Behandlung eines Lipo-Lymphödems mit einer stationären Liposuktion
Retrospektive Einzelfallprüfung
Einheitlicher Prüfungsmaßstab
Wiederaufleben der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage
Gründe:
I
Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren, sie zur Behandlung eines Lipo-Lymphödems
mit einer stationären Liposuktion zu versorgen, bei der Beklagten und den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat -
teils unter Bezugnahme auf die Begründung im SG-Urteil - ausgeführt, es fehle an einem wissenschaftlichen Nachweis der Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion im Sinne
des §
2 Abs
1 S 3
SGB V. Das Qualitätsgebot sei auch bei einer stationären Behandlung zu beachten. §
137c SGB V schränke dessen Geltung im stationären Bereich nicht ein (Urteil vom 19.2.2015).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 S 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung
und der Divergenz.
1. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten
Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB
BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).
Die Klägerin formuliert die Frage,
"Hat ein gesetzlich Krankenversicherter einen Leistungsanspruch auf die Durchführung einer Liposuktion, sofern eine stationäre
Behandlungsbedürftigkeit von medizinischer Seite positiv festgestellt worden ist, solange kein Verbot (Negativattest) des
Gemeinsamen Bundesausschusses vorliegt oder zumindest ein Leistungsträger der gesetzlichen Krankenversicherung initiativ einen
entsprechenden Antrag nach §
137c SGB V beim Gemeinsamen Bundesausschuss gestellt hat."
Der Senat lässt offen, ob die Klägerin damit eine Rechtsfrage klar formuliert hat. Jedenfalls legt sie deren Klärungsbedürftigkeit
nicht hinreichend dar. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung
nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt"
ist (vgl zB BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Die Klägerin verweist selbst auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 17.12.2013 (BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 15 ff mwN), wonach im Falle einer stationären Behandlung bis zum Erlass eines Verbots nach §
137c SGB V retrospektiv eine Einzelfallprüfung stattfindet. Dabei ist nach der vorgenannten Entscheidung der Vorschrift des §
2 Abs
1 S 3
SGB V der einheitliche Prüfungsmaßstab sowohl für den ambulanten als auch für den stationären Bereich zu entnehmen. Die Klägerin
legt nicht hinreichend dar, wieso danach in rechtlicher Hinsicht noch Klärungsbedarf verblieben ist. Sie übt lediglich Kritik
daran, dass weder die Beklagte noch eine andere KK einen Verbotsantrag beim Gemeinsamen Bundesausschusses gestellt hat und
deshalb den Sozialgerichten die Einzelfallprüfung obliegt.
Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der
Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht
werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 7). Daran fehlt es. Wie dargelegt moniert die Klägerin lediglich, dass nach ihrer Auffassung die derzeitige
Situation dem Gestaltungsgefüge und der vorgesehenen Aufgabenstellung der einzelnen Beteiligten widerspricht.
2. Die Klägerin legt auch den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) nicht in einer den Anforderungen des §
160a Abs
2 S 3
SGG entsprechenden Weise dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss
entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in dem herangezogenen
höchstrichterlichen Urteil andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen
(vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig
angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt
hat; nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet
die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 19.2.2013 - B 1 KR 24/12 B - Juris RdNr 8 mwN).
An der Darlegung eines vom LSG bewusst abweichend von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatzes fehlt
es. Die Klägerin behauptet, das LSG habe zum Urteil des erkennenden Senats vom 17.12.2013 (BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4) keine Stellung genommen und die Anforderungen an den Nachweis der Wirksamkeitsvoraussetzungen überspannt.
Damit übt sie aber nur Kritik an der LSG-Entscheidung und rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung, die eine Divergenz nicht
begründen kann (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.