Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Aufhebung der Gewährung von Leistungen
der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) ab 1. Juli 2020.
Die 1985 geborene Antragstellerin ist seit dem 10. April 2012 mit dem deutschen Staatsangehörigen Z ... (im Folgenden: Ehemann)
verheiratet. Dieser besitzt zugleich auch die polnische Staatsangehörigkeit. Seit 2014 bildet das Ehepaar - in Deutschland
lebend - eine Bedarfsgemeinschaft. Einer Erwerbstätigkeit geht die Antragstellerin nicht nach. Mit Bescheid vom 29. Dezember
2014 stellte die zuständige Ausländerbehörde den Verlust der Freizügigkeit der Antragstellerin gemäß § 5 Abs. 4 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) fest. Die Antragstellerin war bis zum 5. November 2018 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2019 bewilligte das Jobcenter Y ... der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2020 bis 30. Juni 2020. Seit dem 15. April 2020 bewohnt die Antragstellerin gemeinsam mit ihrem
Ehemann eine Wohnung auf der X-Straße ... in A ... Die Leistungsgewährung des Jobcenters Y ... wurde daraufhin eingestellt.
Am 12. April 2020 beantragte der Ehemann der Antragstellerin für die Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II beim Antragsgegner, welcher mit Bescheid vom 5. Mai 2020 Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2020 bis 31. Oktober 2020 in
Höhe von monatlich 1.182,24 Euro (Regelsatz in Höhe von jeweils 389,00 Euro und je 202,12 Euro anteilige Kosten der Unterkunft
und Heizung) bewilligte.
Am 6. Mai 2020 informierte die Abteilung Asyl- und Ausländerrecht des Landkreises A ... den Antragsgegner über den Verlust
der Freizügigkeit der Antragstellerin aufgrund des Bescheides vom 29. Dezember 2014 und das Auslaufen der Aufenthaltserlaubnis
gemäß § 28 AufenthG zum 5. November 2018.
Mit Änderungsbescheid vom 22. Mai 2020 stellte der Antragsgegner die Leistungsgewährung an die Antragstellerin mit Wirkung
zum 1. Juni 2020 ein, da die Leistungsvoraussetzungen für die Antragstellerin mangels Aufenthaltstitels nicht vorlägen. Dagegen
legte die Antragstellerin am 28. Mai 2020 Widerspruch ein und beantragte zugleich am 4. Juni 2020 beim Sozialgericht Dresden
die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (Az: S 3 AS 1503/20 ER). Mit Bescheid vom 8. Juni 2020 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 25. Mai 2020 aufgrund eines Formfehlers auf. Die
Antragstellerin erklärte daraufhin das Eilverfahren für erledigt.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2020 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zur beabsichtigten Rücknahme der bewilligten Leistungen
mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) an, da die Antragstellerin über keinen Aufenthaltstitel verfüge und daher die tatbestandlichen Leistungsvoraussetzungen
nicht erfüllt seien. Die Antragstellerin teilte daraufhin mit, dass sie sich seit weit über fünf Jahren im Bundesgebiet aufhalte
und darüber hinaus mit einem deutschen Staatsbürger verheiratet sei, weshalb sie keines Aufenthaltstitels bedürfe. Ein Verlust
der Freizügigkeit könne daher nicht entstanden sein. Sie sei davon ausgegangen, dass ihr die bewilligten Leistungen zustünden.
Schließlich seien dem Antragsgegner diese Umstände bekannt gewesen. Eine Aufenthaltsgenehmigung werde auch gar nicht mehr
ausgestellt, da das Daueraufenthaltsrecht entstanden sei.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2020 nahm der Antragsgegner den Bescheid vom 5. Mai 2020 bezüglich der der Antragstellerin bewilligten
Leistungen für die Zeit ab 1. Juli 2020 zurück. Durch den Bescheid vom 29. Dezember 2014 sei der Antragstellerin gegenüber
der Verlust der Freizügigkeit bestandskräftig festgestellt worden. Die Antragstellerin habe auch keinen neuen Antrag auf Erteilung
eines Aufenthaltstitels gestellt und sei daher nicht dazu berechtigt, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, weshalb kein Leistungsanspruch
nach dem SGB II bestehe. Der Bescheid vom 5. Mai 2020 sei daher gemäß § 45 SGB X mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, da das öffentliche Interesse an der Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes
überwiege und die Antragsteller sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könnten. Schwer rückgängig zu machende Vermögensdispositionen
habe die Antragstellerin nicht getroffen. Im Rahmen der Anhörung habe sie vielmehr darauf hingewiesen, dass sie aufgrund ihres
über 5- jährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet und der Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen keinen Aufenthaltstitel benötige.
Hiergegen legte die Antragstellerin am 24. Juni 2020 Widerspruch ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2020 zurückgewiesen
wurde. Dagegen erhob die Antragstellerin am selben Tag Klage vor dem Sozialgericht Dresden (Az: S 3 AS 1754/20).
Am 30. Juni 2020 hat die Antragstellerin dort einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und sodann mit Schriftsatz
vom 6. Juli 2020 beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 6. Juli 2020 gegen den Bescheid vom 22. Juni 2020 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2020 anzuordnen. Ihr Aufenthaltsrecht würde sich als Ehefrau eines Deutschen unmittelbar
aus § 28 Abs. 1 AufenthG ergeben. Gesetzliche Voraussetzungen für den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II seien nicht das Vorliegen eines Aufenthaltstitels. Das Bestehen eines Aufenthaltsrechts sei nach dem eindeutigen Wortlaut
der Vorschrift ausreichend, damit der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a SGB II nicht eingreife. Hätte der Gesetzgeber das Vorliegen eines Titels für notwendig erachtet, so hätte er dies nach Ansicht der
Antragstellerin im Zuge der letzten Gesetzesänderungen einarbeiten können. Zudem leite die Antragstellerin ihren Anspruch
auf Leistungen auch von ihrem Ehemann als Hauptleistungsberechtigtem ab. Schließlich sei auch das Vertrauen der Antragstellerin
infolge der bereits gewährten Leistungen schutzwürdig. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Behörde den Erlass des zurückgenommenen
Bescheides allein verursacht habe und dass die vollständige Leistungsaufhebung zu unzumutbaren Folgen führe, weil der Antragstellerin
die gesamte Existenzgrundlage entzogen werde.
Das Sozialgericht Dresden hat mit Beschluss vom 16. Juli 2020 den Antrag abgelehnt. Nach der gebotenen summarischen Prüfung
bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 22. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 6. Juli 2020. Die Antragstellerin sei zunächst gehalten, die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu beantragen, um zumindest
aufgrund einer Fiktionsbescheinigung zu einem Aufenthaltsrecht als Ehefrau zu gelangen, nachdem ihr Freizügigkeitsrecht bestandskräftig
aberkannt worden sei. Die Ableitung des Leistungsanspruchs aus § 7 Abs. 2 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann sehe das Gesetz nicht vor.
Gegen den ihr am 16. Juli 2020 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 17. Juli 2020 Beschwerde zum Sächsischen
Landessozialgericht eingelegt. Es fehle bereits an einem rechtswidrigen Verwaltungsakt, welcher aufzuheben wäre. Der Bescheid
vom 5. Mai 2020 habe der Antragstellerin nicht rechtswidrig Leistungen zuerkannt. Der zum Leistungsausschluss führende § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a SGB II fordere nicht das Fehlen eines Aufenthaltstitels sondern eines Aufenthaltsrechts. Der Gesetzgeber unterscheide ersichtlich
zwischen Aufenthaltsrecht und Aufenthaltstitel, vorliegend komme es allein auf das Bestehen eines Aufenthaltsrechts an. Zwar
erkenne das Sozialgericht das Ausreichen eines Aufenthaltsrechts grundsätzlich an, welches aus dem Zusammenleben mit dem Ehemann
als deutschem Staatsangehörigen aus § 28 AufenthG folge. Unzutreffend sei jedoch die Annahme, dass dem Aufenthaltsrecht der Antragstellerin die Aberkennung des Freizügigkeitsrechts
durch Bescheid vom 29. Dezember 2014 entgegenstünde. Die Antragstellerin sei mit einem weiteren durchgehenden Aufenthalt in
Deutschland von weiteren fünf Jahren erneut in das Daueraufenthaltsrecht des § 4 a Abs. 1 Satz 1 FreizügigG/EU "hineingewachsen". Überdies sei höchstrichterlich entschieden, dass bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für ein materiell
bestehendes Aufenthaltsrecht den Leistungsausschluss von vornherein entfallen lasse (Bezug auf Bundessozialgericht [BSG],
Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 43/15 R - juris Rn 27). Mit seiner Ansicht, dass zunächst ein Aufenthaltstitel zu beantragen sei, weiche das Sozialgericht von
dieser eindeutigen Rechtsprechung ab, obwohl Unionsbürger nicht verpflichtet seien, die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes
durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen. Nicht überzeugen könne auch die Negierung eines Leistungsanspruchs aus
§ 7 Abs. 2 SGB II. Es handele sich um einen vom Hauptleistungsberechtigten abgeleiteten akzessorischen Anspruch der weiteren Mitglieder einer
Bedarfsgemeinschaft. So könne etwa ein ausländischer Staatsangehöriger, welcher mangels Aufenthaltstitels oder Arbeitsgenehmigung
nicht nach § 8 Abs. 2 SGB II erwerbsfähig sei und mit dem deutschen erwerbsfähigen Ehepartner in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebe, über § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II einen eigenen Anspruch auf Sozialgeld geltend machen. Im Übrigen stünden Vertrauensschutzgesichtspunkte der Aufhebung der
bewilligten Leistung aufgrund von § 45 Abs. 2 SGB X entgegen. Die Antragstellerin habe auf den Bestand des Bescheides bis zum 31. Oktober 2020 vertraut. Im vorliegenden Fall
führe die Interessenabwägung dazu, dass das Interesse der Antragstellerin am Erhalt der gewährten Leistungen überwiege. Letztlich
habe die Antragstellerin am 22. Juli 2020, eingegangen bei der zuständigen Ausländerbehörde am 27. Juli 2020, einen Antrag
auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt. Dies sei nach den Ausführungen des Sozialgerichts für die Annahme eines Aufenthaltsrechts
ausreichend, da die Antragstellung nicht konstitutiv sei. Der Antragsgegner könne diese nicht von der Entrichtung einer Verwaltungsgebühr
abhängig machen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 16. Juli 2020 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 6. Juli
2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 22. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2020 anzuordnen.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Da sie über keinen Aufenthaltstitel verfüge, habe die Antragstellerin kein Aufenthaltsrecht. Zwar habe die Antragstellerin
inzwischen einen Aufenthaltstitel beantragt. Grundsätzlich werde daraufhin eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt. Bereits
auf dieser Grundlage könne die Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II beanspruchen. Da die Antragstellerin die dafür anfallenden Verwaltungsgebühren noch nicht eingezahlt habe, sei die Fiktionsbescheinigung
noch nicht ausgestellt worden. Dies sei auf Nachfrage dem Ehemann der Antragstellerin mitgeteilt worden. Der Antragsgegner
werde, sobald die Fiktionsbescheinigung vorliege, unverzüglich SGB II - Leistungen bewilligen. Die bloße Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft des Ehemannes genüge dafür hingegen nicht. Auch
die Rückausnahme des § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II, wonach Ausländer Leistungen erhielten, welche seit fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hätten, greife
nicht, weil die Frist mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde beginne, außer wenn der Verlust des Freizügigkeitsrechts
festgestellt worden sei. Dies sei jedoch im Falle der Antragstellerin aufgrund des Bescheides vom 29. Dezember 2014 geschehen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 14. September 2020 den Landkreis A ... (Beigeladener) als zuständigen Sozialhilfeträger zum
Rechtsstreit beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die
Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter dem Az. S 3 AS 1754/20 vor dem Sozialgericht geführten Klage gegen den Bescheid vom 22. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli
2020 abgelehnt.
Die am 6. Juli 2020 erhobene Anfechtungsklage hat - wovon das Sozialgericht zutreffend ausgeht - keine aufschiebende Wirkung
(§ 39 Nr. 1 SGB II). Das Gericht der Hauptsache kann jedoch auf Antrag in Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende
Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, §
86 b Abs.
1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nur möglich, wenn das besondere Interesse des Antragstellers an der Anordnung
der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes
überwiegt. Das ist in entsprechender Anwendung des §
86 a Abs.
3 Satz 2
SGG dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung
für den Adressaten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist
als der Misserfolg (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl. 2020, §
86a Rn. 27a).
Die nach Maßgabe dieser Grundsätze vorzunehmende Interessenabwägung ergibt keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Rücknahmebescheides vom 22. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2020. Diese dürften nach der vorzunehmenden
summarischen Prüfung rechtmäßig sein.
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit dieser rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter
den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen
werden. Rechtswidrig im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, wenn die begünstigende Rechtsposition aufgrund späterer Kenntnis von Anfang an rechtsfehlerhaft war.
Die Rechtswidrigkeit der begünstigenden Entscheidung muss feststehen, bloße Zweifel am Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen
genügen nicht (BSG Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 25/07 R - juris Rn. 8; Schütze in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 45 Rn. 33).
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB II darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand
des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig
ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition
getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der
Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte,
grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt hat.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Bewilligungsbescheid vom 5. Mai 2020 ist zu Unrecht ergangen, da im Falle der Antragstellerin
die Leistungsausschlussgründe des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II greifen. Da sie über keinen Aufenthaltstitel verfügt, hat sie kein Recht, sich in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten.
Der Antragsgegner hat den Bescheid vom 5. Mai 2020 daher zu Recht mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und die Altersgrenze nach § 7 a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Die 1985 geborene Klägerin hält sich seit mindestens 2014 in Deutschland auf und ist
nach den Feststellungen des Antragsgegners sowohl erwerbsfähig als auch hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
Satz 2 des § 7 Abs. 1 SGB II regelt die Ausnahmen von der Leistungsberechtigung. Ausgenommen sind danach 1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in
der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU
freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, 2. Ausländerinnen
und Ausländer, a) die kein Aufenthaltsrecht haben, b) deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt
oder c) die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung (EU)
Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb
der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert
worden ist, ableiten, und ihre Familienangehörigen, 3. Leistungsberechtigte nach §
1 des
Asylbewerberleistungsgesetzes.
Die nachfolgenden Sätze 3 bis 7 des § 7 Abs. 1 SGB II regeln die Rückausnahmen zu den Leistungsausschlüssen nach Satz 2. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 gilt danach nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel
2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten (§ 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Abweichend von Satz 2 Nr. 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens
fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde (§ 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde (§ 7 Abs. 1 Satz 5 SGB II). Nach § 7 Abs. 1 Satz 6 werden Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, auf Zeiten des gewöhnlichen
Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs. 1 Satz 6 SGB II).
Ausgehend davon ist die Antragstellerin als Ausländerin von der Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausgenommen. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kommen vorliegend die Rückausnahmen der Leistungsausschlüsse nach §
7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht zum Tragen.
Der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II normierte Leistungsausschluss ist dabei zunächst nicht einschlägig, da sich die Antragstellerin bereits über drei Monate
in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und nicht nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt ist. Als polnische Staatsangehörige und damit Unionsbürgerin ist sie dem Grunde nach freizügigkeitsberechtigt
nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Ein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU stand ihr dabei nicht zu, da sie nach eigenen Angaben in den letzten 5 Jahren keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, welche
die Nachwirkungen des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU auslösen könnte. Sie ist auch ansonsten nicht freizügigkeitsberechtigt, da ihr mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. Dezember
2014 die Freizügigkeit entsprechend § 5 Abs. 4 FreizügG/EU aberkannt wurde.
Da nicht bekannt ist, ob die Antragstellerin sich allein zum Zweck der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhält,
ist der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II nicht heranzuziehen. Darauf wird die Leistungsentziehung durch den Antragsgegner auch nicht gestützt.
Die Antragstellerin kann auch nicht ihr Aufenthaltsrecht aus Artikel 10 der VO (EU) Nr. 492/2011 ableiten, da sie nicht Kind
eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates ist, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates beschäftigt ist oder
beschäftigt gewesen ist und als solches am allgemeinen Unterricht des Mitgliedstaates teilgenommen hat (Artikel 10 VO (EU)
492/2011). Sie war auch nicht selbst als ausländische Arbeitnehmerin iSv. Artikel 7 der VO (EU) Nr. 492/2011 wie inländische
Arbeitnehmer gleich zu behandeln. Da sie darüber hinaus nicht Mutter eines schulpflichtigen Kindes ist, kann sie auch nicht
mittelbar einen Leistungsanspruch aus Artikel 10 VO (EU) Nr. 492/2011 herleiten. Nur unter diesen Voraussetzungen verbietet
sich ein Ausschluss von sozialen Vergünstigungen des Mitgliedsstaates und ist ein etwaiger Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 c SGB II unter Umständen nicht europarechtskonform. Denn Art. 7 Abs. 2 und Art. 10 der VO (EU) Nr. 492/2011 stehen einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der ein Staatsangehöriger eines anderen
Mitgliedstaats und seine minderjährigen Kinder, die alle im erstgenannten Mitgliedstaat ein Aufenthaltsrecht aufgrund von
Art. 10 dieser Verordnung genießen, weil die Kinder dort die Schule besuchen, unter allen Umständen automatisch vom Anspruch
auf Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ausgeschlossen sind (Europäischer Gerichtshof [EuGH] Urteil vom 6. Oktober
2020 - C-181/19 - Rn. 90).
Zu Recht hat der Antragsgegner jedoch die Rücknahme des Bewilligungsbescheides auf das Vorliegen eines Leistungsausschlusses
nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a SGB II gestützt. Die Antragstellerin verfügt über kein Aufenthaltsrecht im Sinne dieser Norm.
Dabei gehen die Beteiligten zunächst übereinstimmend davon aus, dass die Antragstellerin - außerhalb ihrer Freizügigkeitsberechtigung
als Unionsbürgerin - aufgrund ihrer Stellung als Ehegattin eines deutschen Staatsangehörigen über ein Aufenthaltsrecht iSd.
AufenthG verfügen könnte. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG verweist zwar bei Ausländern, welche Unionsbürger sind, auf die abschließende spezialgesetzliche Regelung des FreizügG/EU. Das AufenthG ist jedoch dann heranzuziehen, wenn es eine günstigere Regelung enthält oder wenn das Freizügigkeitsrecht - wie hier - entfallen
ist (§ 11 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU; Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 1 Rn. 19).
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin bedurfte sie daher gem. § 4 Abs. 1 AufenthG zur Entstehung eines Aufenthaltsrechts der Erteilung eines Aufenthaltstitels, da ein Aufenthaltsrecht nach FreizügG/EU durch den Entziehungsbescheid vom 29. Dezember 2014 nicht mehr vorlag. Ein solcher Titel war der Antragstellerin zwar in
Form einer Aufenthaltserlaubnis nach § 7 AufenthG aufgrund der Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen zunächst erteilt worden. Diese war jedoch nur bis zum 5. November
2018 befristet.
Allein die wahrscheinliche Möglichkeit, dass die Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, reicht für die Entstehung eines Aufenthaltsrechts
iSv. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a SGB II nicht aus. Eine Aufenthaltserlaubnis ist nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG dem Ehegatten eines Deutschen zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Die Norm
enthält damit eine - im Vergleich zu § 2 ff FreizügG/EU - günstigere Regelung. Einen Rechtsanspruch auf Aufenthalt beim deutschen Ehepartner enthält die Norm indes nicht (Dienelt
in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 28 Rn. 8). Auch bei deutschen Staatsangehörigen soll nach dieser Regelung
geprüft werden, ob für das gemeinsame Familienleben mit dem ausländischen Ehepartner genügend finanzielle Mittel vorhanden
sind (Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020 § 28 Rn. 8). Dabei soll die allgemeine Aufenthaltserlaubnis
auch außerhalb der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG ausgestellt werden (§ 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). In atypischen Fällen liegt es jedoch im Ermessen der Ausländerbehörde, ob sie für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
einen gesicherten Lebensunterhalt voraussetzt (Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 28 Rn. 8; OVG
Saarland, Beschluss vom 15. Dezember 2014 - 2 B 374/14 juris Rn. 12). Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ergibt sich für sie kein bedingungsloses Aufenthaltsrecht. Die Feststellung
eines Aufenthaltsrechts durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wird vielmehr von der Prüfung und Ermessensausübung durch
die Ausländerbehörde abhängig gemacht. Eine derartige Ermessensausübung hat die Antragstellerin durch ihre mangelnde Mitwirkung
nach der am 22. Juli 2020 erfolgten Antragstellung bisher jedoch vereitelt. Durch die noch nicht erfolgte Einzahlung der Verwaltungsgebühr
hat die Antragstellerin verhindert, dass überhaupt ein Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt wurde. Auch das Ergebnis einer
Ermessensausübung durch die zuständige Behörde ist völlig offen und ist vielmehr von den Darlegungen der Antragstellerin zu
ihren Lebensumständen und den darin getroffenen Angaben abhängig. Zumindest ist das Vorliegen eines atypischen Falles - ohne
Angaben der Antragstellerin und Prüfung der Ausländerbehörde - nicht von vornherein auszuschließen.
Die Antragstellerin kann sich daher auf keine Rückausnahme vom Leistungsausschlusstatbestand nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a SGB II berufen, da diese ebenfalls an den Besitz eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes anknüpft (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a iVm § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Auch der über 5- jährige Aufenthalt der Antragstellerin in der Bundesrepublik Deutschland führt zu keinem anderen Ergebnis.
Zwar können Unionsbürger außerhalb des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU bei einem gewöhnlichem Aufenthalt von mindestens 5 Jahren im Bundesgebiet Leistungen nach dem SGB II erhalten (§ 7 Abs. 1 Satz 4 HS 1 SGB II). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Verlust dieses Aufenthaltsrechts festgestellt wurde (§ 7 Abs. 1 Satz 4 HS 1 SGB II). Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts
darüber hinaus nicht angerechnet (§ 7 Abs. 1 Satz 6 SGB II). Das Vorbringen der Antragstellerin, dass sie nach der Verlustfeststellung vom 29. Dezember 2014 durch ihren fünfjährigen
gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland in einen erneuten Leistungsanspruch "hineingewachsen" sei, geht
daher ins Leere.
Letztlich resultiert ein Leistungsanspruch der Antragstellerin auch nicht aus § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Leistungsberechtigte nach dieser Norm können nur erwerbsunfähige Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sein (Becker in: Eicher/Luik,
SGB II, 4. Aufl. 2017, § 7 Rn. 71). Die Antragstellerin hat weder behauptet noch nachgewiesen, erwerbsunfähig zu sein.
Die Antragstellerin kann sich zudem nicht auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X berufen, da in ihrem Fall ein Vertrauensausschlusstatbestand gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt.
Bereits das Vertrauen der Antragstellerin auf den Bestand des Verwaltungsaktes ist nicht schutzwürdig. Das grundsätzlich mit
der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes entstehende Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes (Padé in jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 45 Rn. 64) ist nur dann schutzwürdig, wenn das Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands
das Interesse der Allgemeinheit an der Herstellung des gesetzmäßigen Zustands überwiegt (BSG, Urteil vom 5. November 1997 - 9 RV 20/96 - juris Rn. 18; Padé in jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 45 Rn. 68). Das Interesse der Allgemeinheit besteht in der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und in der Vermeidung von ohne ausreichend
gesetzlicher Grundlage begründeten Belastungen. Letztlich dient die Wiederherstellung gesetzmäßiger Zustände im Falle von
begünstigenden Verwaltungsakten der Vermeidung von Aufwendungen zu Lasten der (Solidar-)Gemeinschaft (Padé in jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 45 Rn. 69). Das Interesse des gutgläubigen Begünstigten an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes besteht im Fortbestand
der einmal gewährten Begünstigung. Sein Interesse ist an den ihm durch die Rücknahme drohenden Folgen zu messen. Drohen ihm
unzumutbare Folgen, so ist sein Interesse schutzwürdig (Padé in jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 45 Rn. 70).
§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt auch für die Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft. Ginge es (auch) um abgelaufene Zeiträume, wäre zudem §
330 Abs.
2 SGB III, § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II zu berücksichtigen gewesen.
Auf ein schutzwürdiges Vertrauen kann sich die Antragstellerin nicht stützen. Denn sie hat die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides
infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt
in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Maßgebend dafür ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße verletzt, wer
schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten
muss (BSG, Urteil vom 31. August 1976 - 7 RAr 112/74 - juris Rn. 19).
Vorliegend hätte die Antragstellerin erkennen können, dass sie sich aufgrund des Bescheides vom 29. Dezember 2014 für die
nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II begehrten Leistungen nicht auf ihr Freizügigkeitsrecht nach § 2 FreizügG/EU berufen kann, da mit diesem Bescheid der Verlust der Freizügigkeit nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU festgestellt wurde. Ebenso musste der Antragstellerin klar sein, dass ihr Recht zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
von einem Aufenthaltstitel abhängt und bis zu seiner Erteilung kein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen bestehen würde
(S.o.); zumal ihre Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG lediglich bis zum 5. November 2018 galt. Über ein unbefristetes Daueraufenthaltsrecht verfügte die Antragstellerin gerade
nicht. Zwar hat die Antragstellerin nunmehr im Beschwerdeverfahren die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt. Der
Erteilung des Aufenthaltstitels steht nach der Mitteilung des Antragsgegners derzeit der Umstand entgegen, dass die Antragstellerin
nicht dazu bereit scheint, die anfallenden Verwaltungsgebühren zu entrichten.
Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Dritten Kapitel des
Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) gegenüber dem Beigeladenen.
Der Anwendbarkeit des SGB XII auf die Antragstellerin steht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts § 21 Satz 1 SGB XII zunächst nicht entgegen (BSG Urteil vom 21. März 2019 - B 14 AS 31/18 R - juris Rn. 20; Urteil vom 30. August 2017 - B 14 AS 31/16 R - juris Rn. 32 ff; Urteil vom 9. August 2018 - B 14 AS 32/17 R - juris Rn. 24 ff).
Die Antragstellerin ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. Danach haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich
allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Zwar ist die Antragstellerin nicht nach Deutschland
eingereist, um i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB XII Sozialhilfe zu erlangen. Hierfür wäre Voraussetzung, dass der Zweck, Sozialhilfe zu erlangen, den Einreiseentschluss geprägt
hat (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - juris Rn. 45). Ein solcher finaler Zusammenhang ist hier nicht ersichtlich. Jedoch sind ebenso wie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII EU-Ausländer vom Anspruch auf Sozialhilfe ausgeschlossen, die weder über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach
dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch über ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen (BSG, Urteil vom 21. März 2019 - B 14 AS 31/18 R - juris Rn. 22; Urteil vom 30. August 2017 - B 14 AS 31/16 R - juris Rn. 42). Dieser Ausschluss vom Anspruch auf Sozialhilfe nach dem SGB XII ist mit EU-Recht vereinbar; hier gilt nichts anderes wie beim Leistungsausschluss im SGB II (BSG, Urteil vom 21. März 2019 - B 14 AS 31/18 R - juris Rn. 24).
Der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII führt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zum Ausschluss von Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (BSG, Urteil vom 30. August 2017 - B 14 AS 31/16 R - Rn. 44 ff). Die Voraussetzungen hierfür liegen indes nicht vor. Dabei ist - nach Ansicht des Bundessozialgerichts - das
Ermessen dem Grunde und der Höhe nach dann auf Null reduziert, wenn sich der Aufenthalt der Antragsteller nach Ablauf von
sechs Monaten tatsächlichem Aufenthalts in Deutschland so verfestigt hat, dass die Erbringung existenzsichernder Leistungen
nur im Einzelfall nach Ermessen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht mehr genügt. Diese typisierende Annahme einer
Aufenthaltsverfestigung von EU-Ausländern nach Ablauf von sechs Monaten tatsächlichem Aufenthalt in Deutschland, der von der
Ausländerbehörde faktisch geduldet wird, beruht auf § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt 2 SGB XII und § 2 Abs. 2 Nr 1a FreizügG/EU, die sich auf die Arbeitsuche und die hieraus folgende Freizügigkeitsberechtigung für sechs Monate beziehen (BSG, Urteil vom 30. August 2017 - B 14 AS 31/16 R - Rn. 53).
Vom Regelfall eines verfestigten tatsächlichen Aufenthalts der Antragstellerin in Deutschland kann nicht ausgegangen werden.
Dem steht entgegen, dass der Antragstellerin mit Bescheid vom 29. Dezember 2014 der Verlust der Freizügigkeit nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU bescheinigt wurde. Auch befand sie sich seit dem 6. November 2018 nicht mehr im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis.
Einer Erwerbstätigkeit ist die Antragstellerin während des gesamten Zeitraumes nicht nachgegangen. Ebensowenig hat sie sich
um die Erteilung einer erneuten Freizügigkeitsbescheinigung nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU oder um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG bemüht. Eine enge tatsächliche Bindung an den deutschen Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme Deutschlands resultiert daraus
nicht, weshalb bereits aus diesen Gründen von einer Ermessensreduktion auf Null nicht auszugehen wäre. Im Übrigen wäre ein
eventuell bestehender Bedarf durch Einsatz eigener Kräfte und Mittel und durch andere Sozialleistungsträger zu decken gewesen
(§§ 2 Abs. 1, 19 SGB XII). Die Antragstellerin hätte hierzu nur zeitnah den erforderlichen Antrag bei der zuständigen Ausländerbehörde stellen müssen.
Die Beschwerde war deshalb nicht erfolgreich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs.
1 und
2 SGG, für den Beigeladenen aus §
193 Abs.
4 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §
177 SGG.