Leistungen der Pflegeversicherung
Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache
Voraussetzungen der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage
Gründe:
I
In der Hauptsache begehrt der Kläger Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I ab September 2009. Sein Begehren
ist im Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren erfolglos geblieben (Bescheid vom 25.5.2010 idF des Widerspruchsbescheides
vom 4.8.2010, Gerichtsbescheid des SG Lüneburg vom 3.8.2012, Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 9.10.2013). Dem lagen
insbesondere ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 17.5.2010 zugrunde, in welchem ein
Hilfebedarf für die Verrichtungen der Grundpflege von 29 Minuten täglich festgestellt worden war, sowie ein vom Berufungsgericht
in Auftrag gegebenes Gutachten vom 12.8.2013, in dem der tägliche Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege auf 41 Minuten eingeschätzt
worden war, sowie weitere ärztliche Unterlagen. An der vom Kläger im Klage- und Berufungsverfahren geltend gemachten Blindheit,
weshalb er die gerichtlichen Unterlagen nicht lesen könne und sich die Schriftsätze von einer Laienhilfe fertigen lasse, hat
das Berufungsgericht Zweifel geäußert und von einer anderen Form der Zugänglichmachung der gerichtlichen Unterlagen im Hinblick
auf die zur Verfügung stehende Laienhilfe abgesehen. Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision
im Urteil des LSG vom 9.10.2013 hat der erkennende Senat dieses Urteil wegen einer Verletzung der Vorschrift des §
191a GVG iVm der Verordnung zur barrierefreien Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Personen in gerichtlichen
Verfahren (Zugänglichmachungsverordnung - ZMV) vom 26.2.2007 (BGBl I 215) aufgehoben und den Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen
(Beschluss vom 18.6.2014). Bei Zweifeln an der Blindheit bzw an einer entsprechenden Sehbehinderung des Klägers hätte sich
das Berufungsgericht zu weiterer Aufklärung veranlasst sehen müssen, weil die Möglichkeit, eine Laienhilfe heranzuziehen,
kein ausreichender Ersatz für eine barrierefreie Zugänglichmachung von Dokumenten sei.
Im zurückverwiesenen Berufungsverfahren hat das LSG Niedersachsen-Bremen die Berufung des Klägers mit Urteil vom 4.2.2015
erneut zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Es hat ausführlich seine Überzeugung von der Prozessfähigkeit des
Klägers begründet und die Gewährung von Pflegeleistungen aufgrund der vorliegenden Gutachten und medizinischen Unterlagen
abgelehnt. Schließlich ist das LSG zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht blind sei. Das Merkzeichen "BL" sei ihm
mit Bescheid vom 8.2.2010 idF des Widerspruchsbescheides vom 27.6.2010 entzogen worden. Auch eine dagegen gerichtete Klage
sei im Berufungsverfahren erfolglos geblieben (Urteil vom 1.4.2014 - L 5 SB 142/12), weil nach beigezogenen Unterlagen betreffend den Zeitraum vom 15.4.2004 bis Februar 2010 ua der Kläger vom Landkreis als
verantwortlicher Fahrzeugführer ermittelt worden sei.
Der Kläger beantragt, ihm für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des
LSG vom 4.2.2015 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlungsverpflichtung zu bewilligen und ihm Rechtsanwältin C beizuordnen.
Er legt diese Beschwerde zugleich selbst ein und beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er macht
geltend, die Urteile des LSG seien ua fehlerhaft, benachteiligend und anhörungswidrig. Die mündliche Verhandlung sei heimlich
durchgeführt worden. Das Berufungsgericht sei seiner Amtsermittlungspflicht nicht nachgekommen und habe kein fachärztliches
Pflegegutachten und kein augenärztliches Gutachten eingeholt. Es habe auch nicht alle ärztlichen Unterlagen berücksichtigt.
Schließlich habe er der Übertragung auf den Einzelrichter widersprochen. Die Urteilsbegründung sei falsch und die zugrunde
liegenden Behauptungen frei erfunden. Zudem habe das LSG Anträge auf Terminverschiebungen, Akteneinsicht und Übersendung in
einer dem §
191a GVG entsprechenden Form nicht beachtet.
II
1. Nach §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §§
114,
121 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Es kann offenbleiben, ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage wäre, die Kosten
für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts selbst aufzubringen. PKH kann ihm jedenfalls nicht bewilligt werden, weil die
beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass
einer der in §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG abschließend aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision von einem Bevollmächtigten mit Erfolg gerügt werden und auch
tatsächlich vorliegen könnte.
Gemäß §
160 Abs
2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOBG oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Bestimmte Verfahrensrügen sind nur eingeschränkt oder gar nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu begründen (§
160 Abs
2 Nr
3 2. Halbsatz
SGG).
Nach der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten des beabsichtigten Rechtsmittels liegt keiner
der Zulassungsgründe des §
160 Abs
2 SGG vor.
a) Die Sache bietet keine Hinweise auf eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Die Revision kann wegen grundsätzlicher Bedeutung nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache eine klärungsbedürftige Rechtsfrage
aufwirft. Fragen, die bereits höchstrichterlich entschieden sind, sind regelmäßig nicht mehr klärungsbedürftig (vgl Leitherer
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160 RdNr 6 ff mwN). Auch bei Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung ist die Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig, wenn
ihre Beantwortung praktisch außer Zweifel steht oder so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 17 mwN). Es ist nicht erkennbar, dass im Rechtsstreit des Klägers eine solche grundsätzliche Rechtsfrage von Bedeutung
sein könnte. Ob der Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung erfüllt, hängt maßgeblich
davon ab, ob er im wöchentlichen Tagesdurchschnitt einen Pflegebedarf von mindestens 90 Minuten hat, wobei auf die Grundpflege
mehr als 45 Minuten entfallen müssen (§
15 Abs
3 SGB XI). Dies ist eine Tatsachenfrage, die nur bezogen auf den Einzelfall des Klägers geklärt werden kann. Eine Frage von grundsätzlicher
Bedeutung ist hier nicht erkennbar.
b) Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) könnte nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, denn das LSG weicht in der angefochtenen Entscheidung nicht von höchstrichterlicher
Rechtsprechung ab.
c) Das Berufungsverfahren weist ferner keine die Zulassung der Revision begründenden Verfahrensmängel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG auf. Insbesondere bestehen keine Hinweise darauf, dass das LSG seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§
103 SGG) oder den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§
62 SGG) verletzt haben könnte. Das Berufungsgericht hat ein umfangreiches Gutachten zur Pflegebedürftigkeit des Klägers erstellen
lassen und sich bei seiner Einschätzung, dass der Kläger nicht den erforderlichen Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege
von mehr als 45 Minuten täglich hat, insbesondere von diesem Gutachten sowie von dem insoweit übereinstimmenden Gutachten
des MDK überzeugen lassen. Das Berufungsgericht hielt die Gutachten für schlüssig und nachvollziehbar, und der Kläger hat
keine Tatsachen vorgetragen, die Anlass für weitere Ermittlungen geboten hätten. Bei dieser Sachlage musste sich das LSG nicht
zu weiteren Ermittlungen gedrängt sehen. Der Kläger gibt insbesondere nicht an, welche Angaben des LSG konkret frei erfunden
sein sollten, wie die Tatsachen im Einzelnen richtigzustellen seien und ob die Feststellung, dass er vom Landkreis als verantwortlicher
Fahrzeugführer ermittelt wurde, falsch sei.
Ausweislich der Verfahrensakte ist der Kläger mit Schreiben vom 9.1.2015 zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 4.2.2015
geladen worden. Die Ladung ist ihm am 14.1.2015 zugestellt worden. Ein Antrag auf Terminverschiebung oder auf Akteneinsicht
liegt bezüglich des zurückverwiesenen Rechtsstreits nicht vor. Das Berufungsgericht durfte auch in Abwesenheit des Klägers
entscheiden, da er ordnungsgemäß vom Termin zur mündlichen Verhandlung benachrichtigt und auf die Möglichkeit einer Entscheidung
auch im Falle seines Ausbleibens hingewiesen worden war (§
110 Abs
1, §§
126,
153 Abs
1 SGG). Schließlich durfte die Berichterstatterin des LSG nach §
153 Abs
5 SGG auch ohne Zustimmung des Klägers zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden.
Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des LSG ist der Kläger nicht blind oder sehbehindert iS des §
191a GVG iVm der Verordnung zur barrierefreien Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Personen in gerichtlichen
Verfahren (Zugänglichmachungsverordnung - ZMV) vom 26.2.2007 (BGBl I 215), sodass hierauf weder ein Anhörungsfehler noch ein
sonstiger Verfahrensmangel gestützt werden kann.
2. Die vom Kläger selbst erhobene Beschwerde entspricht nicht der gesetzlichen Form und muss deshalb durch Beschluss ohne
Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig verworfen werden (§
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG), weil sie nicht durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist. Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht
ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.