Grundsicherung für Arbeitsuchende
Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche
Unionsbürger
Fortwirkung des Aufenthalts- und Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit
Bestätigung durch die Agentur für Arbeit
konstitutive Wirkung
Abweichung von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung zulasten des Leistungsberechtigten in Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Der 2002 geborene Antragsteller zu 1. und die 1997 geborene Antragstellerin
zu 2. haben 2020 in Rumänien geheiratet. Ihre beiden Söhne, die Antragsteller zu 3. und 4., wurden 2019 bzw. 2020 in Rumänien
geboren.
Unter dem Juni 2020 schloss der Antragsteller zu 1. gemeinsam mit zwei weiteren Personen einen Mietvertrag über eine 69,85
qm große Wohnung in der S-Straße in H.. Die Miete sollte monatlich 380 € betragen, hinzu kamen Heizungs- und Warmwasserkosten
i.H.v. 200 € und sonstige Neben- und Betriebskosten i.H.v. 88 €. Laut § 2 des Mietvertrags sollten dort insgesamt sieben namentlich
benannte Personen wohnen, u.a. der Antragsteller zu 1. Die Antragsteller zu 2. und 3. wurden nicht genannt.
Die vier Antragsteller sind in der S-Straße mit ihrer Hauptwohnung gemeldet: der Antragsteller zu 1. seit dem Juni 2020 (Meldebestätigung
vom Juni 2020, erweiterte Meldebescheinigung vom Januar 2021), die Antragstellerin zu 2. seit dem Juni 2020 (Meldebestätigung
vom Juni 2020) bzw. seit dem November 2020 (Meldebestätigung vom November 2020) und der Antragsteller zu 3. seit dem November
2020 (Meldebestätigung vom November 2020); der Antragsteller zu 4. wird in der erweiterten Meldebescheinigung vom Januar 2021
genannt, die für ihn aber kein Einzugsdatum ausweist.
Unter dem Oktober 2020 schloss der Antragsteller zu 1. einen Arbeitsvertrag mit der R GmbH & Co. KG (im Folgenden: R. ). Das
unbefristete Arbeitsverhältnis begann am 4. November 2020. Vereinbart war eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit
von 35 Stunden (1.820,04 Stunden jährlich) bei einem Entgelt von 10,10 € brutto pro Stunde. Unter dem 23. November 2020 mahnte
der Arbeitgeber den Antragsteller zu 1. ab, weil er am 21. November 2020 nicht an seinem Arbeitsplatz erschienen sei. Ebenfalls
unter dem 23. November 2020 kündigte er das Arbeitsverhältnis zum 01. Dezember 2020. Laut Entgeltabrechnung vom 5. Januar
2021 erzielte der Antragsteller ein Entgelt i.H.v. 773,28 € brutto bzw. 623,87 € netto.
Ausweislich der Verwaltungsakte des Antragsgegners beantragten die Antragsteller zu 1. bis 3. noch am 23. November 2020 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts. In der Folgezeit teilten sie mit, sie hätten sich vom 1. bis 5. Dezember 2020 vorübergehend
in Rumänien aufgehalten, wo der Antragsteller zu 4. geboren worden sei und die Antragsteller zu 1. und 2. geheiratet hätten.
Sodann seien sie nach H. zurückgekehrt. Unter dem Februar 2021 teilte der Antragsteller zu 1. dem Antragsgegner u.a. mit,
ein Kinder- und ein Elterngeldantrag seien gestellt, aber noch nicht beschieden worden. Zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses
gab er an, der Arbeitgeber habe ihm gekündigt, weil es keine Arbeit mehr für ihn gegeben habe. Der Arbeitgeber teilte dem
Antragsgegner demgegenüber mit, der Antragsteller zu 1. sei bereits nach einem Tag wegen fehlender Arbeitsmotivation von einem
Kundeneinsatz abgemeldet worden. An seinem neuen Einsatzort sei er täglich zu spät gekommen oder gar nicht erschienen. Auch
eine Abmahnung habe keine Besserung gebracht. Deshalb habe man sich innerhalb der Probezeit von ihm getrennt.
Am Februar 2021 schloss der Antragsteller zu 1. einen Arbeitsvertrag mit der M GmbH & Co. KG (im Folgenden: M.). Das unbefristete
Arbeitsverhältnis begann am 10. Februar 2021. Vereinbart war eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden
(151,67 Stunden monatlich) bei einem Entgelt von 10,42 € brutto pro Stunde (Monatsvergütung i.H.v. 1.580,40 € brutto). Das
Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung vom Februar 2021 zum 17. Februar 2021. Laut Arbeitsbescheinigung vom März
2021 lag der Kündigung kein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers als Kündigungsgrund zugrunde. Laut Entgeltabrechnung
vom 22. März 2021 erzielte der Antragsteller zu 1. ein Entgelt i.H.v. brutto 526,68 € bzw. netto 379,18 €. Der Nettobetrag
wurde dem Konto der Antragstellerin zu 2. am 15. März 2021 gutgeschrieben.
Am 14. April 2021 schloss der Antragsteller zu 1. einen Arbeitsvertrag über einen 450 €-Minijob als Gebäudereiniger mit der
H GmbH (im Folgenden: H.). Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses war der 19. April 2021. Eine Abrechnung vom 7. Mai
2021 weist einen Lohn i.H.v. 305,53 € brutto/netto aus.
Bereits am 26. Februar 2021 haben die Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Halle den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Über ihren im November 2020 gestellten Leistungsantrag sei noch
nicht entschieden worden. Die Antragsteller haben vorgetragen, sie seien zuletzt im Juni 2020 nach Deutschland eingereist,
um dauerhaft hier zu leben und zu arbeiten. Von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) seien sie nicht ausgeschlossen, weil sich aus dem Arbeitsverhältnis des Antragstellers zu 1. bei R. ein Freizügigkeitsrecht
nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) ergebe. Sie verfügten weder über Einkommen noch über Vermögen.
Demgegenüber hat der Antragsgegner die Auffassung vertreten, die Tätigkeit bei R. sei von so kurzer Dauer gewesen, dass sie
keine Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Freizügigkeitsrechts habe vermitteln können. Im Übrigen sei auf die letzte Beschäftigung
abzustellen, nämlich die Tätigkeit bei M. .
Mit Beschluss vom 9. März 2021 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Antragsteller seien nach summarischer Prüfung zwar mit
hoher Wahrscheinlichkeit hilfebedürftig und erfüllten die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II dem Grunde nach. Sie seien jedoch nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen. Die Antragsteller zu 1. und 2. hätten kein anderes Aufenthaltsrecht
als das Freizügigkeitsrecht zur Arbeitsuche; insoweit ergebe sich auch ein Leistungsausschluss für die Antragsteller zu 3.
und 4. Insbesondere habe der Antragsteller zu 1. kein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU glaubhaft gemacht.
Ein solches resultiere nicht aus dem Arbeitsverhältnis mit R. vom 2020. Ein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU setze nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als konstitutive Bedingung eine Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit
über die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit voraus. Ob inzwischen eine Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit über einen
vom Antragsteller zu 1. gestellten Antrag ergangen sei, könne jedoch dahinstehen, da sie nach den vom Antragsgegner durchgeführten
Ermittlungen nur dahingehend ausfallen könne, dass es sich vorliegend nicht um eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit handele.
Nach den im Eilverfahren gewonnenen Erkenntnissen habe der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil der Antragsteller
zu 1. regelmäßig zu spät zur Arbeit gekommen oder gar nicht an seinem Arbeitsplatz erschienen sei. Nach Angaben des Arbeitgebers
habe auch eine Abmahnung keine Besserung gebracht, so dass das Unternehmen sich in der Probezeit vom Antragsteller zu 1. getrennt
habe. Liege demnach eine verhaltensbedingte Kündigung vor, könne von einer Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit keine Rede
sein.
Auch der wiederum durch die Arbeitgeberseite gekündigte, ab 10. Februar 2021 abgeschlossene Arbeitsvertrag mit M. sei nicht
geeignet, ein anderweitiges Freizügigkeitsrecht als das zur Arbeitsuche zu begründen, ohne dass es hierbei auf die Frage der
Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit ankomme. Durch das sehr kurze Arbeitsverhältnis vom 2021 sei der Antragsteller zu 1.
bereits nicht als Arbeitnehmer i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt gewesen.
Gegen den Beschluss haben die Antragsteller am 02. April 2021 Beschwerde eingelegt. Sie rügen, dass das SG ihnen keine Gelegenheit gegeben habe, sich zu der von ihm berücksichtigten Stellungnahme von R. zu äußern. Der Antragsteller
zu 1. habe von diesem Arbeitgeber keine Abmahnung erhalten. Auch Fehlzeiten habe es nicht gegeben. Er habe lediglich Ende
November 2020 kurzzeitig den erkrankten Antragsteller zu 3. betreuen müssen; dies habe er dem Arbeitgeber aber sofort telefonisch
mitgeteilt und sei von diesem auch entschuldigt worden. Wegen der kurz bevorstehenden Entbindung des Antragstellers zu 4.
sei die Antragstellerin zu 2. zur Kinderbetreuung nicht in der Lage gewesen.
Im Beschwerdeverfahren haben die Antragsteller eine Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit vom 19. März 2021 vorgelegt,
wonach der Antragsteller zu 1. die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, das vom 2020 bei R. bestanden habe,
nicht zu vertreten hatte. Es liege eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit im Hinblick auf die letzte Beschäftigung vor.
Daraufhin hat der Antragsgegner eine weitere – nach seiner Darstellung „korrigierte“ – Bescheinigung der Bundesagentur für
Arbeit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei R. vorgelegt. In diesem auf den 20. April 2021 datierten Schreiben
wird angegeben, der Antragsteller zu 1. habe die Gründe, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten, zu vertreten,
weil die Kündigung verhaltensbedingt erfolgt sei. Eine entsprechende Stellungnahme und Abmahnung seitens des Arbeitgebers
lägen vor. Es handele sich nicht um eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit.
Nachdem diese Bescheinigung auch dem Antragsteller zu 1. zugegangen war, legte dieser dagegen Widerspruch ein.
Nach Aufforderung durch den Berichterstatter, den Aufenthalt der Antragsteller zu 2. bis 4. in H. glaubhaft zu machen, haben
die Antragsteller zunächst eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers zu 1. vorgelegt. Insoweit wird auf den Schriftsatz
der Antragsteller vom 17. Mai 2021 verwiesen. Weiter haben sie vorgetragen, die unterschiedlichen Daten in den Meldebestätigungen
resultierten aus einer zwischenzeitlichen Abmeldung seitens des Vermieters. Dies habe aber mit dem Meldeamt geklärt werden
können. Dass die Antragstellerin zu 2. nicht im Mietvertrag genannt werde, sei darin begründet, dass sie bei Vertragsschluss
noch nicht mit dem Antragsteller zu 1. verheiratet gewesen sei. Die Regelung im Mietvertrag solle wohl einer Überbelegung
vorbeugen. Tatsächlich seien die Wohnungen im Quartier S-Straße aber permanent überbelegt. Die Reise nach Rumänien Anfang
Dezember 2020 sei wegen des fehlenden Krankenversicherungsschutzes der Antragstellerin zu 2. erfolgt. Die erst am 7. Dezember
2020 ausgestellte Geburtsurkunde des Antragstellers zu 4. sei ihnen nach Deutschland nachgesandt worden.
Auf einen telefonischen Hinweis des Berichterstatters vom 18. Mai 2021, dass weiterhin Zweifel am Aufenthalt der Antragsteller
zu 2. bis 4. in Deutschland bestünden, hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 19. Mai 2021 mitgeteilt,
er habe die Antragsteller kurzfristig in seine Kanzlei gebeten. Alle vier Antragsteller hätten den Termin wahrgenommen, und
die Antragsteller zu 2. bis 4. hätten sich durch – in Kopie übersandte – rumänische Personalausweise bzw. Pässe ausgewiesen.
Weiter hat er ein Foto von dieser Vorsprache übersandt und eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin zu 2. vorgelegt,
die ausführt, sie sei zuletzt im Juni 2020 nach Deutschland eingereist und lebe in der S-Straße in H.. Vom 1. bis 5. Dezember
2020 sei sie in Rumänien gewesen, wo sie ihr jüngstes Kind zur Welt gebracht und ihren jetzigen Ehemann geheiratet habe. Seit
der Rückkehr lebe sie mit ihrem Ehemann und den Kindern unter der genannten Adresse.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des SG vom 9. März 2021 abzuändern und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig
Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde gegen den Beschluss des SG H. vom 9. März 2021 – S 12 AS 236/21 ER – zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Unfreiwilligkeitsbescheinigung
vom 19. März 2021. Schon wegen ihrer geringen Dauer habe die Tätigkeit bei R. – ungeachtet der Höhe des Arbeitseinkommens
– keine Arbeitnehmereigenschaft vermitteln können, denn es mangele an einer perpetuierten Verbindung zum hiesigen Arbeitsmarkt.
Die Aufnahme sogenannter kurzer Erwerbsepisoden ggf. zum Bezug von SGB II-Leistungen vermittele kein Freizügigkeitsrecht. Zur Bestimmung eines Aufenthaltsrechts aus § 2 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU sei zudem auf die letzte Beschäftigung abzustellen. Mit einer erneuten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, auch einer geringfügigen
Beschäftigung, ende zunächst der Arbeitnehmer-/Selbständigenstatus aufgrund der Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU; denn nach ihrem Sinn und Zweck ende die Nachwirkung jedenfalls dann, wenn sie zu einem anderen Freizügigkeitsrecht führe.
Der Sinn der Nachwirkungsregelungen liege darin, dem Betroffenen bei unfreiwilligem Verlust der Arbeitnehmereigenschaft oder
des Status als Selbständiger die Verwirklichung eines neuen Freizügigkeitsrechts in angemessener Zeit zu ermöglichen. Dementsprechend
sei es bei einer unfreiwilligen Arbeitslosigkeit erforderlich, sich dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung zu stellen. Wenn
dies gelungen sei, bedürfe es keiner rechtswahrenden Nachwirkung mehr, und der Aufenthalt könne auf ein neu entstandenes Freizügigkeitsrecht
gestützt werden. Es sei deshalb auf das zum Februar 2021 begründete Arbeitsverhältnis abzustellen, das bereits zum Februar
2021 wieder gekündigt worden sei.
Die Antragsteller haben für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Der Senat hat die Prozessakte des SG und die Verwaltungsakte des Antragsgegners beigezogen.
II.
Die gemäß §
172 Abs.
1, Abs.
3 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Der Antragsgegner ist im Wege der einstweiligen Anordnung
vorläufig zur Leistungsgewährung zu verpflichten.
Der Senat versteht das Begehren der Antragsteller im Rahmen der gebotenen Auslegung (§
123 SGG) so, dass sie die Gewährung von Leistungen für die Zeit ab Antragstellung beim SG erreichen wollen. Für ein Leistungsbegehren ab einem früheren Zeitpunkt bietet ihr Vorbringen keinen Anhaltspunkt. Insbesondere
haben die anwaltlich vertretenen Antragsteller insoweit kein Nachholbedürfnis geltend gemacht, das – wie ihrem Prozessbevollmächtigten
bekannt ist – Voraussetzung für die Bejahung eines Anordnungsgrundes wäre. Der so verstandene Antrag hat in vollem Umfang
Erfolg.
Das Gericht kann nach §
86b Abs.
2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung
des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige
Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung ist gemäß §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung (
ZPO) die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsanspruchs (also eines in der Hauptsache gegebenen materiellen
Leistungsanspruchs) als auch eines Anordnungsgrunds (also der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile).
Ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn ihre tatsächlichen Voraussetzungen mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §
86b Rn. 41).
Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat
die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Ist
eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich – etwa
weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen
bedürfte –, kann eine Entscheidung aufgrund einer Folgenabwägung ergehen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom
14. März 2019 – 1 BvR 169/19 –, juris Rn. 15 m.w.N.).
Die Antragsteller haben das Vorliegen sowohl eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht.
Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, dass sie gemäß §§ 7 ff., §§ 19 ff., § 67 SGB II einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld haben.
Dies gilt für die Antragsteller zu 1. und 2. zunächst im Hinblick auf die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Als erwerbsfähige Leistungsberechtigte sind danach Personen leistungsberechtigt, die das 15. Lebensjahr vollendet und die
Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig und hilfebedürftig sind (Nr. 2, Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt
in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4).
Die Antragsteller zu 1. und 2. sind im leistungsberechtigten Alter und erwerbsfähig. Nach ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren
und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowie nach den vorliegenden Unterlagen bestehen auch keine durchgreifenden
Zweifel daran, dass sie hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 9 ff., § 67 SGB II sind. Insbesondere genügt das Einkommen des Antragstellers zu 1. aus seiner Tätigkeit bei der H GmbH nicht zur Deckung des
gesamten Bedarfs der Familie. Der Senat hält es auch für ausreichend glaubhaft gemacht, dass sich nicht nur der Antragsteller
zu 1., sondern auch die Antragstellerin zu 2. im streitgegenständlichen Zeitraum in H. aufgehalten hat und aktuell aufhält.
Neben den vorliegenden Meldebestätigungen und ihrer eidesstattlichen Versicherung spricht dafür auch, dass sie in der Lage
war, innerhalb kürzester Zeit bei ihrem Prozessbevollmächtigten vorzusprechen.
Gleiches gilt für die Antragsteller zu 3. und 4., die nach summarischer Prüfung mit den Antragstellern zu 1. und 2. eine Bedarfsgemeinschaft
bilden (§ 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 SGB II).
Es ist auch in einer für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausreichenden Weise glaubhaft gemacht, dass die Antragsteller
nicht gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sind, weil sie über ein Aufenthaltsrecht verfügen, das sich nicht allein aus dem Zweck der
Arbeitsuche ergibt.
Nach der Rechtsprechung des BSG erfordert die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II regelmäßig eine „fiktive Prüfung“ des Grundes bzw. der Gründe der Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der
Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die positive Feststellung
eines Aufenthaltsrechts „allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) SGB II (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R –, juris Rn. 23).
In der Zeit von der Antragstellung beim SG am 26. Februar 2021 bis zur Aufnahme der Tätigkeit bei H GmbH am 19. April 2021 verfügte der Antragsteller zu 1. über ein
nachwirkendes Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer gem. § 2 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, seitdem über ein Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU.
Das Recht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe des FreizügG/EU bleibt gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU unter anderem für Arbeitnehmer unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit
nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit
nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 gem. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU während der Dauer von sechs Monaten unberührt. Maßgeblich ist der Erhalt der Erwerbstätigeneigenschaft (vgl. Beschluss des
Senats vom 13. April 2016 – L 2 AS 37/16 B ER –, juris Rn. 45).
Es kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes offenbleiben, ob dieses nachwirkende Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer
noch aus der Tätigkeit bei R. vom 4. November bis 1. Dezember 2020 herrührte oder aus der Tätigkeit bei M. vom 10. bis 17.
Februar 2021.
Die Tätigkeit des Antragstellers zu 1. bei R. begründete ein Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, das geeignet war, nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU fortzuwirken. Der unbefristete Arbeitsvertrag sah eine Tätigkeit in einem Umfang von 35 Stunden pro Woche vor. Der Annahme
einer fortwirkenden Arbeitnehmerfreizügigkeit steht die geringe Dauer dieser Tätigkeit von etwas weniger als einem Monat nicht
entgegen. § 2 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU dient der Umsetzung von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c) i.V.m. Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 2004/38 EG. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union
(EuGH) ist geklärt, dass die Erwerbstätigeneigenschaft eines Unionsbürgers gem. Art. 7 Abs. 3 Buchst. c) der Richtlinie 2004/38
EG jedenfalls dann mindestens weitere sechs Monate erhalten bleibt, wenn er diese in einem anderen Mitgliedstaat durch eine
Tätigkeit erworben hat, die er dort für einen Zeitraum von zwei Wochen anders als aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags
ausgeübt hat, bevor er unfreiwillig arbeitslos wurde, sofern er sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt (vgl.
EuGH, Urteil vom 11. April 2019 – C-483/17 [Rs. Neculai Tarola] –, juris Rn. 54).
Jedenfalls für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geht der Senat auch mit Blick auf die Rechtsprechung des BSG zur Bedeutung der sog. Unfreiwilligkeitsbescheinigung davon aus, dass eine unfreiwillige durch die zuständige Agentur für
Arbeit bestätigte Arbeitslosigkeit i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU vorliegt. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift nicht nur an das objektive Merkmal der Unfreiwilligkeit angeknüpft, sondern
eine Bestätigung der Bundesagentur für Arbeit für diese Unfreiwilligkeit verlangt. Das BSG vertritt dazu die Auffassung, dass die Bestätigung über die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit Voraussetzung für das Fortbestehen
des Freizügigkeitsrechts im Sinne einer konstitutiven Bedingung sei (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 2017 – B 4 AS 17/16 R –, juris Rn. 34). Diese Rechtsprechung ist zwar auf beachtlichen Widerspruch gestoßen (vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 2. Februar 2018 – L 7 AS 2308/17 B ER –, juris Rn. 20; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. August 2020 – L 7 AS 1376/20 ER-B –, juris Rn. 23). Der Senat legt sie seiner Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren aber schon deshalb zugrunde,
weil sie sich hier zugunsten der Antragsteller auswirkt. Der sozialgerichtliche einstweilige Rechtsschutz dient dazu, bis
zur abschließenden Klärung des Rechtsstreits in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile
abzuwenden, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Damit setzt er das verfassungsrechtliche
Gebot eines effektiven Rechtsschutzes aus Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) um (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1977 – 2 BvR 42/76 –, BVerfGE 46, 166). Diesem Gebot würde es zuwiderlaufen, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu Lasten von Grundrechtsberechtigten
von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen und ihnen auf dieser Grundlage existenzsichernde Leistungen vorzuenthalten,
die ihnen nach dem Stand dieser Rechtsprechung im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich zugesprochen würden.
Die Bundesagentur für Arbeit hat unter dem 19. März 2021 bescheinigt, dass der Antragsteller zu 1. nach einer Beschäftigung
bei R. vom 4. November bis 2. Dezember 2020 unfreiwillig arbeitslos geworden sei. Sie hat später zwar unter dem 20. April
2020 das Gegenteil bescheinigt. Diese zweite Bescheinigung ist aber unbeachtlich. Denn wenn man mit dem BSG davon ausgeht, dass die Bestätigung der Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2, Satz 2 FreizügG/EU konstitutive Bedeutung und damit Tatbestandswirkung für das Freizügigkeitsrecht hat, kann eine den Unionsbürger begünstigende
Bestätigung nicht einfach formlos durch eine belastende ersetzt werden. Legt man die Rechtsprechung des BSG zugrunde, handelt es sich bei der sog. Unfreiwilligkeitsbescheinigung nicht bloß um eine vorbereitende Maßnahme im Sinne
einer Wissensbekundung oder einer unverbindlichen Einschätzung, sondern um einen feststellenden Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), den auch das Gericht zu beachten hat. Durch einen feststellenden Verwaltungsakt wird die materielle Rechtslage für einen
Einzelfall verbindlich festgestellt, ohne sie dabei zu ändern; entspricht die Feststellung nicht dem geltenden Recht, ist
der feststellende Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, bleibt jedoch bis zu seiner Aufhebung wirksam und verhindert den „Durchgriff“
auf das materielle Recht. Sein Verfügungssatz beschränkt sich somit darauf, das Ergebnis eines behördlichen Subsumtionsvorgangs
festzuschreiben, ohne hieran selbst Rechtsfolgen etwa in Form von Ge- oder Verboten, Genehmigungen oder Leistungsgewährungen
zu knüpfen; dies bleibt den – ggf. von einer anderen Behörde zu treffenden – Folgemaßnahmen vorbehalten (vgl. Stelkens, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 219). Damit unterliegt die Abänderung einer einmal erfolgten Bestätigung der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit aber auch
den Einschränkungen der §§ 44 ff. SGB X, die die Bundesagentur für Arbeit hier offensichtlich nicht beachtet hat.
Es kann dahinstehen, ob das demnach anzunehmende nachwirkende Freizügigkeitsrecht durch ein neues Freizügigkeitsrecht gem.
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU aufgrund der Tätigkeit bei M. abgelöst worden ist oder bis zur Aufnahme der Tätigkeit bei M. bei H. 2021 fortgewirkt hat.
Ginge man davon aus, dass das Arbeitsverhältnis bei M. vom 10. bis 17. Februar 2021 aufgrund seiner geringen Dauer nicht geeignet
war, ein nachwirkungsfähiges Arbeitsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU zu begründen, dann würde es der weiteren Nachwirkung des Freizügigkeitsrechts aus der Tätigkeit bei R. nicht entgegenstehen.
Ginge man dagegen davon aus, dass die Tätigkeit bei M. ein neues Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer begründete, welches
das bis dahin nachwirkende Freizügigkeitsrecht aus der Tätigkeit bei R. ablöste, dann erscheint es für das Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes ausreichend wahrscheinlich, dass auch dieses neue Freizügigkeitsrecht nach Ende des Arbeitsverhältnisses gem.
§ 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU bis zur Aufnahme der Tätigkeit bei H. nachwirkte. Es liegt zwar bislang keine Bestätigung der Bundesagentur für Arbeit über
die Unfreiwilligkeit dieser Arbeitslosigkeit vor. Darauf würde es, jedenfalls nach Rechtsprechung des BSG, wohl im Hauptsacheverfahren ankommen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes muss es aber aus Gründen des effektiven
Rechtsschutzes ausreichen, dass die Voraussetzungen einer solchen Bestätigung mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen. Denn
in der Arbeitgeberbescheinigung vom 12. März 2021 hat M. unter Punkt 5.1.8 angegeben, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
nicht auf vertragswidrigem Verhalten des Arbeitnehmers beruhe.
Mit der Aufnahme der Tätigkeit bei H. hat der Antragsteller zu 1. erneut ein Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU erworben. Dem steht nicht entgegen, dass sein monatliches Bruttogehalt auf maximal 450 € begrenzt ist. Als Arbeitnehmer im
Sinne des Unionsrechts ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt. Außer Betracht bleiben Tätigkeiten,
die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Diesbezüglich sind
bei einer Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses nicht nur Gesichtspunkte wie Arbeitszeit und Höhe der Vergütung zu beachten,
sondern auch solche wie ein Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung
eines Tarifvertrages auf den Arbeitsvertrag sowie der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis längere Zeit mit demselben Unternehmen
bestanden hat. Es kommt für die Frage des Vorliegens der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts jedoch nicht darauf
an, dass der Lebensunterhalt mit dem geringfügigen Einkommen nicht bestritten werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar
2010 – C-14/09 [Rs. Genc] –, juris Rn. 19 ff.).
Nach summarischer Prüfung genügt das Arbeitsverhältnis des Antragstellers zu 1. bei der H. diesen Anforderungen. Nach dem
Arbeitsvertrag vom 14. April 2021 ist der Antragsteller zu 1. zur Erbringung von weisungsgebundenen Arbeitsleistungen als
Gebäudereiniger verpflichtet. Der Arbeitsvertrag ist weder von vornherein befristet, noch ist das mögliche erzielbare Arbeitsentgelt
von 450 € als wirtschaftlich vollkommen unbedeutend anzusehen. Zudem sind im Arbeitsvertrag sowohl Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
als auch Urlaubsansprüche nach den gesetzlichen Bestimmungen geregelt. Nach der vorliegenden Entgeltbescheinigung vom 7. Mai
2021 ist das Arbeitsverhältnis auch zumindest zunächst tatsächlich gelebt worden.
Die Antragsteller zu 2. bis 4. haben nach dem bisher Gesagten glaubhaft gemacht, dass sie ein vom Antragsteller zu 1. abgeleitetes
Freizügigkeitsrecht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6, § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) und c) FreizügG/EU besitzen.
Für die Gewährung existenzsichernder Leistungen liegt auch ein Anordnungsgrund vor.
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, den Antragsgegner entsprechend §
130 Abs.
1 SGG dem Grunde nach zu verpflichten. Aufgrund vergleichbarer Verfahren in jüngerer Zeit geht der Senat davon aus, dass der Antragsgegner
die einstweilige Anordnung umsetzen wird, ohne dass es der Vollstreckung bedürfte, die bei einer Verpflichtung dem Grunde
nach zu einer weiteren Verzögerung führen würde.
Der Senat beschränkt die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners im Rahmen seines Ermessens auf die Zeit bis Ende Juli
2021. Er lehnt sich insoweit an den regelmäßigen Bewilligungszeitraum bei einer vorläufigen Leistungsgewährung (§ 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II) an. Dabei erscheint es aufgrund des bisherigen Zeitablaufs sachgerecht, diesen Sechs-Monats-Zeitraum nicht mit der Stellung
des Leistungsantrags im November 2020 beginnen zu lassen, sondern mit dem Anfang des Monats Februar 2021, in dem die vorläufige
Verpflichtung des Antragsgegners einsetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 Abs.
1 SGG.
Für eine Bewilligung von PKH (§
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §§
114 ff.
ZPO) besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Mit dem vorliegenden Beschluss ist den Antragstellern ein Kostenerstattungsanspruch
gegen den Antragsgegner und damit gegen die öffentliche Hand zuerkannt worden, und diese Kostenentscheidung ist nicht mit
einem Rechtsmittel anfechtbar. Da das Kostenrisiko der Antragsteller damit vollständig entfallen ist, bedarf es keiner Gewährung
von PKH mehr (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 BvR 3474/13 – juris Rn. 9).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum BSG anfechtbar (§
177 SGG).