Einlegung von Rechtsmitteln durch Beigeladene im sozialgerichtlichen Verfahren; berechtigtes Interesse an einer Fortsetzungsfeststellungsklage;
Anspruch auf häusliche Krankenpflege zur Verabreichung subkutaner Injektionen in einem Wohnheim für Menschen mit geistiger
Behinderung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte oder der Beigeladene zu 1 verpflichtet gewesen ist, dem Kläger häusliche
Krankenpflege zur Verabreichung subkutaner Injektionen von Heparin bzw. Clexane 40 zu gewähren.
Der 1962 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet an einem frühkindlichen Hirnschaden. Er benötigt Hilfe
beim Gehen, Essen, Waschen und Ankleiden und leidet insbesondere unter Stand- und Gangstörungen mit deutlichen koordinativen
Defiziten. Arbeiten, auch mit einfachen Werkzeugen, kann er nur im grobmotorischen Bereich verrichten. Er lebt in einem von
der Beigeladenen zu 2 betriebenen Wohnheim für Menschen mit geistiger Behinderung. Vom Beigeladenen zu 1, dem überörtlichen
Träger der Sozialhilfe, erhält er Eingliederungshilfe gemäß §§ 53, 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII).
Für die Zeit vom 26. Februar bis 10. März 2009 verordnete die Hausärztin S. häusliche Krankenpflege anstelle von Krankenhausbehandlung
für subkutane Injektionen mit Heparin 7500 IE je zweimal täglich. Anschließend verordnete der Facharzt für Allgemeinmedizin
G. ununterbrochen für den Zeitraum vom 20. März 2009 bis zum 15. Juni 2010 weiterhin häusliche Krankenpflege für einmal täglich
erforderliche subkutane Injektionen mit Clexane 40 zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung. Ein zugelassener Pflegedienst
erbrachte die häusliche Krankenpflege entsprechend den Verordnungen.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Beigeladene zu 2 mit, bei ihrer Einrichtung handle es sich um eine Wohnstätte der Eingliederungshilfe
(Wohnheim mit Werkstatt für behinderte Menschen), die dem
Heimgesetz unterliege. Entsprechend der geltenden Leistungs- und Vergütungsvereinbarung nach § 75 SGB XII und der Konzeption der Einrichtung werde kein qualifiziertes medizinisches Fachpersonal, sondern fast ausschließlich pädagogisch
ausgebildetes Personal beschäftigt, so dass die Erbringung ärztlich verordneter Behandlungspflege (das Setzen einer Injektion)
durch die Mitarbeiter der Wohneinrichtung nicht möglich sei. Verrichtungen der Behandlungspflege seien bisher stets durch
einen Pflegedienst erbracht worden, dessen Kosten die Krankenkasse übernommen habe.
Mit Bescheid vom 18. Juni 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für häusliche Krankenpflege gegenüber dem
Kläger ab, da bei Unterbringung in einem Heim im Sinne des
Heimgesetzes kein Anspruch auf Behandlungspflege nach §
37 Abs.
2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V) gegen die Krankenkasse bestehe. Die Ausdehnung des Anwendungsbereiches der häuslichen Krankenpflege habe der Gesetzgeber
nur für betreute Wohnformen, nicht für Heime vorgesehen. Ggf. bestehe ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII.
Dagegen legte der Kläger am 13. Juli 2009 Widerspruch ein, da die in der Einrichtung erbrachten pflegerischen Leistungen sich
lediglich auf den lebenspraktischen Bereich, nicht auf die Behandlungspflege erstreckten. Die Mitarbeiter seien pädagogische
Fachkräfte und verfügten über keine examinierte medizinische Ausbildung. Die Medikamentengabe sei ärztlich verordnet und könne
nicht durch eine im Haushalt bzw. im Wohnheim lebende Person erbracht werden. Auf Grund der Einschränkungen seiner Sehfähigkeit
sowie seiner Fähigkeiten in geistigen und motorischen Bereichen sei er nicht in der Lage, sich die verordneten Injektionen
selbst zu setzen.
Er sandte den ablehnenden Bescheid der Beklagten und sein Widerspruchsschreiben auch an den Beigeladenen zu 1. Dort beantragte
der Pflegedienst am 14. Juli 2009 telefonisch die Kostenübernahme und übersandte Unterlagen über die erbrachten Leistungen
und monatliche Kosten in Höhe von 186,00 EUR für das Verabreichen der Thrombosespritzen. Die Beklagte übergab die Originalverordnungen
dem Beigeladenen zu 1.
Nachdem die Beklagte den Antrag des Klägers bezüglich der Verordnung für Juli 2009 mit Bescheid vom 29. Juli 2009 abgelehnt
und dem Kläger mitgeteilt hatte, ein erneuter Widerspruch sei nicht notwendig, da sich der Widerspruch vom 13. Juli 2009 auch
gegen die Ablehnung der Kostenübernahme für weitere gleichartige Verordnungen richte, wies die Widerspruchsstelle der Beklagten
den Widerspruch mit Bescheid vom 26. August 2009 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Einrichtung, in welcher der Kläger
wohne, sei kein sonstiger "geeigneter Ort" zur Erbringung der häuslichen Krankenpflege im Sinne des §
37 Abs.
1 Satz 1 bzw. Abs.
2 Satz 1
SGB V. Der Gesetzgeber habe den Anwendungsbereich der Vorschrift über den eigenen Haushalt hinaus ausgedehnt auf geeignete Orte,
insbesondere auf betreute Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch auf Werkstätten für
behinderte Menschen. Hätte der Gesetzgeber eine darüber hinausgehende Ausdehnung auch auf Heime beabsichtigt, hätte es nahe
gelegen, dies ausdrücklich zu formulieren. In einer dem
Heimgesetz unterliegenden Einrichtung bestehe kein Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Am 16. September 2009 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für die häusliche Krankenpflege bei der Beigeladene zu 1,
die den Antrag mit Bescheid vom 21. September 2009 ablehnte, da kein Anspruch auf Erbringung medizinischer Behandlungspflege
durch die Einrichtung bestehe. Nach §
37 SGB V schulde die Krankenkasse Leistungen der qualifizierten medizinischen Behandlungspflege, die durch medizinisches Fachpersonal
zu erbringen sei, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen kein Anspruch auf Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe.
Nach der gemäß dem SGB XII geschlossenen Vergütungsvereinbarung beschäftige das Wohnheim kein medizinisches Personal. Daher sei es durchaus ein geeigneter
Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenkasse. Dagegen legte der Kläger am 25. September
2009 Widerspruch ein.
Am gleichen Tag beantragte der Kläger beim Sozialgericht Magdeburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um die Beklagte
vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, die Kosten der häuslichen Krankenpflege entsprechend
den ärztlichen Verordnungen zu übernehmen. Die entsprechende Klage in der Hauptsache hat er ebenfalls am gleichen Tag erhoben
und zur Begründung ausgeführt: Das Verabreichen einer Injektion setze qualifizierte medizinische Kenntnisse voraus und sei
daher nicht mit dem Anlegen von Salbenverbänden oder ähnlichen einfachen medizinischen Tätigkeiten vergleichbar. Die Beigeladene
zu 2 sei rechtlich nicht verpflichtet und auch personell nicht in der Lage, die Injektionen zu setzen. Der Kläger könne dies
aufgrund seiner Erkrankungen auch nicht selbst. Nach § 1 Abs. 2 des Heimvertrages handle es sich bei der Wohnstätte um eine
Einrichtung, in der die gesellschaftliche Eingliederung von Menschen mit Behinderung im Vordergrund stehe. Ein Versorgungsvertrag
mit der Pflegekasse bestehe daher nicht. Mit Ausnahme von besonderen Betreuungsleistungen nach §
43 a Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (
SGB XI) könnten daher mit der Pflegekasse abrechenbare Pflegeleistungen nicht erbracht werden. Die Einrichtung biete neben Wohnraum,
Verpflegung und hauswirtschaftlicher Versorgung Betreuungsleistungen in Form von lebenspraktischer Anleitung, besonderen psychosozialen
und pflegerischen Hilfen und Freizeitgestaltung an. Den Heimvertrag hat er beigefügt. Der Gesetzgeber habe §
37 SGB V mit Wirkung vom 1. April 2007 neu geregelt und die bis dahin geltende Beschränkung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege
in einem "eigenen Haushalt" aufgegeben, um Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung zu schließen.
Die Neuregelung sei unter Nennung von Regelbeispielen offen formuliert. Nach §
37 Abs.
6 SGB V sei es Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) in Richtlinien nach §
92 SGB V festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach §
37 Abs.
1 und
2 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden könnten. Nach diesen Richtlinien müsse ein
"geeigneter Ort" die hygienischen Voraussetzungen erfüllen, die Intimsphäre wahren und es müsse eine ausreichende Beleuchtung
vorhanden sein. Diese Voraussetzungen seien gegeben. Würde die Rechtsansicht der Beklagten zu Grunde gelegt, käme es darauf
an, zu welcher Uhrzeit die Behandlung erfolge. Denn der Kläger besuche auch die Werkstatt für behinderte Menschen, die unstrittig
ein "geeigneter Ort" im Sinne von §
37 SGB V sei. Der Sozialhilfeträger sei grundsätzlich nachrangig verpflichtet und der Kläger selbst könne die Kosten für den Pflegedienst
nicht aufbringen.
Die Beklagte hat vorgetragen: Im Hinblick auf die in §
37 Abs.
2 Satz 1
SGB V beispielhaft aufgeführten Orte könnten Heime nicht als sonstige "geeignete Orte" gelten. Vielmehr müsse eine Vergleichbarkeit
mit den beispielhaft genannten Orten gegeben sein. Da der Gesetzgeber nur die betreuten Wohnformen aufzähle, fielen vollstationäre
Einrichtungen oder Heime nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Für diese Auslegung spreche auch, dass mit der Vorschrift
vorschnelle stationäre Einweisungen vermieden werden sollen. Wenn die erforderliche Behandlungspflege in einer vollstationären
Einrichtung der Behindertenhilfe nicht gesichert sei, komme regelmäßig keine stationäre Krankenhausbehandlung, sondern eine
Verlegung in ein Pflegeheim in Betracht.
Das Sozialgericht Magdeburg hat den Beigeladenen zu 1 mit Beschluss vom 13. Oktober 2009 im Wege einer Zwischenentscheidung
verpflichtet, dem Kläger ab 24. September 2009 vorläufig bis zu einer Entscheidung in diesem Verfahren kalendertäglich 6,37
EUR für das Verabreichen von Thrombosespritzen zu zahlen.
Der Beigeladene zu 1 hat den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 21. September 2009 mit Widerspruchbescheid vom
9. Februar 2010 mit der Begründung zurückgewiesen, in der mit dem Einrichtungsträger geschlossenen Vergütungsvereinbarung
seien keine Kosten für medizinische Behandlungspflege enthalten. Die Richtlinien des GBA zur häuslichen Krankenpflege enthielten
eine beispielhafte Aufzählung von Einrichtungen, in denen häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden könne. Dies gelte
jedoch nicht für Einrichtungen der Behindertenhilfe. Hier sei vielmehr eine Einzelfallprüfung seitens der Krankenkasse erforderlich,
ob aufgrund einer entsprechenden Leistungsvereinbarung Behandlungspflege von der Einrichtung oder häusliche Krankenpflege
von der gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten sei. Mangels entsprechender Leistungsvereinbarung sei die Krankenversicherung
leistungspflichtig.
Im Hauptsacheverfahren hat das Sozialgericht Magdeburg mit Urteil vom 5. Februar 2010 den Beigeladenen zu 1 unter Aufhebung
des Bescheides vom 21. September 2009 verurteilt, die Kosten für die einmal tägliche Injektion von Thrombosespritzen beim
Kläger ab 26. Februar 2009 zu übernehmen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Bundessozialgericht
(BSG) habe für die vor dem 1. April 2007 geltende Fassung des §
37 Abs.
2 Satz 2
SGB V klargestellt, dass ein in einem Heim lebender Versicherter keinen eigenen Haushalt und daher keinen Anspruch auf häusliche
Krankenpflege habe (BSG, Urt. v. 01.09.2005 - B 3 KR 19/04 R, zitiert nach juris). Der Gesetzgeber habe den Anwendungsbereich des §
37 Abs.
1 und
2 SGB V in Kenntnis dieser Rechtsprechung auf sonstige geeignete Orte erweitert, die beispielhaft aufgezählt seien. Die Unterbringung
in einem Heim sei darin nicht erwähnt. Die Aufzählung mache deutlich, dass es lediglich um Orte gehe, an denen die Versicherten
weiterhin im eigenen häuslichen Bereich untergebracht seien, ggf. mit Unterstützung durch entsprechende Betreuung. In einem
Heim sei daher keine häusliche Krankenpflege zu erbringen. Der Kläger habe aus dem Heimvertrag auch keinen Anspruch auf medizinische
Versorgung mit Thrombosespritzen gegen den Träger des Wohnheims. Daher habe der Beigeladene zu 1 in diesem Umfang Eingliederungshilfe
zu gewähren. Über den Rahmenvertrag habe er jedoch die Möglichkeit, den Leistungsumfang des Heims zu erweitern.
Gegen das dem Beigeladenen zu 1 am 10. März 2010 zugestellte Urteil hat er am 9. April 2010 Berufung eingelegt und ausgeführt:
Stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe seien "sonstige geeignete Orte" zur Erbringung von Leistungen der häuslichen
Krankenpflege im Sinne des §
37 Abs.
2 SGB V, weshalb die Beklagte leistungspflichtig sei. Die häusliche Krankenpflege diene der Sicherstellung der ambulanten ärztlichen
Versorgung nach dem
SGB V, die auch den Bewohnern stationärer Einrichtungen der Eingliederungshilfe zu gewähren sei. Eine stationäre Versorgung im
Sinne des
SGB V finde ausschließlich in stationären Einrichtungen des
SGB V wie Krankenhäusern oder Reha-Einrichtungen statt. Es stelle eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung von Menschen mit
Behinderung und damit einen Verstoß gegen Art.
3 Abs.
3 Satz 2
Grundgesetz dar, wenn ihnen häusliche Krankenpflege nur deshalb verwehrt werde, weil sie in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe
wohnten. Der Sozialhilfeträger müsse nur für Kosten aufkommen, die der Bewohner selbst nicht tragen könne. Nach den Richtlinie
des GBA über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege", die sich an der Gesetzesbegründung orientiere, sei ein Anspruch
auf häusliche Krankenpflege nur ausgeschlossen, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf Behandlungspflege durch
die Einrichtung bestehe (z.B. in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Einrichtungen der
Eingliederungshilfe seien jedoch gesetzlich nicht zur Erbringung von Leistungen der Behandlungspflege verpflichtet. Auf mögliche
vertragliche Ansprüche gegenüber dem Einrichtungsträger, die hier ebenfalls nicht bestünden, komme es danach nicht an. Nach
dem aktuellen Rahmenvertrag habe die Einrichtung Behandlungspflege lediglich dann zu leisten, wenn diese nicht in die Leistungspflicht
der gesetzlichen Krankenkasse falle. Schließlich seien Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch nicht von dem für stationäre
Pflegeeinrichtungen nach dem
SGB XI bestehenden grundsätzlichen Ausschluss von Leistungen der häuslichen Krankenpflege erfasst. Der Kläger erhalte keine Leistungen
nach §
43a SGB XI. Nach der neueren Entwicklung der Rechtsprechung könnten zwar "einfache Maßnahmen" der medizinischen Behandlungspflege noch
vom Leistungsspektrum der Einrichtungen umfasst sein. Die Abgrenzung zwischen medizinischer Behandlungspflege im Sinne des
§
37 SGB V und "einfachen Maßnahmen" der Behandlungspflege dürfe aber nicht allzu komplex sein. Zudem fehle es Patienten mit geistiger
Behinderung häufig an der Einsichtsfähigkeit und damit an der notwendigen Kooperationsbereitschaft, so dass - jedenfalls bei
einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit - medizinisch ausgebildetes Fachpersonal notwendig sei. Schließlich dürfe
das Heimpersonal Injektionen nur nach entsprechender medizinischer Schulung, insbesondere dem Erwerb eines sog. "Spritzenscheins"
verabreichen und die Beigeladene zu 2 sei nicht verpflichtet, medizinisch geschultes Personal vorzuhalten. Sollte die Beklagte
dennoch nicht zur Leistung verpflichtet sein, schulde die Beigeladene zu 2 die Leistung.
Der Beigeladene zu 1 beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Februar 2010 aufzuheben;
hilfsweise,
die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die Verabreichung von Thromboseinjektionen durch
die Beigeladene zu 2 einen Spritzenschein im Sinne der Anlage BG 8 zum Schriftsatz der Beigeladenen zu 1 vom 19.10.2012 voraussetzt.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 18. Juni und 29. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
26. August 2009 rechtswidrig sind und die Beklagte verpflichtet gewesen ist, ihm in der Zeit vom 26. Februar 2009 bis 15.
Juni 2010 häusliche Krankenpflege zur Injektion von Thrombosespritzen entsprechend den ärztlichen Verordnungen zu bewilligen.
Er hat ausgeführt, aus dem Heimvertrag ergebe sich aufgrund der Intensität und Häufigkeit der Leistung keine Verpflichtung
des Heimträgers die Thrombosespritzen zu verabreichen. Dieser sei nicht verpflichtet, Krankenpfleger zu beschäftigen, weshalb
im Heim lediglich Erzieher, Heimerzieher und Hilfskräfte tätig seien. Selbst gesunde Personen injizierten sich regelmäßig
die Thrombosespritzen nicht selbst. Das Setzen einer Spritze durch nicht entsprechend geschultes Personal sei haftungsrechtlich
problematisch und nicht mit der Hilfestellung bei der Einnahme von Medikamenten oder dem Verabreichen von Salben vergleichbar.
Daher sei die Beklagte und nicht der Heimträger zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege verpflichtet.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt: Zwar könne sich der Kläger die Spritzen möglicherweise nicht selbst injizieren und bedürfe hierzu einer
Hilfestellung, er habe aber Anspruch auf die im Heim vorgehaltenen pflegerischen Leistungen nach den §§ 53, 54 SGB XII, für welche die Beigeladene zu 2 Personal vorhalten müsse. Dieses Personal müsse auch in der Lage sein, dem Kläger einmal
täglich eine Thrombosespritze zu verabreichen. Es handele sich bei dem verordneten Medikament Clexane 40 um ein Fertigspritzenprodukt,
das im Allgemeinen dem Patienten selbst zum täglichen Spritzen überlassen werde. Besondere medizinische Fachkenntnisse oder
medizinisch geschultes Personal sei hierfür nicht erforderlich. Wenn der Patient selbst nicht in der Lage sei, sich die Injektion
zu setzen, könne dies auch durch Angehörige erfolgen, die entsprechend eingewiesen worden seien. Das gelte in gleicher Weise
für das Heimpersonal. Der Heimträger habe mit Abschluss des Betreuungsvertrages die Verpflichtung übernommen, sich um den
Kläger besonders zu bemühen. Auch pflegerische Hilfen seien Bestandteil des Vertrages. Die Verordnung von häuslicher Krankenpflege
sei daher nicht erforderlich. Da dem Betreuer die Fürsorge für den Kläger obliege, müsse er ihm die notwendigen Leistungen
zukommen lassen und eine ggf. notwendige Zustimmung zur Durchführung der Leistung durch das Heimpersonal erteilen. Die Beklagte
hat zudem auf die Vorschriften der §§
11 Abs.
1 Heimgesetz und 10 Werkstättenverordnung hingewiesen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 9. Januar 2002 den Träger der Wohneinrichtung zum Verfahren beigeladen (Beigeladene zu 2).
Dieser hat die Konzeption der Einrichtung zu den Akten gereicht und hält sich nicht für leistungspflichtig. Er stellt keinen
Antrag.
Der Allgemeinmediziner G. hat auf Nachfrage des Senats mit Schreiben vom 17. Februar 2012 und 27. März 2012 mitgeteilt, die
Verordnung des Medikamentes Clexane sei aufgrund eines erhöhten Thromboserisikos nach einer Bauchoperation einmal täglich
medizinisch notwendig gewesen. Die Injektion werde subkutan in die Bauchdecke gegeben. Besonderer medizinischer Kenntnisse
oder einer bestimmten Ausbildung bedürfe es für die Verabreichung des Medikamentes nicht, es müsse aber eine Einweisung erfolgen.
Dieses oder ein wirkstoffgleiches Medikament könne nicht anders und nicht von medizinisch nicht ausgebildetem Personal verabreicht
werden, denn das Setzen einer Injektion sei nicht Teil des Arbeitsvertrages des Heimpersonals.
Die Gerichtsakten des Hauptsacheverfahrens und des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und die Verwaltungsakten der Beklagten
und der Beigeladenen zu 1 haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten
des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Beigeladenen zu 1 ist zulässig.
Beigeladene können Rechtsmittel einlegen, soweit sie durch das Urteil beschwert sind. Das ergibt sich aus der auch für die
Beigeladenen geltenden Bindungswirkung von Urteilen nach §
141 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl. 2012, §
75 Rn. 19 m. w. N.). Soweit der Beigeladene zu 1 mit der erstinstanzlichen Entscheidung nach §
75 Abs.
5 SGG verurteilt worden ist, steht ihm daher das Rechtsmittel der Berufung zu. Ein Beigeladener kann jedoch keinen eigenen Klageanspruch
geltend machen (BSG, Urt. v. 11.07.1974 - 4 RJ 339/73, zitiert nach juris). Daher hat der Beigeladene zu 1 seinen Antrag auf Anregung des Senats auf die Aufhebung des sozialgerichtlichen
Urteils begrenzt. In diesem Umfang ist der gestellte Antrag zulässig.
2. Ebenfalls zulässig ist das Weiterverfolgen des klägerischen Begehrens im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage nach §
131 Abs.
1 Satz 3
SGG.
a) Der die Gewährung von häuslicher Krankenpflege ablehnende Verwaltungsakt der Beklagten hat sich während des Berufungsverfahrens
erledigt, da der Kläger über den 15. Juni 2010 hinaus keiner häuslichen Krankenpflege mehr bedurfte. Eine Umstellung seiner
Klage auf Kostenerstattung oder Freistellung von Kostenverpflichtungen nach §
13 Abs.
3 SGB V bzw. §
15 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX) ist nicht möglich. Denn bisher hat nicht der Kläger, sondern der Beigeladene zu 1 die Kosten des Krankenpflegedienstes teilweise
getragen. Der Pflegedienst richtet auch die noch offenen Forderungen - bei weiterer Bedürftigkeit des Klägers und entsprechendem
Antrag sowohl des Klägers selbst als auch des Pflegedienstes beim Beigeladenen zu 1 - nicht gegen den Kläger. Wegen der grundsätzlichen
Haltung der Beklagten, Heimbewohnern gegenüber nicht zur Leistung von häuslicher Krankenpflege verpflichtet zu sein, hat der
Kläger aber ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung. Es kann mit einiger
Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Kläger dauerhaft in einem solchen Heim lebt und erneut auf die Gewährung
von häuslicher Krankenpflege angewiesen sein wird. Damit besteht eine ausreichend konkrete Wiederholungsgefahr (vgl. hierzu
Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl. 2012, §
131 Rn. 10b). Zudem erledigt sich der Anspruch auf die Gewährung häuslicher Krankenpflege typischerweise kurzfristig. Dem Kläger
darf dadurch nicht der Rechtsschutz versagt werden. Denn der Sozialhilfeträger ist nicht - auch nicht nachrangig - verpflichtet,
häusliche Krankenpflege zu gewähren, sondern kann auch auf andere Weise - zum Beispiel durch geeignetes Heimpersonal, ggf.
auch durch die Unterbringung des Klägers in einer anderen Einrichtung (§§ 54, 55 SGB XII) - die Erbringung der ärztlich verordneten Leistungen sicherstellen. Ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit
der Leistungsablehnung durch die Beklagte kann daher nicht verneint werden.
b) Der Kläger kann die Fortsetzungsfeststellungsklage im Berufungsverfahren weiter verfolgen, ohne dass es auf das Vorliegen
der Voraussetzungen einer Anschlussberufung ankommt. Ist - wie im vorliegenden Fall - erstinstanzlich nicht der Beklagte,
sondern ein Beigeladener zur Leistung verurteilt worden, hält das Berufungsgericht davon abweichend aber den Beklagten für
leistungspflichtig, hat es nach der Rechtsprechung des BSG nicht nur die Verurteilung des Beigeladenen aufzuheben, sondern auch den Beklagten zu verurteilen, ohne dass es eines ausdrücklichen
Antrags eines Beteiligten bedarf (BSG, Urt. v. 13.07.2010 - B 8 SO 14/09 R, zitiert nach juris). Denn die Verurteilung eines beigeladenen Trägers erfolgt nur subsidiär
gegenüber einer Verurteilung des Beklagten. Das Rechtsmittelgericht muss über alle infrage kommenden prozessualen Ansprüche
entscheiden können, auch wenn nur der (unterliegende) Beigeladene ein Rechtsmittel eingelegt hat (BSG, Urt. v. 13.07.2010, aaO.). Diese Auslegung und Anwendung von §
75 Abs.
2 und 5
SGG verhindert, dass die Abweisung der Klage gegen den Beklagten in Rechtskraft erwächst. Auch ohne ausdrücklichen Antrag des
Klägers hat das Gericht nach §
123 SGG über die erhobenen Ansprüche (das prozessuale Begehren) zu entscheiden, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.
3. Die Berufung des Beigeladenen zu 1 sowie die Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers sind begründet.
Die Bescheide der Beklagten vom 18. Juni und 29. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2009 sind
rechtswidrig und die Beklagte ist verpflichtet gewesen, dem Kläger in der Zeit vom 26. Februar 2009 bis 10. März 2009 und
in der Zeit vom 20. März 2009 bis 15. Juni 2010 häusliche Krankenpflege zur Injektion von Thrombosespritzen entsprechend den
ärztlichen Verordnungen zu gewähren. Die nur nachrangig eingreifende Leistungspflicht des Beigeladenen zu 1 kommt daher nicht
zum Tragen.
Der Anspruch auf die Gewährung von häuslicher Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung ist in §
37 SGB V in Verbindung mit den hierzu erlassenen Richtlinien des GBA über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Krankenpflege-RL)
geregelt. Für den im Streit stehenden Zeitraum vom 26. Februar 2009 bis 15. Juni 2010 kommt §
37 SGB V in der seit 1. April 2007 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Änderung medizinprodukterechtlicher und anderer Vorschriften
(MPÄndG) vom 14. Juni 2007 (BGBl. I 2007, S. 1066) zur Anwendung. Die Krankenpflege-RL ist für den Streitzeitraum in der Fassung vom 16. Februar 2000 (Bundesanzeiger 2000,
Nr. 91 S. 8878, erlassen noch vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, an dessen Stelle zum 1.1.2004 der GBA getreten
ist), geändert am 17. Januar 2008/10. April 2008 und in Kraft getreten am 11. Juni 2008 (Bundesanzeiger 2008, Nr. 84 S. 2028,
2029 und 2030) anwendbar. Die am 10. Februar 2010 in Kraft getretene Fassung der Richtlinie vom 17. September 2009 hat für
den vorliegenden Streitgegenstand keine Änderungen gebracht. Im Folgenden wird daher stets auf die oben genannten Fassungen
Bezug genommen.
Nach §
37 Abs.
2 Satz 1
SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen,
Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege
Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Der Anspruch nach dieser
Vorschrift besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherten in zugelassenen Pflegeeinrichtungen
im Sinne des §
43 SGB XI, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege
haben (§
37 Abs.
2 Satz 3
SGB V). Der GBA legt in Richtlinien nach §
92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushaltes und der Familie
des Versicherten erbracht werden können und bestimmt das Nähere über Art und Inhalt der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen
Pflegemaßnahmen nach Abs.
2 Satz 1 (§
37 Abs.
6 SGB V).
Die Krankenpflege-RL enthält unter I. 2. folgende Regelung:
Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege
besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen die
verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und
für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen,
Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),
wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne
des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein.
I. 6. Krankenpflege-RL lautet:
Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von
Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen),
kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen
zu prüfen.
Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die Intensität
oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft
Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt
für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen.
Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für
mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§
37 Abs.
2 S. 3
SGB V). (...)
a) Das von der Beigeladenen zu 2 betriebene Wohnheim ist ein zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege "geeigneter Ort"
im Sinne von §
37 Abs.
2 SGB V.
aa) Das Wohnheim der Beigeladenen zu 2 für Menschen mit Behinderungen ist eine Einrichtung der Eingliederungshilfe und gehört
nicht zu den in den genannten Vorschriften ausdrücklich aufgeführten Orten. Die Aufzählungen sind aber ausdrücklich nur beispielhaft
und daher nicht abschließend. Es ist deshalb durch Auslegung zu ermitteln, ob das Wohnheim - wie die ausdrücklich aufgeführten
Schulen, Kindergärten, betreuten Wohnformen und Arbeitsstätten - zu den grundsätzlich für die Erbringung der Maßnahmen geeigneten
Orten im Sinne von §
37 Abs.
2 und Abs.
6 SGB V in Verbindung mit I. 2. Krankenpflege-RL gehört. Eine solche Zuordnung kann nach I. 6. Krankenpflege-RL nicht erfolgen, wenn
es sich bei dem Wohnheim um eine Einrichtung handelt, in der nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung
von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie z. B. in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen und
Pflegeheimen). Insoweit bestehen an der Rechtmäßigkeit der Krankenpflege-RL keine Zweifel.
bb) In der von der Beigeladenen zu 2 betriebenen Wohnstätte besteht nach den gesetzlichen Bestimmungen kein Anspruch auf die
Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung.
(1) Anders als z. B. in Krankenhäusern ist die medizinische Behandlungspflege in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe
nicht bereits nach dem Zweck der Einrichtung von der gesetzlichen Leistungspflicht des Einrichtungsträgers umfasst. Die Eingliederungshilfe
dient vor allem der Förderung der Selbstbestimmung behinderter Menschen, indem sie ihnen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft
ermöglicht bzw. erleichtert (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage, § 53 Rdnr. 1). Während die notwendige Assistenz bei der Verrichtung der Körperpflege, der Ernährung und Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen
Versorgung vom Leistungsumfang des Einrichtungsträgers umfasst ist, gilt dies nicht für Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege,
die in den Bereich der Krankenversicherung fällt. Dementsprechend bleiben bei der Kalkulation der Grundpauschale und der Maßnahmepauschale
nach § 23 Nr. 1 Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für das Land Sachsen-Anhalt die Versorgung mit Arzneimitteln und alle der Leistungspflicht der Krankenversicherung unterliegenden
Leistungen unberücksichtigt und Krankenhilfe im Rahmen des SGB XII kann vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe gesondert abgegolten werden (§ 24 Nr. 6 Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für das Land Sachsen-Anhalt).
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten §
11 Heimgesetz. Danach darf ein Heim nur betrieben werden, wenn der Träger und die Leitung unter anderem eine angemessene Qualität der Betreuung
der Bewohnerinnen und Bewohner, auch soweit sie pflegebedürftig sind, in dem Heim selbst oder in angemessener anderer Weise
einschließlich der Pflege nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse sowie die ärztliche
und gesundheitliche Betreuung sichern (§
11 Abs.
1 Nr.
3 Heimgesetz). Die Sicherstellung angemessener Pflege sowie ärztlicher und gesundheitlicher Betreuung bedeutet aber nicht, dass der Heimträger
verpflichtet wäre, alle notwendigen pflegerischen, ärztlichen und gesundheitlichen Leistungen selbst oder auf eigene Kosten
zu erbringen. Im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Betreuung ist dies inhaltlich offensichtlich. Die Vorschrift
enthält keine Aussage dazu, wer jeweils zur Leistungserbringung verpflichtet ist, sondern besagt nur, dass der Heimträger
und die Leitung sicherzustellen haben, dass die genannten Leistungen im Heim selbst oder in angemessener anderer Weise erbracht
werden (können). Soweit sich nicht aus anderen Regelungen ergibt, dass der Heimträger auch die Erbringung der Leistung selbst
schuldet, ist dem Sicherstellungsauftrag nach §
11 Abs.
1 Nr.
3 Heimgesetz regelmäßig bereits durch die Schaffung entsprechender räumlicher und organisatorischer Voraussetzungen (z. B. Notrufmöglichkeiten,
Terminvereinbarungen, Organisation der Beförderung, Zugangsmöglichkeiten für Leistungserbringer u. ä.) genüge getan.
(2) Ein Anspruch "nach den gesetzlichen Bestimmungen" im Sinne von I. 6. Satz 1 Krankenpflege-RL kann auch ein vertraglicher
Anspruch sein (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER, zitiert nach juris). Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche "nach gesetzlichen Bestimmungen"
begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und
der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen
den Einrichtungsträger unterschieden (vgl. nur BSG, Urt. v. 28.05.2003 - B 3 KR 32/02 R; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.02.2010 - L 9 KR 23/10 B ER sowie Beschl. v. 03.03.2011 - L 9 KR 284/10 B - jeweils zitiert nach juris, sowie Lieber, NZS 2011, S. 650 (653)).
Die Berücksichtigung der Vorschriften des
SGB V lässt keine andere Auslegung der im Rang unterhalb der gesetzlichen Vorschriften stehenden Krankenpflege-RL zu, denn die
Erbringung von häuslicher Krankenpflege ist nicht notwendig, wenn der Versicherte bereits einen Anspruch auf die erforderlichen
Hilfestellungen gegenüber dem Einrichtungsträger hat. Dies ist unabhängig davon, ob sich ein solcher Anspruch aus den gesetzlichen
oder aus rechtmäßigen vertraglichen Bestimmungen ergibt. Bereits aus dem in §
12 Abs.
1 SGB V normierten Wirtschaftlichkeitsgebot ergibt sich, dass Leistungen der Krankenversicherung nur erbracht werden dürfen, soweit
sie notwendig sind. Auch §
37 Abs.
2 Satz 1
SGB V setzt die Erforderlichkeit der häuslichen Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung voraus. Zudem ist
der Anspruch auf Leistungen der häusliche Krankenpflege gegen die Krankenkasse auch für die in einem Haushalt lebenden Versicherten
grundsätzlich subsidiär gegenüber der Möglichkeit, die Leistung über eine im Haushalt lebende Person zu erhalten (§
37 Abs.
3 SGB V). Der zunächst nur für Versicherte, die in ihrem Haushalt oder ihrer Familie leben vorgesehene Anspruch auf häusliche Krankenpflege
(so die Rechtslage bis zum Inkrafttreten des GKV-ModernisierungsG mit Wirkung vom 01.01.2004) ist erst später auf andere geeignete
Orte ausgedehnt worden. Entsprechend der gesetzlich festgeschriebenen Subsidiarität des Anspruchs nach §
37 Abs.
3 SGB V kann auch ein anderer Ort nur dann für die Erbringung der Leistung durch die Krankenkasse geeignet sein, wenn dort die medizinische
Pflege und Versorgung in dem erforderlichen Umfang nicht bereits mit dem nach den vertraglichen Bestimmungen dort beschäftigten
Personal geschuldet ist (so bereits LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER, zitiert nach juris).
(3) Ein Anspruch auf die Erbringung von häuslicher Krankenpflege ergibt sich nicht aus vertraglichen Bestimmungen. Die Beigeladene
zu 2 schuldet weder dem Kläger selbst die Injektion von Thrombosespritzen noch dem Beigeladenen zu 1 die Erbringung dieser
Leistung an den Kläger.
Nach dem mit Wirkung zum 21. Dezember 2004 zwischen der Beigeladenen zu 2 und dem Kläger geschlossenen Heimvertrag ist die
Wohnstätte eine Einrichtung, in der nach ihrem Zweck die gesellschaftliche Eingliederung von Menschen mit Behinderung im Vordergrund
steht. Die Einrichtung überlässt dem Kläger Wohnraum (§ 3) und erbringt insbesondere Leistungen der Verpflegung (§ 4), der
hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 5) und der Betreuung (§ 6). Insbesondere bei den Betreuungsleistungen wird auf den Landesrahmenvertrag
und die vom Sozialhilfeträger finanzierten Leistungen Bezug zugenommen. In diesem Rahmen werden nach § 6 Abs. 1 Heimvertrag
folgende Leistungen vorgehalten:
lebenspraktische Anleitung
besondere psychosoziale Hilfen
pflegerische Hilfen
Bildung
Freizeitgestaltung.
Das Erbringen von medizinischer Behandlungspflege gehört danach nicht zum Leistungsspektrum der Beigeladenen zu 2. Anders
als in dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Heimvertrag von September 1998 (vgl. dort § 1 Abs. 2 h) wird in dem aktuellen
Heimvertrag eine medizinisch-pflegerische Versorgung nicht erwähnt. Durch die Begrenzung der geschuldeten Betreuungsleistungen
auf den Umfang des Rahmenvertrages und die vom Sozialhilfeträger finanzierten Leistungen wird deutlich, dass der Leistungsanspruch
nicht über das hinausgehen kann, was der Heimträger mit dem danach vorzuhaltenden Personal zu leisten in der Lage ist. Die
Beigeladene zu 2 beschäftigt entsprechend der Leistungsvereinbarung mit dem Beigeladenen zu 1 und dem Rahmenvertrag überwiegend
pädagogisch ausgebildete Mitarbeiter. Dementsprechend weist sie in ihrer Konzeption vom 29. November 2000 ausdrücklich darauf
hin, dass medizinisches Fachpersonal nicht vorgehalten wird. Nach § 23 Nr. 1 Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für das Land Sachsen-Anhalt bleiben bei der Kalkulation der Grundpauschale und der Maßnahmepauschale die Versorgung mit Arzneimitteln
und alle der Leistungspflicht der Krankenversicherung unterliegenden Leistungen unberücksichtigt. Nach § 24 Nr. 6 Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für das Land Sachsen-Anhalt kann Krankenhilfe im Rahmen des SGB XII vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe gesondert abgegolten werden. Danach besteht auf vertraglicher Ebene grundsätzlich
kein Anspruch auf die Erbringung von medizinischer Behandlungspflege gegen die Beigeladene zu 2.
Die Injektion von Thrombosespritzen ist eine Maßnahme der medizinischen Behandlungspflege (Behandlungssicherungspflege). Allerdings
könnte die Injektion von Thrombosespritzen dennoch von der Beigeladenen zu 2 geschuldet sein, wenn diese Maßnahme zugleich
zu den von ihr geschuldeten Leistungen nach § 6 Heimvertrag gehört. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn anders als die Gabe
von Tabletten zur oralen Einnahme nach ärztlicher Anweisung (vgl. hierzu LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER sowie LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.02.2010 - L 9 KR 23/10 B ER - jeweils zitiert nach juris) gehört die Injektion einer Thrombosespritze nicht zu dem überwiegend pädagogisch geprägten
Leistungsspektrum der Beigeladenen zu 2. Die Injektion einer Spritze geht über das hinaus, was unter "lebenspraktische Anleitung"
im Sinne des § 6 Abs. 1 Heimvertrag zu verstehen ist. Das Setzen einer Spritze gehört nach allgemeinem Verständnis nicht mehr
zu den für das alltägliche Leben erforderlichen lebenspraktischen Tätigkeiten. Aufgrund der eingeschränkten Fähigkeiten des
Klägers im Bereich der Grob- und Feinmotorik und der eingeschränkten Sehfähigkeit kommt das Ziel, den Kläger mit pädagogischen
Mitteln dahingehend anzuleiten, dass er bei der Injektion der Thrombosespritzen eine gewisse Selbstständigkeit erreicht, nicht
ernsthaft in Betracht. Während bei der Gabe von Tabletten zur oralen Einnahme mit pädagogischen Mitteln auf einen Menschen
mit geistiger Behinderung in der Weise eingewirkt werden kann, dass dieser die ihm gereichten Tabletten nach Anleitung oral
einnimmt, kann bei der Injektion einer Spritze - insbesondere wenn neben einer geistigen Behinderung auch motorische Einschränkungen
und Einschränkungen der Sehfähigkeit bestehen - mit pädagogischen Mitteln allenfalls auf mögliche Gegenwehr eingewirkt werden.
Die Injektion der Spritze selbst muss in jedem Fall durch eine dritte Person erfolgen. Dies ist aber ausschließlich pädagogisch
ausgebildetem Personal regelmäßig nicht zumutbar, insbesondere nicht bei Patienten, denen für die Verabreichung der erforderlichen
Medikamente die notwendige Einsicht und Compliance fehlt. Sollte der nicht einsichtsfähige Patient bei der Verabreichung Gegenwehr
zeigen, ist beim Umgang mit einer Spritze ein reales Verletzungspotenzial gegeben. Dieses ist auch durch die Verwendung einer
Fertigspritze mit Selbstapplikationshilfe und unter Einsatz der bestmöglichen pädagogischen Mittel nicht immer auszuschließen.
Die Injektion einer Spritze ist - auch wenn diese unter Verwendung einer Fertigspritze mit Selbstapplikationshilfe nicht nur
von medizinischem Fachpersonal gegeben werden kann - immer mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und deshalb
mit einem gewissen Gefahrenpotenzial verbunden. Besonders im Falle der Realisierung einer solchen Gefahr ist die Anwesenheit
von medizinischem Fachpersonal erforderlich (vgl. zum Ganzen auch LSG Berlin-Brandenburg, aaO., das ebenfalls zwischen der
Gabe von Medikamenten in Form von Tabletten und der Gabe von Insulin durch Injektionen einschließlich der hierfür durchzuführenden
Blutzuckermessungen unterscheidet).
cc) Kann die von der Beigeladenen zu 2 betriebene Einrichtung aus den genannten Gründen nicht den Einrichtungen nach I. 6.
Satz 1 Krankenpflege-RL zugeordnet werden, in denen die Verordnung von häuslicher Krankenpflege grundsätzlich ausgeschlossen
ist, handelt es sich um einen zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege grundsätzlich geeigneten Ort im Sinne des §
37 Abs.
2 SGB V (so im Ergebnis auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 26.08.2010 - L 8 SO 4/10 B ER; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v.
23.04.2009 - L 8 SO 1/07, jeweils zitiert nach juris). Zwar ist die Ausschlussnorm der Krankenpflege-RL nach ihrem Wortlaut
nicht zwingend abschließend formuliert. Ein Ausschluss von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung durch eine Richtlinie
ist aber grundsätzlich eng auszulegen.
Das BSG (Urt. v. 01.09.2005 - B 3 KR 19/04 R, zitiert nach juris) hatte zwar keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der alten Fassung des §
37 SGB V im Hinblick auf Art.
3 Abs.
3 Grundgesetz, obwohl diese Vorschrift Menschen mit Behinderungen, die in einem Wohnheim der Eingliederungshilfe wohnten, grundsätzlich
von einem Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen hat und ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger materielle
Bedürftigkeit des Betroffenen voraussetzt. Die Beurteilung einer Richtlinie unterliegt jedoch anderen Maßstäben. Während der
demokratisch legitimierte Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum im Hinblick auf den Leistungsumfang bzw. auf
den Ausschluss von Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen hat, können Richtlinien nur im Rahmen des Gesetzes verbindliche
Regelungen über die zu erbringenden Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege enthalten (vgl. BSG, Urt. v. 17.03.2005 - B 3 KR 35/04 R, sowie Urt. v. 01.09.2005 - B 3 KR 19/04 R, jeweils zitiert nach juris). §
37 SGB V in der seit 1. April 2007 geltenden Fassung ist eine solche Differenzierung jedenfalls nicht zu entnehmen, solange die betroffenen
behinderten Menschen die Leistung nicht ohne Abstriche vom Einrichtungsträger verlangen können. Es war gerade Sinn und Zweck
der Gesetzesänderung, den Leistungsausschluss aufzuheben, soweit er zu einer Benachteiligung besonderer Wohnformen gegenüber
konventionellen Haushalten führte. Auch nach den Gesetzesmaterialien ist ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher
Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer
Einrichtung befindet, in der er Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung hat. Auf
eine weitergehende gesetzliche Festlegung hat der Gesetzgeber zu Gunsten des Gemeinsamen Bundesausschusses ausdrücklich verzichtet
(vgl. zum Ganzen GKV-WSG-Begr. - zu Art. 1 Nr. 22, BT-Drucks. 16/3100, S. 104 f. = Hauck/Noftz,
SGB V, Komm., 6. Bd., Materialien, M 16 S. 42 f.). Im Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung wird die Änderung bei der häuslichen
Krankenpflege als Maßnahme zur Überwindung der Probleme an Schnittstellen aufgeführt. An dieser Stelle hat der Gesetzgeber
bereits zum Ausdruck gebracht, dass in besonderen Ausnahmefällen die Leistung auch in Heimen gewährt werden könne (vgl. Hauck/Noftz,
aaO., M 16 S. 11 f.).
Aus diesem Grund kann der Argumentation der Beklagten und des LSG Niedersachsen-Bremen (aaO.), es müsse eine Vergleichbarkeit
mit den in §
37 Abs.
2 SGB V beispielhaft genannten Orten gegeben sein, nur eingeschränkt gefolgt werden. Eine Vergleichbarkeit muss lediglich in Bezug
auf die Frage gegeben sein, ob die notwendige Behandlungspflege "nach den gesetzlichen Bestimmungen" durch die Einrichtung
zu erbringen ist oder nicht, während es auf eine Vergleichbarkeit im Hinblick auf die Möglichkeit der eigenen Haushaltsführung
neben der Einbindung in die Einrichtung nicht ankommen kann. Damit übereinstimmend kommt ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege
in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen nach I. 6. Krankenpflege-RL nur in Betracht, wenn die Werkstatt nicht verpflichtet
ist, die Leistung selbst zu erbringen.
dd) Die von der Beigeladenen zu 2 betriebene Einrichtung verfügt über die zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege erforderlichen
konkreten (räumlichen) Verhältnisse im Sinne von I. 2. Krankenpflege-RL und ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt ein
"geeigneter Ort". Die Bewohner - auch der Kläger - halten sich regelmäßig wiederkehrend dort auf. Die verordnete Maßnahme
der häuslichen Krankenpflege kann in dieser Wohnstätte zuverlässig durchgeführt werden, insbesondere bestehen keine Zweifel
daran, dass zum Beispiel im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre und Beleuchtung geeignete räumliche
Verhältnisse vorhanden sind. Aus medizinisch-pflegerischen Gründen ist die Leistung während des Aufenthaltes des Klägers im
Wohnheim notwendig. Denn grundsätzlich ist die häusliche Krankenpflege am Wohnort oder einem anderen Ort des täglichen Aufenthaltes
zu erbringen. In der Werkstatt für behinderte Menschen halten sich die Betroffenen regelmäßig nicht täglich auf, nämlich beispielsweise
nicht an den Wochenenden.
b) Häusliche Krankenpflege war für den Kläger zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich. Der Senat hat
keine Zweifel, dass die Injektion von Thrombosespritzen im ärztlich verordneten Umfang medizinisch notwendig gewesen ist.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin G. hat hierzu ausgeführt, nach einer Bauchoperation habe ein erhöhtes Thromboserisiko bestanden,
welches auch durch eine Adipositas, Varicosis und Bewegungseinschränkung bedingt gewesen sei. Mit dieser Erklärung wird nachvollziehbar,
dass die Thromboseinjektionen in der Zeit vom 26. Februar bis 10. März 2009 nach den ärztlichen Verordnungen zweimal täglich,
später nur noch einmal täglich erforderlich waren. Unerheblich ist, dass die häusliche Krankenpflege zunächst "anstelle von
Krankenhausbehandlung" verordnet wurde, obwohl ein Thromboserisiko allein regelmäßig nicht zu Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit
führt. Es ist aber auch für den Zeitraum vom 26. Februar bis 10. März 2009 davon auszugehen, dass die häusliche Krankenpflege
zur "Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung", d. h. als Behandlungssicherungspflege medizinisch erforderlich war.
Für alle nachfolgenden Verordnungen wurde dieses Ziel der häuslichen Krankenpflege angekreuzt.
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund seiner geistigen und körperlichen Einschränkungen nicht in der Lage
war, sich die ärztlich verordneten Thrombosespritzen selbst zu injizieren. Er erfüllt die in der Anlage der Krankenpflege-RL,
Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege, unter Nr. 18 für subkutane Injektionen ärztlich verordneter
Medikamente aufgestellten Voraussetzungen. Insbesondere kann er die Injektionen aufgrund der erheblichen Einschränkungen der
Grob- und Feinmotorik der oberen Extremitäten nicht selbst aufziehen, dosieren und fachgerecht injizieren und seine Compliance
bei der medikamentösen Therapie ist aufgrund seiner starken Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit nicht sichergestellt.
Eine eigenständige Durchführung ist auch mit einer Selbstapplikationshilfe und nach Anleitung nicht möglich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Da die Beigeladene zu 2 keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist, hat die Beklagte deren Kosten
nicht zu tragen.
5. Die Revision ist nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, denn die Frage, ob ein Wohnheim der Eingliederungshilfe ein geeigneter Ort für
die Erbringung von häuslicher Krankenpflege im Sinne von §
34 Abs.
2 Satz 1
SGB V sein kann, ist von grundsätzlicher Bedeutung und bislang höchstrichterlich nicht geklärt.