Anspruch auf Verzinsung der Nachzahlung einer Regelaltersrente nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte
Anforderungen an die Fälligkeit des Nachzahlungsanspruchs bei der Begründung eines Sozialleistungsanspruchs durch ein rückwirkendes
Leistungsgesetz
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ab welchem Zeitpunkt die Nachzahlung von Regelaltersrente (RAR) nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) zu verzinsen ist.
Der 1943 geborene Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs. Im März 2010 stellte er bei der Beklagten einen
Antrag auf Gewährung von RAR. Im Antragsformular gab er an, das Unternehmen weiterführen zu wollen. Die Beklagte lehnte den
Antrag mit Bescheid vom 1.6.2010 unter Hinweis darauf ab, dass ein Anspruch auf RAR die Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft
erfordere ( § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG in der damals geltenden Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur
Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung - RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007,
im Folgenden: ALG a.F.). Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er die gesetzliche Pflicht zur Abgabe des
Unternehmens für verfassungswidrig halte. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5.8.2010 zurück.
Das sich anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Münster (S 14 LW 17/10) wurde im Januar 2012 im Hinblick auf vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu dieser Frage anhängige Musterverfahren
zum Ruhen gebracht.
Im Dezember 2015 stellte der Kläger einen erneuten Rententrag und überreichte einen Vertrag über die Verpachtung landwirtschaftlicher
Flächen ab dem 1.1.2016. Die Beklagte bewilligte ihm hierauf ab diesem Datum RAR (Bescheid vom 2.2.2016).
Das BVerfG entschied mit Beschluss vom 23.5.2018 (1 BvR 97/14 , 1 BvR 2392/14), dass die in § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG a.F. geregelte Koppelung der RAR an die Abgabe des landwirtschaftlichen Hofs in bestimmten Härtefallkonstellationen nicht
mehr die Grenze der Zumutbarkeit wahre, in diesem Umfang mit Art.
14 Grundgesetz (
GG) unvereinbar und damit unanwendbar sei. Die Vorschrift werde insgesamt für unanwendbar erklärt, weil es dem Gesetzgeber obliege,
die Fälle einer Unzumutbarkeit der Hofabgabe näher zu bestimmen. Von einer Nichtigerklärung werde abgesehen, weil der Gesetzgeber
verschiedene Möglichkeiten habe, die Verfassungswidrigkeit zu beheben.
Mit Art. 4a Nr. 4, Art. 6 Abs. 3 des Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung
(Qualifizierungschancengesetz) vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2651) hob der Gesetzgeber die Hofabgabeklausel des § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG mit Wirkung vom 9.8.2018 auf.
Die Beklagte erklärte sich bereit, dem Kläger RAR für die Zeit ab dem 1.3.2010 unter der Bedingung zu gewähren, dass der als
Gegenstand des Klageverfahrens für die Zeit ab dem 1.1.2016 nach Hofabgabe erteilte Rentenbescheid vom 2.2.2016 anfänglich
aufgehoben und die Nachzahlung aus der Rentenbewilligung ab dem 1.3.2010 mit der zu erstattenden Rentenüberzahlung auf Grund
der rückwirkenden Aufhebung des Bescheids aufgerechnet werde. Die ab Januar 2016 bewilligte Rente enthalte einen Zuschlag
wegen Nichtinanspruchnahme für 92 Monate, der bei dem früheren Rentenbeginn ab 1.3.2010 niedriger sein werde. Nach Annahme
des Anerkenntnisses durch den Kläger führte sie dieses mit Bescheid vom 29.5.2019 aus und errechnete einen Nachzahlungsanspruch
in Höhe von 19.898,69 Euro, der im Juni 2019 an den Kläger ausgezahlt wurde.
Mit weiterem Bescheid vom 31.5.2019 bewilligte die Beklagte dem Kläger aus der Nachzahlung für die Zeit vom 1.3.2010 bis 31.5.2019
Zinsen in Höhe von 666,40 Euro. Aus der aufgeführten Berechnung ergeben sich Zinsbeträge für die Monate Oktober 2018 bis Mai
2019 zu Rentenansprüchen aus den Monaten August 2018 bis März 2019. Im vorigen Zeitraum für Ansprüche ab dem 1.3.2010 bis
zum 31.7.2018 finde eine Verzinsung gem. §
44 Abs.
2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) nicht statt, da der Gesetzgeber die Hofabgabe als Voraussetzung einer RAR nach dem ALG zum 9.8.2018 abgeschafft habe. Ansprüche bis zum 31.7.2018 seien damit erst am 9.8.2018 fällig geworden und die Ansprüche
ab dem 1.8.2018 würden am Ende des jeweiligen Kalendermonats fällig. Für Rentenansprüche ab dem 1.4.2019 seien Zinsen aufgrund
des Zinsendes gem. §
44 Abs.
1 SGB I nicht zu gewähren.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 18.6.2019 machte der Kläger geltend, dass die Rente rückwirkend ab dem 1.3.2010
zu zahlen gewesen sei und eine Verzinsung dementsprechend gem. §
44 Abs.
2 SGB I nach Ablauf von sechs Kalendermonaten, somit ab dem 1.9.2010, zu erfolgen habe. Nach seiner Berechnung bestehe ein Anspruch
auf Zinsen in Höhe von insgesamt 7.159,57 Euro.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.7.2019 zurück. Gemäß §
44 Abs.
1 SGB I seien Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des
Kalendermonats vor der Zahlung mit vier Prozent zu verzinsen. Eine Abgabe des Hofes sei erst mit den durch das Qualifizierungschancengesetz
zum 9.8.2018 in Kraft getretenen Änderungen des § 11 ALG nicht mehr Rentenvoraussetzung und Rentenansprüche auf der Grundlage dieser gesetzlichen Neuregelung daher erst Ende August
2018 fällig geworden. Die Verzinsung der errechneten Netto-Rentennachzahlung für den Zeitraum ab dem 1.3.2010 beginne daher
am 1.10.2018. Ihre Zinsberechnung sei zutreffend.
Der Kläger hat am 8.8.2019 beim SG Münster Klage gegen den Bescheid vom 31.5.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
11.7.2019 erhoben und zur Klagebegründung auf sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren nebst Zinsberechnung Bezug genommen.
Er hat beantragt,
den Bescheid vom 31.5.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.7.2019 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, Zinsen in Höhe von insgesamt 7.159,57 Euro an ihn zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 18.11.2019 hat das SG Münster die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig erachtet und die Klage abgewiesen.
Nach §
44 Abs.
1 SGB I seien Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt der Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats
vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Die maßgebliche Regelung über die Fälligkeit enthalte §
41 SGB I . Nach der dort getroffenen Regelung würden Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig, soweit - wie hier
- die besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs keine besonderen Regelungen enthielten. Ein Anspruch des Klägers auf Verzinsung
für die Zeit vor dem 1.8.2018 bestehe danach nicht. Sein Anspruch auf Gewährung von RAR ab dem 1.3.2010 sei durch das Qualifizierungschancengesetz
begründet worden, das die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG a.F. mit Wirkung zum 9.8.2018 aufgehoben habe. Für die Frage der Fälligkeit des Nachzahlungsanspruchs müsse nach Auffassung
der Kammer beachtet werden, dass das BVerfG die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG a.F. lediglich für unanwendbar erklärt habe. Anders als bei der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Norm sei erst
mit der Aufhebung des § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG a.F. ein Anspruch des Klägers auf Altersrente für die Zeit ab dem 1.3.2010 entstanden. Begründe ein rückwirkendes Leistungsgesetz
einen Sozialleistungsanspruch, werde dieser abweichend von §
41 SGB I erst mit Inkrafttreten des Gesetzes, hier somit ab 9.8.2018, fällig. Da ein Anspruch auf Verzinsung vor dem 1.8.2018 nicht
bestehe, brauche die Kammer nicht darüber zu entscheiden, welche Auswirkungen auf den Zinsanspruch des Klägers der Umstand
habe, dass diesem bereits ab dem 1.1.2016 eine Altersrente gewährt worden sei.
Gegen das ihm am 26.11.2019 zugestellte Urteil hat der - anwaltlich vertretene - Kläger am 19.12.2019 Berufung eingelegt und
zunächst weiter die Zahlung von Zinsen in Höhe von 7.159,57 Euro beantragt. Mit Schriftsatz vom 26.2.2020 hat er seinen "Antrag
aus der Berufungsschrift korrigiert" und nun begehrt, "das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
die Rentennachzahlung für den Zeitraum vom 1.3.2010 bis 31.12.2015 in Höhe von 4% zu verzinsen".
Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass die Verzinsung der Nachzahlung nicht erst ab dem 1.8.2018, sondern gem. §
44 Abs.
2 i.V.m. §
44 Abs.
1 SGB I bereits ab dem 1.9.2010 zu berechnen sei. Leistungen auf RAR würden nach der lex specialis des §
41 SGB I i.V.m. § 45 ALG und §
118 Abs.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) am Ende des Monats fällig, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien, hier somit am 1.3.2010. Die Argumentation
des SG, dass der Zinsbeginn vom Inkrafttreten des Art. 4a Nr. 4 Qualifizierungschancengesetz abhängig sein solle, überzeuge nicht. Zwar habe sich der Beklagten erstmals mit Wegfall
des Hofabgabeerfordernisses eine gesetzliche Grundlage zur Auszahlung der beantragten RAR geboten, die Rente dem Kläger gleichwohl
bereits im Streitzeitraum tatsächlich zugestanden. Dies zeige sich auch an der rückwirkenden Zahlung durch die Beklagte im
Bescheid vom 29.5.2019.
Dass das BVerfG § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG a. F. nicht für nichtig, sondern lediglich für unvereinbar mit dem
Grundgesetz erklärt habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Rechtsfolge einer Unvereinbarkeitserklärung sei grundsätzlich, dass die
Norm anders als bei der Nichtigkeitsfeststellung noch weiter existiere, dass also etwas vorhanden sei, was jedoch nicht angewandt
werden dürfe. Eine darüber hinaus gehende mögliche Weitergeltungsanordnung habe das BVerfG hier gerade nicht getroffen. Selbst
eine solche Anordnung ändere im Übrigen nichts an dem Grundsatz der Unvereinbarkeit der Norm mit Wirkung ex tunc. Festzuhalten
sei, dass die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Norm zunächst einmal für sich genommen die gleiche Wirkung wie eine rigide
Nichtigerklärung habe, da es um das handfeste Verdikt eines Verfassungsverstoßes gehe. Der Aufforderung zur Neuregelung durch
das BVerfG sei der Gesetzgeber mit rückwirkender Regelung zum 9.8.2018 nachgekommen. Hieraus könne aber nicht abgeleitet werden,
dass damit ein Beginn der Verzinsung erst mit dem neuerlichen Tätigwerden des Gesetzgebers denkbar werde. Vielmehr müsse der
Gesetzgeber das legislative verfassungswidrige Unrecht der verspäteten Zahlung über die Gewährung von Zinsen ausgleichen.
Auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9.5.1995 - 10 RKg 7/94 - werde verwiesen.
Soweit das SG die Fälligkeit einer Forderung an die Pflicht zur Leistung anknüpfe, habe diese Pflicht aufgrund der Streichung des verfassungswidrigen
§ 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG a.F. bereits im Zeitpunkt der Antragstellung, somit im März 2010, vorgelegen. Eine Rente, welche aufgrund eines Gesetzes
gewährt werde, das rückwirkend zur Beseitigung eines verfassungswidrigen Zustands in Kraft trete, werde nicht erst mit dem
Inkrafttreten des Gesetzes fällig. In verfassungskonformer Auslegung sei vielmehr geboten, die Fälligkeit der Ansprüche zu
Beginn des Monats anzunehmen, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Er, der Kläger, sei so zu stellen,
wie er stünde, wenn die Beklagte § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG a.F. von Anfang an nicht berücksichtigt hätte.
Die nur für bestandskräftige Bescheide geltende Regelung des §
100 Abs.
4 SGB VI eingeschränkter Rückwirkung finde hier keine Anwendung. Sie sei vielmehr im Umkehrschluss ein Indiz dafür, dass die rückwirkend
bewilligte Leistung bei erfolgreichen Klagen gegen die Hofabgabeverpflichtung verzinst werden müsse.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 18.11.2019 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 31.5.2019
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2019 zu verpflichten, seinen Anspruch auf Gewährung von Regelaltersrente im
Zeitraum vom 1.9.2010 bis 31.12.2015 mit vier vom Hundert bis zum 31.5.2019 zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Fällig sei eine Leistung grundsätzlich, wenn der Berechtigte ihre Auszahlung vom Versicherungsträger fordern
könne. "Fällig" i.S.v. §
44 Abs.
1 SGB I werde sie mit der Entstehung eines entsprechenden Anspruchs ( §
41 SGB I ). Ansprüche auf Sozialleistungen entstünden, sobald die im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen
vorlägen ( §
40 Abs.
1 SGB I ). Im Rahmen des §
44 SGB I sei für die Fälligkeit von Leistungsansprüchen der dem Zivilrecht entlehnte Rechtsgedanke des §
271 BGB maßgebend. Fälligkeit bestehe erst, wenn der Versicherte die Leistung sofort verlangen und nicht bereits, wenn der Schuldner
sie erfüllen könne. Ein Berechtigter könne im Bereich der dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegenden Alterssicherung der Landwirte
einen Anspruch nur geltend machen, wenn ein Gesetz ihm in seinem konkreten Fall einen Anspruch zuweise. In Fällen, in denen
ihm ein Anspruch erst durch eine gesetzliche Neuregelung erwachse, werde das Forderungsrecht frühestens ab dem Zeitpunkt der
Verkündung der ihn begünstigenden Regelung begründet. Im Falle einer Auszahlung von Leistungen ohne gesetzliche Ermächtigung
handele der Leistungsträger ungesetzlich. Da der Kläger vor der Neuregelung nicht habe fordern und die Beklagte auch nicht
habe leisten dürfen, sei ein Schaden durch die "späte" Auszahlung der Leistung nicht entstanden. Eine andere Entscheidung
werde auch der in der Verzinsungsregelung des §
44 SGB I enthaltenen Verantwortungsverteilung nicht gerecht.
Soweit der 10. Senat des BSG in seinem vom Kläger angeführten Urteil aus 1995 einen rückwirkenden Ausschluss der Verzinsung im Kindergeldrecht für verfassungswidrig
gehalten habe, sei diese Entscheidung nicht einschlägig. Die Sachverhalte unterschieden sich bereits deshalb, weil der Gesetzgeber
für den Bereich der Sozialversicherung mit Schaffung des §
100 Abs.
4 SGB VI im Jahr 2007 gezeigt habe, dass er jedenfalls in der Rentenversicherung Sozialleistungsansprüche für die Vergangenheit zum
Schutz der Solidargemeinschaft auch bei ursprünglicher Verfassungswidrigkeit von Regelungen ausschließen könne. Insoweit dürfe
die Entscheidung des Gesetzgebers zum rückwirkenden Inkrafttreten der Abschaffung der Hofabgabepflicht zum 9.8.2018 nicht
verkannt werden. Ein solcher Interessenausgleich finde sich auch im Verfassungsrecht selbst (vgl. § 79 Abs. 2 S. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG) .
Schließlich müsse die Beklagte auch die Interessen der Versichertengemeinschaft ausreichend beachten. Im Gegensatz zu der
mehrheitlichen Gruppe der Versicherten, die der Hofabgabeklausel Folge geleistet hätten, habe dem Kläger der Hof weiterhin
als Existenzgrundlage bis Ende 2015 zur Verfügung gestanden. Eine Verzinsung auch für Zeiten vor Inkrafttreten der gesetzlichen
Änderungen zu den Rentenanspruchsvoraussetzungen würde ihn damit gegenüber den Versicherten, die ihren Hof abgegeben hätten,
bevorteilen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (L 8 LW 13/19 und S 2 LW 2/18) und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die teilweise zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Münster vom 18.11.2019 ist nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 31.5.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.7.2019 ( §
95 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) , mit dem die Beklagte dem Kläger Zinsen für die im Zeitraum ab 1.3.2010 bewilligte RAR - nur - im Zeitraum von Oktober
2018 bis Mai 2019 gewährt hat. Gegen die Ablehnung der Verzinsung weiterer Zeiträume wendet sich der Kläger zutreffend mit
der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ( §
54 Abs.
1 und 4 , §
56 SGG ), zuletzt gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils nach §
130 Abs.
1 S. 1
SGG (vgl. BSG Urt. v. 25.10.2018 - B 7 AY 2/18 R - juris Rn. 11).
Zulässiger Streitgegenstand ist (nur) eine Verzinsung der Rentennachzahlung im Zeitraum vom 1.9.2010 bis zum 31.12.2015. Soweit
der Kläger in der mündlichen Verhandlung des erkennenden Senats am 26.5.2021 eine Verzinsung "bis zum 31.5.2019" beantragt
hat, steht der Geltendmachung dieses erweiterten Zeitraums die Bindungswirkung des angefochtenen Bescheides entgegen ( §
77 SGG ). Mit Schriftsatz vom 26.2.2020 hatte der anwaltlich vertretene Kläger seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des
SG ausdrücklich auf eine Verzinsung der Rentennachzahlung für den Zeitraum bis 31.12.2015 beschränkt und mit weiteren Schriftsätzen
vom 26.11. und 30.11.2020 noch einmal bekräftigt, dass es im Verfahren um die Verzinsung bis zu diesem Datum gehe.
Unabhängig von der eingeschränkten Zulässigkeit ist die Berufung insgesamt unbegründet. Das SG Münster hat die Klage gegen
die streitgegenständlichen Bescheide zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch diese nicht beschwert, da sie nicht rechtswidrig
sind ( §
54 Abs.
2 S. 1
SGG ). Ein Anspruch auf die von ihm begehrte weitergehende Verzinsung der Nachzahlung der RAR besteht nicht. Dieser ergibt sich
weder aus einfachem Recht (hierzu unter 1.) noch aus der Entscheidung des BVerfG vom 23.5.2018 (hierzu unter 2.). Auch besteht
keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, die ihm (nach-)gezahlte Leistung über den von der Beklagten berücksichtigten Zeitraum
von Oktober 2018 bis März 2019 hinaus zu verzinsen (hierzu unter 3.).
1. Gem. §
44 Abs.
1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des
Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Offen bleiben kann dabei, ob der Zinsanspruch bei Fälligkeit
des Leistungsanspruchs als akzessorische Nebenleistung entsteht (so BSG Urt. v. 26.4.2007 - B 4 R 21/06 R - juris Rn. 18 m.w.N.) oder ob §
44 Abs.
1 SGB I nicht den Beginn der Verzinsung, sondern die Berechnung des Zinsanspruchs regelt (so BSG Urt. v. 27.6.2017 - B 2 U 14/15 R - juris Rn. 14).
a. Bei der dem Kläger gewährten Nachzahlung der RAR handelt es sich um eine Geldleistung i.S.v. §
44 SGB I .
Geldleistungen im Sinne dieser Vorschrift sind diejenigen Leistungen, die dem Einzelnen als Sozialleistungen ( §
11 SGB I ) zustehen, also Leistungen, die in einem der Bücher des Sozialgesetzbuchs aufgeführt sind oder als dessen besondere Teile
gelten (vgl. BSG Urt. v. 25.10.2018 - B 7 AY 2/18 R - juris Rn. 14). Das ALG, auf dessen Grundlage dem Kläger RAR gewährt worden ist, gilt gem. §
68 Nr. 4
SGB I als ein solcher besonderer Teil des Sozialgesetzbuchs.
b. Der Anspruch des Klägers auf die bewilligte Nachzahlung ist am 31.8.2018 und nicht - wie er meint - bereits am 31.3.2010
fällig geworden.
aa. Gem. § 45 Abs. 1 ALG i.V.m. §
118 Abs.
1 SGB VI - als lex specialis gegenüber §
41 SGB I , (vgl. den Wortlaut des §
41 SGB I ; vgl. auch BT-Drucks. 7/868 S. 29; Körner in: Kasseler Kommentar,
SGB VI § 118 Rn. 3; Rolfs in Hauck/Noftz
SGB I §
41 Rn. 1; Groth in juris-PK
SGB I §
41 Rn. 25) - werden laufende Geldleistungen am Ende des Monats fällig, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt
sind. Allein entscheidend ist damit, wann die im Gesetz bestimmten materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen,
nicht hingegen, wann die Verwaltung tätig wird (vgl. BSG Urt. v. 3.7.2020 - B 8 SO 15/19 R - juris Rn. 10; Urt. v. 8.11.2007 - 9/9a VG 3/05 R - juris Rn. 16; BT-Drucks 7/868, S.
29).
(1) Bei der dem Kläger (nach-)gezahlten RAR handelt es sich trotz der Gewährung in einer Summe um eine laufende Geldleistung
i.S.v. §
118 Abs.
1 SGB VI . Als "laufend" sind Leistungen anzusehen, die regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte zu zahlen sind; sie
verlieren ihren Charakter nicht dadurch, dass die Zahlung zusammengefasst für mehrere Zeitabschnitte erfolgt (vgl. LSG NRW
Urt. v. 26.9.2014 - L 4 U 21/14 - juris Rn. 27 m.w.N.; Reinhardt in LPK-
SGB VI §
118 Rn. 4). Die dem Kläger mit Bescheid vom 29.5.2019 für den Zeitraum ab 1.3.2010 bewilligten Rentenleistungen stellen - wie
auch schon aus der Berechnung ersichtlich - monatlich wiederkehrend geschuldete Leistungen dar, die die Beklagte lediglich
zu einer Summe addiert hat.
(2) Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von RAR an den Kläger ab März 2010 aufgrund seines Rentenantrags vom 26.3.2010
lagen nicht bereits ab diesem Monat, sondern erst ab dem 9.8.2018 vor.
(a) Nach § 11 Abs. 1 ALG a.F. hat der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für eine RAR ab März 2010 mangels der in § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG a.F. geforderten Abgabe seines landwirtschaftlichen Unternehmens nicht erfüllt.
(b) Die neue Fassung des § 11 Abs. 1 ALG (im Folgenden: ALG n.F.) , mit der der Gesetzgeber die Vorgaben des BVerfG aus der Entscheidung vom 23.5.2018 (1 BvR 97/14 , 1 BvR 2392/14) umgesetzt und die Hofabgabepflicht gestrichen hat, ist gemäß Art. 6 Abs. 3 des Qualifizierungschancengesetzes vom 18.12.2018
(BGBl. I S. 2651) mit Wirkung vom 9.8.2018 in Kraft getreten. Gem. Art.
82 Abs.
2 GG hat das Gesetz entsprechend (erst) ab diesem Tag Rechtswirkungen entfaltet (vgl. z.B. BSG Urt. v. 17.5.2011 - B 2 U 19/10 R - juris Rn. 18). Die Anspruchsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 ALG n.F. konnten damit frühestens ab dem 9.8.2018 erfüllt werden.
(c) Ergänzende gesetzliche (Ausnahme-)Vorschriften dergestalt, dass das ALG n.F. für die dort (neu-)geregelten Ansprüche auf RAR Wirkung bereits vor dem Tag seines Inkrafttretens entfaltet, bestehen
nicht. Vielmehr sieht im Gegenteil die allgemeine Übergangsvorschrift des § 94 Abs. 1 S. 1 ALG ausdrücklich vor, dass die Vorschriften dieses Gesetzes (somit hier des ALG n.F.) erst von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen bereits vorher bestehenden Sachverhalt oder Anspruch anzuwenden
sind. Auf die Geltung dieser Rechtsnorm zur Regelung etwaiger - wie hier ursprünglich streitiger - Leistungsansprüche für
vergangene Zeiträume, hat der Gesetzgeber bei der Fassung des Qualifizierungschancengesetzes explizit hingewiesen (vgl. BT-Drs.
19/6146, S. 27, 30).
bb. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen ergibt sich ein anderes, für den Kläger günstigeres Ergebnis entgegen
seiner Auffassung auch nicht aus dem Umstand, dass ihm Rentenleistungen nicht erst für Zeiträume ab Inkrafttreten des ALG n.F., sondern darüber hinaus für den zurückliegenden Zeitraum ab März 2010 gewährt worden sind.
(1) Begründet ein Gesetz (neue) Leistungsansprüche, entstehen diese dann, wenn keine abweichenden Regelungen bestehen - wie
bereits dargelegt - frühestens mit dem Tag des In-Kraft-Tretens des Gesetzes und werden damit auch frühestens zu diesem Zeitpunkt
fällig. Ob die (neuen) Vorschriften allein Ansprüche für die Zukunft begründen oder (zusätzlich) Leistungen für vergangene
Zeiträume umfassen, ist in diesem Zusammenhang ohne Relevanz (vgl. BSG Urt. v. 13.10.1983 - 11 RA 49/82 - juris Rn. 14; Rolfs in Hauck/Noftz
SGB I §
41 Rn. 4; Gutzler in: BeckOK Sozialrecht,
SGB I, §
41 Rn. 3; Groth in: jurisPK-
SGB I, §
41 Rn. 16; Karmanski in: Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar SRB, 2. Aufl. 2018, §
41 SGB I Rn. 3 m.w.N; Lilge in: Lilge/Gutzler,
SGB I, 5. Aufl. 2019, §
41 Rn. 20; Spellbrink in: Kasseler Kommentar,
SGB I §
41 Rn. 8; Büntig/Ahmann SdL 2019, Heft 1/2, S. 11, 17).
Gleiches gilt, wenn man - wofür hier im Hinblick auf die klare Bestimmung des §
118 SGB VI keine Notwendigkeit besteht - unter Fälligkeit entsprechend §
271 Abs.
2 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) den Zeitpunkt fasst, ab dem der Schuldner die Leistung bewirken muss und der Gläubiger sie frühestens fordern kann (vgl.
zur entsprechenden Auslegung meist des Fälligkeitsbegriffs in §
41 SGB I z.B. BSG Urt. v. 22.2.1995 - 4 RA 88/94 - juris Rn. 20; Urt. v. 23.6.1994 - B 4 RA 70/93 - juris Rn. 15; Urt. v. 13.10.1983 - 11 RA 49/82 - juris Rn. 14; Hessisches LSG Urt. v. 30.10.2008 - L 8 P 19/07 - juris Rn. 22; Mrozynski,
SGB I, 6. Aufl. 2019, §
41 Rn. 1; Rolfs in: Hauck/Noftz,
SGB I, §
41 Rn. 8; Lilge in: Lilge/Gutzler,
SGB I, 5. Aufl. 2019, §
41 Rn. 17; kritisch zur Heranziehung dieser Norm im öffentlichen Recht: Spellbrink in: Kasseler Kommentar,
SGB I, §
41 Rn. 14). Erst ab dem Tag des Inkrafttretens eines neuen Gesetzes kann der Berechtigte eine sich hieraus für ihn ergebende
Leistung beim Versicherungsträger geltend machen (vgl. BSG Urt. v. 13.10.1983 - 11 RA 49/82 - juris Rn. 14; Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, §
41 SGB I Rn. 5; Spellbrink in: Kasseler Kommentar,
SGB I, §
41 Rn. 8). Auch dem Sozialversicherungsträger steht erstmals mit dem Inkrafttreten der Neuregelung eine gesetzliche Grundlage
zur Auszahlung der durch die neuen Vorschriften begründeten Leistungen zur Verfügung (vgl. BSG Urt. v. 9.5.1995 - 10 RKg 7/94 - juris Rn. 41). Ein früherer Zeitpunkt wäre schon aus Gründen der Logik nicht denkbar, da ein (zuvor) nicht bestehender
Anspruch, also ein rechtliches Nullum, kein berechtigtes Leistungsbegehren und ebenso wenig eine diesem Begehren entsprechende
Leistungsverpflichtung begründen kann (vgl. Lilge in: Lilge/Gutzler,
SGB I, 5. Aufl. 2019, §
41 Rn. 19).
(2) Soweit der Kläger gleichwohl einen Zinsanspruch aus dem Umstand, dass ihm Leistungen auch für die Zeit vor Inkrafttreten
des ALG n.F. gezahlt worden sind, ableiten möchte, verkennt er den rechtlichen Unterschied zwischen dem - hier für die Beurteilung
der Fälligkeit - maßgeblichen Zeitpunkt, zu dem sein Anspruch nach § 11 ALG n.F. rechtlich entstanden ist, einerseits, und dem Leistungsumfang dieses Anspruchs, d.h. dem Zeitraum, für den ihm Leistungen
erbracht werden, andererseits (vgl. LSG NRW Urt. v. 26.9.2014 - L 4 U 21/14 - juris Rn. 42 m.w.N.).
Wenngleich die Entstehung eines Anspruchs auch den Beginn des Anspruchszeitraums auslösen und daher mit diesem zusammenfallen
kann (vgl. z.B. §
99 Abs.
1 S. 1
SGB VI , §
37 Abs.
1 S. 2
SGB XI ), ist dies nicht zwingend. Vielmehr sind Fälligkeit, Entstehung des Anspruchs sowie der Beginn des Zeitraums, für den Leistungen
zu erbringen sind (Leistungszeitraum) und der Zahlungstermin rechtlich unterschiedliche Begriffe, die vielfach zeitlich voneinander
abweichen (vgl. auch Groth in: juris-PK
SGB I §
41 Rn. 20 ff.; Karmanski in: Ehrmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar SRB, 2. Aufl. 2018, §
41 SGB I Rn. 3 ff.). Dabei wird die Leistung teilweise - zugunsten des Berechtigten - bereits für einen Zeitraum gewährt, der vor
der Anspruchsentstehung oder auch nach dem Anspruchswegfall liegt (vgl. z.B. § 94 ALG ; §
100 Abs.
3 S. 2
SGB VI ). Andere Normen wiederum sehen umgekehrt zulasten des Berechtigten einen späteren Leistungsbeginn und damit einen - in Bezug
auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung - eingeschränkten Leistungszeitraum vor (vgl. z.B. §
99 Abs.
1 S. 2
SGB VI ; §
101 Abs.
1 SGB VI ; §
100 Abs.
4 SGB VI ; § 44 Abs. 4 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X) . Letzteres gilt zum Beispiel auch - wie vom Kläger mit seinem Berufungsantrag berücksichtigt - für die Verzinsungspflicht,
die gem. §
44 Abs.
2 SGB I frühestens 6 Monate nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags greift. Ebenso wie die Entstehung des Anspruchs nicht
zwingend mit dem Zeitraum der Leistungsgewährung übereinstimmt, fallen auch der Zeitpunkt der Fälligkeit und der Zeitpunkt
der Anspruchsentstehung nicht unbedingt zusammen. Dies zeigt schon der Wortlaut der allgemeinen Regelung des §
41 SGB I , nach dem Ansprüche auf Sozialleistungen (nur) mit ihrem Entstehen fällig werden, soweit die besonderen Teile dieses Gesetzbuchs
keine (andere) Regelung enthalten. Schließlich können auch Fälligkeit und Zahlungspflicht des Sozialleistungsträgers voneinander
abweichen (vgl. z.B. §
118 Abs.
1 S. 1 HS 2
SGB VI , §
337 Abs.
2 SGB III , §
96 Abs.
1 S. 1 HS 2
SGB VII ).
Vorliegend korrelieren nach den gesetzlichen Bestimmungen wie dargelegt (und anders als der Kläger meint), zwar die Fälligkeit
seines Anspruchs auf RAR mit dessen Entstehung ( § 45 ALG i.V.m. §
118 Abs.
1 S. 1
SGB VI ). Nicht hingegen fällt die Entstehung des Anspruchs mit dem Beginn des Zeitraums, für den ihm Leistungen zu zahlen waren,
zusammen. Vielmehr liegt der Beginn des Leistungszeitraums - zugunsten des Klägers - vor dem Zeitpunkt der Anspruchsbegründung
( § 94 ALG ). Mit der Änderung des ALG durch das Qualifizierungschancengesetz hat der Gesetzgeber in dessen Art. 6 Abs. 3 ausdrücklich die Geltung des § 11 ALG n.F. ab dem 9.8.2018, nicht hingegen die Wirkung dieser Vorschrift ab einem früheren Zeitpunkt, angeordnet. Die gesetzliche
Neufassung beinhaltet damit nicht die Entstehung eines Anspruchs aus § 11 ALG n.F. ab einem früheren Zeitpunkt als dem 9.8.2018, sondern - im Hinblick auf das klägerische Zinsbegehren "lediglich" - die
Begründung eines Anspruchs ab dem 9.8.2018, der (auch) Leistungen für frühere Zeiträume, d.h. für Zeiträume vor diesem Datum,
erfasst. Dementsprechend ist nicht die Anspruchsentstehung vor das Inkrafttreten des Gesetzes verlegt, sondern die Anspruchshöhe
dergestalt in der Höhe modifiziert worden, dass auch Zeiten vor dem 9.8.2018 in die Berechnung einfließen konnten. Der Wunsch
des Klägers, aus letzterem Umstand zusätzlich in umgekehrte Richtung wieder auf eine frühere Anspruchsbegründung (und damit
Zinspflicht der Beklagten) rückzuschließen, findet in den dargestellten Gesetzesregelungen keine Stütze.
c. War der Anspruch des Klägers auf Zahlung von RAR mit Inkrafttreten des ALG n.F. am 9.8.2018 entstanden und gem. §
118 Abs.
1 SGB VI am Monatsende, d.h. am 31.8.2018 fällig geworden, so begann die Pflicht der Beklagten, die (Nach-)Zahlung zu verzinsen gem.
§
44 Abs.
1 SGB I nach Ablauf des nächsten Kalendermonats und daher - wie von ihr zutreffend angenommen - zu Beginn des Monats Oktober 2018.
Zwischen Fälligkeit der Leistung und dem frühestmöglichen Beginn der Verzinsung muss nach der Regelung des §
44 Abs.
1 SGB I ein "vollständiger Kalendermonat" liegen (vgl. BSG Urt. v. 3.7.2020 - B 8 SO 15/19 R - juris Rn. 15 mwN).
d. Der Anspruch auf Verzinsung endete nach §
44 Abs.
1 SGB I mit dem Kalendermonat vor der Zahlung, bei im Juni 2019 erfolgter Zahlung somit - wie ebenfalls von der Beklagten beachtet
- Ende Mai 2019.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich die von ihm begehrte Verzinsung vor dem 1.10.2018 auch nicht aus dem Beschluss
des BVerfG vom 23.5.2018 (1 BvR 97/14 , 1 BvR 2392/14). Dieser begründet nicht die Entstehung des Anspruchs auf RAR schon vor Inkrafttreten des ALG n.F. und dem folgend auch keine den begehrten Zinsanspruch auslösende frühere Fälligkeit.
Zwar ist eine Norm, die vom BVerfG als mit dem
GG unvereinbar angesehen worden ist, ebenso wie eine für nichtig erklärte Vorschrift ( § 95 Abs. 3 BVerfGG ) mit ex tunc-Wirkung als verfassungswidrig anzusehen (vgl. von Ungern-Sternberg, BeckOK BVerfGG, § 95 Rn. 44; Hörnig in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 95 Rn. 51 und 53). Während die Nichtigerklärung jedoch zu einer automatischen anfänglichen Unwirksamkeit der Rechtsnorm führt
(vgl. z.B. Hörnig a.a.O. Rn. 39 m.w.N.), bewirkt die Unvereinbarerklärung kein unmittelbares (vollständiges) Entfallen der
von ihr in Bezug genommenen Rechtsnorm; sie beseitigt diese nicht (vgl. von Ungern-Sternberg a.a.O. Rn. 43; Hörnig a.a.O.
Rn. 50 m.w.N.). Im Falle einer durch das BVerfG ergänzend tenorierten Fortgeltungsanordnung ist - je nach deren Umfang - die
verfassungswidrige Norm (sogar) vollständig (vgl. z.B. BVerfG Beschl. v. 24.6.2014 - 1 BvR 3217/07 ) oder modifiziert (vgl. z.B. BVerfG Urt. v. 19.2.2013 - 1 BvL 1/11 u.a.) weiter anzuwenden (vgl. auch von Ungern-Sternberg a.a.O. Rn. 46 ff. m.w.N.; Hörnig a.a.O. Rn. 53 m.w.N.; Lenz/Hansel
BVerfGG, 3. Aufl. 2020, § 95 BVerfGG Rn. 66 m.w.N.). Fehlt eine solche Anordnung, führt die Unvereinbarkeitserklärung bis zur gesetzgeberischen Neuregelung "lediglich"
dazu, dass die Norm von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf und laufende Verfahren auszusetzen
sind (vgl. z.B. BVerfG Urt. v. 9.12.2008 - 2 BvL 1/07 u.a. - juris Rn. 88 m.w.N.; Hörnig a.a.O. Rn. 52 m.w.N.; von Ungern-Sternberg, a.a.O. Rn. 45 m.w.N.).
Vorliegend hat das BVerfG in seinem Beschluss zur Hofabgabeklausel die Vorschrift des § 11 Abs. 3 ALG a.F. als "unvereinbar" mit dem
Grundgesetz erklärt. Von einer Nichtigerklärung hat es ausdrücklich abgesehen (vgl. Beschl. v. 23.5.2018 - 1 BvR 97/14 , 1 BvR 2392/14 Rn. 109); ergänzende Regelungen sind nicht getroffen worden (vgl. auch Koch, jurisPR-SozR 23/2018 Anm. 3). Insbesondere hat
das BVerfG weder unmittelbar angeordnet, dass allen von der streitigen Klausel betroffenen Landwirten auch ohne Abgabe ihres
Hofes ab Antragstellung RAR (in voller Höhe) zu gewähren sei noch dem Gesetzgeber den Auftrag erteilt, einen derartigen Anspruch
in ein neues Gesetz zu fassen. Vielmehr hat es ausweislich der Begründung seines Beschlusses gerade darauf hingewiesen, dass
verschiedene Möglichkeiten bestünden, die Hofabgabeklausel durch eine andere verfassungs-, insbesondere verhältnismäßige Regelung
zu ersetzen (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 109; Sachs JuS 2019, 281, 283). Die Streichung des § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG stellte damit eine Lösung dar, die zur Behebung des dargelegten Grundrechtsverstoßes nicht zwingend erforderlich war (vgl.
Bittner NZS 2019, 161, 163). Vielmehr hätte der Gesetzgeber ebenso etwa eine die konkreten Ausführungen des BVerfG aufgreifende Härtefallregelung
normieren können (vgl. Büntig/Ahmann SdL 2019, Heft 1/2, S. 11, 17; Zindel SdL 2019 Heft 1/2 S. 5, 6; Bittner a.a.O.).
Rechtsfolge der vom BVerfG gewählten Vorgehensweise einer Unvereinbarerklärung ohne eine diese ergänzende Regelung war entsprechend
(allein) die Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer (verfassungsgemäßen) Neuregelung. Da die Hofabgabepflicht mangels Nichtigerklärung
nicht kraft der verfassungsgerichtlichen Entscheidung rückwirkend entfallen ist, bestand eine Anspruchsgrundlage auf Gewährung
von RAR ohne Abgabe des Hofes für den Kläger vor der gesetzlichen Neuregelung durch das Qualifizierungschancengesetz nicht.
Auch war die Beklagte nicht aus der Entscheidung des BVerfG heraus befugt, dem Kläger vom Zeitpunkt deren Ausspruches an (rückwirkend)
RAR zu bewilligen; vielmehr musste sie die neue Gesetzgebung abwarten (vgl. z. B. Koch, jurisPR-SozR 23/2018 Anm. 3; Zindel
SdL 2019 Heft 1/2 S. 5 "Schwebezustand").
3. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht schließlich auch keine "verfassungsrechtlich begründete Verpflichtung", die
an ihn (nach-)gezahlte RAR - im Widerspruch zur dargelegten (einfach-)gesetzlichen Regelung - schon für Zeiträume vor Inkrafttreten
des § 11 Abs. 1 ALG n.F. zu verzinsen.
Unklar ist dabei zunächst, auf welche konkrete rechtliche Herleitung er sich zur Begründung der für den Zeitraum von März
2010 bis Dezember 2015 von ihm angenommenen verfassungsrechtlichen (Zins-)Verpflichtung stützen möchte.
a. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang äußert, das verfassungswidrige Unrecht der verspäteten Zahlung müsse über die
Gewährung von Zinsen ausgeglichen werden, stellt dies lediglich eine subjektive Forderung, nicht hingegen eine rechtlich tragfähige
Anspruchsgrundlage dar. Dies gilt schon deshalb, weil sein Anspruch auf Zahlung von RAR auf seinen Antrag aus März 2010 wie
dargelegt erst im Jahr 2018 entstanden ist. Entsprechend hat die Beklagte die Nachzahlung bezogen auf den Streitzeitraum nicht
verspätet geleistet und besteht das vom Kläger gerügte "Unrecht verspäteter Zahlung" damit nicht.
Unabhängig hiervon existiert der vom Kläger wohl gewünschte Rechtssatz einer verfassungsrechtlichen Verzinsungspflicht aber
auch nicht.
Schon grundsätzlich kann der Anspruch auf die begehrte (Zins-)Zahlung nicht unmittelbar im Verfassungsrecht verankert werden.
Aus dem
Grundgesetz selbst können konkrete Leistungsansprüche - mit engen Ausnahmen im Bereich der Existenzsicherung (vgl. z.B. BVerfG Entscheidung
v. 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - juris Rn. 220) - nicht hergeleitet werden (vgl. LSG NRW Urt. v. 28.11.2017 - L 1 KR 789/15 - juris Rn. 57; vgl. ausdrücklich für die Gewährung von Verzugszinsen BSG Urt. v. 25.10.2018 - B 7 AY 2/18 R - juris Rn. 24; BVerwG Urt. v. 4.7.2003 - 7 B 130/02 - juris Rn. 6 m.w.N.).
Vielmehr bedürfen geltend gemachte Leistungsansprüche einer einfachgesetzlichen Grundlage. Dies ergibt sich bereits als Ausfluss
des Parlamentsvorbehalts ( Art.
20 Abs.
3 GG ) und wird darüber hinaus für den Bereich des Sozialrechts in §
31 SGB I festgelegt. Diese Vorschrift, die gem. §
37 Abs.
2 SGB I uneingeschränkt in allen Sozialleistungsbereichen Geltung findet, sieht u.a. vor, dass Rechte im Bereich des Sozialrechts
nur begründet bzw. festgestellt werden können, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Mit dem so statuierten Erfordernis
einer gesetzlichen Grundlage korreliert ein Schutz dahingehend, jegliches staatliche Handeln vorhersehbar und einer gerichtlichen
Überprüfung zugänglich zu machen. Es dient damit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Gebot der Rechtssicherheit (vgl.
BT-Drs. 7/868, S. 27; Weselski in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB I, §
31 SGB I, Rn. 12) und daher der Vermeidung staatlicher Willkür oder Ungleichbehandlung (vgl. Weselski a.a.O., Hauck in: Hauck/Noftz,
SGB I, §
31 Rn. 2; Gutzler in: BeckOK Sozialrecht
SGB I, §
31 Rn. 2). Zudem wird dem demokratisch-parlamentarischen Prinzip Rechnung getragen (vgl. Weselski a.a.O Rn. 11; Hauck a.a.O.)
und die Kontrolle des Finanzvolumens ermöglicht (vgl. Weselski a.a.O. Rn. 12; Hauck a.a.O.). Der Wortlaut des §
31 SGB I ("alle Rechte im Bereich des Sozialrechts") erfasst dabei ausdrücklich nicht nur die originären Sozialleistungen selbst,
sondern alle damit zusammenhängenden Ansprüche (vgl. Weselski a.a.O. Rn. 18) und somit auch eine etwaige leistungsakzessorische
Verzinsung. Die Vorschrift enthält zwingendes Recht und ist von den Trägern der vollziehenden Gewalt ebenso zu beachten wie
von den Gerichten. Entscheidungen der Verwaltung oder der Gerichte, denen es an einer gesetzlichen Grundlage im Sinne dieser
Vorschrift mangelt, sind rechtswidrig (vgl. Weselski a.a.O. Rn. 39). Nur das BVerfG wäre befugt, z.B. im Rahmen eines einstweiligen
Anordnungsverfahren nach § 32 BVerfGG , Übergangsregelungen bis zum Abschluss eines etwaigen verfassungsgerichtlichen Verfahrens zu erlassen (vgl. z.B. LSG NRW
Urt. v. 28.11.2017 - L 1 KR 789/15 - juris Rn. 57). Eine solche Regelung hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur Hofabgabeklausel aber - wie dargestellt -
gerade nicht getroffen.
Entsprechend können auch die hier streitigen Verzugszinsen nicht allein aufgrund "verfassungsrechtlicher Verpflichtung" gezahlt
werden, sondern unterliegt ein hierauf gerichteter Anspruch den - dargelegten und hier nicht erfüllten - tatbestandlichen
Voraussetzungen der (einfach-)gesetzlichen Regelung. Im Ergebnis begehrt der Kläger mit seiner Argumentation eine "Korrektur"
der Entscheidung des BVerfG, indem die dortige ausdrückliche Unvereinbarkeitserklärung mit einer vom BVerfG gerade nicht für
sachdienlich erklärten Nichtigerklärung gleichgesetzt werden soll.
b. Die vom Kläger begehrte Verzinsung kommt auch nicht unter dem von ihm genannten Gesichtspunkt einer verfassungskonformen
Auslegung des §
44 SGB I , ggf. im Zusammenspiel mit §§ 45 ALG , 118
SGB VI in Betracht, da nicht ersichtlich ist, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit dieser Normen ergeben soll.
Weder ist vorgetragen noch erkennbar, dass und unter welchem grundrechtlichen Gesichtspunkt die Anknüpfung der Verzinsungspflicht
an die Fälligkeit eines Leistungsanspruchs in §
44 SGB I bzw. die in §§ 45 ALG , 118
SGB VI allgemein getroffenen Bestimmungen zur Fälligkeit von Rentenansprüchen verfassungswidrig sein sollten. Eine Verspätung der
Zahlung, auf die sich der Kläger beruft, um ein verfassungswidriges Unrecht zu begründen, besteht - wie dargelegt - in Anwendung
der einfachgesetzlichen Normen nicht.
Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von leistungsbegründenden Normen wie hier einem etwaigen Anspruch auf Verzinsung
ist zudem zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der sozialstaatlichen Ordnung insbesondere im Bereich
der gewährenden Staatstätigkeit ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 18.6.2020 - B 3 KR 14/18 R - juris Rn. 23 m.w.N.; Beschl. v. 13.8.2019 - B 10 EG 8/19 B - juris Rn. 9; Urt. v. 29.6.2017 - B 10 EG 4/16 R - juris Rn. 27; BVerfG Beschl. v. 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - juris Rn. 19 m.w.N.). Dies umfasst nicht nur die unmittelbaren Leistungsansprüche, sondern - erst recht - die Frage, ob
und unter welchen konkreten Voraussetzungen solche Leistungen (im Falle verspäteter Zahlung) zugunsten des Betroffenen einem
ergänzenden, akzessorischen Zinsanspruch unterliegen. Eine Kontrolle der gesetzlichen Regelungen (und damit hier des §
44 Abs.
1 SGB I ) ist im Hinblick auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum nur zurückhaltend möglich (vgl. zu sogar existenzsichernden
Leistungen: BVerfG Beschl. v. 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - juris Rn. 40). Vielmehr sind die legislativen Entscheidungen anzuerkennen, solange die diesen zugrundeliegenden Erwägungen
weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des
GG unvereinbar sind (vgl. BSG Urt. v. 18.6.2020 - B 3 KR 14/18 R - juris Rn. 23). Ob der Gesetzgeber die gerechteste und zweckmäßigste Lösung trifft, ist von den Gerichten nicht zu überprüfen
(vgl. z.B. BVerfG Beschluss v. 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - juris Rn. 10). Dass die Zinsregelung des §
44 SGB I für Fallgestaltungen wie hier vorliegend zu verfassungswidrigen Ergebnissen führt, ist nicht erkennbar. Dem Kläger sind die
Rentenleistungen als solche durch die Beklagte in Anwendung des § 11 ALG n.F. rückwirkend für einen Leistungszeitraum ab dem ursprünglichen Leistungsantrag aus März 2010 gewährt worden. Dem vom
BVerfG gerügten Verfassungsverstoß ist ihm gegenüber damit vollumfänglich Rechnung getragen worden. Dass dieser Nachzahlbetrag
darüber hinaus aus Verfassungsgründen auch für einen Zeitraum vor Inkrafttreten der ihn begünstigenden gesetzlichen Neuregelung
verzinst werden müsste, ergibt sich weder aus der Entscheidung des BVerfG noch aus sonstigen Erwägungen. Dies gilt um so mehr,
als mit Beschluss des BVerfG noch nicht einmal feststand, ob der Kläger überhaupt einen Anspruch auf Rentenleistungen ab März
2010 erlangen würde, da dem Gesetzgeber - wie dargelegt - auch andere als die im Qualifizierungschancengesetz getroffenen
Regelungsmöglichkeiten offen gestanden haben (vgl. auch Koch, jurisPR-SozR 23/2018 Anm. 3).
c. Entgegen seiner Auffassung kann sich der Kläger für die Begründung des geltend gemachten Zinsanspruchs auch nicht auf die
Ausführungen des BSG in dessen Urteil vom 9.5.1995 (10 RKg 7/94) stützen. Dies gilt - unabhängig von der Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage die dort ausgesprochenen Zinsverpflichtung
beruhen könnte - bereits deshalb, weil sich die dortige Konstellation maßgeblich von seinem Fall unterscheidet.
Soweit der 10. Senat des BSG eine Verzinsungspflicht für die (nachträgliche) Bewilligung von Kindergeld bejaht hat, lag dem die Annahme zugrunde, dass
eine zusätzliche Zahlung aus Verfassungsgründen von Anfang an wegen der im Rahmen des Familienlastenausgleichs notwendigen
Steuerfreiheit des Existenzminimums für Kinder hätte gewährt werden müssen. Ein derartiger (verfassungsrechtlich begründeter)
Anspruch des Klägers auf RAR ist aus dem Beschluss des BVerfG vom 23.5.2018 (1 BvR 97/14 , 1 BvR 2392/14) aber gerade nicht abzuleiten. Vielmehr hat das BVerfG den mit der Hofabgabeklausel verbundenen Eingriff in das Sacheigentum
( Art.
14 Abs.
1 GG ) im Grundsatz für verhältnismäßig erachtet (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 69 ff.) und die Verhältnismäßigkeit lediglich in bestimmten,
von ihm im Einzelnen dargelegten Härtefällen verneint (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 98 ff.). Hierbei handelte es sich allein um
die Konstellation, dass der abgabewillige Landwirt keinen zur Übernahme bereiten Nachfolger finden könne (vgl. BVerfG a.a.O.
Rn. 99) oder die Abgabe zwar möglich sei, jedoch seinen Lebensunterhalt nicht hinreichend sicherstelle (vgl. BVerfG a.a.O.
Rn. 100). Zur Beseitigung dieser - "nur" durch das Fehlen von Härteklauseln bedingten (partiellen) Verfassungswidrigkeit -
haben dem Gesetzgeber, wie vom BVerfG ausdrücklich angeführt, verschiedene Möglichkeiten offen gestanden (vgl. BVerfG a.a.O.
Rn. 109). Während die gesetzlich vorzunehmende Neuregelung im o.g. ("Kindergeld"-)Fall nach Auffassung des BSG zwingend einen Anspruch der dortigen Kläger begründen musste, so galt dies für den Kläger im hier anhängigen Rechtsstreit
- wie dargelegt - nicht.
d. Inwieweit der Kläger im Umkehrschluss aus §
100 Abs.
4 SGB VI , der vorsieht, dass Verwaltungsakte auch nach Unvereinbarkeitserklärungen durch das BVerfG nur eingeschränkt zurückgenommen
werden dürfen, eine Verzinsungspflicht seines Anspruchs herleiten will, erschließt sich dem Senat nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§
183 , 193
SGG .
Der Senat hat die Revision im Hinblick auf die Vielzahl der anhängigen Verfahren mit gleicher Rechtsfrage wegen grundsätzlicher
Bedeutung zugelassen ( §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG ).