Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII als Darlehen
Anforderungen an die Verwertbarkeit eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft
Tatbestand
Die Klägerin begehrt für das Jahr 2015 Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII als Zuschuss anstelle eines Darlehens und wendet sich gegen eine Auflage, einen Erbteil zu verpfänden.
Die am 00.00.1949 geborene Klägerin bezog zuletzt bis 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Oktober 2006 verstarb ihre Mutter und wurde von der Klägerin und ihrem Bruder zu je 1/2 beerbt. Die Klägerin erhielt
aus dem Erbfall 2007 einen Geldbetrag in Höhe von ca. 28.000 €. Zum Nachlass gehört außerdem ein unbebautes Grundstück in
Porta Westfalica, Gemarkung I, Flur 0, Flurstück 100 mit einer Größe von 1.244 qm, dessen Wert nach Einschätzung des Gutachterausschusses
für Grundstückswerte aus dem Jahre 2009 85.000 € betrug. Eine Bebauung des Grundstücks ist ausweislich einer der Klägerin
erteilten Auskunft des Amtes für Stadtplanung und Bauwesen der Stadt Porta Westfalica vom 25.03.2015 grundsätzlich zulässig,
wobei 2015 die Erschließung nicht gesichert war, da das Grundstück lediglich über eine Privatstraße erreicht werden konnte
und der Eigentümer keine Genehmigung zur Benutzung dieser Straße erteilt hatte.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten im Hinblick auf das Erreichen der Altersgrenze nach §§ 7 Abs. 1 Nr.1, 7a SGB II am 31.12.2014 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, eine Bewilligung in Form einer nicht rückzahlbaren Beihilfe sei nicht möglich, da
die Klägerin Miteigentümerin des Grundstückes mit dem geschätzten Verkehrswert iHv ca. 85.000 € sei. Die Hilfegewährung sei
nur als Darlehen gegen Eintragung einer Grundschuld in Höhe von 20.000 € möglich.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 17.02.2015 eine Abschlagszahlung in Höhe von 900 € als Darlehen. Gegen
die Beschränkung der Bewilligung auf ein Darlehen legte die Klägerin am 02.03.2015 Widerspruch ein. Das Grundstück sei unverkäuflich
und damit unverwertbar. Sie legte ein Schreiben ihres Bruders vom 22.04.2015 vor, mit dem dieser einer Auseinandersetzung
der Erbschaft in Form einer Begründung von Miteigentumsanteilen nicht zustimmt, der Klägerin jedoch grundsätzlich anbietet,
deren Erbteil gegen Zahlung von 28.000 € zu übernehmen. Dies lehnte die Klägerin ab, weil der angebotene Betrag zu niedrig
sei.
Mit Bescheid vom 01.06.2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII für den Zeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2015 als Darlehen in Höhe von monatlich 309,25 €. Die Klägerin verfüge über verwertbares
Vermögen in Form eines Grundstücks, das ihr gemeinsam mit ihrem Bruder in Erbengemeinschaft gehöre. Das Grundstück sei verwertbar
und eine Verwertung bedeute für die Klägerin keine Härte. Die Leistungserbringung könne davon abhängig gemacht werden, dass
der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert werde. Auf Anraten der Beklagten habe sich die Klägerin
bereits mit einem Notar in Verbindung gesetzt, um eine Einigung mit dem Bruder zu erzielen, da eine Grundschuld nur mit dessen
Zustimmung eingetragen werden könne. Laut vorliegendem Schriftverkehr sei der Bruder mit der Auseinandersetzung des Grundbesitzes
jedoch nicht einverstanden, so dass die darlehensweise Gewährung der Grundsicherung gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X von einer Verpfändung des Erbteils zugunsten der Beklagten abhängig gemacht werde. Die bewilligten Leistungen wurden der
Klägerin sodann ausgezahlt.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 09.06.2015 Widerspruch ein. Sie habe einen Anspruch auf Leistungen als Zuschuss,
da es sich bei dem Grundstück nicht um verwertbares Vermögen handele. Eine Verwertung scheide aufgrund der kategorischen Weigerung
des Bruders, sich auseinanderzusetzen, aus. Zudem seien die Erschließung nicht gesichert und Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig.
Vor diesem Hintergrund sei das Grundstück nicht vermarktungsfähig und daher nicht verwertbar. Auch eine Beleihung sei unter
diesen Gegebenheiten ausgeschlossen.
Der Kreis Minden-Lübbecke wies die Widersprüche gegen beide Bescheide unter Beteiligung sozial erfahrener Personen mit Widerspruchsbescheid
vom 28.09.2015 zurück. Die Klägerin habe gem. § 91 SGB XII lediglich einen Anspruch auf ein Darlehen, da sie über verwertbares Vermögen verfüge. Sie könne von ihrem Bruder eine Erbauseinandersetzung
verlangen. Es handele sich bei dem Erbteil nicht um geschütztes Vermögen und die Verwertung stelle für die Klägerin keine
Härte dar. Das Darlehen könne davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise
gesichert werde. Durch die Verpfändung des Erbteils bestehe die Sicherheit, dass der Rückzahlungsanspruch durchsetzbar sei.
Die Klägerin hat am 27.10.2015 Klage bei dem Sozialgericht Detmold erhoben. Bei dem ihr in Erbengemeinschaft mit ihrem Bruder
gehörenden Grundstück handele es sich nicht um tatsächlich verwertbares Vermögen, weshalb ein Anspruch auf Leistungen als
Zuschuss bestehe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Bescheide vom 17.02.2015 und 01.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2015 abzuändern und die Beklagte
zu verpflichten, die bewilligten Leistungen statt als Darlehen als Zuschuss zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die von der Klägerin behauptete generelle Unverwertbarkeit des Grundstücks sei nicht belegt. Auch wenn der Bruder einer einvernehmlichen
Erbauseinandersetzung nicht zugestimmt habe, bestünden andere Möglichkeiten der Verwertung, wie etwa eine Erbteilungsklage
oder eine Teilungsversteigerung.
Mit Urteil vom 15.02.2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe lediglich einen Anspruch auf Leistungen
der Grundsicherung nach dem SGB XII als Darlehen gem. 91 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Das Vermögen der Klägerin sei iSd § 90 Abs. 1 SGB XII verwertbar. Eine Verwertungsmöglichkeit habe bestanden, als der Bruder angeboten habe, den Grundstücksanteil der Klägerin
gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 28.000 € zu übernehmen. Darüber hinaus könne die Klägerin nach §
2042 Abs.
1 BGB jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen. Soweit sich eine einvernehmliche Regelung mit dem Bruder
nicht treffen lasse, finde §
753 Abs.
1 BGB Anwendung. Danach erfolge die Aufhebung der Gemeinschaft bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung und durch Teilung des
Erlöses. Auch stünden der Verwertung des Grundstücks weder die Tatbestände des § 90 Abs. 2 SGB XII noch Härtegründe nach § 90 Abs. 3 SGB XII entgegen. Nach § 91 Satz 2 SGB XII könne die Leistungserbringung davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder auf andere Weise
gesichert werde. Daher sei auch die Auflage, zur Sicherung des Anspruchs den Erbteil zu verpfänden, rechtlich nicht zu beanstanden.
Gegen dieses ihr am 26.02.2018 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 20.03.2018 eingelegten Berufung. Sie
bleibe dabei, dass das Grundstück aufgrund der komplizierten baurechtlichen und privatrechtlichen Situation unverwertbar sei.
Auch eine Teilungsversteigerung sei nicht erfolgversprechend, da bei dieser Sachlage niemand das Grundstück kaufen würde.
Ferner sei das seinerzeitige Angebot ihres Bruders zur Übernahme ihres Erbteils in Höhe von 28.000 € befristet gewesen. Sie
habe aufgrund der Kürze der Zeit keine sachgerechte Entscheidung hierüber treffen können.
Die zum Verhandlungstermin nicht erschienene Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 15.02.2018 zu ändern und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 17.02.2015
und 01.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2015 zu verurteilen, ihr die bewilligten Leistungen nach
dem SGB XII anstelle des Darlehens als Zuschuss zu gewähren sowie die in den Bescheiden enthaltene Verpfändungsauflage aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf das erstinstanzliche Urteil, das sie verteidigt.
Nachdem der Senat Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 04.06.2020 bestimmt und das persönliche Erscheinen der Klägerin
angeordnet hatte, hatte die nicht mehr anwaltlich vertretene Klägerin mit Schreiben vom 28.05.2020 mitgeteilt, sie könne der
Ladung zum Termin aus gesundheitlichen Gründen nicht Folge leisten, und ausgeführt, es gebe weitere, bislang nicht berücksichtigte
Fakten und Entwicklungen, welche sie selbst persönlich vorbringen und erörtern wolle, weshalb sie darum bitte, die Verhandlung
nicht ohne sie stattfinden zu lassen und nicht nur nach Aktenlage zu entscheiden. Diesem Schreiben hatte sie ein Attest ihrer
Ärztin A vom 14.05.2020 beigefügt, nach dem sie aufgrund ihrer Vorerkrankungen mit immobilisierendem Schmerzsyndrom und intensivierter
Schmerztherapie bei Adipositas III zur Risikogruppe für Covid-19-Infektionen gehöre und aus diesem Grund nicht an einer Gerichtsverhandlung
teilnehmen könne, zu der sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen müsse. Auch seien ihr längere Wartezeiten im Stehen
nicht zumutbar. Daraufhin hatte der Senat den Termin aufgehoben. Mit Schreiben vom 04.08.2020 hat die Klägerin sodann eine
Stellungnahme eingereicht und verschiedene Anlagen beigefügt, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Mit Verfügung vom 25.05.2021 hat der Senat Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.06.2021 anberaumt und das persönliche Erscheinen
der Klägerin angeordnet. Die Terminsmitteilung ist der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 01.06.2021 zugegangen. Mit einem
Fax aus ihrer Hausarztpraxis, das bei Gericht am 09.06.2021 eingegangen ist, hat die Klägerin erneut angekündigt, dem Termin
aus gesundheitlichen Gründen nicht Folge leisten zu können und ein Attest der Ärztin A vom 09.06.2021 eingereicht, das inhaltlich
mit dem Attest vom 14.05.2020 identisch ist. Die Klägerin hat gebeten, den Rechtsstreit nicht ausschließlich nach Aktenlage
zu entscheiden. Daraufhin hat der Senatsvorsitzende mit Schreiben vom 09.06.2021 an die Klägerin die Anordnung des persönlichen
Erscheinens der Klägerin zum Termin am 14.06.2021 aufgehoben und mitgeteilt, dass an der Durchführung der mündlichen Verhandlung
festgehalten wird. Eine Entscheidung nach Aktenlage sei nicht beabsichtigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat konnte den Rechtsstreit in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden. Die Beteiligten sind in der Terminsmitteilung
auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Der Vorsitzende hat über den am 09.06.2021 bei Gericht per Fax eingegangenen Antrag
auf Terminverlegung am 09.06.2021 entschieden (§
202 SGG i.V.m. §
227 Abs.
4 Satz 1
ZPO), indem er der Klägerin mitgeteilt hat, dass der Verhandlungstermin stattfindet.
Ein erheblicher Grund für die beantragte Terminsverlegung iSd §
202 SGG, §
227 Abs.
1 Satz 1
ZPO lag nicht vor. Bei der Prüfung eines erheblichen Grundes sind das Interesse der Allgemeinheit und der Prozessbeteiligten
an der zeitnahen Entscheidung eines nach dem Ergebnis des vorbereitenden Verfahrens entscheidungsreifen Rechtsstreits (§
106 Abs.
2 SGG) und das Interesse der Beteiligten auf Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs.
1 GG, §
62 SGG) gegeneinander abzuwägen, wobei jedenfalls im öffentlich-rechtlichen sozialgerichtlichen Verfahren das Beschleunigungsinteresse
im Zweifel nachrangig ist (in diesem Sinne BSG Urteil vom 10.08.1995 - 11 RAr 51/95). Die Behandlung von Anträgen auf Terminsverlegung hat der zentralen Gewährleistungsfunktion der mündlichen Verhandlung für
den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen (BSG Beschluss vom 12.05.2017 - B 8 SO 69/16 B). Ein iSd §
227 Abs.
1 Satz 1
ZPO ordnungsgemäß gestellter Verlegungsantrag mit einem hinreichend substantiiert geltend und ggfs. glaubhaft gemachten Terminsverlegungsgrund
begründet daher grundsätzlich eine Pflicht des Gerichts zur Terminsverlegung (BSG Urteile vom 12.05.2017 - B 8 SO 69/16 B und vom 24.10.2013 - B 13 R 230/13 B; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 15.03.2016 - L 7 AS 1849/15 NZB).
Auch unter Beachtung dieser strengen Maßstäbe hat die Klägerin einen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung nicht geltend
gemacht.
Zwar kann eine Erkrankung einen erheblichen Grund für eine Terminsaufhebung darstellen, was aber nicht uneingeschränkt gilt.
Dies ist regelmäßig der Fall, wenn eine plötzliche Verhinderung vorliegt (BSG Beschluss vom 21.08.2007 - B 11a AL 11/07 B), etwa bei einem Unfall oder einer plötzlich auftretenden Erkrankung. Etwas anderes
gilt nach der Rechtsprechung für einen Rechtsanwalt bei einer schon seit längerer Zeit bestehenden chronischen Erkrankung,
die ihn bereits in der Vergangenheit am Erscheinen zu einem mündlichen Verhandlungstermin gehindert hat. In einem solchen
Fall ist der Anwalt verpflichtet, Vorkehrungen für die Wahrnehmung von Gerichtsterminen zu treffen (vgl. BVerwG Beschluss
vom 22.05.2001 - 8 B 69/01; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 09.01.2020 - L 7 AS 498/19). Dieser Grundsatz ist im vorliegenden Fall auch auf die nicht vertretene Klägerin anzuwenden. Wenn sich der gesundheitliche
Zustand eines Beteiligten auf absehbare Zeit nicht ändert, muss dieser Sorge dafür tragen, dass er anderweitig vertreten wird,
oder - nachdem er wie hier auf schriftlichem Wege die Möglichkeit genutzt hat, sein Anliegen vollständig vorzutragen und entsprechende
Unterlagen vorzulegen - eine Entscheidung ohne seine persönliche Anwesenheit hinnehmen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass
der Rechtsstreit nie zu einem ordnungsgemäßen Abschluss gebracht werden kann, was mit dem öffentlichen Interesse und dem Interesse
der anderen Beteiligten an einem Abschluss des Verfahrens nicht zu vereinbaren wäre. Daher wäre die Klägerin angesichts ihrer
chronischen Erkrankung verpflichtet gewesen, rechtzeitig Vorsorge für den Fall einer absehbar erneuten Terminierung zu treffen,
indem sie sich etwa durch einen Dritten ordnungsgemäß vertreten lässt oder die Gelegenheit nutzt, abschließend schriftsätzlich
vorzutragen und ihre Zustimmung zu einer Entscheidung ohne ihre persönliche Anwesenheit erteilt. Dies gilt im Rahmen der Abwägungsentscheidung
umso mehr, als die Klägerin bereits zuvor einen Terminsaufhebungsantrag gestellt hatte, dem der Senat stattgegeben hatte,
und sie anschließend angekündigte Unterlagen vorgelegt und Ausführungen gemacht hat, die der Senat bei der Entscheidungsfindung
berücksichtigt hat. Mit dem erneuten Terminsaufhebungsantrag hat die Klägerin demgegenüber keinen neuen, bislang nicht berücksichtigten
Sachvortrag angekündigt, weshalb ihr Anspruch auf rechtliches Gehör eine erneute Terminsaufhebung nicht geboten hat. Von der
Durchführung des Termins hatte die Klägerin rechtzeitig Kenntnis, da ihr der Senatsvorsitzende mit Schreiben vom 09.06.2021
mitgeteilt hat, dass an dem Verhandlungstermin festgehalten wird. Der Durchführung des Termins in Abwesenheit der Klägerin
stand schließlich auch nicht entgegen, dass zunächst ihr persönliches Erscheinen angeordnet worden war, denn dies ersetzt
nicht das allein maßgebliche Vorliegen eines erheblichen Grundes für eine Terminsaufhebung (BSG Urteil vom 16.12.1993 - 13 RJ 37/93; LSG Brandenburg Urteil vom 06.08.2004 - L 10 AL 29/01). Zudem ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin rechtzeitig aufgehoben worden.
II. Die statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht
hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht iSd §
54 Abs.
2 SGG beschwert, weil diese rechtmäßig sind. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung
im Alter in Form eines Zuschusses statt des ihr im streitigen Zeitraum bewilligten Darlehens. Auch die ihr mit den angefochtenen
Bescheiden erteilte Auflage, der Beklagten ihren Erbteil zu verpfänden, ist rechtmäßig.
1) Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 17.02.2015 und 01.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
28.09.2015 (§
95 SGG). Da sich die Klägerin gegen die Bescheide mit dem Ziel wendet, statt der gewährten Darlehen einen Zuschuss zu erhalten,
ohne die Beträge zu beziffern, ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§
54 Abs.
1,
56 SGG), gerichtet auf ein Grundurteil (§
130 Abs.
1 SGG analog), statthaft. Da die Beklagte bereits geleistet und die Klägerin noch nicht zurückgezahlt hat, muss lediglich der Rechtsgrund
der Zahlung (Zuschuss statt Darlehen) geändert werden (BSG Urteile vom 09.12.2016 - B 8 SO 15/15 R und vom 28.02.2013 - B 8 SO 4/12 R). Darüber hinaus wendet sich die Klägerin bei
interessengerechter Auslegung ihres Begehrens (§
123 SGG) statthaft auch gegen die im Bescheid vom 01.06.2015 ausdrücklich verfügte Auflage, ihren Erbteil zu Gunsten der Beklagten
zu verpfänden. Da die Auflage als Nebenbestimmung zu einem Ermessensverwaltungsakt nach § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X selbst ein Verwaltungsakt iSv § 31 SGB X ist und selbstständig im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden kann (BSG Urteil vom 06.04.2000 - B 11/7 AL 10/99 R; Burkiczak, in: JurisPK SGB X, § 32 Rn. 71; Engelmann, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 32 Rn. 35 f), ist sie (auch) isoliert anfechtbar (grdl. BVerwG Urteil vom 22.11.2000 - 11 C 2/00; in diesem Sinne auch BSG Urteil vom 06.04.2000 - B 11/7 AL 10/99 R; Engelmann, in: Schütze, SGB X, § 32 Rn. 53 mwN).
2) Die beklagte Stadt Minden ist als von dem Kreis Minden-Lübbecke als örtlichem Sozialhilfeträger herangezogene kreisangehörige
Gemeinde sachlich (§ 3 Abs. 1 AG-SGB XII NRW, §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe nach dem SGB XII im Kreis Minden-Lübbecke vom 30.12.2002) und örtlich (§ 46b Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 3 AG-SGB XII NRW) zuständig.
3) Rechtsgrundlage für die Bewilligung der Grundsicherung als Darlehen ist § 91 Satz 1 SGB XII, der für die Grundsicherung gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB XII anzuwenden ist. Soweit nach § 90 SGB XII für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen ist, jedoch der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung
des Vermögens nicht möglich ist oder für die, die es einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde, soll nach dieser Vorschrift
die Sozialhilfe als Darlehen geleistet werden.
a) Die Klägerin - die dem Grunde nach gem. § 41 SGB XII hinsichtlich der Grundsicherung leistungsberechtigt war, da sie die Altersgrenze (§ 41 Abs. 2 SGB XII) überschritten und kein vollständig bedarfsdeckendes Einkommen (§§ 43 Abs. 1 Satz 1, 82 - 84 SGB XII) hatte - verfügte im streitigen Zeitraum über verwertbares und einzusetzendes Vermögen iSd § 90 Abs. 1 SGB XII jedenfalls in Form eines Anspruchs auf Auseinandersetzung der mit ihrem Bruder bestehenden Erbengemeinschaft und des damit
verbundenen Anspruchs auf einen Anteil am Auseinandersetzungsguthaben. Der Wert dieses Vermögens lag über der Freigrenze von
(damals) 2.600 € und das Vermögen gehörte weder zum Schonvermögen (§ 90 Abs. 2 SGB XII), noch stand der Verwertung eine Härte iSd § 90 Abs. 3 SGB XII entgegen. Zum gem. § 90 Abs. 1 SGB XII einzusetzenden Vermögen gehören auch ein schuldrechtlicher Anspruch auf Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft (§§
2042,
2046 ff.
BGB) und der hiermit verbundene Anspruch auf einen Anteil am Auseinandersetzungsguthaben nach §
2047 BGB. Diesen Anspruch hat ein Leistungsberechtigter grundsätzlich zur Abwendung von Hilfebedürftigkeit als Vermögensgegenstand
einzusetzen (BSG Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 28.03.2019 - L 19 AS 1096/17).
aa) Durch den Erbfall wurde die Klägerin zusammen mit ihrem Bruder gemeinschaftliche Eigentümerin an dem Grundstück Gemarkung
I, Flur 0, Flurstück 100 zu 1/2 in ungeteilter Erbengemeinschaft. Diese Rechtsstellung bestand im streitigen Zeitraum unverändert
fort, weil eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht stattgefunden hatte. Zu dem Vermögen iSd § 90 Abs. 1 SGB XII gehörten mithin der Anteil der Klägerin an dem Nachlass, über den sie nach §
2033 Abs.
1 Satz 1
BGB eigenständig verfügen konnte, das Gesamthandseigentum an dem Grundstück in ungeteilter Erbengemeinschaft und der Anspruch
auf deren Auseinandersetzung (§§
2042 ff.
BGB).
bb) Dieses Vermögen war verwertbar. Einem freihändigen Verkauf des gesamten Grundbesitzes durch alle Mitglieder der Erbengemeinschaft
gemeinschaftlich (§
2040 Abs.
1 BGB), stand zwar die entsprechende Weigerung des Bruders entgegen. In einem solchen Fall besteht die Verfügungsbeschränkung des
§
2033 Abs.
2 BGB (keine Verfügung eines Miterben über seinen Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen) als rechtliches Hindernis für eine
Verwertbarkeit uneingeschränkt und auf unabsehbare Zeit (vgl. hierzu BSG Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 28.03.2019 - L 19 AS 1096/17). Aber der Anspruch der Klägerin gegen ihren Bruder auf Erbauseinandersetzung (§
2042 Abs.
1 BGB) entweder über einen freihändigen Verkauf des Grundstücksanteils an den Bruder oder über eine Auseinandersetzung auf gesetzlichem
Wege (§§
2042 Abs.
2,
753 BGB, §§ 180 ff. ZVG) wäre im streitigen Zeitraum möglich gewesen. Dem standen weder rechtliche noch tatsächliche Hindernisse entgegen. In rechtlicher
Hinsicht ist für einen Ausschluss der sofortigen Auseinandersetzung durch entsprechende Verfügung der Erblasserin (§
2044 BGB) oder Aufschubgründe (§§
2043,
2045 BGB) von der Klägerin nichts vorgetragen worden und auch sonst nichts ersichtlich. Auch ein tatsächliches Verwertungshindernis
lag nicht vor. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, hatte der Bruder der Klägerin dieser mit Schreiben vom 22.04.2015
ausdrücklich angeboten, deren Erbteil gegen Zahlung von 28.000 € zu übernehmen. Dies hätte zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft
geführt, weil das Grundstück nach Aufteilung des Barvermögens den einzig verbliebenen Nachlassgegenstand bildete. Die Klägerin
hatte dieses Angebot nur deshalb nicht angenommen, weil es ihr zu niedrig erschien (Schriftsatz der Klägerin vom 30.08.2017).
Ein tatsächliches Verwertungshindernis ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, das Grundstück sei aufgrund der
mangelnden Erschließung derzeit nicht bebaubar. Wäre das Grundstück in seinem 2015 bestehenden Zustand, dh ohne Erschließung,
überhaupt nicht marktgängig - wie die Klägerin wohl meint - hätte der Gutachterausschuss keinen Wert iHv 85.000 € festgestellt.
Zudem hat die Klägerin selbst vorgetragen, dass dieser Wert wohl noch deutlich zu niedrig festgestellt worden ist.
cc) Der mithin als Vermögen iSd § 90 Abs. 1 SGB XII zu qualifizierende Anspruch der Klägerin auf Erbauseinandersetzung stellt kein Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 SGB XII dar. Der auf die Klägerin entfallende Wert ihres Anteils am Eigentum des Hausgrundstücks iHv ca. 42.500 € übersteigt den
im streitigen Zeitraum noch geltenden Freibetrag von 2.600 € (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. a der Durchführungsverordnung - DVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 idF bis 31.12.2016).
dd) Schließlich sind Härtegründe iSd § 90 Abs. 3 SGB XII, die eine wertungsmäßig den Schonvermögenstatbeständen des § 90 Abs. 2 SGB XII gleichstehende atypische Situation begründen, nicht ersichtlich. Ob die Verwertung des Anspruchs auf Erbauseinandersetzung
durch Annahme des Angebots des Bruders auf Übernahme ihres Erbteils iHv 28.000 € unwirtschaftlich gewesen wäre, was einen
Unterfall der Härte iSd § 90 Abs. 3 SGB XII darstellen würde (vgl. BSG Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 19/10 R; Mecke, in: jurisPK-SGB XII, § 90 Rn. 125), kann im Ergebnis dahinstehen, weil jedenfalls eine Geltendmachung des gesetzlichen Erbauseinandersetzungsanspruchs
nicht als unwirtschaftlich und damit als Härte qualifiziert werden kann. Nach der Rechtsprechung des BSG zu § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II, die aufgrund der allgemeineren Regelung des § 90 Abs. 3 SGB XII sowie mit Blick auf die unterschiedlichen Zielrichtungen und den anspruchsberechtigten Personenkreis des SGB II einerseits und des SGB XII andererseits allerdings nicht uneingeschränkt in das Sozialhilferecht übernommen werden kann, weil hier vielmehr ein strengerer
Maßstab anzulegen ist (vgl. hierzu Mecke, in: jurisPK SGB XII, § 90 Rn. 128), liegt eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis
zum "wirklichen Wert" des zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht. Künftige Gewinnaussichten, wie die Klägerin sie evtl.
bei einer Sicherung der Erschließung des Grundstücks erwartet, bleiben außer Betracht (BSG Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R). Dass das hier maßgebliche Grundstück aufgrund der beabsichtigten Bebauung einen beträchtlichen Wert besitzt, bestreitet
die Klägerin nicht. Für einen Verlust durch eine Verwertung gerade im Jahr 2015 ist nichts ersichtlich. Zudem darf im Rahmen
der für die Prüfung einer Härte vorzunehmenden Wertung nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei diesem Grundstück
um von der Klägerin geerbtes, nicht aber durch Eigenleistungen erworbenes Vermögen handelt. Der Schutz geerbten Vermögens
ist schwächer ausgeprägt als der von Vermögen, das durch die Bildung eigener Mittel erworben worden ist.
ee) Der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens waren iSd § 91 Satz 1 SGB XII nicht möglich, da die Durchführung der Erbauseinandersetzung einige Zeit benötigt hätte, weshalb zur Sicherung des menschenwürdigen
Existenzminimums der Kläger in die Leistungszahlung aufgenommen werden musste.
b) Die Beklagte hat die Bewilligung nach § 91 Satz 2 SGB XII ermessensfehlerfrei mit einer Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs durch Erbteilsverpfändung verknüpft. Nach dieser
Vorschrift kann die Leistungserbringung davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in
anderer Weise gesichert wird. Die Beklagte hat von diesem Ermessen in dem angefochtenen Bescheid in rechtmäßiger Weise Gebrauch
gemacht. Sie hat erkannt, dass ihr Ermessen zusteht ("Die Leistungserbringung kann davon abhängig gemacht werden, dass der
Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird") und sich mit den für eine Erbteilsverpfändung sprechenden
Umständen des Einzelfalles zutreffend auseinandergesetzt, indem sie ausgeführt hat, dass eine Einigung mit ihrem Bruder nicht
erzielt werden konnte, weshalb die darlehensweise Gewährung der Grundsicherung von der Verpfändung des Erbteils abhängig gemacht
werde. Anhaltspunkte, die auf sachfremde Erwägungen (§
39 Abs.
1 Satz 1
SGB I) schließen lassen, sind nicht ersichtlich, vielmehr entspricht die Forderung nach einer Sicherheit dem auch im Sozialhilferecht
geltenden Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Beklagte wäre sogar berechtigt gewesen, die Leistung bis zur Bestellung einer von
ihr verlangten Sicherheit zu verweigern (Mecke, in jurisPK-SGB XII, § 91 Rn. 35; Giere, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 91 Rn. 17; zu § 24 Abs. 5 SGB II ebenso Bender, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 24 SGB II Rn. 74). Von diesem Recht hat die Beklagte noch nicht einmal Gebrauch gemacht, da sie der Klägerin die Leistung tatsächlich
ausgezahlt hat.
c) Rechtsgrundlage für die von der Beklagten erteilte Verpfändungsauflage ist § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X. Nach dieser Regelung darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen mit einer Bestimmung verbunden werden, durch die
dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (Auflage). Wie ausgeführt ist der Inhalt der Auflage
materiell rechtmäßig. Auch hinsichtlich der Erteilung der Auflage selbst liegen Ermessensfehler nicht vor. Die Beklagte hat
ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung des § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X ausgeübt. Nachdem sie - wie dargelegt - gem. § 91 Satz 2 SGB XII berechtigt war, die Leistungsbewilligung davon abhängig zu machen, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer
Weise gesichert wird, ist eine damit korrespondierende Auflage im Bewilligungsbescheid nicht zu beanstanden. Entgegenstehende
Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich, so dass die Beklagte nicht verpflichtet war, zusätzliche, über die Anforderung einer
Sicherheit gem. § 91 Satz 2 SGB XII hinausgehende Erwägungen einfließen zu lassen. Der auch bei Nebenbestimmungen nach § 32 Abs. 2 SGB X geltende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als die Grenzen pflichtgemäßen Ermessens bildender Gesichtspunkt (Engelmann, in:
Schütze, SGB X, § 32 Rn. 17) ist gewahrt, da ein gleichermaßen geeignetes, aber weniger belastendes Sicherungsmittel nicht in Betracht gekommen
ist. Schließlich ist auch für eine nach § 32 Abs. 3 SGB X verbotene Zweckwidrigkeit der Auflage nichts ersichtlich.
III) Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
IV) Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG) bestehen nicht.