Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Zuschusses zu den ungedeckten angemessenen Unterkunftskosten für ausgeschlossene
Auszubildende; Abzug des Kindergeldes vom Unterkunftsbedarf
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Antragsteller zu gewährenden Zuschusses zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft
gemäß § 22 Abs. 7 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der am 1986 geborene Antragsteller besucht seit August 2007 bis voraussichtlich Juli 2010 das Fachgymnasium der Berufsbildenden
Schulen M. L ...
Er bewohnt seit Juli 2006 eine eigene Wohnung, für die er eine Kaltmiete von 190,00 EUR zuzüglich Betriebs- und Nebenkostenabschlag
von zunächst 60,00 EUR zu zahlen hatte. Seit Januar 2008 betragen die Nebenkostenvorauszahlungen 70,00 EUR. Aufgrund einer
mit dem Vermieter wegen seiner finanziellen Situation getroffenen Vereinbarung zahlt der Antragsteller seit Januar 2008 nur
noch einen Betrag von 100,00 EUR monatlich als Abschlag auf diese Verbindlichkeiten. Das Warmwasser wird im Mehrfamilienhaus,
in dem sich die von dem Antragsteller bewohnte Wohnung befindet, durch die Zentralheizung aufbereitet.
Im Zeitraum vom 1. August 2007 bis 31. Juli 2008 erhielt der Antragsteller ausweislich eines Bescheides des Landkreises Mansfeld-Südharz
Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (
BAföG) in Höhe 412,00 EUR monatlich.
Am 5. Juli 2007 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft
nach § 22 Abs. 7 SGB II. Hierauf bewilligte diese vom 1. August 2007 bis zum 31. Januar 2008 einen Zuschuss von monatlich
190,00 EUR. Wie dieser Zuschuss errechnet wurde, ergibt sich nicht aus den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin.
Auf den Fortzahlungsantrag des Antragstellers bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 8. Januar 2008 für die Zeit
vom 1. Februar 2008 bis zum 31. Juli 2008 einen monatlichen Betrag von 20,00 EUR. Dabei rechnete sie erstmals das von seiner
Mutter an den Antragsteller ausgezahlte Kindergeld abzüglich eines Pauschbetrags von 30,00 EUR bei der Ermittlung des ungedeckten
Unterkunftsbedarfes an.
Den dagegen vom Antragsteller mit der Begründung, das Kindergeld sei nicht anzurechnen, erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin
mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2008 als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Antragsteller am 13. Februar 2008 beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung hat er vorgetragen:
Er sei alleinstehend und nicht in der Lage, aus den Gesamtleistungen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er müsse aus den
BAföG-Leistungen neben den Unterkunftskosten auch die Fahrten zur Schule bestreiten. So fahre er täglich von S. nach E., wofür
er täglich 10,80 EUR aufwenden müsse. Hinzu kämen Kosten für Fachliteratur sowie Aufwendungen für Strom in Höhe von 48,00
EUR monatlich sowie die GEZ-Gebühren, welche er selbst zahlen müsse.
Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte der Antragsteller die Bewilligung von weiteren monatlichen Leistungen in
Höhe von 190,00 EUR.
Mit Beschluss vom 2. April 2008, der dem Antragsteller am 8. April 2008 zugestellt wurde, lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab und führte zur Begründung aus: § 22 Abs. 7 SGB II sei eine Durchbrechung
des in §
7 Abs.
5 SGB II aufgestellten Grundsatzes, nachdem u.a. Schüler, die
BAföG beziehen könnten, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hätten. Die Durchbrechung des Grundsatzes führe dazu, dass
hinsichtlich des Anspruchs auf Zuschuss zu den Unterkunftskosten die volle Prüfung nach den Regeln des SGB II durchzuführen
sei. Der Anspruch könne sich allein auf die angemessenen und ungedeckten Kosten der Unterkunft beziehen. § 22 Abs. 2a SGB
II sei zu beachten. Von den angemessenen tatsächlichen Unterkunftskosten gemäß §
22 Abs.
1 Satz 1 SGB II sei der Anteil der bereits nach dem
BAföG gewährten Zuschüsse für die Unterkunft abzuziehen. Im Grundbedarf von 348,00 EUR sei bereits ein Unterkunftsanteil von 52,00
EUR enthalten. Darüber hinaus erhalte der Antragsteller im Rahmen des BAföGs noch 64,00 EUR gemäß §
12 Abs.
3 BAföG, sodass ein Gesamtbetrag von 116,00 EUR von den Gesamtunterkunftskosten von 260,00 EUR abzuziehen sei. Es verbleibe ein ungedeckter
Bedarf von 144,00 EUR. Für diesen Bedarf sei das weitere Einkommen des Antragstellers in Höhe von 154,00 EUR aus Kindergeld
anzurechnen. Selbst wenn nach §
21 Abs.
3 BAföG das Kindergeld nicht mehr auf die Ausbildungsförderung angerechnet werde, bedeute dies nicht, dass im Rahmen des §
22 Abs.
7 SGB II ebenso vorzugehen sei. Es sei gerade keine Annexregelung zum
BAföG getroffen worden. Ob vom Kindergeldeinkommen ein Freibetrag in Höhe von 30,00 EUR abzuziehen sei, könne offen bleiben. Jedenfalls
seien keine weiteren Abzüge für Fahrtkosten, Fachliteratur, Strom und GEZ vorzunehmen. Diese Positionen seien auch nicht nach
§
11 SGB II abzugsfähig. Vielmehr würden die aufgeführten Posten mit dem
BAföG abgegolten. Dass die Antragsgegnerin einen Abzug für die Kosten der Warmwasserbereitung nicht vorgenommen habe, könne dahinstehen,
da der in der Regelleistung nach SGB II enthaltene Energieanteil bei
BAföG-Beziehern abzuziehen sei.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 23. April 2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Das SG übersehe, dass in § 22 Abs. 7 SGB II lediglich hinsichtlich der Angemessenheit ausdrücklich auf § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II verwiesen werde. Der Verweis
auf die Vorschriften zur Berechnung des Zuschusses unter Berücksichtigung der Einkünfte nach § 11 SGB II sei in der Vorschrift
jedoch nicht enthalten. Zum Beleg und zur Vertiefung beziehe er sich auf die Ausführungen des Hessischen Landessozialgerichts
im Beschluss vom 2. August 2007 (Az. L 9 AS 215/07 ER). Im Übrigen habe die Antragsgegnerin beim Antragsteller dadurch, dass sie ein halbes Jahr lang einen Zuschuss von 190,00
EUR monatlich gewährt habe, einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass er bis zum Abschluss seiner Ausbildung
den Zuschuss in derselben Höhe weiter erhalten werde. Der Wegfall des Zuschusses sei für den Antragsteller eine unzumutbare
Härte. Es sei die Fortsetzung seiner schulischen Qualifizierung gefährdet. Unter Vorlage von Kopien der Wochenkarten hat der
Antragsteller wöchentliche Fahrkosten von S. zur Ausbildungsstelle in E. von 21,30 EUR belegt. Für April 2008 hat angegeben,
eine Monatskarte zum Preis von 69,30 EUR für diese Strecke erworben zu haben.
Der Antragsteller beantragt,
der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 2. April 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung
zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig - bis zur Entscheidung in der Hauptsache - Leistungen gemäß § 22 Abs. 7 SGB II
in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Bei der Berechnung des Zuschusses sei das Kindergeld als Einkommen
zu berücksichtigen. Von dem für die Unterkunft vorgesehenen BAfög-Betrag könnten keine Fahrkosten abgesetzt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge
der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt worden (§
173 des Sozialgerichtsgesetzes -
SGG) und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist auch überwiegend begründet.
Das Gericht kann nach §
86b Abs.
2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung
des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige
Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis setzen nach §
86 Abs.
2 Satz 2
SGG einen Anordnungsanspruch, also einen materiellen Anspruch, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend
zu machen hätten und einen Anordnungsgrund voraus, d.h. es muss eine besondere Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung vorliegen.
Ein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht. Es drohen schwere und nicht mehr hinnehmbare Nachteile,
wenn der Antragsteller die Leistung bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht vorläufig erhält. Der Antragsteller hat jetzt
schon mit seinem Vermieter ein vorübergehendes "Stillhalteabkommen" geschlossen, um nur einen kleinen Vorschuss auf die Miete
zahlen zu müssen. Er hat glaubhaft vorgetragen, es drohe der Abbruch seiner Ausbildung am Fachgymnasium, wenn er seine Wohnung
nicht finanzieren könne. Es kann ihm daher nicht zugemutet werden, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Senat geht nach summarischer Prüfung davon aus,
dass der Antragsteller - zusätzlich zu dem schon gewährten Zuschuss in Höhe von 20 EUR - monatlich einen vorläufigen Anspruch
auf einen weiteren Zuschuss zu den ungedeckten Unterkunftskosten gem. § 22 Abs. 7 SGB II in Höhe von 124 EUR monatlich hat.
Nach § 22 Abs. 7 SGB II erhalten u. a. Auszubildende, die von der Leistungsgewährung nach dem SGB II gem. § 7 Abs. 5, 6 SGB
II ausgeschlossen sind und deren Bedarf sich nach §
12 Abs.
2 und
3 BAföG richtet, einen Zuschuss zu ihren ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese Regelung gilt nach Satz
2 jedoch nicht, wenn die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 2a SGB II wegen Auszuges eines
unter 25-Jährigen ohne Zusicherung der Leistungen durch den kommunalen Träger ausgeschlossen ist. Zu dem anspruchsberechtigten
Personenkreis zählt der Antragsteller. Er erhält Leistungen nach dem
BAföG, wodurch er von Leistungen nach dem SGB II nach §
7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen ist; sein Bedarf bemisst sich nach §
12 Abs.
2 Nr.
1 BAföG als Schüler einer Fachoberschule, der nicht bei seinen Eltern wohnt. Gründe für das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes
nach § 22 Abs. 2a SGB II liegen nach summarischer Prüfung nicht vor. Der Antragsteller ist schon zum 1. September 2006 ausgezogen
und hat danach Leistungen nach dem SGB II von der Antragsgegnerin bezogen, wobei die tatsächlichen Unterkunftskosten berücksichtigt
wurden. Es ist für das einstweilige Rechtsschutzverfahren davon auszugehen, dass die erforderliche Zusicherung für einen Umzug
vorgelegen bzw. ein Anspruch auf die Erteilung einer solchen Zusicherung bestanden hat. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür,
dass die geschuldeten Kosten für Unterkunft und Heizung von 260 EUR für eine Einzelperson den angemessenen Rahmen des örtlichen
Mietwohnungsmarktes überschreiten.
Der Zuschuss nach §
22 Abs.
7 SGB II erfasst nur den nicht schon durch die Leistungen nach dem
BAföG gedeckten Bedarf. Die tatsächlichen Gesamtkosten für die Unterkunft und Heizung des Antragstellers betragen 260 EUR. Er erhält
gem. §
12 Abs.
3 BAföG einen Betrag für einen zusätzlichen Bedarf für Unterkunftskosten in Höhe von 64 EUR. Dieser wird gezahlt, wenn die Mietkosten
für Unterkunft und Nebenkosten einen Betrag von 52 EUR übersteigen. Der vorgenannte Betrag von 52 EUR für die Unterkunftskosten
ist bereits im Grundbedarf der
BAföG-Leistung enthalten. Der insoweit nicht durch
BAföG-Leistungen gedeckte Unterkunftsbedarf beträgt 144 EUR.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und der Antragsgegnerin kann von diesem ungedeckten Bedarf nicht das um die Versicherungspauschale
in Höhe von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen
und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg-II-V) bereinigte Kindergeld in Höhe von noch 124 EUR (154 EUR - 30 EUR)
als Einkommen in Abzug gebracht werden.
Ob die Berechnung des Zuschusses sich nach den SGB II-Regelungen oder nach der
BAföG-Regelung bestimmt und inwieweit Kindergeld angerechnet werden kann oder nicht, ist umstritten. Zum Teil wird vertreten, dass
vom allgemeinen Konzept der Anrechnung von Einkommen und Vermögen des SGB II auszugehen sei. Diese Einkommensanrechnung könne
sich bei § 22 Abs. 7 SGB II allerdings nur isoliert auf die Kosten der Unterkunft beziehen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss
vom 21. Februar 2008 - L 7 AS 403/08 ER-B - zitiert nach Juris; OVG Bremen, Beschluss vom 19. Februar 2008 - S 2 B 538/07 - zitiert nach Juris). Nach anderer Auffassung wird vertreten, dass der Anspruch nach § 22 Abs. 7 SGB II allein von der Höhe
der ungedeckten Unterkunftskosten abhänge, ohne dass eine Bedarfs- bzw. Einkommensberechnung nach dem SGB II, insbesondere
nach Maßgabe des § 11 SGB II vorzunehmen sei (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. März 2008 - L 8 B 130/07 - zitiert nach Juris). Zum Teil wird auch die Auffassung vertreten, dass ein Gesamtbedarf nach dem SGB II zu ermitteln sei
und diesem das vorhandene, nach Maßstäben des SGB II bereinigte Gesamteinkommen gegenüber zu stellen sei, wobei eine isolierte
Anrechnung von Einkommen nur auf den Unterkunftsbedarf nach § 22 Abs. 7 SGB II ausscheide (LSG Berlin-Brandenburg - Beschluss
vom 3. Juni 2008 - L 28 B 819/08 AS - zitiert nach Juris).
Der Senat folgt der Auffassung, wonach das bereinigte Kindergeld als Einkommen nicht isoliert von dem Unterkunftsbedarf nach
§ 22 Abs. 7 SGB II in Abzug gebracht werden darf. Allerdings muss diese ergänzende Leistung zusammen mit der Ausbildungsförderung
und dem Kindergeld begrenzt sein auf die fiktive Gesamthöhe aller Leistungen für einen Leistungsempfänger, der nicht von der
Leistungsgewährung nach dem SGB II ausgeschlossen ist (diese gesamten Leistungen bestehen aus der ergänzenden SGB II-Leistung,
der
BAföG-Leistung und dem Kindergeld). Es muss eine komplette fiktive Berechnung der Ansprüche bei einem ergänzenden SGB II-Bezug
neben der Leistung der Ausbildungsförderung erfolgen (vgl. im Ergebnis auch SG Berlin Beschluss vom 4. Mai 2007 - S 102 AS 932/07 ER).
Eine isolierte Anrechnung des Kindergeldes bei der Ermittlung des ungedeckten Unterkunftsbedarfes würde zu Wertungswidersprüchen
zu der Nichtanrechenbarkeit von Kindergeld als Einkommen im
BAföG führen. Auch die Leistungen nach dem
BAföG sind bedürftigkeitsabhängig, d. h. Einkommen und Vermögen werden angerechnet (vgl. §
21 BAföG). Diese Anrechnung gilt seit dem 1. April 2001 nicht mehr für Kindergeld (Streichung von §
21 Abs.
3 Nr.
3 BAföG). Diese Gesetzesänderung von §
21 BAföG (durch das Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung - Ausbildungsförderungsreformgesetz vom 19. März 2001)
sollte zu einer Anhebung der Bedarfssätze führen, um eine deutliche Ausweitung des Kreises der Förderberechtigten zu erreichen;
die Herausnahme des Kindergeldes aus dem Einkommensbegriff habe die gleiche Wirkung wie eine zusätzliche deutliche Anhebung
der Freibeträge (vgl. BT-Drucks. 14/4731, S. 21; zu dem Zusammenhang mit dem Beschluss des BVerfG vom 10. November 1998 -
2 BvR 1057/91 - zu der Erweiterung der steuerlichen Freibeträge um einen Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung vgl. Hess
LSG, Beschluss vom 24. April 2008 - L 7 AS 10/08 B ER). Diesem Ziel würde eine isolierte Anrechnung des Kindergeldes bei den ungedeckten Unterkunftskosten widersprechen.
Im Ergebnis käme das "zusätzliche" Kindergeld den
BAföG-Empfängern nicht zu gute, obwohl es der Funktion nach dem Grundbedarf zuzurechnen ist und deshalb im Ergebnis eine Unterdeckung
des Grundbedarfs im Verhältnis zur Regelleistung nach dem SGB II, ausgleicht. So hat der Antragsteller den Grundbedarf nach
§
12 Abs.
2 BAföG in Höhe von 348 EUR nicht allein für die Sicherung des Lebensunterhaltes zur Verfügung. Auf den Grundbedarf entfällt - anders
als bei der Regelleistung nach § 19 SGB II - ein Anteil von 52 EUR auf die Kosten der Unterkunft (Umkehrschluss aus §
19 Abs.
3 BAföG). Eine solche Anrechnung würde
BAföG-Empfänger, die von der Leistung nach dem SGB II ausgeschlossen sind, sogar schlechter stellen als
BAföG-Empfänger, die ergänzende SGB II Leistungen beziehen. Denn für diesen Personenkreis könnten die ausbildungsbedingten Mehraufwendungen
von dem als Einkommen anzurechnenden
BAföG in Abzug gebracht werden. So gelten Leistungen der Ausbildungsförderung nach der Neuregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 10 Alg II-V
ab 1. Januar 2008 nicht als Einkommen, soweit sie für Fahrkosten oder Ausbildungsmaterial verwandt werden. Diese Möglichkeit,
das Einkommen um den Sonderbedarf für die Ausbildung zu bereinigen, würde bei einer isolierten Anrechnung des Kindergeldes
auf den ungedeckten Unterkunftsbedarf entfallen. Den ausbildungsbedingten Mehrbedarf in Form der Fahrkosten und der Ausbildungsmaterialien
müsste der Antragsteller aus seinen übrigen Leistungen (Grundbedarf nach dem
BAföG und Kindergeld) bestreiten. Dadurch würde das Ziel in Frage gestellt, über die Vorschrift des §
22 Abs.
7 SGB II die für die Kosten der Unterkunft unzureichenden Leistungen nach dem
BAföG zu ergänzen. Der Sinn des §
22 Abs.
7 SGB II besteht darin, zu verhindern, dass die Auszubildenden ihre Ausbildung abbrechen müssen, weil die in den ihnen gewährten
Leistungen der Ausbildungsförderung enthaltenen pauschalen Anteile für Unterkunft und Heizung die tatsächlichen Kosten nicht
abdecken (BT-Drs. 16/1410 S. 24) und die Existenzsicherung nicht gewährleisten. Dieses Ziel würde in vielen Fällen gefährdet.
Andererseits darf der Zuschuss nach dem SGB II für einen
BAföG-Bezieher diesen nicht besser stellen, als er stünde, wenn er neben dem
BAföG ergänzende Leistungen nach dem SGB II erhalten könnte. Insofern darf die Gesamtleistung aus Zuschuss nach §
22 Abs.
7 SGB II, Leistung nach
BAföG und Kindergeld nicht höher sein, als die fiktive Berechnung der Gesamtleistungen bestehend aus (ergänzender SGB II-Leistung,
Leistungen nach
BAföG und Kindergeld, wenn kein Leistungsausschluss besteht und die
BAföG-Leistung als Einkommen anzurechnen ist. Dies folgt aus der systematischen Einordnung des Anspruches aus § 22 Abs. 7 als ergänzende
Leistung nach dem SGB II. Der ergänzende Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II ist eine Leistung nach dem SGB II, die nach § 19
Abs. 1 Satz 2 SGB II nur von ihren Rechtswirkungen her nicht als Arbeitslosengeld II gilt. Dadurch sollte insbesondere ausgeschlossen
werden, dass der Zuschuss eine Sozialversicherungspflicht auslöst (vgl. BT-Drucks. 16/1410 S. 23). Es handelt sich um eine
ergänzende Leistung nach dem System des SGB II, um ungedeckte Lücken bei anderen Leistungen (
SGB III und
BAföG) auszufüllen. Die Leistung ist als Zuschuss ausgestaltet, da nur dieser eine vergleichbar unbelastete Fortführung der Ausbildung
ermöglicht wie bei Kindern von Eltern, die den Wohnkostenanteil selbst tragen können. Insofern wäre es systemfremd, wenn durch
diese "Ergänzungsleistung" ein höheres Leistungsniveau als bei einem SGB II-Leistungsbezieher erreicht werden könnte.
Vorliegend führt der sich aus der fiktiven Berechnung ergebende Betrag nicht zu einer Begrenzung des ermittelten ungedeckten
Unterkunftsbedarfs. Für die fiktive Berechnung muss zunächst ermittelt werden welche Leistung nach dem SGB II der Hilfebedürftige
neben der
BAföG-Leistung und dem Kindergeld noch bekommen könnte. Für den Antragsteller würde sich als SGB II-Leistungsbezieher (für Februar
2008 bis Juni 2008) ein Bedarf von 600,74 EUR errechnen (347 EUR Regelleistung + 190 EUR Mietkosten + 63,74 EUR Nebenkosten/Heizung;
bei der Heizung war der in der Regelleistung enthaltene Betrag für die Warmwassererwärmung in Höhe von 6,26 EUR in Abzug zu
bringen - vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R). Hiervon ist das zu berücksichtigende Einkommen in Abzug zu bringen. Das Kindergeld in Höhe von 154 EUR ist Einkommen
des Antragstellers i. S. d. § 11 SGB II. Dieses Kindergeld wurde tatsächlich von seiner Mutter an ihn weitergeleitet und ist
daher als sein Einkommen zu berücksichtigen. Hiervon sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg-II-V 30 EUR als Pauschbetrag für die privaten
Versicherungsbeiträge in Abzug zu bringen. Hinzu kommt das zu berücksichtigende Einkommen aus den
BAföG-Leistungen. Von der Leistung in Höhe von 412 EUR müssen die Fahrkosten und die Kosten für Ausbildungsmaterialien gem. § 1
Abs. 1 Nr. 10 Alg II-V abgezogen werden. Die Monatskarte für die Fahrt von S. nach E. kostet den Antragsteller 69,30 EUR.
Hinzu kommen überschlägig 30 EUR Kosten für Material im Monat (für das letzte Schulhalbjahr hatte der Antragsteller angegeben,
schon 180 EUR Kosten für Bücher und Materialien ausgegeben zu haben). Daraus errechnet sich ein überschlägiges anzurechnendes
Einkommen von 312,70 EUR. Hieraus ergibt sich ein ergänzender fiktiver Anspruch auf Alg II in Höhe von 164,04 EUR. Der nicht
vom Leistungsbezug ausgeschlossene Hilfebedürftige hätte damit 730,04 EUR zur Verfügung (
BAföG-Leistung 412 EUR, Kindergeld 154 EUR und SGB II-Leistung 164,04 EUR). Diese Grenze übersteigt die Gesamtleistung für den
Antragsteller inclusive des Zuschusses zu den ungedeckten Unterkunftskosten nicht. Er hat 710 EUR zur Verfügung (
BAföG-Leistung 412 EUR + Kindergeld 154 EUR + Unterkunftszuschuss 144 EUR). Diese Grenze erreicht der Antragsteller auch für Juli
2008 nicht (Erhöhung des Regelsatzes auf 351 EUR).
Da die Antragsgegnerin dem Antragsteller bereits einen monatlichen Zuschuss für den streitbefangenen Zeitraum von 20 EUR zahlt,
war eine vorläufige weitere Verpflichtung von 124 EUR auszusprechen.
Die Kostenentscheidung folgt in entsprechender Anwendung §
193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Antragsteller einen Zuschuss in Höhe von 190 EUR begehrt hat.
Dieser Beschluss ist durch eine Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).