Voraussetzungen für Einsatz oder Verwertung eigenen Vermögens des Betreuten zur Abgeltung der von Staatskasse übernommenen
Betreuervergütung - Begriff der "baldigen Beschaffung von Wohneigentum"
1. Gemäß §§ 1908i, 1836e Abs. 1 Satz 1
BGB gehen Ansprüche eines Betreuers gegen den Betreuten auf die Staatskasse über, soweit diese den Betreuer hinsichtlich der
ihm wegen der Betreuung zustehenden Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche befriedigt hat. Der Staatskasse steht ein Regressanspruch
zu, wenn sie die Aufwendungsersatz- bzw. die Vergütungsansprüche des Betreuers befriedigt hat, obwohl dem Betreuer insoweit
Ansprüche unmittelbar gegen den Betreuten zustanden. Der Regress setzt die nach §
1836c BGB zu bestimmende Leistungsfähigkeit des Betreuten voraus.
2. In welchem Umfang der Betreute ihm zur Verfügung stehendes Einkommen und Vermögen einzusetzen hat, bestimmt sich nach §
1836c BGB i.V.m. den §§ 84 und 88 BSHG (= § 90 SGB XII). Nach § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG (= § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII) darf die Sozialhilfe vom Einsatz oder von der Verwertung eines sonstigen Vermögens nicht abhängig gemacht werden,
solange dieses nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken
behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet
würde.
3. Der erweiterte Schutz des § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII kann nur demjenigen zugute kommen, der gerade konkret damit befasst
ist, ein Eigenheim im Sinne des Gesetzes zu bauen oder zu erwerben. Wann die Bau- bzw. Erwerbsabsichten bereits konkret genug
sind, die vorhandenen Geldmittel als bereitgestelltes Baugeld anzusehen, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles.
4. Ist aufgrund der tatsächlichen Umstände ungewiss, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Betreuter in Zukunft die Voraussetzungen
für ein selbstständiges Leben in einer eigenen Wohnung erfüllen wird, und sind seit dem Zufluss von Barmitteln aus einer Erbschaft
12 Monate verstrichen, ohne dass konkrete Bemühungen um den Erwerb einer eigenen Wohnung entfaltet worden sind, kann von einer
Bereitstellung des Vermögens zur baldigen Beschaffung von Wohneigentum nicht ausgegangen werden.
Entscheidungsgründe:
I.
Für den Betroffenen besteht seit dem Jahre 1992 eine Betreuung mit den Aufgabenbereichen Gesundheitsfürsorge, Bestimmung des
Aufenthalts und Vermögensangelegenheiten. Zum Betreuer ist der Beteiligte zu 2) ernannt. Der Betroffene lebt seit langen Jahren
in einem Heim. Die Kosten für die Unterbringung des Betroffenen übernimmt der Landschaftsverband, die Kosten der Betreuung
wurden in der Vergangenheit zunächst aus der Staatskasse bestritten.
Der Betroffene war neben seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau Miteigentümer einer Grundbesitzung, die im Zuge der
erfolgten Ehescheidung verwertet worden ist. Dem Betroffenen ist aus dem Erlös von 124.000,- EUR im September 2003 ein Betrag
von ca. 50.000,- EUR zugeflossen. Hiervon stehen außerhalb des Schonvermögens noch ca. 41.000,- EUR zur Verfügung. Weitere
30.000,- EUR sind nach Angaben seiner Verfahrensbevollmächtigten noch zu erwarten. Im Hinblick auf das nunmehr zur Verfügung
stehende Barvermögen lehnte das Amtsgericht eine weitere Vergütung des Betreuers aus der Staatskasse ab. Gleichzeitig ordnete
das Amtsgericht mit Beschluss vom 6. September 2004 den Vermögensrückgriff gemäß §
1836e BGB in Höhe von 40.752,65 EUR an. Durch Bescheid vom 1. September 2004 setzte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe seine Rückforderungsansprüche
für den Zeitraum vom 25. Dezember 2002 bis zum 31. August 2004 auf 45.338,46 EUR fest. Gegen diesen Bescheid legte der Betroffene
Widerspruch ein.
Der Betroffene hat mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 9. September 2004 sofortige Beschwerde gegen den Beschluss
des Amtsgerichts vom 6. September 2004 eingelegt. Er hat die Auffassung vertreten, dass die ihm aus dem Immobilienverkauf
zugeflossenen Gelder als Schonvermögen i.S.d. § 88 Abs. 2 NR. 2 BSHG (= nunmehr: § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII) anzusehen seien. Das Geld solle ihm dazu dienen, eine Eigentumswohnung zur Eigennutzung zu erwerben, sobald sein
Gesundheitszustand es ihm erlaube, selbstständig außerhalb der betreuten Obhut des Heimes zu leben. Sein Gesundheitszustand
habe sich soweit gebessert, so dass er im September 2004 in eine Außenwohngruppe habe wechseln können. Durch Beschluss vom
15. November 2004 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen und die weitere Beschwerde im
Hinblick auf die Frage zugelassen, ob das dem Betroffenen zustehende Vermögen dem Schutz des § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII unterfällt.
Der Betroffene hat mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten rechtzeitig sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss
des Landgerichts eingelegt und im Rahmen der Begründung darauf verwiesen, dass der Landschaftsverband Westfalen-Lippe seine
Bereitschaft erklärt habe, im Juli 2005 seine - des Betroffenen - Wohnfähigkeit außerhalb einer Wohngruppe durch einen Amtsarzt
erneut zu überprüfen.
Der Senat hat eine Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 bei dem Oberlandesgericht eingeholt und den Beteiligten Gelegenheit
gegeben, hierzu ergänzend Stellung zu nehmen.
II.
Die sofortige weitere Beschwerden ist nach den §§ 56g Abs. 5 S. 2, 27, 29 FGG infolge Zulassung durch das Landgericht statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.
In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des mit einer zulässigen Erstbeschwerde befasst gewesenen
Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG.
Das Landgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG (= § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII), welche eine Verwertung des Vermögens verbieten, verneint. Der dem Betroffenen zur Verfügung stehende Barbetrag
diene nicht dem baldigen Erwerb einer Eigentumswohnung. Bevor der Betroffene den Erwerb einer Eigentumswohnung zur Eigennutzung
planen könne, müsse er zunächst noch über einen gewissen Zeitraum unter Beweis stellen, dass er im Stande sei, alleine und
selbstständig zu leben. Darüber hinaus erscheine zweifelhaft, ob im Zeitpunkt der Beschaffung der Wohnung der Betroffene dann
noch als "behinderter Mensch" im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG angesehen werden könne, auch wenn die Voraussetzungen für eine Betreuung weiterhin erfüllt sein sollten.
Gem. §§ 1908i, 1836e Abs. 1 S. 1
BGB gehen Ansprüche des Betreuers gegen den Betreuten auf die Staatskasse über, soweit diese den Betreuer hinsichtlich der ihm
wegen der Betreuung zustehenden Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche befriedigt hat. Der Regress der Staatskasse setzt
voraus, dass die Staatskasse die Aufwendungsersatz- bzw. die Vergütungsansprüche des Betreuers befriedigt hat, obwohl dem
Betreuer insoweit Ansprüche unmittelbar gegen den Betreuten zustanden. Gem. §
1836d BGB i.V.m. § 1908i
BGB gilt der Betreute als mittellos, wenn er den Aufwendungsersatz oder die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder
Vermögen nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten ( Nr. 1 ) oder nur im Wege gerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen
( Nr. 2 ) aufbringen kann. Der Regress gem. § 1908i Abs. 1 S. 1 i.V.m. 1836c, 1836e
BGB setzt die nach §
1836c BGB zu bestimmende Leistungsfähigkeit des Betreuten voraus, wobei für diese Feststellung auf den Zeitpunkt der letzten Tatsacheninstanz
im Festsetzungsverfahren nach §
1836e BGB abzustellen ist (Senat BtPrax 2003, 225).
In welchem Umfang der Betreute das ihm zur Verfügung stehende Einkommen und Vermögen einzusetzen hat, bestimmt sich nach §
1836c BGB i.V.m. den §§ 84 und 88 BSHG (= § 90 SGB XII). Nach § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG (= § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII) darf die Sozialhilfe vom Einsatz oder von der Verwertung eines sonstigen Vermögens nicht abhängig gemacht werden,
solange dieses nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks i.S.d. Nr. 8 der vorgenannten Vorschrift
bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwekken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck
durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde. Die Frage, ob ein bestimmtes Vermögen zur baldigen Beschaffung
eines Hausgrundstücks bestimmt ist, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Nach § 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. §
559 ZPO sind für die Prüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde die in der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerfrei festgestellten
Tatsachen, das heißt der bei Erlass der Beschwerdeentscheidung gegebene Sachverhalt maßgebend. Eine Nachprüfung tatsächlicher
Verhältnis ist in der dritten Instanz somit ausgeschlossen. Die Tatsachenwürdigung des Beschwerdegerichts ist nur darauf nachprüfbar,
ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend ermittelt (§ 12 FGG), sich bei der Beurteilung des Beweisstoffes mit allen wesentlichen Umständen auseinandergesetzt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften (§ 15 FGG) sowie gegen Denkgesetze und zwingende Erfahrungssätze oder den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat (vgl. Keidel/Meyer-Holz,
FG, 15. Aufl., § 27 Rdn. 42). Eine den vorgenannten Grundsätzen entsprechende eingeschränkte Überprüfung des angefochtenen
Beschlusses lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen.
Bei der Auslegung des Begriffs "zur baldigen Beschaffung eines Hausgrundstücks bestimmt" ist der enge sachliche Zusammenhang
zwischen der Nummer 3 und der Nummer 8 des § 90 SGB XII zu beachten. Nach der von Anfang an im damaligen Bundessozialhilfegesetz enthaltenen Regelung in § 88 Abs. 2 Nr. 7 wurden bereits beschaffte Eigenheime bzw. Eigentumswohnungen des Hilfebedürftigen geschützt. Da es in der Folgezeit als unbillig
angesehen wurde, nur die bereits vorhandenen Eigenheime als Schonvermögen anzuerkennen, zum baldigen Erwerb eines solchen
Heims angespartes Vermögen aber nicht, wurde der damalige § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG geschaffen, der nach vorübergehender Streichung mit Wirkung zum 1. Januar 1991 wieder in das Gesetz eingefügt worden ist.
Unter besonderer Berücksichtigung des aufgezeigten engen Sachzusammenhangs kann der erweiterte Schutz des § 90 Abs. 2 Nr.
3 SGB XII nur demjenigen zugute kommen, der gerade konkret damit befasst ist, ein Eigenheim im Sinne des Gesetzes zu bauen
oder zu erwerben. Nur dann wäre es unbillig und ist es zur Vermeidung ansonsten drohender Wertungswidersprüche zwischen den
Alternativen der Nr. 3 und 8 des § 90 Abs. 2 SGB XII geboten, den Zugriff auf angespartes Vermögen zuzulassen. Wann die Bau-
bzw. Erwerbsabsichten bereits konkret genug sind, die vorhandenen Geldmittel als bereitgestelltes Baugeld anzusehen, beurteilt
sich nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. VGH Baden-Württemberg, FEVS 27, 422).
Dass das Landgericht die Bereitstellung des Vermögens zum baldigen Erwerb einer Eigentumswohnung nicht anerkannt hat, weil
dieser zunächst unter Beweis stellen müsse, dass er selbstständig sein Leben bewältigen könne, ist nach Auswertung des zur
Verfügung stehenden Sachverhalts nicht zu beanstanden. Der Betroffene lebte bis zum September 2004 mehr als zehn Jahre in
einem Heim. Der Heimaufenthalt des Betroffenen fand nur deshalb sein Ende, weil dem Betroffenen nach drei vorangegangenen
Abmahnungen im März 2004 der Heimplatz gekündigt worden ist, wie sich unter anderem den Tätigkeitsberichten des Beteiligten
zu 2) entnehmen lässt. Der Betroffene erschien nicht mehr zur Arbeit, ignorierte trotz heftigster Ermahnungen alle Verpflichtungen
im Haus und unterließ die Körperreinigung. Unter diesen Voraussetzungen konnte der möglicherweise bei dem Betroffenen vorhandene
Wunsch nach dem Erwerb einer Eigentumswohnung nur als realitätsfern angesehen werden, zumal seit dem Zufluss des Geldes im
September 2003 bereits ein Jahr verstrichen war, ohne dass konkrete Bemühungen um den Erwerb einer Eigentumswohnung entfaltet
worden sind. Dass der Betroffene seit dem 22. September 2004 in einer Außenwohngruppe lebt, vermag eine wesentlich andere
Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Zwar obliegt es dem Betroffenen nunmehr in eigener Verantwortung die Voraussetzungen dafür
zu schaffen, dass er pünktlich an seiner neuen Arbeitsstelle erscheint. Auch muss er sein Zimmer selbst und die Gemeinschaftsräume
gemeinsam mit den übrigen Bewohnern sauber halten, sowie die Einkäufe und Versorgung mit den übrigen Mitbewohnern erledigen.
Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts lebte der Betroffene aber gerade einmal knapp zwei Monate in der Außenwohngruppe.
Angesichts des vorhergegangenen langjährigen Heimaufenthalts des Betroffenen, der sich bis zum Schluss nicht unproblematisch
gestaltet hat, ist die auf einer unter Auswertung der zur Verfügung stehenden Tatsachen beruhende Prognose des Landgerichts,
der Betroffene müsse sich noch eine gewisse Zeit bewähren, bevor er im Wesentlichen selbstständig in einer eigenen Wohnung
werde leben können, durch die getroffenen Feststellungen jedenfalls hinreichend gestützt. Ob und zu welchem Zeitpunkt der
Betroffene in Zukunft einmal die Voraussetzungen für ein selbstständiges Leben in einer eigenen Wohnung erfüllen wird, ist
im gegenwärtigen Zeitpunkt ungewiss. Dies belegt auch der Umstand, dass die Überlegungen zum Erwerb einer Eigentumswohnung
für den Betroffenen bislang noch nicht das Stadium eines bloßen Gedankenspiels überschritten haben. Welche Art. von Wohnung
der Betroffene zu welchem Preis erwerben möchte, und wie die Finanzierung und Unterhaltung eines solchen Objekts ausgestaltet
werden kann, ist bislang völlig offen. Zur Darlegung hätte aber insoweit aber besondere Veranlassung bestanden, zumal nach
dem Erkenntnisstand des Senats der Betroffene nur über eher bescheidene Renteneinkünfte verfügt und darüber hinaus wohl noch
vorhandenen Kindern aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet ist.
Soweit der Betroffene mit der Beschwerdebegründung vorgetragen hat, dass möglicherweise schon ein im Juli von der Landesversicherungsanstalt
Westfalen-Lippe einzuholendes Gutachten eines Sachverständigen zeigen wird, dass er die erforderliche Wohnfähigkeit aufweise,
kann dieser Umstand im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden. Dies stellte eine neue Tatsache dar, die im
Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich weder durch die Beteiligten noch durch das Gericht der weiteren Beschwerde eingeführt
werden kann (§§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG,
559 ZPO). Der Betroffene erstrebt im Ergebnis nur die Hinauszögerung einer Sachentscheidung in der Hoffnung, dass in Zukunft ihm
günstige Tatsachen eintreten werden.