Ruhen des Anspruchs auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem Beitragsrückstand bei Wechsel der Krankenkasse;
Tatsachenangaben im Sinne des § 106a Abs. 2 Nr. 1 SGG
Tatbestand
Der Kläger wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen das Ruhen des Leistungsanspruchs in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Nach dem Ausscheiden aus seinem bisherigen Arbeitsverhältnis war der Kläger bei der BKK Gesundheit (Rechtsvorgängerin der
Beigeladenen) ab dem 01.01.2008 nach §
5 Abs
1 Nr
13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) pflichtversichert. Die BKK Gesundheit erließ darauf am 06.05.2008 einen Beitragsbescheid, wonach die Mitgliedschaft des
Klägers auch nach dem 31.12.2007 bestehen bleibe. Die Beiträge für die Mitgliedschaft würden nach den Einnahmen zum Lebensunterhalt
bemessen. Danach würden sich folgende Monatsbeiträge ergeben:
Krankenversicherung
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115,14 EUR
|
Pflegeversicherung
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14,08 EUR
|
Beitrag insgesamt
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129,22 EUR
|
In der Zeit vom 01.01.2008 bis 31.03.2008 seien Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung iHv 387,66 EUR zur Zahlung fällig.
Der Beitragsberechnung liege ein Einkommen iHv 828,33 EUR zugrunde. Zahltag für die Beiträge sei der 15. eines Monats für
den Vormonat.
Mit Schreiben vom 19.05.2008 mahnte die BKK Gesundheit rückständige Beiträge, Säumniszuschläge und Mahngebühren iHv insgesamt
538,18 EUR an. Weiter war ausgeführt, dass der Leistungsanspruch ruhe, wenn für mindestens zwei Monate die fälligen Beiträge
nicht entrichtet worden seien. Eine Leistungsgewährung sei dann nicht mehr möglich. Es wurde darum gebeten, den gesamten Rückstand
innerhalb einer Woche zu überweisen.
Mit Bescheid vom 03.06.2008 stellte die BKK Gesundheit das Ruhen von Leistungsansprüchen ab dem dritten Tag nach Zugang des
Bescheides fest. Der Leistungsanspruch eines Versicherten in der Krankenversicherung ruhe, wenn für mindestens zwei Monate
die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet worden sei. Der Bescheid vom 03.06.2008 wurde ausweislich
der Postzustellungsurkunde am 05.06.2008 in der zur Wohnung L. Str ..., ... W. gehörenden, mit dem Namen des Klägers versehenen,
Briefkasten eingelegt.
In der Folge erließ die BKK Gesundheit zahlreiche weitere Mahnschreiben an den Kläger.
Ab dem 01.11.2011 wechselte der Kläger als Mitglied zur Beklagten.
Mit Schreiben vom 11.11.2011 teilte ihm die Beklagte mit, dass sie von der BKK Gesundheit hinsichtlich Beitragsrückstände
unterrichtet worden sei. Der Leistungsanspruch ruhe nach §
16 Abs
3a SGB V nach Zugang dieses Schreibens. Der Leistungsanspruch ruhe solange, bis alle rückständigen Beiträge gezahlt würden oder Hilfebedürftigkeit
im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches bestehe. Für Leistungen zur Behandlung bei akuter Erkrankung und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft
könne die beigefügte Bescheinigung zur Vorlage beim Arzt genutzt werden.
Hiergegen legte der Kläger am 24.11.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung trägt er vor, dass er keine Mitteilung über Beitragsrückstände
und auch keine Mahnung erhalten habe. Ein Brief der Beigeladenen sei bei ihm niemals eingegangen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung
ruhe der Anspruch auf Leistung, wenn Versicherte mit einem Betrag iHv Beitragsanteilen für zwei Monaten im Rückstand seien
und trotz Mahnung nicht zahlten. Bei einem Wechsel der Krankenkasse habe die aufnehmende Krankenkasse, wenn die abgebende
Krankenkasse über Beitragsrückstände informiere, das Ruhen des Anspruchs festzustellen und hierüber einen Verwaltungsakt zu
erlassen. Der Anspruch auf Leistung ruhe bei einem Wechsel des Versicherungsverhältnisses weiter.
Hiergegen hat der Kläger am 27.02.2012 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben. Zum einen trägt er vor, dass er bis zum heutigen Tag keine Mitteilung der Beklagten über irgendwelche
geschuldeten Beiträge erhalten habe. Ein Ruhenstatbestand sei deshalb nicht gegeben. Im Übrigen seien die Krankenkassen eigenständige
Körperschaften des öffentlichen Rechts. Selbst wenn daher Beitragsrückstände gegenüber der Beigeladenen bestanden hätten und
das Ruhen von dieser tatsächlich durch den Bescheid vom 03.06.2008 festgestellt worden wäre, würde dies keine Auswirkungen
auf die gegenüber der Beklagten bestehenden Ansprüche haben können.
Nachdem der Kläger vorgetragen hat, dass er unter der zugestellten Adresse einen Bescheid nicht erhalten habe, hat das SG den Kläger aufgefordert, den genauen Zeitpunkt des Wegzuges aus der Wohnung L. Str ..., die Anschrift der neuen Wohnung sowie
Namen und Anschrift des Vermieters der Wohnung L. Str ... sowie der neuen Wohnung mitzuteilen. Dem Kläger wurde eine Frist
bis zum 16.11.2012 gesetzt. Die Frist wurde mit Verfügung vom 26.11.2012 bis zum 17.12.2012 verlängert. Die erbetenen Angaben
wurden vom Kläger nicht gemacht.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.02.2013 hat daraufhin das SG die Klage abgewiesen. Die Beigeladene habe durch einen bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 03.06.2008 das Ruhen der Leistungsansprüche
des Klägers festgestellt. Dieser Bescheid sei ausweislich der Postzustellungsurkunde in den zur Wohnung L. Str ... in W. gehörenden
Briefkasten eingelegt worden. Soweit der Kläger vortrage, dass er den Brief nicht erhalten habe, sei die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde
nicht entkräftet worden, da es an einer plausiblen, schlüssigen Darstellung des Klägers fehle, wann und wohin er verzogen
sei. Weder zum genauen Zeitpunkt des Verzugs noch zur neuen Wohnanschrift habe er konkrete Angaben gemacht. Die bestandskräftige
Feststellung des Ruhens der Leistungsansprüche nach §
16 Abs
3a SGB V halte die rechtliche Wirkung auch im Falle eines Wechsel der Krankenkasse im Übrigen bei. Der Gerichtsbescheid wurde dem
Klägervertreter am 16.02.2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
Am 15.03.2013 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des SG Freiburg beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung
eingelegt. Zur Begründung wurde das bisherige Klagevorbringen wiederholt. Darüber hinaus wurde der Mietvertrag für Gewerberäume
zwischen H. R., L. Str ..., ... W. und Herrn G. B., L. Str ...,. W. über drei Büroräume, ein WC und einen PKW-Stellplatz ab
01.01.2008 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14.02.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.11.2011 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 17.02.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Verfügung vom 15.11.2013 wurde der Kläger aufgefordert, bis zum 30.12.2013 folgende Unterlagen vorzulegen:
-
Nachweis über den Umzug innerhalb W. sowie den Umzug nach S. durch die Vorlage der Belege über Umzugskosten, die jeweiligen
Mietverträge sowie die Ummeldungen
-
Angabe des Namens des bisherigen Vermieters in der L. Str ..., ... W., des Vermieters der nachfolgenden Wohnung in W. und
des Vermieters in S ...
Weiter wurde darauf hingewiesen, dass für die Entkräftung der Indizwirkung der Postzustellungsurkunde ein schlüssiger Vortrag
erforderlich sei. Nur in diesem Fall könne die Bestandskraft des Bescheides vom 03.06.2008 in Zweifel gezogen werden und insbesondere
die Problematik des Zugangs des Mahnschreibens vom 19.05.2008 als Voraussetzung für das Ruhen erörtert werden. Des Weiteren
wurde der Kläger aufgefordert anzugeben, ob er im Zeitraum bis 31.10.2011 Beiträge an die Beigeladene gezahlt hat oder ob
an eine andere Krankenkasse gezahlt wurde. Des Weiteren wurde um Mitteilung gebeten, ob an die Beklagte Beiträge seit dem
01.11.2011 gezahlt werden. Mit Schreiben vom 07.01.2013 wurde an die Erledigung der gerichtlichen Verfügung vom 15.11.2013
erinnert. Mit Schreiben vom 03.02.2014 wurde nochmals an die Erledigung erinnert und eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Mit
Schreiben vom 25.04.2014 teilte der Klägervertreter mit, dass das Schreiben vom 15.11.2013 leider bei dem Kläger in Verstoß
geraten sei. Dieses werde nochmals übersandt und die Unterlagen so schnell als möglich zugesandt. Mit Verfügung vom 25.02.2014
wurde eine letzte Frist bis zum 31.03.2014 zur Vorlage der mit Verfügung vom 15.11.2013 erbetenen Unterlagen sowie der Mitteilung
von Zahlungen an die Beigeladene oder eine andere Krankenkasse bzw von Zahlungen an die Beklagte ab dem 01.11.2011 gesetzt.
Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass innerhalb dieser Frist nach §
106a Abs
2 Nr
1 und
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Tatsachen und Urkunden anzugeben bzw vorzulegen seien. Der Kläger wurde darüber belehrt, dass der Senat Erklärungen, die
erst nach Ablauf der Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden kann, wenn ihre Zulassung
nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und der Kläger die Verspätung nicht
genügend entschuldigte.
Eine Vorlage erfolgte jedoch nicht. Mit Fax vom 26.05.2014 wurde lediglich Herr F. als früherer Nachbar als möglicher Zeuge
benannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und Beigeladenen sowie die Gerichtsakte
erster Instanz sowie die Gerichtsakten des LSG verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet
(§§
153 Abs
1,
124 Abs
2 SGG), hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§
151 Abs
1 SGG) und statthafte (§
143 SGG) Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 11.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.02.2012 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach §
16 Abs
3a Satz 1
SGB V ruht der Anspruch auf Leistungen für nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) Versicherte, die mit einem Betrag iHv Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand sind und trotz Mahnung nicht zahlen,
nach näherer Bestimmung des § 16 Abs 2 KSVG. Gem. §
16 Abs
3a Satz 2
SGB V gilt entsprechendes für Mitglieder nach den Vorschriften des
SGB V, die mit einem Betrag iHv Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand sind und trotz Mahnung nicht zahlen. Ausgenommen
sind Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach den §§
25 und
26 SGB V und Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich
sind; das Ruhen endet, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind oder
wenn Versicherte hilfebedürftig im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches werden.
Während das Ruhen gemäß §
16 SGB V grundsätzlich kraft Gesetzes eintritt, muss in den Fällen des §
16 Abs
3a SGB V - Ruhen wegen Beitragsrückstandes - für den Eintritt des Ruhens ein entsprechender feststellender Verwaltungsakt der Krankenkasse
erlassen werden, da dieser ausdrücklich vorgeschrieben ist (Peters, in KassKomm § 16 RdNr 27).
Im vorliegenden Fall hat die Beigeladene mit bestandskräftigem Bescheid vom 03.06.2008 das Ruhen nach §
16 Abs
3a Satz 2
SGB V festgestellt. Dieser Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 05.06.2008 wirksam bekannt gegeben und wurde
damit mit Ablauf des 05.07.2008 bestandskräftig.
Soweit der Kläger vorträgt, dass er weder das Mahnschreiben noch den besagten Bescheid erhalten habe, da er zum Zeitpunkt
des Einwurfs in den Briefkasten unter der Adresse "L. Str ..., ... W." nicht mehr wohnhaft gewesen sei, hat er die Beweiskraft
der Postzustellungsurkunde nicht erschüttert. Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde (§
418 ZPO) erstreckt sich zwar nicht auf die Tatsache, dass ein Zustellungsempfänger unter der Zustellungsanschrift wohnt. Die Erklärung
des Zustellers, dass er einen Zustellungsadressat in seiner Wohnung nicht angetroffen hat, ist jedoch ein beweiskräftiges
Indiz dafür, dass der Zustellungsempfänger unter der Wohnanschrift wohnt (Bundesverfassungsgericht 03.06.1991, 2 BvR 511/89). Die Annahme einer solchen Indizwirkung ist aufgrund der täglichen Erfahrung gerechtfertigt, die Gerichte und Behörden mit
der Postzustellung machen. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass der Zustellungsempfänger dort wohnt, wo der Zusteller
die Niederlegungsnachricht hinterlassen hat, und deswegen in der Lage ist, sich die zur Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches
Gehör erforderliche Kenntnis von dem niedergelegten Schriftstück verschaffen kann (BVerfG aaO). Diese Indizwirkung kann nur
durch eine plausible, schlüssige Darstellung entkräftet werden.
Der Kläger macht zwar geltend, er habe den Brief nicht erhalten. Er sei zunächst innerhalb W. und später von W. nach S. verzogen.
Die vom Gericht hierzu geforderten Unterlagen hat er jedoch nicht vorgelegt. Der Kläger behauptet daher lediglich pauschal,
verzogen zu sein. Weder zum genauen Zeitpunkt des Verzugs noch zur neuen Wohnanschrift macht er umfassende und konkrete Angaben.
Damit ist die von der Postzustellungsurkunde ausgehende Indizwirkung nicht entkräftet. Dies gilt auch hinsichtlich des vorgelegten
Mietvertrags im Berufungsverfahren. So hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Mietvertrag lediglich
um einen Mietvertrag über Gewerberäume handelt, wonach drei Gewerberäume angemietet werden. Nachdem im Titelfeld auch ausdrücklich
der Begriff "Wohnung" durchgestrichen und durch Gewerberäume ersetzt wurde, sieht das Gericht nicht, dass der vorgelegte Mietvertrag
ein Beleg für eine Aufgabe der Wohnung in der L. Str ... begründen kann. So lässt sich dem Mietvertrag lediglich entnehmen,
dass der Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags noch seine Wohnanschrift in der L. Str ..., ... W. inne hatte,
wobei der Mietvertrag im Übrigen auch nicht erkennen lässt, wann er tatsächlich abgeschlossen wurde.
Das Gericht war nicht verpflichtet, den vom Klägervertreter mit Schriftsatz vom 26.05. 2014 benannten Zeugen zu vernehmen
und hierzu die Sitzung zu vertagen. Nach §
106a Abs.
3 SGG kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach §
106a Abs.
2 SGG gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung nach der
freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend
entschuldigt und der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Hier liegt eine Fristsetzung nach §
106a Abs.
2 SGG vor; ein Vortrag erfolgte innerhalb dieser Frist nicht. Eine Zulassung würde nach der freien Überzeugung des Gerichts die
Erledigung des Rechtsstreits verzögern. Eine Belehrung liegt vor.
Nach §
106a Abs.
2 Nr.
1 SGG kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen.
Hier wurde die Klägerin zunächst mit Verfügung vom 15.11.2013, 07.01.2014 und 03.02.2014 dazu aufgefordert, Unterlagen vorzulegen
und schlüssig vorzutragen. Eine Stellungnahme erfolgte nicht. Es wurde vielmehr mit Schreiben vom 25.02.2014 mitgeteilt, dass
das Schreiben vom 15.11.2013 beim Kläger in Verstoß geraten sei und nunmehr zeitnah eine Beantwortung erfolgen werde. Daraufhin
wurde der Kläger mit Schreiben vom 25.02.2014 mit Fristsetzung zum 31.03.2014 aufgefordert, vorzutragen und Unterlagen vorzulegen.
Erst mit Fax vom 26.05.2014 hat der Klägervertreter - außerhalb der Frist - auf den Zeugen hingewiesen, ohne hierbei konkrete
Angaben zu den zu bezeugenden Tatsachen zu machen.
Dieser pauschale Verweis auf einen Zeugen ist bereits unsubstantiiert. Er genügt nicht den Anforderungen an den Vortrag im
Sinne des §
106a Abs.
2 Nr.
1 SGG. Selbst wenn dies der Fall wäre, so ist dieser Vortrag zumindest verspätet und das Zulassen des Vortrags würde zu einer Verzögerung
des Rechtsstreits führen.
Entscheidend ist für die Verspätung auch im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich der sog. absolute Verzögerungsbegriff.
Entscheidend ist also, ob der Rechtsstreit sich durch das Zulassen des Vortrag (und ggf. des Beweises) verzögern würde. Ob
der Rechtsstreit bei rechtzeitigem Vorbringen ebenso lange gedauert hätte, ist unerheblich, es sei denn, dies wäre offenkundig.
(Hauck, in Hennig,
SGG, Stand September 2010, RdNr 25; aA: Leitherer in: Meyer-Ladewig,
SGG, §
106, Rn. 16). Dass grundsätzlich der absolute Verzögerungsbegriff zugrunde zu legen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift,
da diese in §
106a Abs.
3 Nr.
1 SGG für die Verzögerung an die Zulassung anknüpft. Die Korrektur für offensichtliche Fälle durch den relativen Verzögerungsbegriff
ergibt sich daraus, dass die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung der Präklusionsvorschriften einer strengeren verfassungsgerichtlichen
Kontrolle unterworfen sind, als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts geschieht (vgl. BVerfG 09.05.2003, 1 BvR 2190/00; so auch: BT-Drucks. 16/7716, S. 20 zu §
106a SGG; ebenfalls: Tabbara, NZS 2008, S 8, 9).
Diese Auslegung entspricht auch der Rechtsprechung zu §
87b VwGO und §
296 ZPO (vgl. zu §
87b VwGO: BVerwG 18.02.1998, 11 A 6/97, [...]; zu §
296 ZPO: BGH 02.12.1982, VII ZR 71/82, [...]), wobei der Gesetzgeber für §
106a SGG vor allem an §
87b VwGO angeknüpft hat (vgl. BT-Drucks 16/7716, S 20). Unter der Prämisse, dass für den Fall, dass offensichtlich keine Verzögerung
durch den verspäteten Vortrag eingetreten ist, eine Ausnahme von dem absoluten Verzögerungsbegriff zugelassen wird, genügt
die Auslegung auch den oben genannten besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG 05.05.1987, 1 BvR 903/85, [...]).
Nach diesen Grundsätzen liegt hier eine Verzögerung vor. Ein Zulassen des Vortrags der Klägerseite würde den Rechtsstreit
verzögern, da eine Ladung des Zeugen am 26.05.2014 auf den Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.05.2014 nicht mehr möglich
war. Zudem ist hier eine Verzögerung durch die Verspätung des Vortrags nicht offensichtlich ausgeschlossen. Wäre der Vortrag
rechtzeitig eingegangen, so hätte der Zeuge im Vorfeld befragt oder zur mündlichen Verhandlung geladen werden können.
Die Verzögerung ist auch nicht genügend entschuldigt. Der Klägervertreter hat lediglich darauf hingewiesen, dass "wegen dringlicher
anderer zu erledigender Arbeiten ( ) um Verständnis gebeten (wird), dass so kurzfristig leider erst agiert werden konnte."
Die Präklusion ist hier auch nicht nach §
106a Abs.
3 Satz 3
SGG ausgeschlossen. Nach §
106a Abs.
3 Satz 3
SGG kann die Regelung über die Präklusion nicht angewendet werden, wenn es dem Gericht mit geringem Aufwand möglich ist, den
Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln. Das Gericht darf die Präklusionsregelung grundsätzlich nicht
zur Entlastung von der Amtsermittlungspflicht einsetzen (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig,
SGG, §
106a, Rn. 15). Ein solcher Fall ist jedoch nicht gegeben. Die gerichtlichen Ermittlungsmöglichkeiten sind gerade bei Vorgängen,
die im persönlichen Bereich des Klägers liegen, eingeschränkt. Ein nur geringer Aufwand kommt bei gerichtlichen Ermittlungen
aber nur dann in Betracht, wenn das Gericht über eigene effektive Ermittlungsmöglichkeiten verfügt (vgl. Brink in: Beck scher
Online-Kommentar,
VwGO, §
87b Rn. 24). Eine solche effektive Ermittlungsmöglichkeit liegt hier nicht vor. Nachweise über den vorgetragenen Umzug können
ohne Mitwirkungshandlungen des Klägers nicht erlangt werden.
Liegen damit die Voraussetzungen des §
106a Abs
3 SGG vor, so war unter dem Gesichtspunkt der Beschleunigung der angebotenen Zeugenbeweis zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlung
zu entscheiden.
Ist daher davon auszugehen, dass der Bescheid vom 03.06.2008 mit der Zustellung an den Kläger am 05.06.2008 wirksam bekannt
gegeben worden ist, so bedeutet dies, dass die Beteiligten (die Beigeladene und der Kläger) an die im Verwaltungsakt getroffene
Regelung gebunden sind. Mit der materiellen Bestandskraft wurde die Regelung des Verwaltungsakts für erlassende Behörde und
Beteiligte (§ 12 SGB X) grundsätzlich verbindlich. Neben dieser Bestandskraft kommt dem Bescheid jedoch auch Tatbestandswirkung zu. Die Tatbestandswirkung
bedeutet, dass außer der erlassenden Behörde, ihrem Rechtsträger und den Verfahrensbeteiligten andere Behörden, öffentliche
Rechtsträger und Gerichte den Erlass des Verwaltungsaktes und die in ihm getroffene Regelung (Verfügung) als maßgebend akzeptieren
müssen (Roos in von Wulffen, Kommentar SGB X, 7. Auflage, vor § 39 RdNr 4 mwN). Anerkannt ist in der Rechtsprechung, dass der Entscheidung des Versicherungsträgers über den versicherungsrechtlichen
Status einer Person Tatbestandswirkung zukommt (vgl BSG 24.09.1996, 1 RK 1/96; BSGE 79, 128 = SozR 3-1300 §
111 Nr
5). Dies gilt auch für den Fall des §
16 Abs
3a Satz 2
SGB V. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Gesetzessystematik und dem Gesetzeszweck. So ruht der Anspruch
auf Leistungen gemäß §
16 Abs
3a SGB V nach dem Wortlaut "nach den Vorschriften dieses Buches". Bereits damit wird deutlich, dass ein Ruhen der Beteiligten nicht
nur das jeweilige Versicherungsverhältnis betrifft, sondern alle Ansprüche des Versicherten nach dem
SGB V ausschließen will. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit der Begriff "Mitglieder" verwendet wird. So soll hierdurch
keine Begrenzung auf das Mitgliedschaftsverhältnis erreicht werden, vielmehr dient der Begriff zur Begrenzung des persönlichen
Umfangs des Ruhens. Das Ruhen betrifft nur den Versicherten, in dessen Person die Voraussetzungen des §
16 Abs
3a Satz 2
SGB V vorliegen. So tritt das Ruhen wegen Beitragsrückstandes nur ein, wenn der Versicherte mit Beitragsanteilen im Rückstand ist,
die er selbst zu zahlen hat; Rückstände durch zahlungspflichtige Dritte reichen nicht aus, um das Ruhen zu begründen. Vom
Ruhen der Ansprüche eines Stammversicherten werden die Ansprüche eines Familienversicherten nicht erfasst, weil er selbst
keine Beiträge zu zahlen hat (§
3 Satz 3
SGB V, Peters in KassKomm, §
16 RdNr 28). Bereits der Wortlaut der Vorschrift legt daher eine entsprechende Tatbestandswirkung nahe.
Darüber hinaus ergibt sich die Tatbestandswirkung auch aus der Gesetzessystematik. So ordnet §
16 SGB V das Ruhen grundsätzlich gesetzlich an. Gerade in §
16 Abs 3a Satz 2 SGB 5 ist jedoch ein entsprechend feststellender Verwaltungsakt erforderlich. Da Ausnahmeregelungen grundsätzlich
eng auszulegen sind, ist davon auszugehen, dass der entsprechend feststellende Verwaltungsakt nicht nur inter partes wirkt,
sondern im Fall der Feststellung auch Wirkung für alle anderen Rechtsverhältnisse trifft.
Insbesondere aber der Gesetzeszweck macht die Tatbestandswirkung im vorliegenden Fall deutlich. So wurde § 16 Abs 3a Satz 2 mit Wirkung vom 01.04.2007 durch Art 1 Nr 9a GKV-WSG vom 26.03.2007 (BGBl I 378) angefügt. Ein Beitragsrückstand führt damit zwar nicht mehr zum Ende der Versicherung, andererseits
sollte der Rückstand auch zukünftig nicht folgenlos bleiben. Dies wird in der Begründung zu Satz 2 des §
16 Abs
3a SGB V näher dargelegt, der während der Ausschussberatungen im Bundestag in dem Gesetzentwurf eingefügt worden ist (Beschlussempfehlungen
BT-Drs 16/4200 S 12 und Bericht BT-Drs 16/4247 S 31 jeweils zu §
16). Dementsprechend verlangt auch §
16 Abs
3 Satz 2
SGB V für das Ende des Ruhens, dass alle rückständigen und auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt wurden.
Sinn und Zweck der Vorschrift verbietet es also, dass sich ein Versicherter der Ruhenswirkung dadurch entzieht, dass er sein
Krankenversicherungsverhältnis mit einer Krankenkasse beendet um sodann ein neues Mitgliedschaftsverhältnis bei einer anderen
Krankenkasse zu beginnen. Der Sinn und Zweck der Vorschrift erfordert es daher, dass die Ruhenswirkung auch Auswirkungen auf
dieses Verhältnis hat, da ansonsten kein Anreiz zur Bezahlung der rückständigen Beiträge besteht, sondern lediglich ein Anreiz
zum Wechsel in eine andere Krankenkasse bestünde.
Kommt damit aber dem Bescheid der Beigeladenen vom 03.06.2008 Tatbestandswirkung zu, so war die Beklagte berechtigt und verpflichtet,
entsprechend der Tatsbestandswirkung einen entsprechenden Bescheid zu erlassen, in dem die Tatbestandswirkung auf das bei
ihr vorliegende Mitgliedschaftsverhältnis umgesetzt wurde. Insoweit stellt sich der Bescheid der Beklagten vom 11.11.2011
auch nicht als Zweitbescheid gegenüber dem Bescheid der Beigeladenen vom 03.06.2008 dar. Vielmehr hat die Beklagte mit ihrer
Entscheidung die Tatbestandswirkung umgesetzt. Dies wird sowohl in dem Bescheid vom 11.11.2011 als auch im Widerspruchsbescheid
deutlich. So nimmt die Beklagte in ihrem Bescheid vom 11.11.2011 ausdrücklich darauf Bezug, dass bei der BKK Gesundheit Beitragsrückstände
bestehen und daher der Leistungsanspruch ruhe. Noch deutlicher wird die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 17.02.2012. So
führt die Beklagte dort ausdrücklich aus, dass die Beigeladene am 03.06.2008 mitgeteilt habe, dass der Leistungsanspruch aufgrund
von Beitragsschulden ruhe. Aufgrund dessen habe die Beklagte zu Beginn der Mitgliedschaft auch einen Ruhensbescheid erlassen
müssen. Ferner wird weiter ausgeführt, dass bei einem Wechsel der Krankenkasse für den Versicherten zunächst ein voller Anspruch
auf Leistungen gegenüber der aufnehmenden Krankenkasse besteht. Sofern die abgebende Krankenkasse die aufnehmende Krankenkasse
darüber informiere, dass Beitragsrückstände im Sinne des §
16 Abs
3a Satz 2
SGB V bestünden, habe die aufnehmende Krankenkasse das Ruhen des Leistungsanspruchs auf Leistungen nach §
16 Abs
3a Satz 2
SGB V festzustellen und hierüber einen Verwaltungsakt zu erlassen. Insoweit ruhe der Anspruch auf Leistungen nach §
16 Abs
3a Satz 2
SGB V bei einem Wechsel des Versicherungsverhältnisses auch weiterhin.
Da der Kläger auch weder im sozialgerichtlichen noch im Verfahren vor dem Landessozialgericht Unterlagen vorgelegt hat, wonach
die Beitragsschulden beglichen wurden, ist auch nicht ersichtlich, dass der Bescheid der Beklagten vom 11.11.2011 bzw der
Beigeladenen vom 03.06.2008 nachträglich rechtswidrig wurde.
Damit aber ist der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 11.11.2011 nicht zu beanstanden. Das SG hat daher die Klage zutreffend abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG).