Hörgeräteversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Kostenerstattung selbstbeschaffter Hörgeräte
Keine Erstattung den Festbetrag übersteigender Kosten bei fehlendem Nachweis der Erforderlichkeit einer beanspruchten Hörgeräteversorgung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für eine beidseitige Hörgeräteversorgung streitig. Die 1953 geborene Klägerin
ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet an einer beidseitigen an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit.
Dr. med. Y ... verordnete der Klägerin neu am 28.01.2013 beidseitig Hörgeräte, nachdem sie bereits seit 2002 Hörgeräte-Verordnungen
erhält. Die Klägerin bezieht seit dem 01.07.2017 Regelaltersrente. Bis zum Renteneintritt war die Klägerin vollschichtig erwerbstätig.
Mit Schreiben vom 01.02.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die vertraglich vereinbarten Kosten für beide
Hörgeräte in Höhe von 1.942,49 Euro übernehme. Für diesen Betrag sei der Akustiker verpflichtet, ihr ein geeignetes Hörgerät
entsprechend ihrer Schwerhörigkeit eigenanteilsfrei anzubieten. Sollte die Klägerin ein höherwertiges Gerät auswählen, könne
sich die Beklagte an den Mehrkosten oder späteren Reparaturen nicht beteiligen. In dem Betrag sei eine Reparaturpauschale
von 180 Euro je Hörgerät enthalten. Gleichzeitig übersandte die Klägerin an X ... Hörsysteme eine Genehmigung für Hilfsmittel
"Secret Ear" in der genannten Höhe. Die Klägerin hatte bei X ... Hörsysteme in A ... eine Hörgeräteanpassung vornehmen lassen.
Zum Vergleich wurden die Hörgeräte der Marken W ... S IX UP, V ... 6 HP - digitales HdO-Gerät-, U ... 360e, T ... 2 HP, sowie
S ... und R ... angepasst. Ausweislich der Dokumentation zur Hörgeräteanpassung erzielte die Klägerin im Freiburger Test nach
DIN 45621 mit dem Gerät W ... S IX UP ein Sprachverstehen von 100 %, mit den übrigen Geräten eine solches von je 90 %. Bei
den Geräten U ... 360e, S ..., R ..., V ... 6 HP und T ... 2 HP handelte es sich um eigenanteilsfreie Geräte. Allerdings stellte
die Beklagte fest, dass die Geräte T ... 2 HP und S ..., welche von der Festbetragsregelung gedeckt wären, die Standards für
die Versorgung Versicherter mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit nicht erfüllten. Die Klägerin beantragte bei der Beklagten
die Versorgung mit den Geräten W ... S IX UP zum Preis von 5.477,00 EUR. Keines der getesteten zuzahlungsfreien Geräte habe
ein ausreichendes Sprachverstehen in Gruppen und größeren Räumen ermöglicht. Eine erneute Hörgeräteanpassung am 13.06.2013,
nunmehr mit den Geräten W ... S IX UP, R ..., U ... 360+ und V ... 4 HP, ergab ein Sprachverständins von 100 % beim Gerät
W ... S IX UP, von je 90 % bei den Geräten R ... und U ... 360+ sowie von 80 % beim Gerät V ... 4 HP. Alle diese Geräte erfüllen
die Vorgaben der WHO zur Versorgung Versicherter mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit. Die Kosten der Geräte R ...,
U ... 360+ und V ... 4 HP werden vom Festbetrag gedeckt. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes
der Krankenversicherungen in Sachsen e. V. (MDK) vom 27.06.2013 ein, welcher auf die Möglichkeit der Versorgung mit dem Gerät
R ... verwies, und bezogen auf das beantragte Gerät ausführte, dass dieses Gerät eine über das medizinisch notwendige hinausgehende
Ausstattung besitze wie beispielsweise 20 Kanäle, Sound Relax, Flex Control. Mit Bescheid vom 03.07.2013 lehnte die Beklagte
den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Mehrkosten gegenüber dem Festbetrag von 1.942,49 EUR ab. Das getestete eigenanteilsfreie
Gerät R ... mit einem Sprachverstehen von 90 % sei als geeignet anzusehen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Am
23.08.2013 erwarb die Klägerin die Hörgeräte W ... S IX UP, für welche sie unter Anrechnung eines Zuschusses der Beklagten
in Höhe von 1.940,61 EUR und einer Eigenleistung von 20,00 EUR 3.069,20 EUR zahlen musste. Am 28.08.2013 beantragte die Klägerin
die Erstattung dieser Kosten. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet
zurück. Zur Begründung verwies die Beklagte auf § 12 i.V.m. § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. der Hilfsmittelrichtlinie.
Unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R - hätten die Ersatzkassen dem Personenkreis der
an Taubheit grenzenden Schwerhörigen Rechnung getragen und sowohl neue Festbeträge als auch eine neue vertragliche Vereinbarung
mit der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker geschlossen. Entsprechend dieser neuen Vereinbarung hätten sich die Akustiker
verpflichtet, den Versicherten ein eigenanteilsfreies Versorgungsangebot mit digital programmierbaren und volldigitalen Hörsystemen
zu unterbreiten. Aus der Beurteilung des MDK ergebe sich, dass zum Behinderungsausgleich im Fall der Klägerin eine andere
geeignete und ausreichende Hörgeräteversorgung zur Verfügung stehe. Die beantragte Hörgeräteversorgung sei nicht erforderlich
im Sinne des § 33 SGB V. Hiergegen hat die Klägerin am 28.10.2013 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben, mit welcher
sie die Übernahme der weiteren Kosten in Höhe von 3.069,20 EUR begehrt. Nach Auffassung der Klägerin sorgten einzig die Geräte
W ... S IX UP für einen ausreichenden Behinderungsausgleich.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.12.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung weiterer
Kosten, da sie keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V habe. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3, Satz
1, 1. Alt. SGB V seien nicht erfüllt, da ein Fall der Unaufschiebbarkeit nicht vorgelegen habe. Auch die Voraussetzungen des
§ 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V seien nicht erfüllt, da die Beklagte die Versorgung der Klägerin mit dem Gerät W ... S IX
UP nicht zu Unrecht abgelehnt habe, denn es habe kein Leistungsanspruch bestanden. Bei der Versorgung mit Hörgeräten zum Behinderungsausgleich
- wie hier - habe sich die Bewertung der Notwendigkeit der Versorgung mit einem bestimmten Gerät nach objektiven Kriterien
zu richten. Nicht maßgeblich seien allein subjektive Empfindungen der Versicherten wie zum Beispiel ein besseres Hörgefühl.
Als objektives Bewertungskriterium komme hier allein die bei der Hörgeräteanpassung am 13.06.2013 vorgenommene Freifeldmessung
in Betracht, welche mit dem Gerät W ... S IX UP 100 % Sprachverständnis und mit dem Gerät R ... 90 % Sprachverständnis ergeben
habe. Abweichungen bis 10 % bewegten sich im tagesformabhängigen Toleranzbereich und seien nicht beachtlich. Die Hörgeräte
R ... und W ... S IX UP seien daher vom Sprachverständnis her als gleichwertig anzusehen. Da das Gerät R ... zudem die Mindestkriterien
der WHO für die Versorgung Versicherter mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit erfülle, wäre die Versorgung der Klägerin
mit diesem Gerät als ausreichend im Sinne von § 33 Abs. 1 S. 1 3. Alt. SGB V zu bewerten. Die Versorgung mit einem höherwertigen
Gerät sei nicht notwendig gewesen. Die Ablehnung der Versorgung der Klägerin mit dem Gerät W ... S IX UP sei zu Recht erfolgt
und die Klägerin könne die ihr entstandenen Mehrkosten nicht erstattet verlangen. Gegen den der Prozessbevollmächtigten der
Klägerin am 15.12.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 30.12.2015 Berufung eingelegt. Im Bereich des unmittelbaren
Behinderungsausgleichs sei die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs
geleitet. Insoweit habe der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck für die im Rahmen der GKV gebotenen
Versorgung zwei Ebenen. Die Versorgung mit Hörgeräten diene dem unmittelbaren Behinderungsausgleich und demzufolge sei das
begehrte Hörgerät grundsätzlich erforderlich im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V, weil es nach dem Stand der Medizintechnik
(§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaube und damit im allgemeinen Alltagsleben
einen erheblichen Gebrauchsvorteil gegenüber anderen Hörhilfen biete. Vorliegend erreiche die Klägerin lediglich mit dem die
Festbeträge übersteigenden Hörgerät eine höchstmögliche Verbesserung ihrer Hörfähigkeit. Lediglich das Gerät W ... S IX UP
ermögliche der Klägerin ein ausreichendes Sprachverstehen in Gruppen und größeren Räumen und eine Sprachverstehen von 100
%.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 10.12.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom
03.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.10.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin
weitere Aufwendungen für die Hörgeräteversorgung in Höhe von 3.069,20 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Klägerin stehe kein Kostenerstattungsanspruch zu. Die Klägerin hätte mit dem Gerät R ... im Rahmen der Festbetragsregelung
geeignet gleichwertig versorgt werden können. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 20/08
R) müsse nicht jede für optimal gehaltene Versorgung gewährt werden, da der Anspruch nur für solche Hilfsmittel bestehe, denen
im Alltagsleben ein wesentlicher Gebrauchsvorteil zukomme. Von einem wesentlichen Gebrauchsvorteil im Alltagsleben sei unter
Berücksichtigung einer Messtoleranz in diesem Zusammenhang auszugehen, wenn das Sprachverstehen des besten getesteten Hörgeräts
mindestens 10 % (Freiburger Einsilbertest) über dem des besten Festbetragshörgeräts liege. Dies sei hier nicht der Fall. Subjektive
Eindrücke seien nicht vollumfänglich zu berücksichtigen.
Der Meister des Hörgeräteakustikerhandwerks, Q ..., hat nach Untersuchung der Klägerin am 30.10.2018 ein Gutachten nach §
106 Abs. 3 Ziff. 5 und Abs. 4 SGG für den Senat erstellt. Dabei hat er anlässlich der Untersuchung am 26.06.2018 einen Vergleich
zwischen den Hörgeräten Phonak W ... S IX UP der Klägerin sowie einem Vergleichsgerät Phonak W ... S IX UP und den zum Festbetrag
angebotenen Hörgeräten Phonak R ... in Verbindung mit Phonak W ... S I UP, U ... Max 6 SP (Ersatzgerät für das nicht mehr
auf dem Markt vorhanden U ... 360+) und Audio Service V ... 4 HP vorgenommen. Der Gutachter hat die Sprachverständlichkeit
für Einsilber (Seite 8 des Gutachtens) ermittelt. Zum einhundertprozentigen (100%) Satzverstehen sei ein sechzigprozentiges
(60%) Einsilberverstehen notwendig. Dabei zeige das Einsilberverständnis die Leistungsfähigkeit des Gehörs, damit einsilbige
Worte wie beispielsweise Maus, Laus, Haus voneinander unterschieden werden können. Die Spanne liege zwischen 0% (kein Wort
verstanden) und maximal 100% (alle Worte verstanden). Es seien 20 Wörter pro Reihe gemessen worden. Jedes richtig nachgesprochene
Wort ergebe 5%, in der Summe ergäben 20 richtig nachgesprochene Wörter 100% Einsilberverständnis (Gutachten, S. 8). Das Sprachverständnis
der Klägerin sei bei Mehrsilbern allerdings deutlich unter 50% Verstehensquote. Die Begutachtung sei daher teilweise bei bestimmten
Messungen mit Mehrsilbern, hier Zahlen, erfolgt, damit eine qualifizierte Messung erfolgen konnte. Der Toleranzbereich im
Verstehen liege nach seinen Feststellungen bei der Klägerin bei 5 - 10%. Hördifferenzen von in der Regel +/- 5 - 10% seien
"normal" und oftmals einer Konzentrationsschwäche oder der Tagesform geschuldet. Für das Hören ins Ruhe sind bei 65 dB **
Freifeld (FF) ohne Störgeräusch (Ruhe) folgende Messergebnisse erzielt (Seite 10 des Gutachtens) worden:
Hörsystem Nr.1 Phonak W ... IX UP eigene/getragene Hinter-dem-Ohr-Systeme/mit eigener Otoplastik, hier streitgegenständliche
Hörsysteme: 20% Einsilber Sprachverstehen bei 65 dB über Lautsprecher/FF ohne Störgeräusch mit Geräten R/L "binaural"**. Bei
der Anpassmessung 55 dB wurden bin. 0%** und bei 80 dB bin. 10%** erreicht.
Hörsystem Nr. 2 Phonak W ... IX UP Vergleichsgerät Hinter-dem-Ohr-Systeme/mit eigener Otoplastik: 25% Sprachverstehen bei
65 dB über Lautsprecher/FF ohne Störgeräusch mit Geräten R/L binaural**. Bei der Anpassmessung 55 dB wurden bin. 5%** und
bei 80 dB 20%** erreicht.
Hörsystem Nr. 3 Phonak R ... Hinter-dem-Ohr-Systeme/mit eigener Otoplastik, hier zuzahlungsfreie Geräte: 25% Sprachverstehen
bei 65 dB über Lautsprecher/FF ohne Störgeräusch mit Geräten R/L binaural**. Bei der Anpassmessung 55 dB wurden bin. 5%**
und bei 80 dB 20%** erreicht.
Hörsystem Nr. 4 Phonak I UP Hinter-dem-Ohr-Systeme/mit provisorischer Otoplastik, hier zuzahlungsfreie Variante der Phonak
W ... "Hörgerätefamilie": 20% Sprachverstehen bei 65 dB über Lautsprecher/FF ohne Störgeräusch mit Geräten R/L binaural**.
Bei der Anpassmessung 55 dB wurden bin. 5%** und bei 80 dB 20%** erreicht.
Hörsystem Nr. 5 U ... Max 6 SP (Ersatz für 360+) Hinter-dem-Ohr-Systeme/mit eigener Otoplastik, preiswertere Geräte: 20% Sprachverstehen
bei 65 dB über Lautsprecher/FF ohne Störgeräusch mit Geräten R/L binaural**. Bei der Anpassmessung 55 dB wurden bin. 0%**
und bei 80 dB 15%** erreicht.
Hörsystem Nr. 6 Audioservice V ... 4 HP Hinter-dem-Ohr-Systeme/mit eigener Otoplastik: 20% Sprachverstehen bei 65 dB über
Lautsprecher/FF ohne Störgeräusch mit Geräten R/L binaural**. Bei der Anpassmessung 55 dB seien bin. 0%** und bei 80 dB 5%**
erreicht.
Bei der Klägerin sei ein mögliches "Soll/Ziel Sprachverständnis von ca. 20 %** über FF 65 dB ohne Störgeräusch mit allen
Geräten unter Berücksichtigung einer Toleranz von 5-10 % Einsilberverständnis erreicht worden. Mit den strittigen Geräten
Phonak W ... S IX UP seien 20 % **, mit den Vergleichsgeräten Phonak W ... S IX UP seien 25 %**, mit den Festbetragsgeräten
Phonak R ... seien 25 %** und dem Phonak W ... S I UP 20 %**, dem U ... Max 6 SP (Ersatz 360+) 20 %**, dem Audio Service V
... 4 HP 20 %** Sprachverständlichkeit in Ruhe bei gleichem Messaufbau erreicht worden.
Der messtechnische Vergleich bei 65 dB/FF Nutzschall und 60 dB Störschall ** habe folgende Messergebnisse (Seite 12 des Gutachtens)
ergeben. Hierbei sei mit Mehrsilbern (Zahlen) gemessen worden, um verifizierbare Ergebnisse erzielen zu können.
Hörsystem Nr. 1 Phonak W ... S IX UP: Einseitige Versorgung: 0% Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Beidseitige Versorgung: 20% Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Hörsystem Nr. 2 Phonak W ... S IX UP, Vergleichsgeräte: Einseitige Versorgung: 0% Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall
und 60 dB Störschall** Beidseitige Versorgung: 30% Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Hörsystem Nr. 3 Phonak R ..., Festbetragsgerät: Einseitige Versorgung: 10% Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und
60 dB Störschall** Beidseitige Versorgung 20% Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Hörsystem Nr. 4 Phonak W ... S I UP, Festbetragsgerät: Einseitige Versorgung: 0% Mehrsilberverständnis bei 65dB Nutzschall
und 60dB Störschall** Beidseitige Versorgung: 30% Mehrsilberverständnis bei 65dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Hörsystem Nr. 5 U ... Max 6 SP: Einseitige Versorgung: 0% Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Beidseitige Versorgung: 20% Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Hörsystem Nr. 6 V ... 4 HP: Einseitige Versorgung: 0% Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall** Beidseitige
Versorgung: 20% Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Mit den strittigen Geräten Phonak W ... S IX UP seien 20 % **, mit den Vergleichsgeräten Phonak W ... S IX UP 30 %**, mit
den Festbetragsgeräten Phonak R ... 20 %**, und dem Phonak W ... S I UP 30 %**, dem U ... Max 6 SP (Ersatz 360+) 20 %**, dem
Audio Service V ... 4 HP 20 %** Sprachverständlichkeit für Mehrsilber im Störgeräusch bei gleichem Messaufbau erreicht worden.
Die getesteten Geräte Phonak W ... S IX UP, und Phonak R ..., Phonak W ... S I UP, U ... Max 6 SP (Ersatz für 360+) und Audio
Service V ... 4 HP erfüllten allesamt die Mindestvoraussetzungen von Digitaltechnik, Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle),
Rückkoppelungs- und Störgeräuschunterdrückung, mindestens drei Hörprogrammen, Verstärkerleistung von größer/gleich 75 dB nach
WHO 4 für an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit. Lediglich das Phonak R ... erfülle nicht die Verstärkerleistung von 75 dB.
Ansonsten seien die technischen Mindestparameter bei allen Geräten identisch. Gleichwohl habe die Klägerin auch mit dem Gerät
Phonak R ... ein Sprachverstehen von 20 % für Mehrsilber im Störgeräusch und bei Einsilbern in Ruhe von 25 % gehabt.
Hinsichtlich des geforderten Hörgewinns aus der Hilfsmittelrichtlinie seien objektiv vergleichbare Messungen in Ruhe 65 dB
Nutzschall FF und objektiv vergleichbare Messungen unter Störgeräuschbedingungen FF 65 dB Nutzschall/60 dB Störschall durchgeführt
worden. Die Messvergleiche hätten unter Berücksichtigung eines Toleranzbereichs von +/- 5 -10% im Sprachverständnis zu objektiv
gleichen Messergebnissen geführt. Die Messergebnisse lägen im Bereich der an Taubheit grenzenden Resthörigkeit der Klägerin.
Das mögliche Sprachverständnis in Ruhe von ca. 20 % unter Berücksichtigung einer Toleranz von +/- 5-10% belege das geringe
erzielbare realistische Sprachverständnis in Ruhe. Die getesteten Hörgeräte hätten sich unter Berücksichtigung des Toleranzbereichs
nicht unterschieden. Die Messergebnisse belegten vielmehr, dass auch die Festbetragsgeräte im Zielkorridor für die erzielbare
objektive Sprachverständlichkeit liegen. Die höherwertigen Geräte hätten mehr Komfortmerkmale, welche ein subjektiv komfortableres
Hören erlauben könnten. So verfüge das zuzahlungspflichtige Hörgerät Phonak W ... S IX UP über eine automatische Umschaltung
von Kugelcharakteristik auf Richtcharakteristik. Das Hörgerät könne "selbständig" entscheiden, in welchem Modus es in der
entsprechenden Situation arbeitet. Gleichwohl sei es sinnvoll, ein entsprechendes Programm mittels Programmtaster, zB auf
Programm 2, mit dieser Übertragung zu belegen und manuell auszuwählen, damit das Hörgerät auch in dieser Einstellung arbeitet.
Ein Gerät mit den geforderten Mindestkriterien arbeite manuell. Das automatische Umschalten sei ein sog. Komfortmerkmal. Abgesehen
von sog. Komfortmerkmalen habe das von Klägerin beantragte Gerät Phonak W ... S IX UP jedoch keine objektiv verbesserten Hörergebnisse
bei ihr gezeigt. Nach den Messergebnissen lägen auch die Festbetragsgeräte im Zielkorridor für die erzielbare objektive Sprachverständlichkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die streitige Hörgeräteversorgung
betreffend, sowie die Gerichtsakte beider Instanzen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da das hierfür erforderliche
Einverständnis der Beteiligten vorlgelegen hat.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 10.12.2015 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 03.07.2013 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die
Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für Hörgeräte über den Festbetragspreis hinaus.
Die Beklagte ist als erstangegangene Leistungsträgerin für die Hörgeräteversorgung der bei ihr versicherten Klägerin zuständig.
Rechtsgrundlage des Kostenerstattungsanspruches ist § 13 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 SGB V. Da eine unaufschiebbare Leistung nicht
vorgelegen hat, wie das SG zutreffen ausgeführt hat, kommt eine Kostenerstattung nur in Betracht, wenn die Krankenkasse eine
Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Diese
sind von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch
setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur, als
Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der Anspruch ist umgekehrt gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines
Naturalleistungsanspruches rechtswidrig abgelehnt hat und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn insoweit
auch ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig
ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl. BSG, Urteil vom
17. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R, juris).
Hier hat die Beklagte ihre Leistungspflicht zu Recht auf den Festbetrag begrenzt und die Leistungserbringung für die von der
Klägerin geltend gemachten Hörgeräte zu Recht abgelehnt.
Die Klägerin leidet an einer beidseitigen, an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Sie benötigt eine beidseitige Hörgeräteversorgung.
Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen
Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)). Der Anspruch eines Versicherten
auf Krankenbehandlung umfasst u.a. die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe
des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V)
zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs. 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein
Festbetrag festgesetzt ist (BSG, Urt. v. 06.09.2007, BSG 3 KR 20/06 R). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen
schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2
Abs. 2 Satz 3 SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der BIHA und dem damaligen vdek/AEV für die Zeit ab
dem 01.01.2013 geschlossenen Vertrag nach §§ 126, 127 SGB V zur Komplettversorgung mit Hörsystemen. Danach erfolgt die Abgabe
von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr. 1 Satz 1 des
Vertrages). Vorliegend ist der Beklagten die Versorgungsanzeige des Akustikers vom 17.01.2013 zeitnah zugegangen, die ärztliche
Verordnung des HNO-Arztes Dr. G ... Dickopf lag vor.
Rechtsgrundlage des Leistungsanspruches ist § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit
Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg
der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die
Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung
der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind. Hörgeräte sind keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und
nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Sie dienen weder der
Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung. Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung
nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig
und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten". Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich
sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
Sie sind zu leisten, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (§ 12 Abs. 1 SGB V) für den von der Krankenkasse
geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind (BSG, Urteil vom 17.12.2009, a. a. O., sowie Urteil vom 24.01.2013, B
3 KR 5/12 R, Rn. 29, juris).
Bei einem Hörgerät geht es um einen sogenannten unmittelbaren Behinderungsausgleich: Das Gerät soll die ausgefallene oder
beeinträchtigte Körperfunktion selbst ausgleichen (BSG, Urteil vom 24.01.2013, a.a.O., Rn. 31). Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich
ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleiches geleitet. Es gilt das
Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleiches des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen
und technischen Fortschrittes. Es kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiter entwickelten Hilfsmittel
nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der erreichte Versorgungsstandort sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung
nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist. Beim Hören ist vielmehr geschuldet,
dass hörbehinderte Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen
eröffnet wird und ihnen die dazu erforderlichen Geräte zur Verfügung gestellt werden (BSG, a. a. O.).
Im Krankenversicherungsrecht haben die Versicherten nach §§ 11 Abs. 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 SGB
V mithin Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen.
Ist eine bestimmte Hörhilfe notwendig im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung, so hat der Versicherungsträger
die Hörhilfe - von Zuzahlungen abgesehen - in vollem Umfang zu gewähren. Dieser Grundsatz gilt aber nur, wenn eine gegenüber
den Festbetragsgeräten höherwertige Hörmittelversorgung medizinisch notwendig ist. Denn grundsätzlich erfüllt die Krankenkasse
mit der Zahlung des Festbetrags ihre Leistungspflicht (vgl. § 12 Abs. 2 SGB V). Der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag,
der eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots darstellt, begrenzt die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung
lediglich dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht (BSG, Urteil
vom 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, Rn. 23-41 mit weiteren Nachweisen). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine
kostenaufwendige Versorgung, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber
einer kostengünstigeren Alternative bietet (BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.). Keine Leistungspflicht besteht dagegen für
solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei
der Nutzung des Hilfsmittels betreffen. Es muss demnach eine vernünftige Relation zwischen dem Gebrauchsvorteil und den Mehrkosten
gegeben sein. Wirtschaftlich im engeren Sinne ist nicht die billigste zweier notwendiger Leistungen, sondern diejenige mit
der besten Kosten-Nutzen-Relation. Die Mehrkosten dürfen im Verhältnis zum medizinischen Vorteil nicht unangemessen hoch sein
(Scholz in Becker/Killgreen, SGB V, § 12, Rn. 9 mit Verweis auf BSG, SozR 4-2500, § 92 Nr. 5, Rn. 74).
Zur Überzeugung des Senats steht hier fest, dass ein entsprechender Behinderungsausgleich auch durch ein Hörgerät zum festgelegten
Festbetrag bei der Klägerin zu erreichen war. Eine Verbesserung, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer der
kostengünstigeren Festbetragsalternativen bietet, bedingt eine Versorgung mit der Kostenübernahme für das begehrte Phonak
W ... S IX UP nicht. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten des
Hörakustikermeisters Q ... vom 30.10.2018, dessen Feststellungen der Senat sich anschließt.
Anlässlich der Untersuchung am 26.06.2018 hat der Sachverständigen einen Vergleich zwischen den Hörgeräten Phonak W ... S
IX UP sowie einem Vergleichsgerät Phonak W ... S IX UP und den zum Festbetrag angebotenen Hörgeräten Phonak R ... in Verbindung
mit Phonak W ... S I UP, U ... Max 6 SP (Ersatzgerät 360+) und Audio Service V ... 4 HP vorgenommen. Grundlage für die Beantwortung
der Beweisfragen war die ermittelte Sprachverständlichkeit für Einsilber (Seite 8 des Gutachtens). Zum einhundertprozentigen
(100%) Satzverstehen ist ein sechzigprozentiges (60%) Einsilberverstehen notwendig. Dabei zeigt das Einsilberverständnis die
Leistungsfähigkeit des Gehörs, einsilbige Worte wie beispielsweise Maus, Laus, Haus voneinander unterscheiden zu können. Die
Spanne liegt zwischen 0% (kein Wort verstanden) und maximal 100% (alle Worte verstanden). Es sind 20 Wörter pro Reihe gemessen
worden. Jedes richtig nachgesprochene Wort ergibt 5%, in der Summe ergeben 20 richtig nachgesprochene Wörter 100% Einsilberverständnis
(Gutachten, S. 8). Das Sprachverständnis der Klägerin ist bei Mehrsilbern allerdings deutlich unter 50% Verstehensquote. Die
Begutachtung ist daher teilweise bei bestimmten Messungen mit Mehrsilbern, hier Zahlen, erfolgt, damit eine qualifizierte
Messung erfolgen konnte.
Der Toleranzbereich im Verstehen liegt nach den Feststellungen des Sachverständigen bei der Klägerin bei 5 - 10%. Hördifferenzen
von in der Regel +/- 5 - 10% sind "normal" und sind oftmals einer Konzentrationsschwäche oder Tagesform geschuldet. Der Senat
folgt der Einschätzung des Gutachters, wonach bei der Klägerin unter Berücksichtigung möglicher Toleranzen mit dem Hörsystem
ein Einsilberverstehen von ca. 20% ** von der Seite im Freifeld 65dB ohne Störgeräusch erzielbar sein soll (Seite 9 des Gutachtens).
Mit den strittigen Geräten Phonak W ... S IX UP sind 20 % **, mit den Vergleichsgeräten Phonak W ... S IX UP 30 %**, mit den
Festbetragsgeräten Phonak R ... 20 %**, und dem Phonak W ... S I UP 30 %**, dem U ... Max 6 SP (Ersatz 360+) 20 %**, dem Audio
Service V ... 4 HP 20 %** Sprachverständlichkeit für Mehrsilber im Störgeräusch bei gleichem Messaufbau erreicht worden. Sämtliche
getesteten Geräte -Phonak W ... S IX UP, und Phonak R ..., Phonak W ... S I UP, U ... Max 6 SP (Ersatz für 360+) und Audio
Service V ... 4 HP- erfüllen die Mindestvoraussetzung von Digitaltechnik, Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle), Rückkoppelungs-
und Störgeräuschunterdrückung, mindestens drei Hörprogrammen, Verstärkerleistung von größer/gleich 75 dB nach WHO 4 für an
Taubheit grenzende Schwerhörigkeit. Lediglich das Phonak R ... erfüllt nicht die Verstärkerleistung von 75 dB. Ansonsten sind
die technischen Mindestparameter bei all diesen Geräten identisch. Gleichwohl hatte die Klägerin auch mit dem Phonak R ...
ein Sprachverstehen von 20 % für Mehrsilber im Störgeräusch und bei Einsilbern in Ruhe von 25 %.
Hinsichtlich des geforderten Hörgewinns aus der Hilfsmittelrichtlinie sind objektiv vergleichbare Messungen in Ruhe 65 dB
Nutzschall FF und objektiv vergleichbare Messungen unter Störgeräuschbedingungen FF 65 dB Nutzschall/60 dB Störschall durchgeführt
worden. Die Messvergleiche haben unter Berücksichtigung eines Toleranzbereichs von +/- 5 -10% im Sprachverständnis zu objektiv
gleichen Messergebnissen geführt. Die Messergebnisse liegen im Bereich der an Taubheit grenzenden Resthörigkeit der Klägerin.
Das mögliche Sprachverständnis in Ruhe von ca. 20 % unter Berücksichtigung einer Toleranz von +/- 5-10% belegt das geringe
erzielbare realistische Sprachverständnis in Ruhe.
Alle im Gutachten verglichenen Geräte erfüllen die geforderten Anforderungen aus dem Kassenvertrag zwischen Leistungserbringer
und Leistungsträger. Mit allen Geräten wird in Ruhe und unter Störgeräuschbedingungen ein objektiv vergleichbares Sprachverständnis
im jeweiligen Zielkorridor für Ruhe und Störgeräusch erzielt. Objektiv unterscheiden sich die getesteten Hörgeräte unter Berücksichtigung
des Toleranzbereichs nicht. Die Messergebnisse belegen vielmehr, dass auch die Festbetragsgeräte im Zielkorridor für die erzielbare
objektive Sprachverständlichkeit liegen. Die höherwertigen Geräte haben mehr Komfortmerkmale, welche ein subjektiv komfortableres
Hören erlauben können. So verfügt das zuzahlungspflichtige Hörgerät Phonak W ... S IX UP über eine automatische Umschaltung
von Kugelcharakteristik auf Richtcharakteristik. Das Hörgerät kann "selbständig" entscheiden, in welchem Modus es in der entsprechenden
Situation arbeitet. Gleichwohl ist es sinnvoll, ein entsprechendes Programm mittels Programmtaster, zB auf Programm 2, mit
dieser Übertragung zu belegen und manuell auszuwählen, damit das Hörgerät auch in dieser Einstellung arbeitet. Ein Gerät mit
den geforderten Mindestkriterien arbeitet manuell. Das automatische Umschalten ist ein sog. Komfortmerkmal. Abgesehen von
sog. Komfortmerkmalen hat das von Klägerin beantragte Gerät Phonak W ... S IX UP jedoch keine objektiv verbesserten Hörergebnisse.
Die Messergebnisse haben gezeigt, dass auch die Festbetragsgeräte im Zielkorridor für die erzielbare objektive Sprachverständlichkeit
liegen. Die Klägerin erreicht unter objektiven Bedingungen mit den Festbetragsgeräten ein vergleichbares Sprachverständnis
wie mit den getesteten höherwertigen Geräten. So hat sie beim Hören in Ruhe beim Einsilberverständnis mit dem Phonak W ...
S IX UP 20 % mit dem Vergleichsgerät erreicht, beim Phonak R ... 25 % (Festbetragsgerät), mit dem Phonak W ... S I UP 20 %
(Festbetragsvergleichsgerät). Beim Hören im Störgeräusch hat sie bei Mehrsilbern (Zahlen) aufgrund der an Taubheit grenzenden
Schwerhörigkeit mit dem Phonak W ... S IX UP 30 % mit dem Vergleichsgerät erreicht, beim Phonak R ... 20 % (Festbetragsgerät),
mit dem Phonak W ... S I UP 30 % (Festbetragsvergleichsgerät) erreicht.
Zusammengefasst ergibt sich für den Senat, dass die Klägerin bei Versorgung mit einem Festbetragsgerät Phonak R ... oder dem
Phonak W ... S I UP einen ausreichenden Behinderungsausgleich erzielen kann. Ein Anspruch auf das höherwertigere Phonak W
... S IX UP besteht nicht.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung für das höherwertigere Phonak W ... S IX UP ergibt sich auch nicht aus etwaigen Vorteilen
gegenüber dem Phonak W ... S I UP oder dem Phonak R ... Mögliche Vorteile ergeben sich insbesondere nicht unter Berücksichtigung
der Abweichung von 5 % bei den Messergebnissen ohne Störschall bzw. mit Störschall.
Damit ist nicht hinlänglich nachgewiesen, dass erst das höherwertigere Gerät (Phonak W ... S IX UP) in der Lage wäre, eine
umgangssprachliche Verständigung (auch im Störschall) zu ermöglichen. Das Gutachten hat ergeben, dass durch das Festbetragsgerät
Phonak W ... S I UP, bzw. das Phonak R ... ein ausreichender Behinderungsausgleich erzielt werden kann.
Auch aus anderen Rechtsgrundlagen ist kein Anspruch auf die höherwertige Versorgung ersichtlich. Insbesondere war die Beklagte
nicht nach § 14 SGB IX als erstangegangener Leistungsträger aus dem Gesichtspunkt der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
(§§ 9, 10 ff. Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)) zur Versorgung mit den ausgewählten Hörgeräten zu verurteilen. Die
1953 geborene Klägerin hat bis zum 01.07.2017 mit den vorhandenen Hörgeräten jeweils Vollzeit gearbeitet. Sie bezieht seit
dem 01.07.2017 Altersrente für schwerbehinderte Menschen (§ 236a SGB VI). Eine Kostenerstattung aus dem Gesichtspunkt des
berufsbedingten Mehrbedarfs scheidet mithin aus (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI).
Danach war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).