Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; Prüfung der Erfolgsaussichten
1. Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; es reicht für
die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat.
2. Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten
aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und
in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH-Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen.
3. Maßgebend für die Beurteilung der Erfolgsaussichten sind grundsätzlich die Verhältnisse und der Kenntnisstand im Zeitpunkt
der Beschlussfassung über die Beschwerde.
Gründe
I.
Streitig ist der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 02.01.2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin vorläufig Alg II bis Dezember 2014, ab Januar
2015 bestehe kein Anspruch mehr für die italienische Staatsangehörige aufgrund ihres fehlenden Arbeitnehmerstatus. Am 07.01.2015
hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Würzburg (SG) dahingehend begehrt, ihr vorläufig Alg II zu bewilligen. Ein Leistungsausschluss verstoße gegen Europarecht. Zugleich hat
sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt. Der u.a. auch um Stellungnahme zur begehrten Bewilligung von PKH
gebetene Antragsgegner hat sich am 08.01.2015 bereit erklärt, für die Zeit vom 01.01.2015 bis 31.05.2015 vorläufig Leistungen
zu erbringen. Daraufhin hat die Antragstellerin das Verfahren für erledigt erklärt und um eine Entscheidung über die Bewilligung
von PKH gebeten. Das SG hat den Antrag auf Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 19.01.2015 abgelehnt. Im frühestmöglichen Zeitpunkt der Entscheidung
über den Antrag auf Bewilligung von PKH, d.h. mit vollständigem Vorliegen des Fragebogens zu den persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen und der Stellungnahme des Antragsgegners zur Bewilligung von PKH, habe keine Erfolgsaussicht mehr bestanden,
denn der Antragsgegner habe Leistungen bewilligt, sodass einstweiliger Rechtsschutz nicht mehr geboten gewesen sei. Dagegen
hat die Antragstellerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen
Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§
172 Abs
1,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Mangels hinreichender Erfolgsaussicht besteht kein Anspruch auf die Bewilligung von PKH.
Nach §
73a Abs
1 SGG i.V.m. §
114 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält PKH ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung
nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die
Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit
für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 §
62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl. §
73a Rn.7) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung
und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit
des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts-
und Tatfragen sind nicht im PKH- Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung
zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch
nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die
durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem
Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres
Begehrens PKH vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff). Maßgebend für die Beurteilung der Erfolgsaussichten sind grundsätzlich die Verhältnisse und der Kenntnisstand
im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Beschwerde (Peters/ Sauter/Wolff,
SGG, 4.Aufl., §
176 Rdnr. 4). Ein früherer Zeitpunkt kommt allenfalls in Betracht, wenn sich die Entscheidung über den PKH-Antrag verzögert hat
und eine Änderung zum Nachteil der Antragstellerin eingetreten ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer,
SGG, 11.Aufl., §
73a Rdnr. 7b; vgl. dazu auch bereits: Beschluss des Senates vom 30.10.2008 - L 11 B 741/08 AS PKH). Die formalen Voraussetzungen zur Entscheidung über die Bewilligung von PKH sind nach Vorliegen des ausgefüllten
Fragebogens zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen dann erfüllt, wenn der Antragsgegner innerhalb einer ihm
gesetzten Frist eine Stellungnahme zu dem Antrag abgegeben hat (§
118 Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 1
ZPO). Besondere Gründe, die eine Stellungnahme des Antragsgegners als unzweckmäßig erscheinen lassen (§
118 Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 2
ZPO) sind vorliegend nicht erkennbar. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen des SG gemäß §
142 Abs.
2 Satz 3
SGG Bezug genommen. Der Antragsgegner hat bereits am 08.01.2015 mitgeteilt, dass er die von der Antragstellerin begehrte Leistung
erbringe. Er hat damit vor Ablauf der Frist zur Stellungnahme sich bereit erklärt, vorläufig Leistungen zu erbringen. Damit
aber bestand für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren keine Aussicht mehr auf Erfolg. Ob der Antragsgegner die Einleitung
eines einstweiligen Rechtsschutzverfahren verursacht hat, kann allenfalls bei der Frage der Kostenentscheidung hinsichtlich
des Hauptsacheverfahrens (hier: Einstweiliges Rechtsschutzverfahrens) berücksichtigt werden.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).