Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Anerkennung der Schädigung des Nervus
ulnaris als Folge eines anerkannten Arbeitsunfalls hat.
Die 1973 geborene Klägerin war bei der Deutschen Post AG, Niederlassung Brief L beschäftigt und zwar in der Briefordnerei.
Am 27. Dezember 2012 gegen 19:15 Uhr nahm sie einen vollbeladenen Behälter mit Briefsendungen von einem Rollbehälter auf und
stellte ihn auf einem Beförderungsband ab. Dabei verspürte die Klägerin einen plötzlichen Schmerz und nahm ein Knacken wahr.
Nachdem die Klägerin zunächst versucht hatte, weiterzuarbeiten, suchte sie noch am 27. Dezember 2012 um 20:48 Uhr den Durchgangsarzt
Prof. Dr. J im klinikum L auf. Dieser diagnostizierte ein Verdrehtrauma im Ellenbogengelenk links mit Überlastungsreaktion.
Es sei keine deutliche Schwellung und keine offene Hautweichteilverletzung festzustellen. Die Bizepssehne sei tastbar. Es
bestehe ein Druckschmerz am Trizepssehnensansatz. Pro-/Supination sowie Flexion/ Extension seien möglich; pDMS sei "intakt";
der Epicondylus radialis sei schmerzhaft; eine Fraktur bestehe nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Durchgangsarztbericht
(Bl. 2-1 der Leistungsakte) Bezug genommen.
Die Klägerin suchte am 2. Januar 2013 den Chirurgen Dr. A K auf, der einen Druckschmerz am Ellenbogen dorsal und ventral sowie
eine eingeschränkte Beweglichkeit in allen Ebenen feststellte und Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis zum 8. Januar 2013
bescheinigte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Nachschaubericht (Bl. 8-2 der Leistungsakte) Bezug genommen.
Am 9. Januar 2013 wurde in der Röntgenpraxis im Tesdorphaus, Lübeck eine MRT-Untersuchung durchgeführt. Wegen der Einzelheiten
wird auf den Befundbericht (Bl. 8-1 der Leistungsakte) Bezug genommen.
Am 16. Januar 2013 suchte die Klägerin den Arzt für Neurologie und Psychiatrie W F auf. Nach dessen Befundbericht vom 29.
Januar 2013 zeigten sich seitengleich Armeigenreflexe ohne fassbare Paresen mit deutlich algogen bedingter Innervationshemmung
von Faustschluss, Finger- und Handextension sowie Fingerspreizung. Es bestehe eine Hypagelsie über dem sensiblen Versorgungsgebiet
des Nervus radiales und des Nervus ulnaris mit deutlich positiven Hoffmann-Tinel'schem Zeichen über den Epicondylus radialis
und über dem Sulcus nervus ulnaris. Es zeige sich eine entzündliche Schwellung und Druckdolenz. Eine am 23. Januar 2013 durchgeführte
Elektro-Neurografie habe im Unterarmbereich eine Leitgeschwindigkeit um 45 m/s und im Sulcusbereich um 50 m/s ergeben. Herr
F diagnostizierte eine Mononeuropathie des Nervus ulnaris links sowie partiell des Nervus radialis links nach Überlastungstrauma.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Befundbericht (Bl. 10-1 der Leistungsakte) Bezug genommen.
Am 29. Januar 2013 wurde in der Röntgenpraxis im Tesdorphaus, L erneut eine MRT-Untersuchung durchgeführt. Es bestehe kein
Zusammenhang zwischen dem Trauma und den Veränderungen des Nervus ulnaris. Wegen der Einzelheiten wird auf den Befundbericht
(Bl. 21-1 der Leistungsakte) Bezug genommen.
Am 8. Februar 2013 ging die Unfallanzeige des Arbeitgebers bei der Unfallkasse Post und Telekom, einer Rechtsvorgängerin der
Beklagten (im Weiteren nur: die Beklagte) ein.
Mit Bescheid vom 28. Mai 2013 erkannte Beklagte das Ereignis vom 27. Dezember 2012 als Arbeitsunfall an. Die Erkrankung ab
2. Januar 2013 sei allerdings nicht mehr als Unfallfolge anzusehen. Ursache der Beschwerden sei eine Neuritis (Entzündung)
des Nervus ulnaris und des Nervus radialis. Ein Zusammenhang mit dem Ereignis vom 27. Dezember 2012 lasse sich insoweit nicht
herstellen.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 5. Juni 2013 Widerspruch ein. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass nach Ansicht
ihrer behandelnden Ärzte ein Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den verbliebenen Beschwerden sehr wohl bestehe.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2013 als unbegründet zurück. Sie nahm inhaltlich
im Wesentlichen auf den Ausgangsbescheid Bezug.
Gegen den Bescheid vom 28. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2013 hat die Klägerin am 28. August
2013 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben.
Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass auch die nach dem 2. Januar 2013 aufgetretenen Beschwerden auf das Unfallereignis
zurückzuführen seien und die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens angeregt.
Sie hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2013 zu verurteilen,
die Schädigung des Nervus ulnaris als Folge des Arbeitsunfalls vom 27. Dezember 2012 anzuerkennen und ihr diesbezüglich Leistungen
aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Bescheide Bezug genommen.
Bei der Klägerin sind während des erstinstanzlichen Verfahrens zwei operative Eingriffe zur Neurolyse des Nervus ulnaris am
Ellenbogengelenk im Februar 2014 und Mai 2015 durchgeführt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Operationsberichte
und Befundunterlagen (Bl. 29 f., 44 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat zunächst ein chirurgisches Sachverständigengutachten des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie,
Chirotherapie, Sportmedizin und Sozialmedizin M -C eingeholt. Dieser ist zu dem Ergebnis gelangt, dass ein dauerhafter verletzungsbedingter
Körperschaden nicht eingetreten sei. Die Klägerin habe eine normale, gewohnte Tätigkeit verrichtet. Es sei kein relevanter
Erstschaden fest- und kein Zusammenhang zwischen äußerem Ereignis und Gesundheitsstörung herstellbar. Vielmehr bestehe bei
der Klägerin unfallunabhängig eine Subluxationstendenz und zusätzlich eine Einengung des Nervs durch anlagebedingte Variation
im Bereich der Elllennervenrinne. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sachverständigengutachten (Bl. 59 ff. der Gerichtsakte)
Bezug genommen.
Nachdem das Sozialgericht über die Klage am 17. März 2016 erstmals mündlich verhandelt hatte, hat es die Sache zur Einholung
eines neurologischen Sachverständigengutachtens vertagt und den Arzt für Neurologie, Physikalische Therapie, Rehabilitationswesen
und Sozialmedizin Dr. S mit der Begutachtung beauftragt. Dr. S hat festgestellt, dass keine direkte Schädigung durch Gewalteinwirkung
erfolgt sei, wohl aber eine Traumatisierung durch länger andauernde repetitive Tätigkeiten mit Dehnung des Nervus ulnaris
mit "wohl auch gleichzeitiger Kompression in/an anatomischen Strukturen". Eine potentiell anlagebedingte Variation könne nicht
als allein wesentliche Ursache angesehen werden. Anatomische Varianten führten nicht zwangsläufig zu einer klinischen Manifestation.
Es sei keine Vorschädigung des Nervus ulnaris festzustellen, allenfalls eine bis zum 27. Dezember 2012 klinisch stumme Schadensanlage.
Die durchgeführte Tätigkeit habe eine Überbeanspruchung der anatomischen Strukturen bewirkt. Dadurch sei es zur Entwicklung
der Gesundheitsstörung gekommen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten nebst ergänzender Stellungnahme (Bl. 104 ff.,
142 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Mit Urteil vom 6. Juli 2017 hat das Sozialgericht Lübeck die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide dazu verurteilt,
die Schädigung des Nervus ulnaris als Folge des Unfalls vom 27. Dezember 2012 anzuerkennen und diesbezüglich Leistungen aus
der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Tenor des Urteils als reiner Feststellungstenor
zu verstehen sei. Ein Grundurteil auf Leistungen liege nicht vor, weil nicht zu einer bestimmten Leistung verurteilt worden
sei. Die Beklagte sei jedoch verpflichtet, die Schädigung des Nervus ulnaris als Unfallfolge anzuerkennen. Eine solche Schädigung
sei nach der Beweisaufnahme im Vollbeweis gesichert. Darüber hinaus sei auch der erforderliche Zusammenhang zum Arbeitsunfall
vom 27. Dezember 2012 wahrscheinlich. Diesbezüglich sei den Feststellungen des Sachverständigen Dr. S zu folgen. Zunächst
sei ein Trauma im Sinne eines Erstschadens am Ellennerven nicht ausgeschlossen, denn insbesondere bei Vorliegen einer anatomischen
Variante, die nicht als Vorschädigung zu qualifizieren sei, könne eine Beugung oder Dehnung zu einer Kompression des Nervs
an anatomischen Strukturen und damit auch zu einer strukturellen Verletzung führen, die von Schäden aufgrund einer Dauerbeanspruchung
abzugrenzen sei. Für einen solchen Verlauf sprächen die zeitlichen Abläufe. Vor dem Unfallgeschehen hätten bei der Klägerin
keine Beeinträchtigungen bestanden. Für die Zeit unmittelbar nach dem Unfallgeschehen seien zwar keine Sensibilitätsstörungen
dokumentiert, es hätten sich jedoch Schmerzen im klassischen Ausdehnungsgebiet des Nervus ulnaris gezeigt und wenig später
sei dann auch eine Hypalgesie über dem Versorgungsgebiet des Nervus radialis und des Nervus ulnaris diagnostiziert worden.
Gegen eine Vorschädigung spreche dabei, dass der elektrophysiologische Befund Hinweise für eine chronische Nervenschädigung
anfänglich nicht habe erkennen lassen. Für die Annahme einer Vorschädigung spreche auch nicht der Umstand, dass im Rahmen
der Neurolyse im Februar 2014 eine ausgeprägtes Ulnarisrinnensyndrom festgestellt worden sei. Dies gelte schon deshalb, weil
aus dem intraoperativen Befund 13 Monate nach dem Unfallereignis kein eindeutiger Rückschluss mehr auf eine Vorschädigung
gezogen werden könne. Wegen der Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe (Bl. 164 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Gegen das ihr am 11. September 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. Oktober 2017 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung macht die Beklagte geltend, dass ein Anspruch auf Feststellung der Schädigung des Nervus ulnaris als Unfallfolge
nicht bestehe. Bei dem von der Klägerin geschilderten Bewegungsablauf habe es sich um eine natürliche Bewegung gehandelt,
so dass es bereits an einem geeigneten Traumamechanismus für die geltend gemachte Nervenschädigung fehle. Dies habe in seinem
Gutachten überzeugend auch der Sachverständige M -C festgestellt. Soweit das Sozialgericht mit Rücksicht auf das Fehlen einer
Vorschädigung einen Ursachenzusammenhang annehme, seien die Ausführungen nicht überzeugend. Bei einer traumatischen Schädigung
des Nervus ulnaris sei erst recht ein unmittelbarer pathologischer Befund zeitnah zum Ereignis zu erwarten gewesen. Die zeitliche
Latenz der neurologischen Ausfälle spreche daher nicht gegen eine Vorschädigung, sondern gegen eine traumatische Verursachung.
Vor diesem Hintergrund sei auch das Gutachten des Sachverständigen Dr. S nicht überzeugend, der Brückensymptome in Gestalt
von Schmerzausstrahlungen und Missempfindungen benenne, obwohl zeitnah zum Ereignis gerade keine neurologischen Auffälligkeiten
festgestellt worden seien. Im Übrigen sei das Urteil des Sozialgerichts schon deshalb fehlerhaft, weil es vom Fehlen einer
Vorschädigung auf die kausale Verursachung durch das Ereignis zurückschließe. Eine derartige Beweisregel gebe es jedoch nicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 6. Juli 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 20. November 2017 und 26. Februar 2019 einer Entscheidung durch den Berichterstatter
zugestimmt.
Der Berichterstatter hat Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren neurologischen Sachverständigengutachtens des Facharztes
für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. Dieser hat festgestellt, dass anatomische Besonderheiten bei der Klägerin
vorlägen, die zur Schädigung des Nervus ulnaris geführt hätten (erweiterter oberer Kubitalkanal und Kompression des Nervenkanals
im weiteren Verlauf des Kubitaltunnels). Im Zeitpunkt des Ereignisses vom 27. Dezember 2012 habe bereits eine subklinische
Schädigung bestanden. Das Ereignis selbst habe eine Zerrung der Bandstrukturen am linken Ellenbogen bewirkt, außerdem eine
einmalige Luxation des Ellennervens mit kurzzeitiger Schmerzsymptomatik. Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit habe
für ca. vier Wochen bestanden. Im weiteren Verlauf sei das Krankheitsgeschehen geprägt durch eine chronische Schädigung des
Nervus ulnaris, zurückzuführen auf eine anatomische Variante und eine Beschäftigungsneuropathie (repetitive Bewegungsmuster).
Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten (Bl. 214 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Dem Gericht haben die Leistungsakten der Beklagten vorgelegen. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakte wird wegen des der
Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet gemäß §
155 Abs.
3 und
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch den Berichterstatter, weil dieser nach seiner freien Überzeugung eine Befassung des Senats nicht für erforderlich
gehalten hat und die Beteiligten dieser Vorgehensweise mit Schriftsätzen vom 20. November 2017 und 26. Februar 2019 zugestimmt
haben.
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden (§
151 Abs.
1 SGG) und zulassungsfrei statthaft, weil die Beteiligten nicht unmittelbar über - hinreichend konkretisierbare - laufende Geld-,
Sach- oder Dienstleistungen bzw. einen darauf gerichteten Verwaltungsakt streiten, sondern im Kern über die Feststellung,
ob eine weitere Gesundheitsstörung als Folge eines anerkannten Arbeitsunfalls anzuerkennen ist. Dafür beschränkt insbesondere
§
144 Abs.
1 SGG den Zugang zur Berufungsinstanz nicht.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind der Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 6. August 2013, der Anspruch der Klägerin auf Anerkennung der Schädigung des Nervus ulnaris als Unfallfolge und der grundsätzliche
Anspruch auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Zwar hat bereits das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen
ausgeführt, dass es dem zusprechenden Tenor insoweit keine eigenständige Bedeutung beimesse. Dennoch bleibt die Beklagte insoweit
zumindest formal beschwert.
Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Beklagte dazu verurteilt, die Schädigung des Nervus
ulnaris als Folge des Unfalls vom 27. Dezember 2012 anzuerkennen und diesbezüglich Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung
zu gewähren. Die Klage ist - soweit sie sich unspezifisch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung richtet - bereits
unzulässig; das Sozialgericht hat darauf in den Gründen seiner Entscheidung bereits zutreffend hingewiesen, das Gericht nimmt
auf diese Ausführungen Bezug und sieht gemäß §
153 Abs.
2 SGG insoweit von einer eigenen Begründung ab.
Im Übrigen ist die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1
SGG), gerichtet auf sie Änderung des angefochtenen Bescheids und die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung einer Schädigung
des Nervus ulnaris als Unfallfolge, unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 6. August 2013 ist zumindest insoweit rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Sie hat gegen die Beklagte keinen entsprechenden
Feststellungsanspruch. Das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 6. Juli 2017 ist deshalb aufzuheben und die Klage in vollem
Umfang abzuweisen.
Dass Versicherte Anspruch auf Feststellung einer bestimmten Gesundheitsstörung als Unfallfolge haben können, folgt aus §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG. Danach kann (auch) im Wege der Klage die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalls
ist. Es handelt sich um einen Fall der zulässigen Elementenfeststellung. Dabei steht es der gesetzlich unfallversicherten
Person frei, diesen Anspruch in Form einer gerichtlichen Feststellungklage geltend zu machen oder - wie vorliegend - die bescheidmäßige
Feststellung vom zuständigen Unfallversicherungsträger zu verlangen. Materiellrechtlich besteht dieser Anspruch aber nur dann,
wenn der geltend gemachte Gesundheitsschaden Folge eines Arbeitsunfalls - hier: des Unfallereignisses vom 27. Dezember 2012
- gewesen ist. Dies ist nicht der Fall.
Nach §
8 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle wiederum sind nach §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Erforderlich ist zunächst eine Verrichtung der Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge" also u.a. nach
dieser Verrichtung eingetreten sein muss, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat. Nur dies
begründet ihre Versichertenstellung in und ihren Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung. Diese (versicherte)
Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine
Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen
Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende
Kausalität). Die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch
verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" müssen (vom Richter im Überzeugungsgrad
des Vollbeweises) festgestellt sein, während für die Kausalzusammenhänge jeweils der Maßstab der Wahrscheinlichkeit ausreichend
ist (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44, juris Rn. 24 ff.). Gleiches gilt für etwaige Folgeschäden: Auch hier ist der Gesundheitsschaden
im Vollbeweis festzustellen, während für die (haftungsausfüllende) Kausalität der Wahrscheinlichkeitsmaßstab gilt.
Daran gemessen kann die Klägerin die begehrte Feststellung nicht verlangen. Zwar hat das Gericht die Voraussetzungen des Arbeitsunfalls
dem Grunde nach schon deshalb nicht mehr zu prüfen, weil die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls mit Bescheid vom
28. Mai 2013 und insoweit bestandskräftig festgestellt hat. Auch ist eine Schädigung des Nervus ulnaris im Sinne eines Kubitaltunnelsyndroms
nach dem Maßstab des Vollbeweises erwiesen und insbesondere in den zahlreichen, nach dem Ereignis vom 27. Dezember 2012 erhobenen
Befunden insbesondere über die im Februar 2014 und Mai 2015 durchgeführten Neurolysen hinreichend dokumentiert. Eine solche
Gesundheitsstörung hat auch der Sachverständige Dr. H nachvollziehbar festgestellt.
Die Schädigung des Nervus ulnaris ist jedoch weder als Gesundheitserstschaden noch als möglicher Folgeschaden mit Wahrscheinlichkeit
wesentlich auf das Ereignis vom 27. Dezember 2012 zurückzuführen. Davon ist das Gericht nach der Beweisaufnahme insbesondere
angesichts der Gutachten der Sachverständigen M -C und Dr. H überzeugt, während es dem Gutachten des Sachverständigen Dr.
S anders als das Sozialgericht nicht zu folgen vermag.
Sowohl der Sachverständige M -C als auch der Sachverständige Dr. H haben schlüssig und unter Beachtung der Maßstäbe der unfallversicherungsrechtlichen
Zusammenhangsbegutachtung festgestellt, dass das Ereignis vom 27. Dezember 2012 lediglich zu einer leichten Zerrung der Bandstrukturen
im Ellenbogengelenk und zu einer einmaligen Luxation des Nervus ulnaris mit kurzzeitiger kokaler Schmerzsymptomatik geführt
hat. Ebenso schlüssig und überzeugend sind hingegen beide Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass das Ereignis vom 27.
Dezember 2012 als solches nicht geeignet gewesen ist, eine strukturelle Schädigung des Nervus ulnaris wesentlich herbeizuführen.
Die Aussagen der Sachverständigen lassen sich anhand des wissenschaftlichen Schrifttums nachvollziehen, das für eine primäre
Nervenverletzung mit direkter Schädigungswirkung ein spitzes oder stumpfes Trauma voraussetzt (Schönberger/Mehrtens/Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 247), an dem es hier ersichtlich fehlt. Herr M -C weist insoweit nachvollziehbar
darauf hin, dass es sich bei dem Ereignis vom 27. Dezember 2012 letztlich um einen physiologisch normalen Vorgang gehandelt
hat, der für sich nicht geeignet gewesen ist, eine strukturelle Nervenschädigung zu bewirken. Hinzu kommt, dass eine primäre
Nervenverletzung grundsätzlich nervale Reiz- und Ausfallerscheinungen unmittelbar nach dem schädigenden Ereignis erwarten
lässt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.). Derartige Ausfallerscheinungen sind in der frühen Diagnostik allerdings durch
nichts belegt. Sie finden sich erst in den Befundberichten des Facharztes für Neurologie F mehrere Wochen nach dem Ereignis.
Auch eine sekundäre Nervenverletzung, die typischerweise erst mit einer Latenz zum Trauma auftritt, und damit als Gesundheitsfolgeschaden
in Betracht käme, erscheint vorliegend nach den überzeugenden Gutachten der Sachverständigen M -C und Dr. H ausgeschlossen.
Voraussetzungen dafür wären - traumatisch bedingte - raumfordernde Prozesse im den Nerven umgebenden Gewebe, hervorgerufen
insbesondere durch Blutergüsse, Knochenbildung (Kallus) nach Knochenbrüchen oder als Spätwirkungen ionisierender Strahlen
(Schönberger/Mehrtens/ Valentin, a.a.O.). Für die Annahme einer derartigen sekundären Schädigung fehlt es an verobjektivierbaren
Gesundheitserstschäden. So hat insbesondere der Durchgangsarzt Prof. Dr. J bei der Vorstellung der Klägerin am Unfalltag keine
Schwellung und keine Frakturen feststellen können. Substanzielle Schwellungen mit der Eignung, Nervenstrukturen dauerhaft
zu schädigen, haben sind auch nach der weiteren Diagnostik nicht aufgetreten.
Demgegenüber gibt es nach überzeugender Darstellung der Sachverständigen M -C und Dr. H substanzielle Hinweise auf unfallunabhängige
Schadensanlagen, die als für die jetzigen Beschwerden der Klägerin wenn nicht allein, so doch jedenfalls im unfallversicherungsrechtlichen
Sinne wesentlich anzusehen sind. So hat Herr M -C unter Bezugnahme auf den Operationsbericht der Neurolyse im Februar 2014
nachvollziehbar auf bei der Klägerin vorliegende anatomische Besonderheit einer Subluxationstendenz des Nervs in der Rinne
sowie zusätzlich eine Einengung des Nervs insbesondere proximal hingewiesen. Der Sachverständige Dr. H hat diesen Befund bestätigt.
Er schreibt die weiteren Beschwerden der Klägerin überzeugend der daraus resultierenden chronischen Nervus-ulnaris-Neuropathie
(Kubitaltunnelsyndrom) zu. Dass die Klägerin bis zum Ereignis vom 27. Dezember 2012 beschwerdefrei war, steht dem nicht entgegen.
Vielmehr stellt sich das Ereignis insoweit - nach der überzeugenden Einschätzung von Dr. H - als rechtlich unwesentliche bloße
Gelegenheitsursache dar.
Demgegenüber vermag das Gutachten von Dr. S , auf das sich das Sozialgericht wesentlich gestützt hat, das erkennende Gericht
nicht zu überzeugen. Dr. S geht selbst davon aus, dass eine direkte Schädigung des Nervus ulnaris durch äußere Gewalteinwirkung
auszuschließen sei. Er selbst hat in seinem Gutachten festgestellt, dass es an zeitnahen neurologischen Reizerscheinungen
fehle und dass sich entsprechende Schädigungszeichen auch bildmorphologisch nicht nachweisen ließen. Dies alles spricht gegen
eine traumatische Verursachung der vorliegend in Rede stehenden Gesundheitsschädigung. Folgerichtig führt Dr. S die Beschwerden
der Klägerin angesichts der seit Längerem ausgeübten repetitiven Tätigkeiten u.a. auf die daraus folgende Überbeanspruchung
der anatomischen Strukturen zurück und geht in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die auch von den anderen Sachverständigen
beschriebenen anatomischen Besonderheiten bei der Klägerin von einer Schadensanlage im Sinne einer klinisch stummen Regelwidrigkeit
aus, die nicht als überwiegende Ursache angesehen werden könne.
Dies ist methodisch aus zweierlei Gründen nicht überzeugend. Zum einen stellt eine Schadensanlage, auch wenn sie bis zu dem
angeschuldigten Ereignis klinisch stumm geblieben ist, nachgerade den Regelfall einer unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten
konkurrierenden Ursache dar, so dass sich der Sachverständige damit hätte auseinandersetzen müssen, warum diese im vorliegenden
Falle gerade nicht als gegenüber einer Bagatelleinwirkung rechtlich wesentlich anzusehen sein sollte. Zum anderen betrachtet
der Sachverständige Dr. S die berufliche Belastung der Klägerin in ihrer Gesamtheit im Sinne einer dauerhaft schädigenden
Einwirkung (Beschäftigungsneuropathie), nicht aber für sich genommen das Ereignis vom 27. Dezember 2012. In diesem Zusammenhang
weist Dr. H auf Seit 47 seines Gutachtens zu Recht darauf hin, dass die (letztlich in Ansätzen von Dr. S beantwortete) Frage,
ob die chronische Vorschädigung allein (oder im unfallversicherungsrechtlichen Sinne wesentlich) auf die berufliche Tätigkeit
zurückgeführt werden kann, eine ganz andere - in Richtung einer möglichen Berufskrankheit oder Wie-Berufskrankheit - zielende
Frage wäre, um die es in diesem Rechtsstreit nicht geht.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §
193 Abs.
1 Satz 1, Abs.
4 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Gründe, gemäß §
160 Abs.
2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.