Krankenversicherung - kein Anspruch auf Kleiderverschleißgeld
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung eines Kleiderverschleißgeldes streitig.
Der 1965 geborene Kläger und Berufungskläger (im weiteren Kläger) ist bei der Beklagten und Berufungsbeklagten (im weiteren
Beklagte) als Beschäftigter nach §
5 Abs.
1 Nr.
1 des
Fünften Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V) gesetzlich krankenversichert. Er wurde mit einer Hüftexartikulationsprothese im Rahmen der Behandlung nach einem Freizeitunfall
im Jahr 2003 versorgt.
Der Kläger beantragte am 22. September 2017 die Zahlung eines Kleiderverschleißgeldes. Durch das Tragen seiner Prothese verschleiße
seine Kleidung sehr schnell, insbesondere durch das mehrfache tägliche Ein- und Aussteigen in seinen PKW im Rahmen seiner
Außendiensttätigkeit.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. September 2017 ab. Eine Kostenübernahme sei ausgeschlossen. Die persönliche
Kleidung sei ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens und keine Kassenleistung. Mit dem Widerspruch vom 4. Oktober 2007
machte der Kläger geltend, dass durch das Tragen seiner Prothese seine Bekleidungsgegenstände schneller verschleißen würden.
Zu berücksichtigen sei, dass er voll im Außendienst berufstätig sei. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 28. November 2017 wies
die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Kostenübernahme für Kleidung als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens komme
nicht in Betracht. Es liege auch im Übrigen keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne von §
27 Abs.
1 SGB V vor. Ein Kleiderverschleißgeld sei im Leistungskatalog nicht vorgesehen.
Am 20. Dezember 2017 hat der Kläger beim Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage erhoben und seinen Vortrag weiter vertieft. Aufgrund der prothetischen Versorgung unterliege seine Kleidung einem
höheren Verschleiß als bei nicht behinderten Menschen. Dieser Nachteil sei durch die Beklagte auszugleichen. Diese hat weiterhin
an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. Oktober 2020 abgewiesen. Ein Anspruch auf Kleiderverschleißgeld sei in den Vorschriften
der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vorgesehen. Auch über die Vorschriften der Hilfsmittelversorgung könne ein solches
nicht gewährt werden. Die Kleidung sei bereits kein Hilfsmittel im Sinne des §
33 SGB V. Einen finanziellen Ausgleich könne der Kläger nicht verlangen.
Gegen das ihm am 24. November 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Dezember 2020 Berufung beim Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt eingelegt und an seinem Vorbringen festgehalten. Aufgrund seiner Behinderung bestehe ein Nachteil, der durch
die Beklagte mit dem Kleiderverschleißgeld auszugleichen sei. Dieses werde insbesondere auch von den Trägern der gesetzlichen
Unfallversicherung gewährt, auch wenn es sich vorliegend um einen Freizeitunfall gehandelt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22 Oktober 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2017 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Kleiderverschleißgeld
i.H.v. 200 € monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und verweist auf ihren bisherigen Vortrag.
Die Beklagte hat sich mit dem Schreiben vom 19. März 2021 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und durch den
Berichterstatter einverstanden erklärt. Mit Schreiben vom 23. März 2021 hat der Kläger dem ebenfalls zugestimmt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und der Verwaltungsakte der Beklagten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu
erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die nach den §§
143,
144 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bei einem streitigen Kleiderverschleißgeld von 200 € monatlich (ohne zeitliche Begrenzung) statthafte, form- und fristgerecht
eingelegte (§
151 Abs.
1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg, worüber der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte.
Im Einverständnis der Beteiligten konnte durch den vom Vorsitzenden ernannten Berichterstatter anstelle des Senats (§
155 Abs.
3,
4 SGG) entschieden werden. Denn die Streitsache ist tatsächlich und rechtlich einfach. Strittige Rechtsfragen haben die Beteiligten
nicht aufgeworfen. Soweit die Würdigung von Tatsachen umstritten ist, handelt es sich um eine einfach gelagerte Sache, weil
die Lösung anhand der eingereichten Stellungnahmen und der Verwaltungsakte gefunden werden kann.
Der Bescheid der Beklagten vom 26. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2017 beschwert
den Kläger nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG. Er hat keinen Anspruch auf Kleiderverschleißgeld.
Der Kläger hat ausdrücklich eine (pauschalierte) Geldleistung geltend gemacht, so dass sich die Frage einer Kostenerstattung
nach §
13 SGB V insbesondere im Rahmen selbst beschaffter Sach- oder Dienstleistungen von vornherein nicht stellt. Aus demselben Grund scheidet
auch ein Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1, speziell auf Versorgung mit Hilfsmitteln nach Nr. 3 dieser
Vorschrift, oder Leistungen der Gesundheitsprävention bzw. -vorsorge aus. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung
ist auf dem Sachleistungsprinzip (§
2 Abs.
2 Satz 1
SGB V) aufgebaut. Ausnahmen mit einem Anspruch auf Geldleistungen (z. B. Krankengeld) sind ausdrücklich im
SGB V geregelt. Eine Vorschrift zum Kleiderverschleißgeld findet sich hier jedoch nicht.
Ergänzend ist dem SG darin zuzustimmen, dass eine Hilfsmittelversorgung nach §
33 SGB V auch deshalb ausscheidet, da es sich bei der Kleidung, deren pauschale Abgeltung der Kläger geltend macht, um einen allgemeinen
Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt.
Eine Leistungspflicht der Beklagten ergibt sich auch nicht aus §
14 des
Neunten Buches des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (
SGB IX). So hat die Beklagte den Antrag des Klägers vom 22. September 2017 nicht an einen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet
und ist insoweit nach §
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX zur umfassenden Prüfung und ggf. Leistungserbringung verpflichtet. Das hier geltend gemachte Kleiderverschleißgeld kann der
Kläger jedoch nicht als Leistung zur Teilhabe nach §§
4 und
5 SGB IX beanspruchen. Eine Beiladung eines anderen Leistungsträgers konnte daher unterbleiben.
Das Kleiderverschleißgeld unterfällt keiner der in §
5 SGB IX genannten Leistungsgruppen. Diese beziehen sich mit Ausnahme ausdrücklich geregelter Tatbestände auf Sach- oder Dienstleistungen
und erfassen kein Kleiderverschleißgeld. Soweit der Kläger auf das Erfordernis dieser Leistung im Hinblick auf seine berufliche
Tätigkeit im Außendienst verwiesen hat, folgt hieraus nichts anderes. Auch die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach
§
49 SGB IX sehen kein Kleiderverschleißgeld vor (vgl. §
49 Abs.
8 SGB IX). Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass dieses erforderlich wäre, um die Erwerbsfähigkeit trotz der bestehenden
unstreitigen Behinderung zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen bzw. auf Dauer zu sichern. So hat
der Kläger dargelegt, dass er in einem Arbeitsverhältnis stehe und im Außendienst tätig sei. Woraus sich konkret das Bedürfnis
einer finanziellen Zuwendung in Form des Kleiderverschleißgeldes zur Sicherung des Arbeitsplatzes ergeben soll, ist weder
vorgetragen noch ersichtlich.
Auch soweit der Kläger auf das Kleiderverschleißgeld verwiesen hat, welches die Unfallversicherungsträger zahlen, lässt sich
hieraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Dieses ist in §
31 Abs.
2 Satz 1 des
Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung (
SGB VII) vorgesehen und wird durch §
7 der Verordnung über die orthopädische Versorgung Unfallverletzter (zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. August 1996, BGBl.
I 1996, 1254) näher geregelt. Es erfolgt hier sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch der Höhe eine Bezugnahme auf die Regelung
in § 15 Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit der entsprechenden Durchführungsverordnung vom 31. Januar 1972 (zuletzt geändert durch Art. 58 Nr. 16 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12. Dezember 2019, BGBl. I 2019, 2652). Die Pauschbeträge orientieren sich an der Verletzungsfolge, der Ausstattung mit einem bestimmten Köperersatzstück oder
einer Kombination beider Anknüpfungstatsachen.
Sowohl die Regelungen des
SGB VII als auch des BVG stellen jedoch auf einen pauschalierten finanziellen Ausgleich für eine erlittene Schädigung im Rahmen eines Versicherungsfalls
bzw. Versorgungsfalls (Knickrehm/Vogl, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 15 BVG, Rn. 4) ab. Der Kläger hat insoweit lediglich dargelegt, dass die hier erforderliche Prothesenversorgung infolge eines Freizeitunfalls
erforderlich geworden ist. Ein Versicherungs- oder Versorgungsfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass die Regelungen
des
SGB VII und auch des BVG im vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Eine Beiladung anderer Leistungsträger aus dem Bereich der Unfallversicherung
oder des sozialen Entschädigungsrechts konnte daher bereits aus diesem Grund unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor, da die Entscheidung in tatsächlicher Einzelfallbewertung auf durch die zitierte Rechtsprechung geklärter
Rechtslage beruht.