LSG Sachsen, Urteil vom 15.10.2015 - 1 KR 92/10
Krankenversicherung - Beschäftigung; Sozialversicherungspflicht; Statusfeststellung; Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze;
Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft; Vorstandsmitglied einer kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts
1. Zur Beschäftigung des Vorstands einer kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts.
2. § 1 Satz 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III sind auf Vorstände einer kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts nicht entsprechend anwendbar.
Vorinstanzen: SG Dresden 30.03.2010 S 39 KR 206/07
I. Auf die Berufungen der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 30. März 2010 und die Bescheide der Beklagten
vom 27. März 2006 und 28. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2007 geändert.
II. Es wird festgestellt, dass der Kläger zu 1 in seiner Beschäftigung bei der Klägerin zu 2 seit 1. März 2005 nicht in der
gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig ist.
III. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
IV. Die Beklagte hat den Klägern 1/3 ihrer außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger und Berufungskläger zu 1 in seiner Beschäftigung bei der Klägerin und Berufungsklägerin zu 2 (im
Folgenden: Kläger zu 1 bzw. Klägerin zu 2) seit 1. März 2005 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, sozialen
Pflege- und gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Die Klägerin zu 2 ist eine 1999 gegründete kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts. Sie betreibt Einrichtungen der Alten-,
Behinderten-, Kinder-, Jugend- und Suchtkrankenhilfe und führt die Entwicklung und Betreuung weiterer sozialer Hilfs- und
Beratungsangebote therapeutischer und sozialpädagogischer Aktivitäten für entsprechend bedürftige Menschen fort. Ihre Organe
sind der aus neun Personen bestehende Stiftungsrat und der aus zwei Personen bestehende Vorstand, von denen einer der Kläger
zu 1 ist.
Der Kläger zu 1 war zunächst Mitglied des Stiftungsrates der Klägerin zu 2, bevor er am 1. Juli 2000 durch Beschluss des Stiftungsrates
zum zweiten Vorstand berufen wurde. Er ist nach einer internen Absprache zuständig für die Bereiche Recht, Finanzen, Betriebswirtschaft,
der andere Vorstand für die inhaltlich-pädagogische Leitung der Einrichtungen, das Bauwesen, die Mitarbeiterführung und die
Außenrepräsentation. Die Vorstände vertreten sich gegenseitig im Falle von Krankheit, Urlaub oder sonstiger Abwesenheit.
Nach der am 18. Dezember 2003 genehmigten Satzung der Klägerin zu 2 (im Folgenden: Satzung) ist der Stiftungsrat zuständig
für Grundsatzentscheidungen und führt die Aufsicht über den Vorstand. Er gibt Anregungen für die Arbeit des Vorstandes, greift
jedoch nicht in die unmittelbare Geschäftsführung ein. Weitere Aufgaben und Rechte des Stiftungsrates sind u. a. die Entscheidung
über die Berufung und Abberufung der Mitglieder des Vorstandes sowie Abschluss, Änderung und Kündigung ihrer Anstellungsverträge
(§ 9 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der Satzung). Bei Abschluss der Anstellungsverträge wird die Stiftung durch den Stiftungsratsvorsitzenden
vertreten. Der Vorstand hat das Recht der jederzeitigen Unterrichtung über alle Angelegenheiten der Stiftung, Einsichtnahme
in die Bücher und Prüfung der Kassenführung, gegebenenfalls durch Dritte. Er verabschiedet den jährlichen Haushaltsplan. Dabei
bedürfen wesentliche Änderungen der Zustimmung des Stiftungsrates (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 der Satzung). Er fasst den Beschluss
über den Jahresabschluss und die Entlastung des Vorstandes und verabschiedet nach Nr. 6 der Regelung die Geschäftsordnung
des Vorstandes; deren Änderung muss er zustimmen. Er kann vom Vorstand Vorlagen zur Beschlussfassung im Stiftungsrat erbitten.
Der Zustimmung des Stiftungsrates bedürfen nach § 9 Abs. 2 Nr. 5 der Satzung u.a. Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken
und grundstücksgleichen Rechten, soweit sie nicht Bestandteil des verabschiedeten Wirtschaftsplanes sind, die Aufnahme von
Darlehen und Übernahme von Bürgschaften ab 50.000,- Euro oder eines Volumens ab 150.000,- Euro pro Geschäftsjahr, soweit dieses
nicht schon im verabschiedeten Wirtschaftsplan enthalten ist, die Aufnahme oder Beendigung bestehender Arbeitszweige, deren
Erweiterung, Einschränkung oder Veränderung sowie Maßnahmen, die für den Auftrag und den Zweck der Stiftung von erheblicher
Bedeutung sind oder sein können, ferner die Gründung von und Beteiligung an Gesellschaften und Einrichtungen und größere Bau-
und Investitionsmaßnahmen, soweit sie nicht Bestandteil des verabschiedeten Wirtschaftsplanes sind. Gem. § 9 Abs. 2 Nr. 7
der Satzung kann der Stiftungsrat beschließen, dass auch weitere Rechtsgeschäfte seiner Zustimmung bedürfen.
Der Vorstand leitet und verwaltet die Stiftung (§ 12 der Satzung), er vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich
(§ 11 Abs. 3 der Satzung). Mitglieder des Vorstandes können aus wichtigem Grund mit zwei Drittel der Stimmen der Mitglieder
des Stiftungsrates abberufen werden (§ 11 Abs. 2 der Satzung). Der Vorstand ist Vorgesetzter aller Mitarbeiter in der Stiftung.
Er tritt zu regelmäßigen Sitzungen zusammen, Beschlüsse können nur einstimmig gefasst werden. Hinsichtlich der Satzungsbestimmungen
im Übrigen wird auf Bl. 3 bis 24 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte) verwiesen.
Der Vertrag des Klägers zu 1 mit der Klägerin zu 2 (Vorstandsvertrag) wurde am 18. März 2005 einvernehmlich mit Wirkung ab
1. Juli 2000 neu gefasst. In diesem Vertrag ist u.a. geregelt, dass der Kläger zu 1 nach Maßgabe der Stiftungssatzung alleinvertretungsberechtigt
ist (§ 2 Nr. l) und zu den Dienstaufgaben des Vorstandes auch die Übernahme der Geschäftsführung von Einrichtungen und ggf.
Gesellschaften, die die Stiftung unterhält, betreibt oder an denen die Stiftung beteiligt ist (§ 2 Nr. 2), gehört. Im Verhältnis
zu den Mitarbeitern nimmt der Vorstand die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften
wahr (§ 2 Nr. 3). Er haftet nur für Schäden, die durch grob fahrlässige oder vorsätzliche Verletzung der ihm obliegenden Pflichten
herbeigeführt wurden (§ 2 Nr. 4). Des Weiteren ist im Vorstandsvertrag geregelt, dass der Kläger zu 1 seine volle Arbeitskraft
der Stiftung zur Verfügung zu stellen hat und an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden ist. Wenn es die Erfüllung seiner
Aufgaben erfordert, hat er jederzeit zur Verfügung zu stehen (§ 3). Nebentätigkeiten bedürfen der vorherigen Einwilligung
des Stiftungsrates, von ehrenamtlichen Tätigkeiten ist der Vorsitzende des Stiftungsrates vor der Aufnahme zu unterrichten.
Der Vorstand darf die nach der Satzung und der Geschäftsordnung für den Vorstand zustimmungspflichtigen Geschäfte erst nach
erfolgter Einwilligung durch den Stiftungsrat abschließen bzw. umsetzen (§ 4). Seine jährliche Vergütung beträgt 75.000,-Euro,
die in zwölf gleichen Raten ausgezahlt wird (§ 6). Über eine Anpassung der Vergütung entscheidet der Stiftungsrat auf Antrag
des Vorstands, jedenfalls aber in dreijährigem Rhythmus beginnend mit der Unterzeichnung des Vertrages. Mit der Zahlung der
Vergütung sind Überstunden, Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art abgegolten (§ 6). Die Stiftung
stellt dem Vorstand einen Dienstwagen zur Verfügung (§ 7) und versichert den Vorstand gegen Folgen von Unfällen, die er im
Zusammenhang mit seiner Tätigkeit erleidet (§ 8 Nr. 4). Bei Krankheit wird die Vergütung für eine Dauer von sechs Monaten
fortgezahlt (§ 8 Nr. 5). Der Vorstand hat Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von 31 Arbeitstagen gerechnet auf eine 5-Tage-Woche.
Die ordentliche Kündigungsfrist beträgt ein Jahr zum Kalenderjahresende. Nur die Abberufung aus wichtigem Grund ist Grund
zur ordentlichen Kündigung des Vertrages. Die Kündigung ist in diesem Fall binnen eines Monats nach der Abberufung durch die
Stiftung zu erklären (§ 12). Hinsichtlich der im Vorstandsvertrag im Übrigen getroffenen Regelungen wird auf Bl. 28 bis 32
des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2005 wandte sich der Kläger zu 1, der seit 1. März 2005 Mitglied der Beklagten war, an diese
und beantragte eine Entscheidung darüber, ob er in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2 versicherungspflichtig sei oder
Versicherungsfreiheit bestehe.
Mit an den Kläger zu 1 gerichtetem Bescheid vom 27. März 2006 stellte die Beklagte fest, dass für diesen ab 1. März 2005 Versicherungspflicht
zur Sozialversicherung als Arbeitnehmer bestehe. Zur Begründung führte sie aus, bei Vorständen von gemeinnützigen Stiftungen
liege ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur Stiftung vor, wenn dem Vorstand ein fest umgrenzter Geschäftsbereich innerhalb
der wirtschaftlichen Bedeutung der Stiftung zugewiesen sei, er seine Arbeiten im Verwaltungs- und Organisationsbereich der
Stiftung verrichte und damit in den Betrieb der Stiftung eingegliedert sei und er ein regelmäßiges Entgelt erhalte, welches
eine Aufwandsentschädigung übersteige. Die Ausübung der Tätigkeit erfolge in den Räumen der Stiftung, der Kläger zu 1 vertrete
die Stiftung in den Bereichen Finanzen und Recht. Für seine Tätigkeit erhalte er ein regelmäßiges Entgelt, welches über eine
Aufwandsentschädigung hinausgehe und bei Arbeitsunfähigkeit für sechs Monate fortgezahlt werde. Zwar sei er in der Gestaltung
der vertraglichen Beziehungen zur Klägerin zu 2 frei und keinen Weisungen unterworfen; wichtige Entscheidungen könne er aber
nicht ohne die Zustimmung des Stiftungsrates treffen. Ab dem 1. März 2005 bestehe daher Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
und zur Arbeitsförderung sowie der Pflegeversicherung, jedoch bestehe Krankenversicherungsfreiheit wegen des Überschreitens
der Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Mit Bescheid vom 28. März 2006 teilte die Beklagte der Klägerin zu 2 mit, dass für den Kläger zu 1 Versicherungspflicht in
der Kranken-, Renten-, Pflegeversicherung und Arbeitslosenversicherung ab dem 1. März 2005 bestehe.
Am 24. April 2006 legten der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 mit gleichlautenden Schreiben Widerspruch gegen den Bescheid
vom 28. März 2006 ein. Sie begründeten den Widerspruch mit der Sonderstellung der Stiftung, die nicht mit einer GmbH oder
sonstigen Gesellschaft vergleichbar sei. Der Vorstand sei die Stiftung, er habe gerade keine Eigentümerversammlung über sich.
Jedes Vorstandsmitglied sei mit der Einzelvertretung der gesamten Stiftung betraut. Der feste Aufgabenbereich sei lediglich
eine interne Aufgabenteilung, die mit dem anderen Vorstandsmitglied abgesprochen worden sei. Er handle sich jedoch um keine
Zuweisung von Aufgaben. Die Aufgabenteilung beinhalte nicht, dass das jeweilige Vorstandsmitglied ausschließlich in diesem
Bereich tätig sei. Jedes Vorstandsmitglied bleibe trotz der internen Aufgabenteilung für alle Bereiche zuständig und verantwortlich.
Dies werde bestätigt durch § 11 Abs. 3 Satz 2 der Satzung, wonach jedes Vorstandsmitglied allein vertretungsberechtigt sei.
Der Kläger zu 1 sei in der Bestimmung und Gestaltung seiner Tätigkeit in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeitsort und Art der Beschäftigung
frei. Umgekehrt solle er jederzeit zur Verfügung stehen, wenn es die Erfüllung seiner Aufgabe erfordere. Daraus ergebe sich,
dass die Tätigkeit gerade nicht immer in den Räumen der Stiftung erfolge. Der Kläger zu 1 habe zwar in den Geschäftsräumen
der Stiftung ein Büro. Dies habe aber lediglich organisatorische Gründe und bedeute nicht, dass er seine Tätigkeit im Wesentlichen
in diesen Räumen zu erbringen habe. Es sei es auch seine Sache, wie er den Stiftungszweck verwirkliche. Der Stiftungsrat habe
lediglich eine kontrollierende und beratende Funktion. Es handele sich um ein Aufsichtsgremium, das nicht aktiv in die laufenden
Geschäfte eingreifen dürfe. Ein Zustimmungserfordernis des Stiftungsrates bestehe nur in solchen Fällen, in denen auch die
Stiftungsaufsicht zustimmen müsse. Eine solche Zustimmung sei höchstens ein- bis zweimal im Jahr erforderlich und stelle dann
auch eine Formalie dar. Daraus ergebe sich, dass die Tätigkeit des Vorstandes im Wesentlichen von jeder Weisung frei sei.
Es bestehe eine Befreiung von der Beschränkung des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch ( BGB). Die dort vorgenommene Einschränkung sei nur deshalb vorgenommen worden, weil die Stiftung sonst keine Mittel von der Aktion
Mensch erhalten würde. Die Bestellung bzw. Abberufung als Vorstand sei kein arbeitsrechtlicher Akt. Die vertragliche Ausgestaltung
gleiche eher einem Werk- als einem Arbeitsvertrag. Eine Abberufung sei nur aus wichtigem Grund, also regelmäßig der Nichterfüllung
bzw. nicht ordentlichen Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung möglich. Demzufolge sei im Fall der Abberufung weder der
ordentliche Rechtsweg noch der Arbeitsrechtsweg, sondern der Weg zum Kirchengericht/Verwaltungsgericht zu beschreiten. Der
Vorstand unterliege umfassender Haftung. Er hafte bereits bei leichter Fahrlässigkeit persönlich und ohne Begrenzung.
Mit an die Prozessbevollmächtigten sowohl des Klägers zu 1 als auch der Klägerin zu 2 gerichtetem Widerspruchsbescheid vom
28. März 2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. März 2006 zurück, wobei sie sich jedoch in den
Gründen des Bescheides auf den Bescheid vom 27. März 2006 bezog. Es bestehe Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung.
Am 24. April 2007 haben der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 gemeinsam hiergegen Klage vor dem Sozialgericht Dresden (SG) erhoben. Ergänzend zu der Begründung ihrer Widersprüche gegen den Bescheid vom 28. März 2006 haben sie vorgetragen, die
Kontrollrechte des Stiftungsrates seien mit denen des Aufsichtsrates in einer Aktiengesellschaft vergleichbar. Auch der Vorstand
einer Aktiengesellschaft erhalte ein Gehalt und nicht nur eine Aufwandsentschädigung, dieser werde auch regelmäßig keine Nebentätigkeit
ausüben dürfen. Würde der Kläger zu 1 eine bloße Aufwandsentschädigung erhalten, stünde dies in einem Missverhältnis zu seiner
Verantwortung und Haftung. Die lange Kündigungsfrist sei mit der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht
vereinbar. Aus dem Kirchengesetz über kirchliche Stiftungen in der Evangelischen Kirche B...-B... - s... O... ergebe sich,
dass gegen die Abberufung der kirchliche Verwaltungsgerichtsweg offen stehe. Der Urlaubsanspruch des Klägers zu 1 sei durch
dessen Arbeitspflichten eingeschränkt. Da sich beide Vorstandsmitglieder gegenseitig verträten, wäre ohne eine konkrete Urlaubsregelung
auch ein wesentlich längerer Urlaub möglich. Sitzungsprotokolle von Vorstandssitzungen existierten nicht, da jedes Vorstandsmitglied
die Stiftung allein vertrete. Der Vorstand fasse Beschlüsse, die er insbesondere für die Fälle, in denen das Stiftungsrecht
die Zustimmung der Stiftungsaufsicht vorsehe, schriftlich ausfertige.
Die Beklagte hat ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren noch ausgeführt, der Vorstandsvertrag weise keine Merkmale
eines Werkvertrages auf. Bei Kündigungen halte sie den Rechtsweg zum Arbeitsgericht für eröffnet. Die Befreiung von den Beschränkungen
des § 181 BGB und die Alleinvertretungsbefugnis seien für sich keine Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit. Der Vorstand unterliege
bei der Führung der Stiftungsgeschäfte Beschränkungen. So sei der Stiftungsrat zuständig für Grundsatzentscheidungen und führe
die Aufsicht über den Vorstand. Außerdem treffe der Stiftungsrat Entscheidungen über die Berufung und Abberufung der Mitglieder
des Vorstandes sowie den Abschluss, die Änderung und Kündigung der Anstellungsverträge. Alle Mitarbeiter und Organe der Stiftung
bildeten eine Dienstgemeinschaft. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2009 hat sie mitgeteilt, der Kläger zu 1 sei bei ihr freiwillig
versichert.
Das SG hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in welcher der ehemalige Stiftungsratsvorsitzende der Klägerin zu 2,
Prof. A..., als Zeuge vernommen worden ist, die Klagen mit Urteil vom 30. März 2010 abgewiesen. Nach dem in der Niederschrift
des Termins zur mündlichen Verhandlung aufgenommenen und vom Kläger zu 1 genehmigten Antrag hat dieser außer der Feststellung
des Nichtbestehens eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die Aufhebung des Bescheides vom 27. März
2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2007 beantragt; den so formulierten Antrag des Klägers zu 1 hat
die Beklagte beantragt abzuweisen.
Zur Begründung der Abweisung der Klagen hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger zu 1 sei als Vorstand der Klägerin zu 2 sozialversicherungspflichtig, da er zu ihr
in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Nach der glaubhaften, in sich widerspruchsfreien Aussage des im Termin
zur mündlichen Verhandlung vom 30. März 2010 vernommenen Zeugen, die sich mit den Angaben des Klägers zu 1 im Wesentlichen
decke, seien die tatsächlichen Verhältnisse während der Zeit, in der der Zeuge Stiftungsratsvorsitzender der Klägerin zu 2
gewesen sei, nicht von den in Vorstandsvertrag und Satzung getroffenen Regelungen abgewichen. Der Kläger zu 1 sei verpflichtet,
der Klägerin zu 2 seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Er sei an den Vorstandsvertrag, die Geschäftsordnung
des Vorstandes und die Satzung der Klägerin zu 2 gebunden, während der Stiftungsrat zuständig für Grundsatzentscheidungen
sei und die Aufsicht über den Vorstand führe. Auch entscheide der Stiftungsrat über Berufung und Abberufung der Mitglieder
des Vorstandes sowie Abschluss, Änderung und Kündigung ihrer Anstellungsverträge. Er verabschiede die Geschäftsordnung des
Vorstandes und müsse deren Änderung ebenso wie der internen Aufgabenverteilung zwischen den Vorständen zustimmen. Des Weiteren
könne er vom Vorstand Vorlagen zur Beschlussfassung im Stiftungsrat erbitten, und eine Reihe wesentlicher Geschäfte bedürften
der Zustimmung des Stiftungsrates, wobei es sich nicht ausschließlich um solche Geschäfte handele, die auch der Genehmigung
der Stiftungsaufsicht unterlägen. Daraus, dass der Stiftungsrat bisher noch nie die Zustimmung zu einem zustimmungspflichtigen
Geschäft verweigert habe, könne nicht geschlossen werden, dass der Stiftungsrat von seinen rechtlichen Befugnissen gegenüber
dem Vorstand auch künftig keinen Gebrauch machen und diesem völlig freie Hand lassen wolle. Zudem könne der Stiftungsrat jederzeit
beschließen, dass auch weitere Rechtsgeschäfte seiner Zustimmung bedürften, und Nebentätigkeiten des Klägers zu 1 hingen ebenso
wie ehrenamtliche Tätigkeiten von der Genehmigung bzw. Zustimmung durch den Stiftungsrat ab. Damit unterliege der Kläger zu
1 in seiner Tätigkeit als Vorstand einer umfassenden Beaufsichtigung durch den Stiftungsrat, auch wenn dieser ihm keine konkreten
Arbeitsanweisungen erteile und erteilen dürfe. Dass der Stiftungsrat nicht berechtigt sei, in die unmittelbare Geschäftsführung
einzugreifen, sei nicht ausschlaggebend. Gerade bei Diensten höherer Art könne das Weisungsrecht eingeschränkt und zur dienenden
Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein, solange der Versicherte in den Betrieb eingegliedert sei. Höhere Dienste würden
im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt blieben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen
Ordnung des Betriebes aufgingen. Die Ordnung der Stiftung werde in ihren wesentlichen Punkten durch den Stiftungsrat bestimmt,
der Kläger zu 1 sei in diese eingegliedert. Der Kläger zu 1 verrichte seine Tätigkeit auch nicht an einer eigenen Betriebsstätte,
und nach seinem Vorstandsvertrag sei kein Werk in der Gestalt eines bestimmten Erfolges, sondern eine laufende Dienstleistung
geschuldet. Ein eigenes Unternehmerrisiko trage er nicht und setze auch kein eigenes Kapital sein. Er erhalte eine jährliche
Vergütung, die in zwölf gleichen Raten gezahlt werde, die Verbuchung der Vergütung erfolge als Gehalt. Zudem werde bei Krankheit
die Vergütung für eine Dauer von sechs Monaten fortgezahlt, und er habe Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von 31 Arbeitstagen
gerechnet auf eine 5-Tage-Woche. Im Vorstandsvertrag sei ferner eine Kündigungsfrist vereinbart, was ebenfalls für die Arbeitnehmereigenschaft
des Klägers zu 1 spreche. Die lange Kündigungsfrist von einem Jahr zum Kalenderjahresende sei auch in herausgehobenen Angestelltenpositionen
in der freien Wirtschaft keine Seltenheit. Dass gegen die Abberufung - nicht zwingend auch gegen die Kündigung - der Rechtsweg
zum Kirchengericht eröffnet sei, stehe der Wertung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht entgegen. Des Weiteren erziele
der Kläger zu 1 seine regelmäßige Vergütung ohne eigenes wirtschaftliches Risiko. Das Risiko seiner Geschäftshandlungen trage
die Stiftung. Die den Kläger zu 1 persönlich treffende Gefahr der Haftung für durch schuldhaftes Verhalten entstandene Schäden,
leichte Fahrlässigkeit dabei ausgeschlossen, sei kein typisches Unternehmerrisiko, denn eine Haftung für schuldhaftes Verhalten
treffe auch Arbeitnehmer. Die Stellung des Klägers zu 1 als Organ der Stiftung schließe ein Beschäftigungsverhältnis nicht
aus. Der Vorstand leite und verwalte die Stiftung, wobei der Kläger zu 1 die laufenden Geschäfte der Stiftung führe und damit
überwiegend dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsfunktionen ausübe, was für ein Beschäftigungsverhältnis spreche.
Der Kläger sei auch nicht wie ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft zu behandeln. Hinsichtlich des vom Kläger zu
1 gestellten Antrags seien außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten (§ 193 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), hinsichtlich des von der Klägerin zu 2 gestellten Antrags seien die Kosten des Verfahrens von dieser zu tragen, wobei
der Streitwert insoweit auf 5000,00 EUR festzusetzen sei (§ 197a SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO] und § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz [GKG]).
Gegen das ihnen am 4. Mai 2010 zugestellte Urteil haben die Kläger am 4. Juni 2010 Berufung eingelegt und zur Begründung im
Wesentlichen ausgeführt, die Verpflichtung des Klägers zu 1 hinsichtlich der Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft gehe
über diejenige eines Arbeitnehmers weit hinaus, da er sich, sofern erforderlich, jederzeit 24 Stunden am Tag und 7 Tage pro
Woche zur Verfügung stellen müsse und ihm andererseits keine festen Arbeitszeiten vorgegeben seien. Damit sei seine Tätigkeit
eher mit der eines Selbstständigen zu vergleichen. Zudem bestehe keine Präsenzpflicht des Klägers zu 1 in den Räumen der Klägerin
zu 2. Das SG habe die Besonderheiten einer kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts verkannt. Der Stiftungsrat stehe anders als ein Arbeitgeber
außerhalb der Stiftung. Im Verhältnis zum Vorstand bestehe keine Hierarchie. Der Vorstand sei die Stiftung und keinem anderen
Gremium untergeordnet.
Der Kläger zu 1 beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 30. März 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28. März 2007 aufzuheben und festzustellen, dass er in seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied der
Klägerin zu 2 seit 1. März 2005 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Die Klägerin zu 2 beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 30. März 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 28. März 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28. März 2007 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 1 in seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied
bei ihr seit 1. März 2005 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden
Rechtszügen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind teilweise begründet. Der Kläger zu 1 unterliegt seit 1. März 2005 in seiner
Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Klägerin zu 2 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und sozialen Pflegeversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist er nicht versicherungspflichtig.
Die Beklagte war vorliegend zur Entscheidung über die Gesamtsozialversicherungspflicht befugt. Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB IV) entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung und erlässt den Widerspruchsbescheid. An sie ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag
zu zahlen, sie überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und macht die Beitragsansprüche geltend (§ 28h Abs. 1 SGB IV). § 28i SGB IV bestimmt die für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zuständige Einzugsstelle. Dies ist nach Satz 1 der Vorschrift grundsätzlich
die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird, vorliegend somit die Beklagte.
Eine Zuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund aufgrund der Vorschrift des § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV, wonach die Beteiligten bei der DRV Bund schriftlich die Entscheidung beantragen können, ob eine Beschäftigung vorliegt,
ist vorliegend nicht gegeben. Die Verfahren nach § 28h Abs. 2 SGB IV und § 7a Abs. 1 SGB IV stehen grundsätzlich gleichwertig nebeneinander. Dabei ist die Zuständigkeit der Einzugsstelle zum einen durch die Vorschrift
des § 7a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 SGB IV, wonach die Beteiligten bei der DRV Bund beantragen können, den Status des Erwerbstätigen feststellen zu lassen, sofern nicht
die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung
einer Beschäftigung eingeleitet haben, eingeschränkt und zum anderen dadurch, dass nach § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV die Einzugsstelle einen Antrag nach Satz 1 zu stellen hat, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers ergibt, dass der Beschäftigte
Angehöriger bzw. (seit 1. September 2009) Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender
Gesellschafter einer GmbH ist (vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28. September 2011 - B 12 KR 15/10 R - juris Rn. 22 ff.; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Juli 2013 - L 1 KR 572/11 - juris Rn. 35 f.). Vorliegend sind jedoch die Voraussetzungen des § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht erfüllt, und ein weiteres Feststellungsverfahren war nicht bereits eingeleitet. Somit stand dem Kläger zu 1 vorliegend
ein Wahlrecht zu, ob er den versicherungsrechtlichen Status durch die für ihn zuständige Einzugsstelle oder durch die DRV
Bund klären lassen wollte. Macht ein Beteiligter von seinem Wahlrecht Gebrauch, ist der Sozialversicherungsträger, bei dem
der erste Antrag eingeht, hieran gebunden (ebenso Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. August 2013 - L 9 KR 53/11 - juris Rn. 25).
Zur Erhebung der Klage vor dem SG war nicht nur die Klägerin zu 2, sondern auch der Kläger zu 1 befugt. Zwar hat er nach dem Wortlaut seines Widerspruchs vom
24. April 2006 lediglich Widerspruch gegen "die Entscheidung vom 28. März 2006" eingelegt, die an die Klägerin zu 2 gerichtet
war und nicht (auch) gegen den an ihn selbst adressierten Bescheid vom 27. März 2006, mit dem die Beklagte ihm gegenüber die
Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung sowie der Pflegeversicherung, nicht jedoch zur Krankenversicherung
festgestellt hatte. Auch der Widerspruchsbescheid vom 28. März 2007 hat nach seinem Tenor nur die Bescheidung des Widerspruchs
gegen den Bescheid vom 28. März 2006 zum Inhalt. Jedoch hat der Kläger zu 1 durch den von ihm im Termin zur mündlichen Verhandlung
vor dem SG gestellten Antrag, den Bescheid vom 27. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2007 aufzuheben,
deutlich gemacht, dass er mit seinem Widerspruch (auch) gegen den Bescheid vom 27. März 2006 vorgehen wollte; die Beklagte,
die in den Gründen des Widerspruchsbescheides ohnehin lediglich Bezug auf den Bescheid vom 27. März 2006 genommen hatte, hat
hiergegen keine Einwände erhoben. Damit kann davon ausgegangen werden, dass sie mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 28. März
2007 auch eine Entscheidung hinsichtlich des Bescheides vom 27. März 2007 treffen wollte. Ohnehin wäre die Klage des Klägers
zu 1 auch dann nicht unzulässig gewesen, wenn mit dem Widerspruchsbescheid vom 28. März 2007 lediglich der Widerspruch gegen
den Bescheid vom 28. März 2006 zurückgewiesen worden wäre. Denn bei der vorliegend streitgegenständlichen Statusfeststellung
handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung für Auftraggeber (hier die Klägerin zu 2) und Auftragnehmer (hier
den Kläger zu 1; vgl. Pietrek in jurisPK - SGB IV, 2. Auflage 2011, § 7a Rn. 160). Somit wäre der Kläger zu 1, auch wenn er nicht (auch) Adressat des Widerspruchsbescheides gewesen sein sollte,
beschwert und damit klagebefugt gewesen.
Das SG und die Beklagte sind zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger zu 1 in seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied
der Klägerin zu 2 eine Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, somit eine nichtselbstständige Tätigkeit, ausübt.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Nach dessen Satz 1 ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte
für eine Beschäftigung sind nach Satz 2 der Vorschrift eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, welcher der Senat folgt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist.
Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist
und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit
kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und
einfacheren Arbeiten ist regelmäßig eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen. Demgegenüber ist eine
selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die
Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild
der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R - juris Rn. 16 m.w.N.). Ausgangspunkt ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen
getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich
getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte
Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich
ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen
ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 14/10 R - juris Rn. 16 m.w.N.).
Der Kläger zu 1 ist seit Beginn seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Klägerin zu 2 nicht im eigenen, sondern in einem
fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw. Unternehmensinhaberin ist die Klägerin zu 2, die als kirchliche Stiftung
bürgerlichen Rechts juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist (§ 1 Satz 2 Kirchengesetz über kirchliche Stiftungen
in der Evangelischen Kirche B...-B... - s... O... [Kirchliches Stiftungsgesetz - KiStiftG]). Ausgangspunkt der Prüfung, ob
die Tätigkeit des Klägers zu 1 für die Klägerin zu 2 im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist
zunächst der zwischen der Klägerin zu 2 und dem Kläger zu 1 für die Zeit ab 1. Juli 2000 geschlossene und als Vorstandsvertrag
bezeichnete Vertrag vom 18. März 2005, nach dessen § 1 Nr. 1 der Kläger zu 1 durch Beschluss des Stiftungsrats als Mitglied
der Vorstands berufen worden war. In dieser Funktion haben der Kläger zu 1 und der zweite Vorstand der Klägerin zu 2 die Stiftung
zu leiten und verwalten (§ 12 Abs. 1 der Satzung), wobei der Kläger zu 1 nach einer intern vorgenommenen Aufgabenteilung für
die Bereiche Finanzen und Recht zuständig ist. Er wird somit nicht lediglich als Organmitglied der Klägerin zu 2 nach außen
tätig, sondern ist mit dem zweiten Vorstand auch für die laufenden Verwaltungsgeschäfte der Klägerin zu 2 zuständig und insoweit
in den Betrieb der Klägerin zu 2 eingegliedert. Er ist des Weiteren bezüglich der ihm obliegenden Pflichten nicht weisungsfrei;
vielmehr ergeben sich diese entsprechend § 1 Nr. 2 u.a. aus dem Gesetz, der Stiftungssatzung und der Geschäftsordnung für
den Vorstand. Auch dass er hinsichtlich der Ausgestaltung seiner Tätigkeit im Einzelnen und hinsichtlich Arbeitszeit und -ort
Beschränkungen im Wesentlichen nicht unterliegt, rechtfertigt die Annahme einer weisungsfreien Tätigkeit nicht. Zum einen
entbindet ihn dies nicht von der Erfüllung der in § 2 Abs. 1 des Vertrages genannten Pflichten, weil sich seine Aufgaben aus
dem Gesetz ergeben. Zum anderen werden auch Dienste höherer Art im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie,
wie es vorliegend der Fall ist, fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes
aufgehen. Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die
Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern
einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl. § 1 Satz 3 SGB Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI] bzw. § 1 Satz 4 SGB VI a.F. sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener
Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris Rn. 23 m.w.N.). Des Weiteren kann, worauf bereits das SG hingewiesen hat, daraus, dass der Stiftungsrat nach dem Vorbringen der Kläger dem Kläger zu 1 bisher weder Weisungen erteilt
noch seine Zustimmung zu einem zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäft verweigert hat, nicht geschlossen werden, dass er von
seinen rechtlichen Befugnissen gegenüber dem Vorstand auch künftig keinen Gebrauch machen werde (ebenso Küstermann in npoR
2011, S. 38 m.w.N.). Maßgeblich insoweit ist nach der Rechtsprechung des BSG (insbesondere Urteil vom 29. August 2012 - aaO.) vielmehr, dass der Stiftungsrat die Aufsicht über den Vorstand und damit
auch den Kläger zu 1 führt (§ 2 Abs. 1 der Satzung), diesen sowohl bestellt bzw. abberufen kann und auch zur Entscheidung
über Abschluss, Änderung und Kündigung der Anstellungsverträge der Vorstandsmitglieder der Klägerin zu 2 berufen ist (§ 2
Abs. 1 Nr. 1 der Satzung).
Für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung spricht des Weiteren auch das Fehlen des für einen Selbstständigen typischen
Unternehmerrisikos. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch
mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss
ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 - B 12 KR 17/00 R - juris Rn. 24). Der Erfolg des Einsatzes der vom Kläger zu 1 eingesetzten Arbeitskraft ist nicht ungewiss, da er von der
Klägerin zu 2 eine gleichbleibende monatliche Vergütung erhält und zudem Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall für die
Dauer von sechs Monaten und ein Urlaubsanspruch von 31 Arbeitstagen vereinbart sind. Hinzu kommt, dass der Kläger zu 1 nach
§ 4 des Vorstandsvertrages bei den nach der Satzung zustimmungspflichtigen Geschäften einem Einwilligungserfordernis des Stiftungsrates
unterliegt und somit wesentliche Entscheidungen nicht allein, aufgrund unternehmerischer Entscheidungsfreiheit treffen kann,
sondern hierfür immer der Zustimmung des Stiftungsrats bedarf. Auch kann er nicht verhindern, dass der Stiftungsrat, der zudem
nach § 9 Abs. 1 der Satzung zuständig für Grundsatzentscheidungen ist, weitere Maßnahmen seiner Zustimmung unterwirft (vgl.
hierzu auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Oktober 2013 - L 1 KR 477/12 - juris Rn. 33f.).
Das Vorliegen einer nicht abhängigen Tätigkeit kann auch nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 1 Satz 3 (Satz 4 a.F.) SGB VI bzw. § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III angenommen bzw. aus diesen Regelungen hergeleitet werden. Nach diesen Vorschriften sind zwar Mitglieder des Vorstands einer
Aktiengesellschaft in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. nach dem
Recht der Arbeitsförderung nicht versicherungspflichtig beschäftigt und damit versicherungsfrei. Für die Mitglieder des Vorstands
einer Stiftung sind die genannten Vorschriften jedoch nicht entsprechend anwendbar. Insoweit hat das BSG in seiner neueren Rechtsprechung in mehreren Entscheidungen dargelegt, dass § 1 Satz 3 (Satz 4 a.F.) SGB VI allein an das formale Merkmal der Zugehörigkeit zum Vorstand einer Aktiengesellschaft anknüpft, und die Ausnahme von der
Rentenversicherungspflicht allein von der Rechtsform der Gesellschaft abhängig gemacht, der die Vorstandsmitglieder vorstehen.
Eine Möglichkeit zur entsprechenden Anwendung der typisierenden Regelung hat das BSG nur bei Vorstandsmitgliedern großer Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG) gesehen und den Ausnahmetatbestand über seinen Wortlaut hinaus auf diese Personengruppe analog angewandt, weil Vorschriften
des AktG über eine Verweisung im Versicherungsaufsichtsgesetz für den Vorstand eines VVaG entsprechend gälten, und dessen Mitglieder Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft deshalb rechtlich gleichgestellt
seien (Urteile vom 27. Februar 2008 - B 12 KR 23/06 R - juris Rn. 20, vom 6. Oktober 2010 - B 12 KR 20/09 R - juris Rn. 20 und vom 12. Januar 2011 - B 12 KR 17/09 R - juris Rn. 17).
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft grundsätzlich nicht (abhängig)
beschäftigt sind und § 1 Satz 3 SGB VI deshalb Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung lediglich deklaratorisch bestätigt mit der Folge, dass
für Vorstandsmitglieder von Gesellschaften, die Aktiengesellschaften vergleichbar sind, § 1 Satz 3 SGB VI entsprechend anwendbar wäre. Vielmehr sind Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft in der Regel (abhängig) beschäftigt
(BSG, Urteile vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris Rn. 23, vom 29. August 2012 - B 12 R 14/10 R - juris Rn. 24 und vom 2. März 2010 - B 12 AL 1/09 R - juris Rn. 11 m.w.N.; ebenso bereits Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. Mai 2015 - L 1 KR 16/10 - juris Rn. 32 f.).
Die nach alledem abhängige Beschäftigung des Klägers zu 1 bei der Klägerin zu 2 führt zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Renten- und der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung, nicht jedoch in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Versicherungspflichttatbestände sind hinsichtlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI (§ 1 Satz 3 SGB VI ist nicht entsprechend anwendbar, s.o.) und hinsichtlich der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung §§
24 Abs. 1 und 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III (§ 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III ist ebenfalls nicht entsprechend anwendbar, s.o.), weil der Kläger zu 1 seit 1. März 2005 bei der Klägerin zu 2 gegen Arbeitsentgelt
abhängig beschäftigt ist. Jedoch ist der Kläger zu 1 nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig,
da das ihm gewährte jährliche Entgelt seit 1. März 2005 die jeweils maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritt (§
6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]). In der sozialen Pflegeversicherung ist er aufgrund der Regelung des § 20 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB XI) versicherungspflichtig.
Da somit sowohl der (an die Klägerin zu 2 gerichtete) Bescheid vom 28. März 2006 als auch der Widerspruchsbescheid vom 28.
März 2007 rechtswidrig waren, soweit in ihnen auch die Versicherungspflicht für die gesetzliche Krankenversicherung festgestellt
wird und da diese Bescheide deshalb insoweit aufgehoben werden mussten, kann dahin stehen, ob die Beklagte, die im Bescheid
vom 27. März 2006 richtigerweise nur die Versicherungspflicht des Klägers zu 1 in der gesetzlichen Rentenversicherung, der
sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung, nicht jedoch in der gesetzlichen Krankenversicherung
festgestellt hatte, unter Berücksichtigung der Grundsätze der reformatio in peius überhaupt berechtigt gewesen wäre, mit dem
Widerspruchsbescheid vom 28. März 2007 den Bescheid vom 27. März 2006 dahin zu ändern, dass auch Versicherungspflicht zur
gesetzlichen Krankenversicherung festgestellt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. § 197a SGG findet keine Anwendung, da sich die kostenrechtliche Privilegierung des Klägers zu 1 nach § 183 SGG auf alle Beteiligten - auch die kostenrechtlich nicht privilegierten - erstreckt (BSG, Beschluss vom 29. Mai 2006 - B 2 U 391/05 B - juris Rn. 17f.).
Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
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