Gesetzliche Vertretung des minderjährigen Kindes in Unterhaltsrechtsstreitigkeiten
Gründe:
1. Die Beschwerde ist zulässig (§§
127 Abs.
2,
567 ff.
ZPO). Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger zu 1) und 2) ist selbst nicht beschwerdeberechtigt (Zöller-Philippi,
ZPO, 19. Auflage, RdNr. 30 zu §
127). Es stellt sich daher bereits hier die Frage, ob die minderjährigen Kläger zu 1) und 2), für die das Sorge- und damit auch
das Vertretungsrecht (§
1671 Abs.
1
BGB) der Klägerin zu 3) und dem Beklagten gemeinsam zusteht, im vorliegenden Beschwerdeverfahren ordnungsgemäß durch die Klägerin
zu 3) allein vertreten sind, in deren Obhut (Münchener Kommentar (-Hinz),
BGB, 3. Auflage, RdNr. 36 zu §
1629; Soergel (Strötz),
BGB, 12. Auflage, RdNr. 42 zu §
1629; §
42
SGB VIII) sich die Kläger zu 1) und 2) befinden. Ob der gemeinsam mit der Klägerin zu 3) vertretungsberechtigte
Vater die Prozeßführung genehmigt hat, ist dabei ohne Bedeutung, da er nach §
181
BGB im Prozeß gegen sich selbst an der Vertretung der Kläger gehindert ist. Da keine tatsächliche Verhinderung vorliegt und die
Vorschrift nicht gilt, wenn, wie hier, den Eltern das Sorgerecht nach §
1671
BGB übertragen wurde, kommt auch §
1578 Abs.
1
BGB nicht zur Anwendung. Doch ergibt sich die Vertretungsbefugnis der Klägerin zu 3) aus einer entsprechenden Anwendung von §
1629 Abs.
2 Satz 2
BGB.
Das Familiengericht weist zwar zutreffend darauf hin, daß die Bestimmung des §
1629 Abs.
2 Satz 2
BGB nach ihrem Wortlaut nur für die Zeit des Getrenntlebens der Eltern gilt. Auch ist es richtig, daß §
1629 Abs.
2
BGB durch Gesetz vom 20. Februar 1986 (BGBl. 1986 I 301) neu gefaßt wurde, also nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 3. November 1982 (FamRZ 1982, 1179), das §
1671 Abs.
4 Satz 1
BGB für mit Art.
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GG unvereinbar und daher insoweit nichtig erklärt hat, gleichwohl aber die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes
gegen den anderen Ehegatten in den Fällen, in denen das Sorgerecht nach der Scheidung beiden Ehegatten gemeinschaftlich zusteht,
nicht geregelt hat.
Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß im vorliegenden Fall die Geltendmachung des Kindesunterhalts nur auf dem Umweg
über die Bestellung eines Ergänzungspflegers möglich ist (so allerdings OLG Frankfurt FamRZ 1993, 228; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 2. Auflage, Teil III RdNr.
117). Auch bei der Neufassung des §
1629 Abs.
2 Satz 2
BGB hat der Gesetzgeber nämlich ersichtlich nicht nur das Ziel verfolgt, die Kinder aus dem Scheidungskonflikt der Eltern herauszuhalten,
sondern auch eine schnelle und einfache Abwicklung der Unterhaltsansprüche der Kinder im Konflikt der Eltern ermöglichen wollen.
Wenn daher der umfangreiche Katalog in §
1629 Abs.
2 Satz 2
BGB keine Bestimmung für den Fall der fehlenden Sorgerechtsentscheidung oder des gemeinschaftlichen Sorgerechte nach der Scheidung
enthält, liegt eine Gesetzeslücke vor, die einer Ausfüllung durch entsprechende Anwendung der bestehenden Vorschriften zugänglich
ist. Dementsprechend hält auch die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur die analoge Anwendung von §
1629 Abs.
2 Satz 2
BGB auf Fälle der vorliegenden Art für möglich und geboten (OLG Stuttgart FamRZ 1986, 595; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 767; Palandt-Diederichsen,
BGB, 54. Auflage, RdNr. 19 zu §
1629; Soergel(-Strätz),
BGB, 12. Auflage, RdNr. 46 zu §
1629; Staudinger,
BGB, 12. Auflage, RdNr. 190 zu §
1671 und RdNr. 328 zu § 1629; RGR Kommentar/Wenz, 12. Auflage, RdNr. 30 zu § 1629; Johannsen/Henrich (-Jäger), Eherecht, 2. Auflage,
RdNr. 85 zu § 1671 (m.w.N.); Hochgräber in FamGB, RdNr. 22 zu § 1629; Rolland, 1. EheReformG, 2. Auflage, RdNr. 12 zu § 1629; Maurer FamRZ 1993, 263). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Damit sind die Kläger zu 1) und 2) im vorliegenden Beschwerdeverfahren durch die Klägerin zu 3) ordnungsgemäß gesetzlich vertreten.
2. Gleiches gilt für die Vertretung der Kläger zu 1) und 2) im Verfahren zur Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche, im Ausgangsverfahren,
in dem das Familiengericht Prozeßkostenhilfe nur unter Hinweis auf ihre angeblich fehlende gesetzliche Vertretung mangels
Erfolgsaussicht versagt hat.
Nach dem Bescheid des Landratsamtes ... vom 5. Juli 1994 beziehen die Kläger zu 2) und 3) Sozialhilfe in Höhe von je DM 299,--,
nachdem ihr Bedarf auf Grund sozialhilferechtlicher Vorschriften von monatlich DM 471,-- um Leistungen für Kinder in Höhe
von DM 172,-- gekürzt wurde. Um welche Art Leistungen für Kinder es sich dabei handelt, ist nicht vorgetragen. Mit Schreiben
vom 19. Juli 1994 hat das Landratsamt die auf dieses nach § 91
BSHG übergegangenen Unterhaltsansprüche der Kinder auf die Klägerin zu 3) zurückübertragen. Diese Rückübertragung ist nach der
wohl herrschenden Meinung (BGH FamRZ 1994, 1531; OLG München FamRZ 1994, 1531; und EzFamR (aktuell) 1995, 70; OLG Köln FamRZ 1994, 970; OLG Hamm EzFamR aktuell 1994, 250; OLG Karlsruhe EzFamR aktuell 1995, 44; KG EzFamR aktuell 1995, 88; Seetzen NJW 1994,
2506; Scholz FamRZ 1994, 1 ff.; Vogel FamRZ 1994, 967; Schellhorn FuR 1993, 261; Wohlgemuth, FamRZ 1995, 333) unzulässig und unwirksam. Ob die (unwirksame) Rückübertragung in eine Einziehungsermächtigung mit gewillkürter Prozeßstandschaft
umgedeutet werden kann, erscheint fraglich, sie wäre auch nur insoweit zulässig, als ein berechtigtes Interesse der Kläger
zu 2) und 3) an einer solchen Einziehungsermächtigung besteht, etwa weil ihr Unterhaltsanspruch höher als die geleistete Sozialhilfe
ist (OLG München FamRZ 1994, 1531; OLG Koblenz FamRZ 1995, 169; Künkel FamRZ 1994, 540 ff.; Wohlgemuth a.a.O.). Diese Frage läßt sich wegen fehlender Darlegung der Kläger über die Herkunft der "Leistungen für
Kinder" derzeit nicht beantworten.
Für die Zeit bis zur Rechtshängigkeit (§§
261 Abs.
1,
253 Abs.
1
ZPO) bietet daher die Klage derzeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Ab der bisher noch nicht eingetretenen Rechtshängigkeit verbleibt den Klägern zu 1) und 2), die ordnungsgemäß durch die Klägerin
zu 3) vertreten sind, die Klagebefugnis in voller Höhe ihrer Unterhaltsansprüche. Insoweit wird das Familiengericht die bisher
noch nicht erfolgte materiell-rechtliche Prüfung der Höhe der Unterhaltsansprüche der Kläger zu 1) und 2) noch vorzunehmen
haben, ebenso wie für die Klägerin zu 3), über deren Prozeßkostenhilfeantrag noch nicht entschieden ist.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§§
118 Abs.
1 Satz 4
ZPO, 49
GKG). Da die Kläger zu 1) und 2) mit ihrer Beschwerde Erfolg hatten, ist eine Gebühr nach Nr. 1905 KV nicht zu erheben.