Vergütung von Rechtsanwälten im sozialgerichtlichen Verfahren; Entstehung einer Terminsgebühr bei Beendigung durch angenommenes
Anerkenntnis
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Festsetzung der von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten.
Mit Beschluss vom 15. Juni 2012 hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts entschieden, dass die Antragsgegnerin
die Kosten des Klageverfahrens L 5 KR 115/11 KL trägt und den Streitwert auf 2,5 Millionen EUR festgesetzt. Grundlage dafür war die Beendigung des Rechtsstreits durch
die Erklärung der Antragsgegnerin, sie werde aus dem von der Antragstellerin angefochtenen Auskunftsbeschluss vom 17. Februar
2010 keinerlei Rechte mehr herleiten, woraufhin die Antragstellerin das "Anerkenntnis angenommen" bzw. hilfsweise den "Rechtsstreit
für erledigt erklärt" hat. Die Antragsgegnerin hat den Rechtsstreit ebenfalls für erledigt erklärt und in ihrer Erklärung
kein Anerkenntnis gesehen.
Die Antragstellerin hat daraufhin am 24. Juli 2012 die Erstattung ihrer Kosten in Höhe von 26.786,90 EUR beantragt. Dies hat
die Antragsgegnerin abgelehnt, soweit eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 3 VV-RVG geltend gemacht werde. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe kein Anerkenntnis abgegeben, sondern lediglich erklärt,
aus der angefochtenen Verfügung keine Rechte mehr herzuleiten. Bereits im Vorwege zu der Kostenentscheidung des Senats habe
sie dargelegt, dass dies einem Anerkenntnis nicht gleichstehe. Die materielle Erklärung, aus dem angefochtenen Beschluss keine
Rechte mehr herzuleiten, führe zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts und damit zum Fortfall der materiellen Beschwer der Antragstellerin,
die daraufhin das Rechtsmittel für erledigt zu erklären habe, um der Abweisung der Klage als unzulässig zu entgehen. Das sei
hier geschehen. Die Antragstellerin hat erwidert, dass zumindest ein konkludentes Anerkenntnis der Antragsgegnerin vorgelegen
habe. Selbst wenn man in der Erklärung eine Erledigungserklärung sehen würde, so sei auch darauf die Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 3
VV-RVG zumindest analog anwendbar. Nach ihrem Unterliegen im Parallelverfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht sei der Antragsgegnerin
bewusst gewesen, dass es für ihr Vorgehen keine Rechtsgrundlage gegeben habe. Mit ihrer Erklärung sei sie ihrer antragsgemäßen
Verurteilung zuvorgekommen. Damit habe sie eine unnötige Fortführung des Rechtsstreits erspart und eine gütliche Einigung
herbeigeführt, was dem Sinn und Zweck der Regelung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 3 VV-RVG entspreche.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Oktober 2012 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgerichts die von der Antragsgegnerin zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 13.940,61 EUR festgesetzt. Die
Erklärung der Einstellung des Kartellverwaltungsverfahrens sei kein Anerkenntnis im Sinne des §
101 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Die Einstellung bewirke die Erledigung in der Hauptsache und damit entfalle das Rechtsschutzbedürfnis der Klage. Die anschließende
Erledigungserklärung der Antragstellerin stelle kein angenommenes Anerkenntnis dar. Übereinstimmende Erledigungserklärungen
seien nicht mit dem angenommenen Anerkenntnis gleichzusetzen. Ansonsten hätte der Gesetzgeber dies als weitere Alternative
für das Entstehen der fiktiven Terminsgebühr aufgelistet.
Gegen den ihr am 23. Oktober 2012 zugestellten Beschluss richtet sich die Erinnerung der Antragstellerin, eingegangen beim
Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 23. November 2012. Zur Begründung wiederholt sie ihren bisherigen Vortrag
und trägt ergänzend vor: Soweit andere Landessozialgerichte in dort anhängigen Parallelverfahren mit der Problematik befasst
gewesen seien, deuteten ihre Entscheidungen in dieselbe Richtung wie ihre, der Antragstellerin, Auffassung, nämlich dass ein
angenommenes Anerkenntnis vorgelegen habe. So habe das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ausgeführt, dass die Erklärung
der Antragsgegnerin, aus dem Auskunftsbeschluss keine Rechte mehr herzuleiten, die Position der Antragstellerin faktisch anerkannt
habe. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen habe sich in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss der Auffassung der Antragstellerin vollumfänglich angeschlossen. Für
das Vorliegen eines Anerkenntnisses sei nicht erforderlich, dass dieses Wort ausdrücklich verwendet werde, wenn im Ergebnis
jedenfalls eine gleichbedeutende Erklärung abgegeben werde. Das Sozialgericht habe für den Fall, dass in vollem Umfange nachgegeben
werde, eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 3 VV-RVG anerkannt. Einer Kostentragungspflicht könne man nicht allein durch die Wortwahl entgehen. Die Erklärung der Antragsgegnerin
sei auch in den Prozess eingeführt worden, und zwar mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2011.
Die Antragsgegnerin erwidert ergänzend, mit der Erstreckung der Terminsgebühr auf angenommene Anerkenntnisse solle ein Hinwirken
des Rechtsanwalts auf einen möglichst frühen Abschluss des Verfahrens bewirkt werden. Solche Aktivitäten habe es hier ersichtlich
nicht gegeben. Der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen sei nicht haltbar. Anerkenntnisse lägen nur vor,
wenn sie gegenüber dem Gericht abgegeben werden. Für die Annahme eines Anerkenntnisses bedürfe es einer hinreichend klaren
Willensäußerung. Daran fehle es hier erkennbar. Für eine Ausdehnung der Ziffer 3104 Nr. 3 VV-RVG auf den Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung sei kein Raum.
II.
Der Senat entscheidet mit seinen Berufsrichtern, da die hier maßgebende Vorschrift des §
197 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) die Verfahrensvorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) verdrängt und damit auch § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG, der die Entscheidung durch den Einzelrichter vorsieht, keine Anwendung findet (vgl. Beschluss vom 12. Februar 2014 - L 4 SF 502/13 B E).
Die Erinnerung ist zulässig und begründet. Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist abzuändern, da auf Seiten der Antragstellerin
die Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 3 VV-RVG in Höhe von 10.795,20 EUR zuzüglich Umsatzsteuer entstanden ist.
Nach dieser Gebührenziffer entsteht die Terminsgebühr, wenn das Verfahren vor dem Sozialgericht nach angenommenem Anerkenntnis
ohne mündliche Verhandlung endet. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liegt ein solcher Tatbestand hier vor.
Anerkenntnis ist das im Wege einseitiger Erklärung gegebene uneingeschränkte Zugeständnis, dass der mit der Klage geltend
gemachte prozessuale Anspruch besteht; dabei gibt der Beklagte "ohne Drehen und Wenden" zu, dass sich das Begehren des Klägers
aus dem von ihm behaupteten Tatbestand ergibt (Leitherer in Meyer-Ladewig u. a.,
SGG-Kommentar, §
101 Rz. 20 m.w.N.). Eine solche Erklärung hat die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 28. November 2011, das sie mit Schriftsatz
vom 2. Dezember 2011 in das Verfahren eingeführt hat, abgegeben. Weiter hat sie in diesem Schreiben erklärt, dass sie das
dem angefochtenen Auskunftsbeschluss zugrunde liegende Kartellverwaltungsverfahren nach Zustellung des Urteils im Parallelstreit
vor dem Hessischen Landessozialgericht eingestellt und die Antragstellerin mit eben diesem Schreiben vom 28. November 2011
unterrichtet hat. Weiter wird ausgeführt: "Aus dem vorliegend angefochtenen Auskunftsbeschluss werden keinerlei Rechte mehr
hergeleitet." Damit hat die Antragsgegnerin zwar nicht das Wort "Anerkenntnis" verwendet, gleichwohl aber die Antragstellerin
in vollem Umfang klaglos gestellt. Darauf hat der Senat bereits in seinem oben zitierten Beschluss vom 15. Juni 2012 hingewiesen
und aufgrund des Umstandes, dass "die Beklagte in vollem Umfang nachgegeben" habe, ihr die Kosten in dem Klageverfahren auferlegt.
Allein die Vermeidung des Wortes "Anerkenntnis" führt nicht dazu, dass der Gebührentatbestand der Ziffer 3104 VV-RVG nicht entsteht. Maßgebend ist unter Beachtung der durch die gewählte Formulierung gezogenen Auslegungsgrenzen der objektiv
zum Ausdruck kommende Wille des Erklärenden (BVerfG, Beschluss vom 8. August 2013 - 1 BvR 1314/13). Zutreffend weist das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in seinem Beschluss vom 5. August 2013 (L 1 KR 575/11 KL) darauf hin, dass durch einen solchen "Kunstgriff" die Antragsgegnerin das Entstehen der Terminsgebühr nicht vermeiden
kann. Für den Ansatz der Ziffer 3104 VV-RVG kommt es allein darauf an, ob inhaltlich ein angenommenes Anerkenntnis vorliegt und nicht, ob dieses ausdrücklich ausgesprochen
wird.
Auf die Festsetzung der Gebühr nach der Ziffer 3104 VV-RVG hat es keinen Einfluss, ob und in welchem Umfang Bemühungen des Rechtsanwalts zur einvernehmlichen Beendigung vorliegen.
Die Gebühr entsteht in voller Höhe, wenn der Gebührentatbestand vorliegt. Anders etwa als bei den Rahmengebühren bestimmt
sich die Höhe der Gebühr nicht nach den in § 14 RVG aufgeführten Kriterien wie u. a. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit.
Damit ist auf Seiten der Antragstellerin die Terminsgebühr gemäß Ziffer 3104 Abs. 1 Nr. 3 VV-RVG entstanden. Der Kostenfestsetzungsbeschluss war entsprechend abzuändern und der Antragstellerin weitere Kosten in Höhe von
der Terminsgebühr 10.795,20 EUR zuzüglich Umsatzsteuer zuzuerkennen.
Da für die Erinnerung eine eigene Gebühr anfällt (Ziffer 3501 VV-RVG), ist eine Kostenentscheidung geboten (Leitherer a.a.O., §
197 Rz. 10 ab 10. Aufl. m.w.N.; Jansen,
SGG-Kommentar, §
197 Rz. 13). Diese folgt aus §
197a Abs.
1 SGG in Verbindung mit §
154 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Wert des Erinnerungsverfahrens orientiert sich an der hier allein streitigen Terminsgebühr.
Im Übrigen ist das Verfahren gebührenfrei.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).