Anspruch auf Versorgung mit einem Treppensteiggerät als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung; Abgrenzung zur sozialen
Pflegeversicherung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versorgung mit einem Treppensteiggerät (C-Max).
Am 13. Juli 2006 beantragte die am 1. November 1942 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin durch ihre Tochter, die
Kostenübernahme für ein Treppensteiggerät sowie eine Teleskoprampe. Sie gab an, das Treppensteiggerät solle dazu dienen, die
13 Stufen vom Flur (Parterre) zum Schlafzimmer im ersten Obergeschoss zu überwinden. Die Teleskoprampe solle die relativ hohe
Stufe (ca. 22 cm) vom Waschhaus in den Flur überbrücken. Dem Antrag waren Kostenvoranschläge der Orthopädietechnik Schröter
& Co. GmbH vom 3. Juli 2006 über einen Treppensteiger der Marke C-Max in Höhe von insgesamt 4.911,30 EUR sowie über eine Teleskoprampe
der Marke Perfolight in Höhe von 694,84 EUR beigefügt. Darüber hinaus lag der Beklagten eine ärztliche Verordnung der Klinik
in B. GmbH vom 21. Juni 2006 über einen Treppensteiger der Marke C-Max vor. Das verordnete Hilfsmittel sei zum Ausgleich der
körperlichen Behinderungen notwendig. Folgende Diagnosen wurden angegeben:
Neurologische Neglect R 29.5 links,
Harnwegsinfektion,
Hypertonie,
Gesichtsfeldsdefekte links,
spastische Hemiparese und Hemiplegie links,
Hirninfarkt durch Thrombose präzerebraler Arterien rechts.
Mit Schreiben (ohne Rechtsmittelbelehrung) vom 19. Juli 2006 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die Treppensteighilfe
ab, weil die leistungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Bauliche Unzulänglichkeiten fielen nicht in ihre Zuständigkeit.
Am 26. Juni 2006 legte die Klägerin (nunmehr vertreten von ihrem Ehemann M. E.) Widerspruch bei der Beklagten ein und machte
geltend: Das Hilfsmittel sei für sie und die Hilfsperson dringend erforderlich. Hierbei sei insbesondere auf die besondere
häusliche Situation hinzuweisen. Das Haus verfüge über zwei Eingänge mit Höhenunterschieden. Der hofseitige Eingang werde
genutzt, um in den Waschraum und in das Haus zu gelangen. Dabei müsse die Klägerin zwei kleinere Stufen von je 7,5 cm Höhe
überwinden. Anschließend müsse sie eine höhere Stufe von 22 cm vom Waschhaus zum Flur bewältigen. Am zweiten Eingang, der
sich unmittelbar am Zuweg befinde, sei eine Stufe von 8,5 cm vorhanden, über die man in den Vorraum gelange. Von dort müsse
sie, um wiederum zur Veranda in den Flur zu gelangen, eine weitere Stufe von 19 cm überwinden. Außerdem gebe es noch eine
weitere Stufe vom Flur zum Badezimmer in Höhe von 10 cm. Wegen der baulichen Besonderheiten werde eine Ortsbesichtigung angeregt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie an: Zur Überwindung
der Treppen außerhalb der Wohnung sei bereits eine Teleskoprampe bewilligt worden. Hilfsmittel im Sinne des §
33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V) dienten dazu, Körperfunktionen des behinderten Menschen zu ersetzen, zu ergänzen oder zu verbessern. Der Treppensteiger
diene jedoch nur dazu, die in der Wohnung vorhandenen Treppen zu überwinden. Von den individuellen Wohnverhältnissen dürfe
der Einsatz eines Hilfsmittels aber nicht abhängig sein.
Hiergegen hat die Klägerin - nunmehr anwaltlich vertreten - am 14. November 2006 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt: Sie habe die Pflegestufe II und sei nach einem Schlaganfall linksseitig gelähmt
sowie auf den Rollstuhl angewiesen. Die beantragte Treppensteighilfe solle dazu dienen, ihr Grundbedürfnis auf Mobilität auszugleichen.
Es gehe daher nicht um die bloße Anpassung ihres individuellen Wohnumfeldes. Die Treppensteighilfe solle ihr vielmehr die
Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ermöglichen. Sie benötige das Gerät, um ihren Bewegungsradius in einem
Umfang zu erweitern, den ein Gesunder auch üblicherweise zu Fuß zurücklegen könne. Denn der Treppensteiger sei praktisch für
jede Art von Treppen zu nutzen. Die bereits bewilligte Teleskoprampe lasse sich maximal auf eine Länge von 2 m ausziehen und
wiege 5,8 kg. Sie sei daher nur eingeschränkt nutzbar. Die Frauenärztin Dr. G. in W. verfüge nicht über einen behinderungsgerechten
Zugang. So müsse sie dort ca. zehn Stufen überwinden, um in den Warteraum zu gelangen. Dies sei mit der Teleskoprampe nicht
zu bewerkstelligen. Auch könne sie keine Familienangehörigen in deren Wohnung besuchen. Das C-Max- Treppensteiggerät sei auch
im Hilfsmittelverzeichnis gelistet. Rein vorsorglich werde bei der Pflegekasse der Beklagten ein Antrag auf einen Zuschuss
zum Treppenlift nach dem Elften Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (
SGB XI) gestellt.
Demgegenüber hat die Beklagte geltend macht: Die Treppensteighilfe C-Max sei als Schieberollstuhl mit Treppensteigfunktion
anzusehen. Die angesprochenen Freizeitaktivitäten, die durch die Treppensteighilfe erleichtert werden könnten, fielen in den
eigenverantwortlichen Bereich der Versicherten. Allenfalls könne sich für Arztbesuche eine Zuständigkeit der Beklagten ergeben.
Für die reine Fortbewegung nutze die Klägerin bereits den vorhandenen Krankenfahrstuhl.
Die Pflegekasse der Beklagten erklärte mit Schreiben vom 23. Mai 2007 gegenüber der Klägerin: Das Treppensteiggerät sei kein
Pflegehilfsmittel im Sinne des
SGB XI. Allenfalls ließe sich die Förderung für einen fest installierten Treppenlift prüfen, wobei zu beachten sei, dass die Klägerin
bereits im Jahr 2006 eine Förderung zum beantragten Badumbau von der Pflegekasse der Beklagten erhalten habe. Beide Maßnahmen
seien zusammenzufassen und als eine Verbesserungsmaßnahme zu betrachten. Der Zuschuss für beide Maßnahmen betrage insgesamt
2.557,00 EUR.
Das SG hat Befundberichte der Fachärztin für Allgemeinmedizin M. vom 28. November 2008 eingeholt. In der mündlichen Verhandlung
vom 11. März 2009 hat die Klägerin einen Prospekt des universellen Treppensteigers C-Max der Firma AAT vorgelegt.
Mit Urteil vom 11. März 2009 hat das SG den Bescheid vom 19. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2006 aufgehoben und die Beklagte verurteilt,
die Klägerin nach Maßgabe der ärztlichen Verordnung mit einem Treppensteiger C-Max zu versorgen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Klägerin habe nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass in ihrem näheren Umfeld Treppen vorhanden seien, die sie
mit ihrem Rollstuhl nicht überwinden könne. Das müsse ihr aber ermöglicht werden, denn eine solche Fortbewegungsmöglichkeit
gehöre zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, wie das Bundessozialgericht bereits mit Urteil vom 22. Mai 1998 - 8 RK 27/93 entschieden habe. Daher sei die Treppensteighilfe für einen gehunfähigen Rollstuhlfahrer ein notwendiges Hilfsmittel im Sinne
des
SGB V.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 27. April 2009 zugestellte Urteil am 15. Mai 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
eingelegt und geltend gemacht: Die Treppensteighilfe C-Max diene in erster Linie dazu, der Klägerin zu ermöglichen, die im
unmittelbaren Wohnraum befindlichen Stufen zu überwinden. Zum Verlassen der Wohnung sei dieses Gerät jedoch nicht vorgesehen.
Dem Hilfsmittelverzeichnis komme keine normative Wirkung zu. Vielmehr handele es sich dabei nur um eine unverbindliche Auslegungshilfe.
Zum Verlassen des Hauses sei der Klägerin die mobile Rampe zur Verfügung gestellt worden. Für den häuslichen Bereich verfüge
sie über einen Leichtgewichtsrollstuhl, die Teleskoprampe sowie einen Rollator.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die im Termin nicht erschienene und nicht vertretene Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Beteiligten auf das Urteil des BSG vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 13/09 R hingewiesen und mit Schreiben vom 17. Juni 2012 die aktuelle BSG Rechtsprechung erläutert. Hiernach sei z.B. die zweigeschossige Wohnung nicht dem allgemeinen Wohnstandard zuzuordnen. Auch
der Bedarf, andere Wohnungen, Arztpraxen oder z.B. eine Kirche aufsuchen zu können, habe für §
33 SGB V keine Bedeutung. Bei der Hilfsmittelversorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung komme es nicht auf die konkreten
Wohnverhältnisse an. Vielmehr sei von einem generellen, d.h. einem an durchschnittlichen Wohn- und Lebensverhältnissen orientierten
Maßstab auszugehen. Dabei müsse der Versicherte das Hilfsmittel - unabhängig von den konkreten Wohnverhältnissen - generell
benötigen. Für wohnumfeldspezifische Maßnahmen sei dagegen die Pflegeversicherung zuständig (§
40 Abs.
4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (
SGB XI)). In einem weiteren Schreiben vom 17. September 2012 hat der Senat auf eine mögliche Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers
sowie eine Beiladung hingewiesen. Dies setze jedoch einen Antrag der Klägerin und die Offenlegung ihrer Vermögensverhältnisse
voraus.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und
Beratung des Senats. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte den Rechtsstreit auch in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, weil sie in der ordnungsgemäßen
Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Versorgung mit einem Treppensteiger C- Max.
Die Versorgung mit einer Treppensteighilfe findet ihre Rechtsgrundlage in §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln,
wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach §
34 Abs.
4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern,
einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Der Anspruch umfasst nach §
33 Abs.
1 Satz 4
SGB V auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und,
soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik
zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Dabei
besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel
geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende
Leistungen darf die Krankenkasse gemäß §
12 Abs.
1 SGB V nicht bewilligen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 13/09 R, zitiert nach juris).
Diese Anspruchsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der mit der Bereitstellung der mobilen Treppensteighilfe
bezweckte zusätzliche Behinderungsausgleich betrifft nicht die - von der Gesetzlichen Krankenversicherung allein geschuldete
- medizinische Rehabilitation der Klägerin, sondern lediglich die soziale bzw. gesellschaftliche Integration und Rehabilitation.
Der Versorgungsanspruch nach §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V besteht nicht allein deshalb, weil die begehrte Treppensteighilfe vertragsärztlich verordnet (§
73 Abs.
2 Satz 1 Nr.
7 SGB V) worden ist und im Hilfsmittelverzeichnis (§
139 SGB V) gelistet ist. Den Krankenkassen steht ein eigenes Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des §
33 SGB V im Einzelfall zur medizinischen Rehabilitation, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, zur Vorbeugung gegen
eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung erforderlich ist.
Die Treppensteighilfe ist auch nicht schon deshalb zu gewähren, weil die Klägerin damit Treppenstufen und Absätze innerhalb
des von ihr bewohnten Hauses mit Hilfe einer Begleitperson, die das Gerät bedient, überwinden kann oder mittels dieses Gerätes
Orte erreichen kann, die sie sonst nicht oder außerhalb der Wohnung nur auf andere, beschwerlichere Weise erreichen könnte.
Auf ebener Fläche stehen der Klägerin bereits ein Krankenfahrstuhl sowie eine mobile Rampe und ein Rollator zur Verfügung.
Die von der Klägerin begehrte Treppensteighilfe soll zusätzlich dazu dienen, ihre Bewegungsmöglichkeiten auf das Überwinden
von Treppen zu erweitern und problemlos die im Haus vorhandenen Absätze an beiden Eingängen zu überwinden oder auch bestimmte
Orte außerhalb der Wohnung aufzusuchen. Diese Art von Behinderungsausgleich hat die Gesetzliche Krankenversicherung nicht
zu leisten.
Das Gesetz verfolgt mit dem Anspruch Zielrichtungen, die nach unmittelbarem (im Folgenden: a.) und mittelbarem Behinderungsausgleich
(im Folgenden b.) zu unterscheiden sind:
a. Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wie es z.B. insbesondere
bei Prothesen der Fall ist. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden
Ausgleichs des Funktionsdefizits und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts.
Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt
werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig
im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSG, Urteil vom 16. September 2004 - B 3 KR 20/04 R (C-leg-Prothese) zitiert nach juris). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels
ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur
Wahl stehen.
b. Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer
Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig.
Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten
eines gesunden Menschen. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn
es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis
des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen
Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege,
das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Zum körperlichen Freiraum
gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung
zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise
im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (z.B. Supermarkt,
Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines
größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind von der Rechtsprechung schon immer zusätzliche
qualitative Momente verlangt worden (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 13/09 R, zitiert nach juris mit weiteren Nachweisen).
Das Treppensteigegerät C-Max dient nicht dem unmittelbaren, sondern nur einen mittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch
das Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird (wie z.B. bei einer Beinprothese). Ausgeglichen werden lediglich die
Folgen der Funktionsbeeinträchtigung der Beine, hier in Form der Unfähigkeit, selbst und aus eigener Kraft - oder auch nur
mit stützender Hilfe einer Begleitperson - eine Treppe hinauf- und herabzusteigen. Das dabei betroffene allgemeine Grundbedürfnis
des täglichen Lebens ist aber nicht das selbständige Wohnen, weil dies zum einen nur auf die Möglichkeit ausgerichtet ist,
trotz der Behinderung dauerhaft in einer eigenen Wohnung zu leben, und zum anderen vor allem auf Hilfsmittel abzielt, die
vom Behinderten selbst bedient werden und ihn von fremder Hilfe ganz oder teilweise unabhängig machen. Dies ist hier gerade
nicht der Fall, weil die Treppensteighilfe nur durch die Begleitperson zu bedienen ist, die gehunfähige Versicherte also selbst
dann auf Hilfe angewiesen bleibt, wenn sie sich mit seinem Rollstuhl ansonsten aus ihrer Kraft fortbewegen kann (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, aaO.). Betroffen ist damit das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums
in Form der Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich. Diese Bewegungsmöglichkeit wird zwar
"an sich" bei der Klägerin durch den vorhandenen Krankenfahrstuhl gewährleistet. Die Einsatzfähigkeit dieses Hilfsmittels
stößt jedoch dort an natürliche Grenzen, wenn Treppen, also mehr als nur einzelne Stufen zu bewältigen sind, wie es beim Haus
der Klägerin an den beiden Eingangsbereichen der Fall ist. Die von der Beklagten gewährte flexible Rampe kann dabei nur im
Außenbereich des Wohnumfeldes der Klägerin zum Einsatz kommen. Unbestreitbar kann somit eine Treppensteighilfe für die Klägerin
eine geeignete Hilfe sein, die ansonsten eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit zu erweitern. Dabei muss aber der Zweck, eine
bestimmte Treppe im Rollstuhl sitzend zu überwinden und so an einen ansonsten nicht oder nur unter besonderen Schwierigkeiten
zu erreichenden Ort zu kommen, vom Maßstab der medizinischen Rehabilitation gedeckt sein, weil die GKV nur für diesen Bereich
der Hilfsmittelversorgung zuständig ist (§
5 Nr. 1
SGB IX). Die Leistungspflicht der GKV entfällt, wenn z.B. die berufliche oder die soziale Rehabilitation bezweckt wird (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, aaO.).
Ein über die Befriedigung von allgemeinen Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich ist als Leistung der GKV
nicht vorgesehen. Dies ergibt sich aus der seit dem 1. Juli 2001 in Kraft gesetzten Regelung des §
31 Abs.
1 Nr.
3 SGB IX. Damit wird der Hilfsmittelbegriff für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§
6 Abs.
1, 5 Nr.
1 SGB IX) einheitlich definiert. Hiernach besteht kein Anspruch der Klägerin nach §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V, auf Kosten der Beklagten mit einer Treppensteighilfe versorgt zu werden.
Nach den Ausführungen der Klägerin (vgl. Antrag vom 13. Juli 2006 sowie Widerspruch vom 24. Juli 2006) ist von folgender Wohnsituation
auszugehen: Das Haus verfügt über zwei Eingänge, von denen sich der eine direkt im Hof und der andere am Eingangsweg befindet.
Um vom Hof zum Waschraum in das Haus zu gelangen, muss die Klägerin zwei kleinere Stufen (je 7,5 cm hoch) überwinden. Anschließend
muss eine höhere Stufe vom Waschhaus zum Flur in einer Höhe von ca. 22 cm bewältigt werden. Am zweiten Eingang, der sich direkt
am Eingangsweg befindet, ist dagegen eine Stufe von 8,5 cm zu überwinden, um zu einem Vorraum gelangen. Von diesem Vorraum
muss die Klägerin wiederum, um die Veranda und den Flur zu erreichen, eine weitere Stufe von 19 cm überwinden. Außerdem gibt
es noch eine weitere Stufe vom Flur zum Badezimmer in Höhe von 10 cm.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin zur Überwindung dieser Treppen im unmittelbaren Wohnumfeld der Klägerin
eine Treppensteighilfe zu ermöglichen. Die Krankenkassen sind nicht für solche Hilfsmittel eintrittspflichtig, die ein dauerhaft
behinderter Versicherter allein wegen seiner individuellen Wohnsituation benötigt. Bei der Hilfsmittelversorgung durch die
GKV kommt es nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse des Versicherten an, sondern auf einen generellen, an durchschnittlichen
Wohn- und Lebensverhältnissen orientierten Maßstab. Besonderheiten der Wohnung und des Umfeldes, die anderswo - etwa nach
einem Umzug - regelmäßig so nicht vorhanden sind und einem allgemeinen Wohnstandard nicht entsprechen, sind bei der Hilfsmittelversorgung
durch die GKV nicht zu berücksichtigen. Der Versicherte muss das Hilfsmittel also nicht nur gerade wegen der Besonderheiten
seiner konkreten Wohnverhältnisse, sondern in gleicher Weise auch in einer anderen Wohnung und deren Umfeld benötigen. Mit
anderen Worten: Ein anderer Versicherter mit den gleichen körperlichen Behinderungen müsste auf das Hilfsmittel in dessen
Wohn- und Lebenssituation ebenfalls angewiesen sein. Fehlt es daran, ist ein Anspruch nach §
33 SGB V in der Regel ausgeschlossen. Es kann sich dann nur um eine Form der Hilfe zur Anpassung an die konkrete Wohnsituation handeln,
für die nicht die Krankenkassen, sondern der Versicherte selbst - im Rahmen seiner Eigenverantwortung - oder andere Sozialleistungsträger
(z.B. Pflegekassen, Sozialhilfeträger, Unfallversicherungsträger) zuständig sein können (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, aaO.)
Die Zuständigkeit für den Ausgleich von Behinderungsfolgen im Bereich der Mobilität hat der Gesetzgeber anderen Zweigen der
Sozialversicherung oder der Eigenverantwortung der behinderten Menschen selbst zugewiesen. Nachdem bereits die frühere Rechtsprechung
des BSG nur ausnahmsweise von einer entsprechenden Einstandspflicht der GKV ausgegangen war, hat der Gesetzgeber insbesondere mit
der Begründung eines Anspruchs auf Leistungen für wohnumfeldbezogene Maßnahmen im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung in
dieser Hinsicht eine grundlegende Systementscheidung getroffen. Rechtsgrundlage hierfür ist §
40 Abs.
4 SGB XI. Danach gilt: "Die Pflegekassen können subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes
des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche
Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt
wird. Die Höhe der Zuschüsse ist unter Berücksichtigung der Kosten der Maßnahme sowie eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit
von dem Einkommen des Pflegebedürftigen zu bemessen. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von 2.557,00 EUR je Maßnahme
nicht übersteigen." Diese Norm ist Teil des Gesetzesprogramms mit dem der häuslichen Pflege der Vorrang vor der stationären
Pflege gegeben wird (§
3 Satz 1
SGB XI). Sie berücksichtigt, dass Leistungen zur Anpassung des Wohnumfeldes an die Bedürfnisse kranker und behinderter Menschen
im Sozialleistungssystem der GKV nicht vorgesehen waren und deshalb ein in die Zuständigkeit der Pflegeversicherung fallender
Leistungsbedarf bestehen kann, soweit nicht andere Träger für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfeldes einzustehen
haben. Hat kein anderer Leistungsträger vorrangig einzutreten, soll deshalb die Soziale Pflegeversicherung - allerdings beschränkt
auf den finanziellen Rahmen des §
40 Abs.
4 Satz 3
SGB XI - die behindertengerechte Umgestaltung der Wohnung des Pflegebedürftigen fördern, wenn dadurch die häusliche Pflege überhaupt
erst ermöglicht oder erheblich erleichtert wird oder ein Verbleiben des Pflegebedürftigen in seiner häuslichen Umgebung und
damit eine möglichst selbstständige Lebensführung sichergestellt werden kann (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, aaO.).
Eine Treppensteighilfe für den häuslichen Einsatz ist nach allem kein von der konkreten Wohnsituation unabhängiges Hilfsmittel,
weil das Gerät in einer treppenlosen Wohnumgebung nicht erforderlich wäre. Die Gesetzliche Krankenversicherung hat für dieses
Hilfsmittel deshalb nicht einzustehen.
Auch aus §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V ergibt sich keine andere Bewertung. Die in §
33 SGB V angesprochene Berücksichtigung der Erforderlichkeit im Einzelfall (einschließlich der örtlichen Verhältnisse) betrifft nur
die Ausgestaltung vorhandener Rechtsansprüche, nicht hingegen die Begründung der Rechtsansprüche als solche. Dies bezieht
sich also nicht auf das "Ob" des Bestehens, sondern nur auf das "Wie" der Erfüllung einer bestehenden Leistungspflicht (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, aaO.).
Der von der Klägerin glaubhaft gemachte Bedarf, der Versorgung mit einer Treppensteighilfe nach §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V für Arzt- oder Verwandtenbesuche u.ä., kann den Rechtsanspruch ebenfalls nicht begründen. Das allgemeine Grundbedürfnis auf
Mobilität im Nahbereich der Wohnung ist durch die Ausstattung der Klägerin mit einem Krankenfahrstuhl sowie die bewilligte
Rampe und den Rollator gewährleistet. Hinsichtlich des von der Erschließung des Nahbereichs ebenfalls umfassten Zugangs zu
den Gebäuden in diesem Bereich ist zu unterscheiden zwischen - öffentlichen oder privaten - Gebäuden mit Publikumsverkehr
(Behörden, Post, Geldinstitute, Kirchen, Theater, Supermärkte, Läden, Kliniken, Apotheken, Arztpraxen) einerseits und privaten
Gebäuden ohne Publikumsverkehr (Wohngebäude) andererseits. Diesbezüglich hat sich die Versorgungssituation für behinderte
Rollstuhlfahrer nachhaltig verbessert. Deshalb hat das BSG seine bisherige Rechtsprechung geändert. Es geht nunmehr davon aus, dass im Nahbereich der Wohnung üblicherweise keine Treppen
mehr zu überwinden sind und die Herstellung der Barrierefreiheit öffentlicher und vieler ziviler Bauten weiterhin voranschreitet
(BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, aaO., unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 22. Mai 1984, SozR 2200, § 182b Nr. 29) "Treppenraupen-Urteil").
Sofern die Klägerin angibt, sie benötige die Treppensteighilfe, um Verwandte und Freunde zu besuchen, dient das Hilfsmittel
nicht der medizinischen Rehabilitation, sondern der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Für den Bereich der sozialen Rehabilitation
ist aber nicht die Krankenkasse, sondern - gegebenenfalls - der Sozialhilfeträger (§
5 Nr.
4 i.V.m. §
6 Abs.
1 Nr.
7 SGB IX und §
55 Abs.
2 Nr.
1 SGB IX) leistungspflichtig. Auf den rechtlichen Hinweis des Senats, es könne eine Beiladung des Sozialhilfeträgers in Betracht kommen,
hat die Klägerin nicht reagiert. Der Senat konnte daher weder die Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB XII prüfen noch eine Beiladung vornehmen, da dies einen entsprechenden Antrag der Klägerin vorausgesetzt hätte.
Zu Gunsten der Klägerin kann bei der Frage der medizinischen Rehabilitation zwar davon ausgegangen werden, dass sie die Treppensteighilfe
für Besuche bei ihrer Frauenärztin Dr. G. in W. benötigt, die nicht über einen behinderungsgerechten Zugang verfügt. Für diesen
eng begrenzten Bedarf fehlt es jedoch an der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelversorgung, weshalb Klägerin
auf den Fahrdienst (§
60 SGB V) verwiesen werden kann.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin den Bescheid der Pflegekasse vom 23. Mai 2007 bestandskräftig werden lassen, der die
Treppensteighilfe nicht als Pflegehilfsmittel angesehen hat. Von der eingeräumten Möglichkeit der Pflegekasse, bauliche Veränderungen
im Haus unter Anrechnung des bereits erfolgten Badumbaus vorzunehmen, hat sie offenbar keinen Gebrauch gemacht. Eine Beiladung
der Pflegekasse konnte aus diesen Gründen unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Nach dem grundlegenden Urteil des BSG vom 7. Oktober 2010 (aaO.) sind die zu Grunde liegenden Rechtsfragen geklärt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision
liegen daher nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).