Recht zu verhelfen. Es setzt
vielmehr voraus, dass objektiv eine besondere Eilbedürftigkeit in Gestalt schwerer und unzumutbarer Nachteile durch das Abwarten
der Entscheidung in der Hauptsache vorliegt, an die zwar bei offensichtlichem Bestehen eines Anordnungsanspruchs - was hier
allerdings nicht vorliegt (siehe aa)) - geringere Anforderungen zu stellen sind, auf die jedoch nicht gänzlich verzichtet
werden kann (siehe hierzu Burkiczak, in: jurisPK-
SGG, §
86b Rn. 399 f. m.w.N.). Hierzu hat der Antragsteller nichts Erhebliches vorgetragen. Vor allem ist weder ersichtlich noch glaubhaft
gemacht, dass der Antragsteller seine verfahrensrechtlichen Rechte in den Verfahren S 79 U 911/16 und S 79 U 275/17 nicht dadurch wahren kann, dass er in den dortigen Verfahren von seinem Recht aus §
120 SGG Gebrauch macht. Auf die vorstehenden Ausführungen unter a) wird Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).